6. Kapitel
Begebenheiten vor der Schlacht von Chotusitz. Disposition für die Schlacht. Gefecht bei Sahay. Belle-Isle kommt ins preußische Lager. Seine Abreise nach Sachsen. Friede zu Breslau.
Das Heer des Königs in Böhmen war in drei Korps geteilt: 16 Bataillone und 20 Schwadronen deckten das Hauptquartier zu Chrudim; 10 Bataillone und 20 Schwadronen unter dem Oberbefehl von Ieetze standen in der Gegend von Leitomischl, und mit der gleichen Anzahl hielt Kalckstein Kuttenberg besetzt. Diese drei Korps konnten in zweimal 24 Stunden zueinanderstoßen. Außerdem standen zwei Bataillone in der Festung Glatz; ein Bataillon deckte die Magazine zu Königgrätz und je eins die Vorräte zu Pardubitz, Podiebrad und Nimburg. Die Elbe floß also parallel hinter den preußischen Quartieren her, und die Magazine waren so angelegt, daß die Armee dem Feinde immer entgegenrücken konnte, mochte er kommen, von welcher Seite er wollte. Der Fürst von Anhalt war stärker als nötig, weil er keinen Feind vor sich hatte. Er behielt 18 Bataillone und 60 Schwadronen, um Oberschlesien zu decken, und schickte den General Derschau mit 8 Bataillonen und 30 Schwadronen zur Verstärkung der Armee nach Böhmen.
Als diese Verstärkung noch unterwegs war, traf die Nachricht ein, daß der Prinz von Lothringen Mähren verlasse und über Deutsch-Brod und Zwittau gegen Böhmen vorrücke. Man erfuhr sogar, daß Feldmarschall Königsegg, der eigentliche Führer des Heeres, gesagt habe, man müsse gerade auf Prag losgehen und unterwegs die Preußen schlagen. Er glaubte sie nur 15 000 Mann stark und hielt seine Übermacht für bedeutend genug, um ein so schwaches Korps ohne die geringste Gefahr anzugreifen. Man hat den Feldmarschall getadelt, daß er bei einem Feldzuge im eigenen Lande so schlechte Nachrichten hatte. Aber das war nicht ganz seine Schuld. Böhmen neigte mehr zu Bayern als zu Österreich. Die Preußen paßten gut auf und beobachteten sorgfältig alle, die sie etwa verraten konnten. Schließlich kamen Truppen an und andre gingen fort, sodaß diese verwickelten Bewegungen von den Bauern nicht durchschaut werden konnten. So urteilt man über Heerführer! Ihre Kunst be<113>steht im Kombinieren. Ob sie nun schlechte Spione haben, ob ihre Anordnungen schlecht ausgeführt werden, immer trifft sie der Tadel. Trotzdem drängt sich der Ehrgeizige zum Oberbefehl.
Beim Anrücken der Österreicher hatte der König die Wahl zwischen zwei Entschlüssen. Er konnte sich entweder hinter die Elbe zurückziehen oder dem Prinzen von Lothringen entgegengehen und ihm eine Schlacht liefern. Der letzte Entschluß siegte, nicht nur als der rühmlichere, sondern auch als der nützlichere; denn er mußte den Frieden beschleunigen, da, wie gesagt, die Verhandlungen einen entscheidenden Schlag nötig machten. Sofort zog der König sein Heer bei Chrudim zusammen (13. Mai). Hier war das Zentrum der Aufstellung; der rechte Flügel lehnte sich an Medleschitz, der linke an den Bach Chrudimka. Die Streifkorps, die Spione und die feindlichen Überläufer meldeten, daß der Prinz von Lothringen sich am selben Tage zu Setsch und Bojanow lagern und den 15. dort verbleiben wolle. Von andrer Seite erfuhr man, daß ein feindliches Detachement Czaslau genommen habe, daß ein zweites Korps auf Kuttenberg vorrücke und daß die Husaren sich der Brücke von Kolin bemächtigt hätten.
