Während die Preußen sich um Neiße lagerten, rückte Feldmarschall Schwerin mit sieben Bataillonen und zehn Schwadronen in Oberschlesien ein und vertrieb den General Browne aus Jägerndorf, Troppau und dem Schlosse Gräz. Die Österreicher zogen sich nach Mähren zurück; die Preußen nahmen ihre Quartiere hinter der Oppa und dehnten sich bis nach Jablunka an der ungarischen Grenze aus.
Während dieser Kriegsereignisse unterhandelte Graf Gotter in Wien, mehr, um den diplomatischen Formen zu genügen, als in der Hoffnung, etwas auszurichten. Er hatte eine ziemlich nachdrückliche Sprache geführt, die wohl jeden andern Hof als den Karls VI. hätte einschüchtern können. Aber die Hofschranzen der Königin von Ungarn erklärten hochmütig, einem Fürsten, dessen Amt als Erzkämmerer es sei, dem Kaiser das Waschbecken zu halten, käme es nicht zu, der Kaisertochter Gesetze vorzuschreiben. Um dies österreichische Gerede zu übertrumpfen, hatte Graf Gotter die Dreistigkeit, dem Großherzog von Toskana einen Brief zu zeigen, den der König an ihn geschrieben hatte und in dem es hieß: „Will der Großherzog sich zugrunde richten, so möge er es tun!“ Der Großherzog schien dadurch erschüttert. Aber da ergriff Graf Kinsky, Kanzler von Böhmen, der Hochmütigste Mann an diesem eitlen Hofe, das Wort. Er erklärte alle Vorschläge des Grafen Gotter als beleidigend für die Ehre der Nachfolger der Cäsaren, flößte dem Großherzog wieder Mut ein und trug mehr als alle andern Minister zum Abbruch der Verhandlungen bei.
Europa war erstaunt über den unerwarteten Einfall in Schlesien. Die einen hielten diese Schilderhebung für Unbesonnenheit, die andern erklärten sie für Tollheit. Der englische Gesandte Robinson zu Wien behauptete, der König von Preußen verdiente politisch exkommuniziert zu werden.
Zur gleichen Zeit, wo Graf Gotter nach Wien abreiste, sandte der König Winterfeldt nach Rußland1. Der fand dort den Marchese Botta, der mit der ganzen Lebhaftigkeit seines Charakters die Interessen des Wiener Hofes verfocht. Indessen behielt in diesem Falle der gesunde Menschenverstand des Pommern die Oberhand über die italienische Arglist, und es gelang Winterfeldt mit Hilfe des Feldmarschalls Münnich, ein Verteidigungsbündnis mit Rußland abzuschließen2. Das war das Günstigste, was man unter so kritischen Umständen verlangen konnte.
Nachdem die Truppen ihre Winterquartiere bezogen hatten, verließ der König Schlesien und kehrte nach Berlin zurück, um für den nächsten Feldzug die nötigen Vorbereitungen zu treffen. Eine Verstärkung von 10 Bataillonen und 25 Schwadronen ward der Armee nachgesandt; und da die Absichten von Sachsen und Hannover zweideutig schienen, so wurde beschlossen, bei Brandenburg 30 Bataillone und 40 Schwadronen unter dem Befehl des Fürsten von Anhalt zusammenzuziehen, um die Haltung dieser Nachbarstaaten zu beobachten. Der Fürst von Anhalt
1 Vgl. S. 6. 61.
2 Am 27. Dezember 1740. Botta reiste erst am 28. aus Berlin nach Petersburg ab.