„<VI> Wie eine Bärin lecke ich meine Jungen und suche sie zu glätten. Dreißig Jahre liegen dazwischen; da genügt man sich nicht mehr. Und obwohl das Werk dazu bestimmt ist, für immer in irgendeinem staubigen Archiv vergraben zu bleiben, so wünsche ich doch nicht, daß es schlecht gemacht sei.“ Nach seinem eigenhändigen Vermerk auf dem Manuskript war am 1. Juni 1775 die Umarbeitung des Ersten, am 20. Juli die des Zweiten Schlesischen Krieges vollendet.
Die „Geschichte meiner Zeit“ — so nannte Friedrich jetzt das Werk; denn nicht von Anfang an führte es diesen Titel. Bei den beiden ersten Fassungen von 1742 und 1746 gebrauchte der König den Ausdruck „Denkwürdigkeiten“ oder „neue Denkwürdigkeiten“, wenn er von seinen Aufzeichnungen sprach. Aber schon bei der Fassung von 1746 hatte er etwas Größeres im Sinn, als nur seine Memoiren zu schreiben oder Kommentarien zur Zeitgeschichte zu liefern. Jene Niederschrift von 1746 war vielmehr gedacht als Teil eines großen Werkes, das die brandenburgisch-preußische Geschichte von den frühesten Zeiten bis auf die Gegenwart darstellen sollte. Den Anfang dieses Werkes bilden die „Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Hauses Brandenburg“1, die bis zur Thronbesteigung König Friedrichs führen. Das Manuskript der Niederschrift der beiden Schlesischen Kriege trägt daher den ausdrücklichen eigenhändigen Vermerk: „Zweiter und Dritter Teil der Geschichte Brandenburgs“. Und nur einem allgemeinen Brauche folgen wir, wenn wir diese Fassung von 1746 als erste Redaktion der „Geschichte meiner Zeit“ bezeichnen.
Wenn auch der König bei seinen späteren Umarbeitungen die früheren Niederschriften zugrunde legte, so weisen die einzelnen Fassungen doch bedeutsame Unterschiede untereinander auf. Der Stil der ersten Redaktion von 1742 ist, soweit die Fragmente ein Urteil gestatten, kurz und abgerissen; die Darstellung hat etwas Lapidares; sie gleicht mehr einem Entwurfe, in dem der Gang der Ereignisse mit knappen Stichworten skizziert wird, als einer fertigen Ausarbeitung. Auch die Redaktion von 1746 hat diesen Charakter noch keineswegs verloren; ihr fehlt die Ausgeglichenheit, der leichte Fluß, Mängel, denen der König nach seinem eigenen Geständnis bei der letzten Überarbeitung durch Feilung und Änderung abzuhelfen sucht.
Mit der äußeren Form wandelte sich der innere Gehalt. Die Bedeutung der beiden ersten Niederschriften von 1742 und 1746 liegt darin, daß sie unter dem frischen unmittelbaren Eindruck der Ereignisse entstanden sind. Sie sind, wie schon Leopold von Ranke für die Redaktion von 1746 betonte, für die allgemeinen Verhältnisse von Europa und selbst für die Anschauung einiger Begebenheiten von selbständigem Wert; denn überall finden sich Einzelheiten erzählt, „welche das Bild vervollständigen, die Motive der Entschlüsse, die Ursachen und Erfolge klarer herausstellen“.
Erscheint in diesen früheren Redaktionen der König inmitten des Flusses der Ereignisse, so steht er in der letzten Fassung von 1775 über den Dingen, auf hoher Warte.
1 Vgl. Bd. I.