Königseggs Absicht schien, das preußische Magazin zu Nimburg wegzunehmen und dann gegen Prag vorzurücken. Um dies zu vereiteln, brach der König am 15. mit der Avantgarde auf. Die Armee folgte ihm, um Kuttenberg vor dem Feinde zu erreichen. Man mußte den Marsch beschleunigen, um für die Einrichtung der Feldbäckerei bei Podiebrad Zeit zu haben. Die Avantgarde war 10 Bataillone, 10 Dragoner- und 10 Husarenschwadronen stark. Der König bezog mit diesen Truppen auf der Höhe von Podhorschan, unfern Chotieborsch, eine Stellung, die trotz der geringen Truppenzahl uneinnehmbar war. Um sich im Gelände zu orientieren, machte er einen Erkundungsritt und entdeckte von einer Anhöhe aus ein feindliches Korps von ungefähr 7—8 000 Mann, das eine halbe Meile entfernt bei Wilimow lagerte. Man suchte die Stellung dieses Korps mit dem Marsche des Prinzen von Lothringen in Zusammenhang zu bringen und gelangte zu der Ansicht, es könne wohl Fürst Lobkowitz sein, der von Budweis käme, um zur Hauptarmee zu stoßen.
Erbprinz Leopold, der dem König folgte, erhielt Befehl, am folgenden Tage vorzurücken, damit die beiden Korps einander nahe genug wären, um sich gegenseitig helfen zu können. Indes sah man in der Gegend von Podhorschan nur viele kleine Streifkorps, die der Feind wahrscheinlich zur Erkundung des Lagers aussandte. Die preußischen Patrouillen gingen die ganze Nacht durch. Die Pferde der Kavallerie blieben gesattelt und die Mannschaften angekleidet, sodaß die Avantgarde vor jedem Überfall sicher war. Am folgenden Morgen (16. Mai) bei Tagesanbruch meldeten die Husaren, das Lager, das man am Abend zuvor bei Wilimow gesehen habe, sei verschwunden. Die Truppen, die man für das Korps des Fürsten Lobkowitz gehalten hatte, waren in der Tat die Avantgarde des Prinzen von Lothringen, der sich vorsichtig beim Anmarsche der Preußen zurückgezogen hatte.
<114>Sobald Erbprinz Leopold durch das Defilee bei Herschmanmiestetz gedrungen war, setzte die Avantgarde ihren Marsch fort. Der König suchte unterwegs eine Stellung für die Armee aus und ließ dem Erbprinzen sagen, er solle sich mit dem rechten Flügel an Czaslau und mit dem linken an dem Dorfe Chotusitz lagern. Die Avantgarde war dem Heere nur um eine halbe Meile voraus. Sie bezog Kantonnementsquartiere rechts von der preußischen Armee, zwischen Neuhof und Kuttenberg. In Kuttenberg fand man für die Österreicher gebackenes Brot und alles, was sonst ein Heer braucht. Die Avantgarde sollte sich auf ein gegebenes Zeichen — drei Kanonenschüsse auf der Anhöhe von Neuhof — zusammenziehen, was leicht auszuführen war, da die entferntesten Regimenter nur eine viertel Meile auseinanderstanden. Gegen Abend schicke Erbprinz Leopold an den König einen Offizier mit der Meldung, die Armee sei auf ihrem Marsche durch die Artillerie und das schwere Gepäck aufgehalten worden, und er sei deshalb erst bei Sonnenuntergang ins Lager gekommen, habe also Czaslau nicht mehr einnehmen können; ferner hätte er erfahren, daß Prinz Karl in Wilimow stehe, d. h. eine Meile vom preußischen Lager.
