<59> einem Königreiche. Es war ehrenvoll, diesem Zwitterzustand ein Ende zu machen, und das war sicherlich einer der Beweggründe des Königs bei den großen Unternehmungen, zu denen so vieles ihn reizte.

Hätten sich auch der Erwerbung des Herzogtums Berg nicht schier unüberwindliche Hindernisse entgegengestellt, so war der Gegenstand doch so gering, daß das Haus Brandenburg nur sehr wenig Gebietszuwachs gewonnen hätte. Dieser Gedanke lenkte den Blick des Königs auf das Haus Österreich. Nach dem Tode des Kaisers war die österreichische Erbschaft umstritten und der Kaiserthron ledig. Das war natürlich ein überaus günstiges Zusammentreffen wegen der wichtigen Rolle, die der König in Deutschland spielte, wegen der verschiedenen Ansprüche des sächsischen und bayrischen Hauses auf die österreichischen Erblande, wegen der Menge der Bewerber, die sich zur Kaiserkrone melden würden, und schließlich wegen der Politik des Versailler Hofes, der diese Gelegenheit natürlich ergreifen mußte, um aus den Wirren, deren Ausbruch nach dem Tode Kaiser Karls VI. unausbleiblich war, seinen Vorteil zu ziehen.

Dieses Ereignis ließ nicht lange auf sich warten. Kaiser Karl VI. beschloß sein Leben auf seinem Lustschloß Favorita am 26. Oktober 17401. Die Nachricht kam nach Rheinsberg, als der König dort am viertägigen Fieber krank lag. Die Ärzte, in alte Vorurteile verrannt, wollten ihm kein Chinin geben. Er nahm es gegen ihren Willen, denn er hatte Wichtigeres vor, als seine Genesung abzuwarten. Unverzüglich entschloß er sich, die schlesischen Fürstentümer, auf die sein Haus unbestreitbare Ansprüche hatte, zurückzufordern, und zugleich rüstete er sich, um seine Ansprüche, wenn es sein mußte, mit Waffengewalt durchzusetzen. Dieser Plan erfüllte ihn ganz und gar. Das war der Weg, sich Ruhm zu erwerben, die Macht des Staates zu vergrößern und die strittige Erbfolge im Herzogtum Berg zu erledigen. Jedoch bevor der König sich völlig entschloß, wog er erst ab, welche Gefahren bei dem Wagnis eines solchen Krieges drohten, und andrerseits, welche Vorteile davon zu erhoffen waren.

Auf der einen Seite stand das mächtige Haus Österreich, dem es bei seinem ausgedehnten Länderbesitz nicht an Hilfsquellen fehlen konnte; eine Kaisertochter, die, wenn sie angegriffen wurde, im König von England, in der Republik Holland, sowie in der Mehrzahl der Reichsfürsten, die sich alle für die Pragmatische Sanktion verbürgt hatten, Verbündete finden mußte. Der Herzog von Kurland, der damals Rußland regierte, stand im Solde des Wiener Hofes. Zudem konnte die junge Königin von Ungarn Sachsen an sich fesseln, wenn sie ihm ein paar Kreise von Böhmen abtrat. Was schließlich die Einzelheiten der Ausführung betraf, so mußte die Mißernte des Jahres 1740 die Errichtung von Magazinen und die Verpflegung der Truppen als kaum durchführbar erscheinen lassen. Die Gefahren waren groß. Die Unbeständigkeit des Waffenglücks war zu fürchten. Eine verlorene Schlacht konnte alles entscheiden. Der König hatte keine Bundesgenossen und konnte den alten, unter den


1 Vielmehr am 20. Oktober; am 26. erhielt der König die Nachricht.