So bereitete sich die Schlacht vor, die der König liefern wollte. Mit dieser Absicht brach er am 17. morgens um 4 Uhr auf, um zum Erbprinzen Leopold zu stoßen. Auf den Anhöhen von Neuhof angelangt, entdeckte man die ganze österreichische Armee, die in der Nacht Czaslau erreicht hatte und nun in vier Kolonnen zum Angriff vorrückte. Die Preußen standen in einer Ebene, die zur Linken an den Sbislauer Park stößt. Zwischen diesem Park und dem Dorfe Chotusitz war das Gelände sumpfig und von einigen kleinen Bächen durchflossen. Ihr rechter Flügel erstreckte sich fast bis Neuhof, lehnte sich an eine Reihe von Teichen und hatte eine Anhöhe vor sich. Der König sandte dem General Buddenbrock Befehl, diese Anhöhe mit seiner Kavallerie zu besetzen. Erbprinz Leopold erhielt die Weisung, schnell die Zelte abzubrechen, zwei Drittel der Infanterie in das erste Treffen zu stellen und auf dem rechten Flügel des zweiten Treffens Raum für die Infanterie der Avantgarde zu lassen. Die ganze Avantgarde, Kavallerie wie Infanterie, rückte in vollem Lauf an, um sich der Armee anzuschließen. Die Dragoner wurden ins zweite Treffen an den Flügel des Generals Buddenbrock gestellt, die Husaren auf die Flanken. Die Infanterie formierte die Flanke und das zweite Treffen des rechten Flügels; denn die Preußen hatten bei Mollwitz gelernt, wie wichtig es ist, die Flanken gut zu decken.
Kaum war die Avantgarde dem Heere eingegliedert, als die Kanonade ihren Anfang nahm. Die 82 Geschütze der preußischen Artillerie unterhielten ein ziemlich lebhaftes Feuer. General Buddenbrock hatte auf der Anhöhe seine Kavallerie so aufgestellt, daß seine Rechte den Prinzen von Lothringen überflügelte. Er griff den Feind mit solchem Ungestüm an, daß er alles vor sich her niederwarf. Der ungeheure Staub war schuld daran, daß die Kavallerie ihre Vorteile nicht so ausnutzen konnte, wie man es hätte erwarten sollen. Die neu errichteten Bronikowski-Husaren waren bei der<115> Avantgarde des Königs gewesen. Die Kavallerie der Hauptarmee kannte ihre grünen Uniformen nicht und hielt sie für Feinde. Es entstand ein Geschrei: „Wir sind abgeschnitten!“ und dies erste siegreiche Treffen wandte sich in wilder Hast zur Flucht. Indessen warf Graf Rothenburg115-1, der mit den Dragonern das zweite Treffen bildete, ein großes feindliches Kavalleriekorps, das noch standgehalten hatte, zurück, fiel der österreichischen Infanterie in die Flanke, richtete sie übel zu und hätte sie völlig zusammengehauen, wären ihm nicht österreichische Kürassiere und Husaren in Rücken und Flanke gefallen. Rothenburg wurde verwundet, seine Kavallerie geriet in Unordnung und rettete sich mit Mühe aus dem Getümmel. Indessen sammelte sich die Kavallerie wieder, und als der Staub verflogen war, sah man an der Stätte des wilden Kampfgewühls nur noch fünf feindliche Schwadronen: die Württemberg-Dragoner des Obersten Bretlach.
Während dieses Reitergefechts war im feindlichen Fußvolk ein Schwanken zu spüren, das so lange anhielt, bis Königsegg sich entschloß, mit seinem rechten Flügel gegen den linken preußischen vorzustoßen. Dieser Entschluß war verständig; denn Erbprinz Leopold hatte anfangs zu lange gezögert, die Truppen in Schlachtordnung aufzustellen, und war hernach nicht mehr dazu gekommen, sie in möglichst vorteilhafte Stellung zu bringen. Er hatte das Dorf Chotusitz hastig besetzen lassen. Das Regiment Schwerin führte den Befehl zwar aus, aber schlecht und ohne Beobachtung der Regeln. Des Erbprinzen eignes Regiment stand links vom Dorfe, war aber an nichts angelehnt, da er ohne Prüfung des Geländes vorausgesetzt hatte, die Kavallerie des linken Flügels werde den Raum zwischen dem Regiment und dem Sbislauer Park einnehmen. Jedoch das Gelände war von Bächen durchschnitten und konnte von der Kavallerie nicht besetzt werden, sodaß sein linker Flügel ohne jede Deckung war.
Die Kavallerie versuchte in ihrem Eifer das Unmögliche. Sie ging teils durch das Dorf Chotusitz, teils über Brücken vor, um sich entwickeln zu können. Als sie in freies Gelände kam, fand sie Batthyany mit der österreichischen Kavallerie völlig aufmarschiert vor sich. Die Regimenter Prinz August Wilhelm, Alt-Waldow und Bredow brachen durch das erste und zweite feindliche Kavallerietreffen und hieben dann die ungarischen Infanterieregimenter Palffy und de Bettes, die Reserve der Österreicher, zusammen. Als sie merkten, daß sie in der Hitze des Gefechts zu weit vorgedrungen waren, schlugen sie sich wieder durch das zweite, dann durch das erste feindliche Infanterietreffen durch und kamen mit Ruhm bedeckt zum Heere zurück.
Das zweite Treffen des linken preußischen Kavallerieflügels wurde, als es aus dem Dorfe Chotusitz hervortrat, von einem österreichischen Korps angegriffen. Es fand keine Zeit zum Aufmarsch und wurde in einzelnen Trupps geschlagen. Königsegg sah, daß das Regiment des Erbprinzen Leopold durch den Abgang der Kavallerie ohne jede Flankendeckung war und richtete den Hauptstoß seines Fußvolkes<116> auf diese Blöße. Das Regiment wurde zum Weichen gebracht. Der Feind benutzte das, um das Dorf Chotusitz in Brand zu stecken. Eine große Torheit! Ein Dorf, das man einnehmen will, darf man nämlich niemals anzünden, weil man in ein brennendes Dorf nicht eindringen kann. Wohl aber empfiehlt es sich, ein Dorf, das man räumt, in Brand zu setzen, um den Feind am Verfolgen zu hindern. Das Regiment Schwerin ward beizeiten des Brandes gewahr, verließ das Dorf und formierte sich als Flanke des linken Flügels. Das Feuer errichtete gleichsam eine Scheidewand zwischen beiden Heeren und verhinderte den Kampf an dieser Stelle. Freilich hielt das den Feind nicht ab, den linken Flügel der Preußen rechts vom Dorfe anzugreifen. Unter anderm wollte hier das ungarische Infanterieregiment Gyulai116-1 mit blanker Waffe in die preußische Infanterie eindringen. Aber der Versuch fiel so übel aus, daß alsbald die ungarischen Soldaten und Offiziere, sowie auch das Regiment Leopold Daun vor den preußischen Linien am Boden lagen, als hätten sie das Gewehr gestreckt. Eine so furchtbare Waffe ist die gut geführte Schußwaffe geworden. Diesen Augenblick benutzte der König zu einem raschen Vorstoß gegen die linke Flanke der österreichischen Infanterie. Das entschied den Sieg. Die Feinde warfen sich auf ihren rechten Flügel zurück, wurden gegen die Daubrawa gedrängt und sahen sich auf ein Gelände beschränkt, auf dem sie nicht fechten konnten. Da entstand denn allgemeine Verwirrung. Bald war das ganze Feld mit Flüchtlingen bedeckt; General Buddenbrock setzte den Österreichern, deren Reihen sich völlig auflösten, heftig nach und verfolgte sie mit 40 Schwadronen und 10 Bataillonen bis auf eine Meile vom Schlachtfeld.
Die Preußen erbeuteten 18 Kanonen und 2 Fahnen und machten 1 200 Gefangene. Obwohl es keine große Schlacht gewesen war, verlor der Feind doch viele Offiziere, und wenn man Tote, Gefangene, Verwundete und Überläufer zusammenrechnet, so betrug sein Verlust ohne Übertreibung 7 000 Mann. Man hätte auch eine Menge Standarten erbeutet, wären sie nicht vorsichtshalber, unter Bedeckung von 300 Reitern, sämtlich zurückgelassen worden. Die Preußen verloren 11 Standarten, was um so weniger wunder nehmen kann, als es damals bei der österreichischen Kavallerie üblich war, vom Pferde aus zu schießen. Sie wurde zwar jedesmal geschlagen, aber dem Angreifer kostete das doch viele Leute. Die Preußen verloren an Toten 900 Reiter und 700 Infanteristen und hatten an 2 000 Verwundete. Die Generale Werdeck und Wedell, die Obersten Bismarck, Maltzahn, Kortzfleisch und Pritz116-2 fanden den Heldentod, und die Truppen vollbrachten Wunder der Tapferkeit.
Der Kampf dauerte nur drei Stunden. Die Schlacht bei Mollwitz war heftiger, blutiger und durch ihre Folgen wichtiger gewesen. Bei Chotusitz wäre auch durch eine preußische Niederlage der Staat nicht verloren gewesen, der Sieg aber brachte den Frieden.
<117>Auf beiden Seiten machten die Führer Fehler, deren Untersuchung sich empfiehlt, um ihrer Wiederholung vorzubeugen. Beginnen wir mit Königsegg. Er beschließt, die Preußen zu überfallen und bemächtigt sich bei Nacht Czaslaus, aber seine leichten Truppen plänkeln bis zum Tagesanbruch mit den preußischen Feldwachen. Geschah dies etwa mit der Absicht, die Preußen wachzuhalten, sie vor Überrumpelung zu warnen und auf sein Vorhaben recht aufmerksam zu machen? Am Tage der Schlacht (17. Mai) konnte er bei Morgengrauen über das Lager des Erbprinzen Leopold herfallen, da der König erst um 6 Uhr eintraf. Anstatt dessen wartet er bis 8 Uhr morgens, bevor er sich in Marsch setzt, und unterdes langt die preußische Avantgarde an. In der Schlacht selbst überläßt er dem General Buddenbrock die Besetzung einer vorteilhaften Anhöhe, von der die preußische Kavallerie auf seinen linken Flügel herabstürmt und ihn schlägt. Er nimmt das Dorf Chotusitz. Anstatt unter Benutzung dieses Dorfes die linke Flanke des Feindes zu umgehen, bringt er sich selbst um den gewonnenen Vorteil, indem er das Dorf in Brand steckt und es für seine eignen Truppen unpassierbar macht. Das rettet den linken Flügel der Preußen. Er richtet seine ganze Aufmerksamkeit auf seinen rechten Flügel und vernachlässigt den linken, den der König überflügelt und bis zum Bache Daubrawa zurückwirft, wo sich die Verwirrung dieses Flügels dem ganzen Heere mitteilt. So ließ er sich den Sieg in dem Augenblick, wo er ihn schon in der Hand hielt, entwinden und mußte die Flucht ergreifen, um der Schande der Gefangennahme zu entgehen.
Am Verhalten des Königs ist zu rügen, daß er nicht bei seiner Hauptarmee geblieben war. Die Avantgarde hätte er auch einem andern Offizier anvertrauen können, der sie ebensogut wie er selbst nach Kuttenberg zu führen vermochte. Für die mangelhafte Ausnutzung des Geländes ist jedoch nur Erbprinz Leopold verantwortlich zu machen. Er hätte die Befehle des Königs buchstäblich befolgen müssen und sich nicht in falscher Sicherheit wiegen dürfen. Er mußte die Absichten des Gegners, der die ganze Nacht durch ununterbrochen plänkelte, erkennen. Das Gelände, auf dem er zu kämpfen hatte, wußte er nicht richtig zu benutzen. Es war ein Fehler, daß er den Sbislauer Park, der seinen linken Flügel decke, nicht mit Infanterie besetzte, die dann Batthyanys Reiterei wohl gehindert hätte, näherzukommen. Seine Kavallerie hätte er mit Anlehnung an den Park aufstellen müssen, was bei einiger Wachsamkeit sehr wohl rechtzeitig auszuführen war. Seine Anordnungen auf dem rechten Flügel waren weniger mangelhaft. Wäre der Erbprinz so verfahren, wie hier angegeben wurde, so hätte die Kavallerie des linken Flügels die kleinen Bäche, die sie schließlich im Angesicht des Feindes überschreiten mußte, von Anfang an im Rücken gehabt und sich auf offenem Gelände in voller Freiheit entwickeln können. Dazu kommt, daß das Dorf Chotusitz nur scheinbar eine feste Stellung war. Zu halten war einzig der Kirchhof, aber auch der war von Holzhütten mit Strohdach umgeben, die beim ersten Infanteriefeuer in Brand geraten mußten. Wirklich verteidigen konnte man das Dorf nur, wenn man es zuvor verschanzte; da man aber<118> keine Zeit dazu gehabt hatte, so durfte man gar nicht erst versuchen, den Ort zu halten. Der Hauptfehler, den Erbprinz Leopold vor der Schlacht beging, war der, daß er an einen Angriff der Feinde nicht eher glauben wollte, als bis er ihre Kolonnen vor seiner Front sich entwickeln sah. Da war es freilich recht spät, an gute Anordnungen zu denken. Aber die Tapferkeit der Truppen siegte über die Feinde, über die Hindernisse des Geländes und über die Fehler ihrer eignen Führer. Ein solches Heer war imstande, einen Befehlshaber aus der Bedrängnis zu reißen, und der König selbst mußte zugestehen, daß er allen Grund hatte, sich bei seinem Heere zu bedanken.
Die Österreicher machten nach ihrer Niederlage erst drei Meilen vom Schlachtfelde halt, bei dem Dorfe Habern, wo sie auf den Gebirgshöhen ein befestigtes Lager bezogen. Hier stieß eine Verstärkung von 4 000 Mann zum Prinzen von Lothringen. Zugleich erhielt der König einen Nachschub von 6 000 Mann, die der Fürst von Anhalt ihm aus Oberschlesien unter dem Befehl des Generals Derschau zusandte. Die Preußen verfolgten die Feinde. Als ihre Vorhut gegen Abend in der Gegend von Habern erschien, zog der Prinz von Lothringen noch in derselben Nacht ab und eilte durch große Waldungen der Straße nach Deutsch-Brod zu. Die preußischen Truppen, die aus Mangel an Lebensmitteln nicht tiefer nach Böhmen eindringen konnten, lagerten sich bei Kuttenberg, um in der Nähe ihrer Magazine zu bleiben.
Während der Prinz von Lothringen sich von den Preußen schlagen ließ, ging Fürst Lobkowitz mit seinen 7 000 Mann über die Moldau und unternahm kühn die Belagerung von Frauenberg, dessen Schloß sich acht Tage halten konnte118-1. Broglie, der eine Verstärkung von 10 000 Mann erhalten hatte und bei dem nach Beendigung der Kaiserwahl zu Frankfurt auch der Marschall Belle-Isle eingetroffen war, schickte sich an, der Stadt zu Hilfe zu kommen. Bei Sahay mußte sein ganzes Korps durch ein sehr enges Defilee marschieren, das Lobkowitz mit einiger Infanterie besetzt hielt. Die ersten französischen Schwadronen, die heraustraten, griffen die Kürassierregimenter Hohenzollern und Bernes, den Nachtrab von Lobkowitz, ohne Plan und Ordnung an und schlugen sie (25. Mai). Die Österreicher hatten ein Gehölz im Rücken, wo sie sich mehrmals wieder sammelten. Da aber die Franzosen immer zahlreicher vorrücken, so drängten sie endlich den Feind zurück, und Lobkowitz brachte sich durch einen eiligen Rückzug auf Budweis in Sicherheit. Die österreichischen Kürassiere galten einst für die Säulen des Reiches. Aber die Schlachten bei Grocka und Mollwitz hatten ihnen ihre besten Offiziere geraubt, und man hatte für keinen gleichwertigen Ersatz gesorgt. Seitdem pflegte diese Truppe in regellosen Haufen zu schießen oder anzugreifen. Infolgedessen wurde sie oft geschlagen und verlor das Vertrauen auf die eigne Kraft, das die Grundlage aller Tapferkeit ist.
<119>Die Franzosen bauschten das Treffen bei Sahay zu einem großen Siege auf. Die Schlacht von Pharsalus machte in Rom nicht größeres Aufsehen als dies kleine Gefecht zu Paris. Die Schwäche des Kardinals Fleury bedurfte der Stärkung durch einige glückliche Erfolge, und die beiden Marschälle, die bei dem Angriff zugegen waren, wollten das Andenken ihres ehemaligen Rufes wieder auffrischen.
Marschall Belle-Isle, berauscht von seinen Erfolgen in Frankfurt und bei Sahay und eitel darauf, Deutschland einen Kaiser gegeben zu haben, kam ins Lager des Königs, um mit ihm zu verabreden, wie man die Sachsen wohl aus ihrer tödlichen Erschlaffung aufrütteln könnte. Belle-Isle hatte den Zeitpunkt schlecht gewählt. Der König dachte gar nicht daran, auf seine Absichten einzugehen. Alle die geheimen Unterhandlungen zwischen den Österreichern und dem Kardinal und die Kenntnis einiger Einzelheiten, die Fleurys Falschheit offenbarten, hatten das Vertrauen des Königs zu Frankreich zerstört. Man wußte, daß La Chétardie der Kaiserin von Rußland als das sicherste Mittel, sich mit Schweden auszusöhnen, vorgeschlagen hatte, Schweden auf Kosten des Königs von Preußen in Pommern zu entschädigen119-1. Die Kaiserin verwarf den Rat und teilte die Sache dem preußischen Gesandten an ihrem Hofe mit. Zugleich erklärte Kardinal Tencin im Namen des französischen Hofes dem Papste119-2, er brauche über das Emporkommen Preußens nicht in Sorge zu sein; Frankreich werde schon zur rechten Zelt die Dinge ins reine zu bringen wissen und die Ketzer ebenso wieder erniedrigen, wie es sie erhöht hätte. Dunkel vor allem und geeignet, das größte Mißtrauen gegen den Kardinal zu erwecken, war das Treiben eines gewissen du Fargis, eines Geheimagenten Fleurys in Wien119-3. Es war also unumgänglich notwendig, dem Kardinal zuvorzukommen, zumal zu all diesen politischen Gründen ein entscheidender finanzieller trat: es befanden sich kaum noch 150 000 Taler im Schatze. Mit einer so geringen Summe war es unmöglich, die Rüstungen eines neuen Feldzuges zu bestreiten. An Anleihen war ebensowenig zu denken wie an eines der andern Mittel, die den Fürsten in solchen Ländern zur Verfügung stehen, in denen Reichtum und Überfluß herrschen. All das bewog den König, dem Grafen Podewils, der damals in Breslau war, Vollmachten zum Abschluß des Friedens mit Lord Hyndford zu erteilen, der vom Wiener Hofe dazu ermächtigt war. Darum ließ sich der König auch auf keinen der Vorschläge des Marschalls Belle-Isle ein und füllte die Audienzen mit Komplimenten und Lobsprüchen aus.
Es war vorauszusehen, daß dem Marschall Broglie in der Lage, in die er sich gesetzt hatte, irgendein Unglück begegnen mußte. Aber Preußen hatte kein Interesse daran, daß den Österreichern durch neue Erfolge der Kamm schwoll, bevor der Friede unterzeichnet war. Zur Verhütung solcher unliebsamen Zwischenfälle unterrichtete der König den Marschall Broglie von den Bewegungen des Prinzen von Lothringen, der<120> zum Fürsten Lobkowitz stoßen wollte. Er stellte ihm vor, daß er gewärtig sein müsse, von der vereinigten österreichischen Macht angegriffen zu werden. Wollte er also nicht vor der Ankunft des Prinzen von Lothringen nachdrücklich gegen Lobkowitz vorgehen, so müsse er wenigstens Frauenberg mit Lebensmitteln versehen. Broglie schlug den Rat eines soviel jüngeren Mannes lachend in den Wind und blieb ruhig in Frauenberg stehen, ohne recht zu wissen, warum. Alsbald kamen die Österreicher an, nahmen ihm ein Detachement in Tein gefangen, überschritten die Moldau und plünderten die ganze französische Bagage. Broglie höchst verblüfft über das, was ihm zustieß, wußte nichts besseres, als nach Pisek zu fliehen. Auch dort gab er nur den Befehl: „Die Armee soll aufbrechen!“ und eilte weiter nach Beraun. Von da verjagten ihn 3 000 Kroaten und verfolgten ihn bis unter die Kanonen von Prag.
Auf diese schlechten Nachrichten hin sandte der König einen Kurier nach Breslau, um den Friedensschluß zu beschleunigen. Dank dem preußischen Sieg machte die Beredsamkeit Lord Hyndfords auf die österreichischen Minister jetzt sichtlich mehr Eindruck als zuvor. Sie gingen auf die Ratschläge des Königs von England ein, und es wurden folgende Friedenspräliminarien zu Breslau unterzeichnet120-1: 1. Die Königin von Ungarn tritt dem König von Preußen Ober- und Niederschlesien mit der Grafschaft Glatz ab, mit Ausnahme der Städte Troppau und Jägerndorf und des hohen Gebirgszuges jenseits der Oppa. 2. Die Preußen sind verpflichtet, den Engländern 1 700 000 Taler zurückzuzahlen, die als Hypothekenschuld auf Schlesien lasten. Die übrigen Artikel bezogen sich auf die Einstellung der Feindseligkeiten, die Auswechslung der Gefangenen, auf Religionsfreiheit und Handel.
So kam Schlesien an den preußischen Staat. Zwei Kriegsjahre hatten zur Eroberung dieser wichtigen Provinz genügt. Der vom verstorbenen König hinterlassene Schatz war fast erschöpft. Aber Staaten sind billig, wenn sie nur 7—8 Millionen kosten. Ein Zusammentreffen günstiger Umstände erleichterte das Unternehmen. Frankreich mußte sich in den Krieg hineinziehen lassen, Rußland von Schweden angegriffen werden, die Hannoveraner und Sachsen mußten sich aus Ängstlichkeit untätig verhalten, die Kette der Erfolge mußte ununterbrochen sein, und der König von England, Preußens Feind, mußte zähneknirschend ein Werkzeug der Erhebung Preußens werden. Was aber zum glücklichen Gelingen das meiste beitrug, das war ein Heer, das in zweiundzwanzigjähriger Arbeit zu bewundernswerter Mannszucht herangebildetworden war und alle Armeen Europas in Schatten stellte; das waren wahrhaft patriotische Offiziere, erfahrene und unbestechliche Staatsdiener; das war schließlich ein gewisses Glück, das so oft mit der Jugend ist, aber das Alter im Stiche läßt. Wäre die große Unternehmung mißlungen, so hätte man den König einen leichtsinnigen Fürsten gescholten, der Dinge unternimmt, die seine Kräfte übersteigen. Da sie ge<121>lang, sah man ihn als Glückskind an. In Wahrheit entscheidet allein das Glück über den Ruf: wer vom Glück begünstigt wird, erntet Beifall; wen es verschmäht, der wird getadelt.
Nach Austausch der Ratifikationen121-1 zog der König seine Truppen aus Böhmen zurück. Ein Teil ging durch Sachsen, um in die Erblande heimzukehren, der andre rückte nach Schlesien, um die neue Eroberung zu schützen.
115-1 Graf Friedrich Rudolf Rothenburg, preußischer Generalmajor.
116-1 Vielmehr das Regiment Starhemberg.
116-2 Ernst Ferdinand von Werdeck Hans von Wedell, August Friedrich von Bismarck, Freiherr Albrecht Herrmann von Maltzahn, Franz von Kortzfleisch, Hans Jakob von Pritz.
118-1 Anmerkung des Königs: „Bericht des Augenzeugen Wylich.“ (Dieser befand sich als preußischer militärischer Bevollmächtigter im französischen Hauptquartier.)
119-1 Anmerkung des Königs: „Siehe den Bericht Mardefelds.“
119-2 Benedikt XIV.
119-3 Der König irrt in diesem Punkte; denn du Fargis war allem Anschein nach eine mythische Persönlichkeit.
120-1 Am 11. Juni 1742.
121-1 In Berlin am 28. Juli 1742.