<117> eingehen und die verschiedenen Höfe Europas der Reihe nach durchgehen, um uns einen deutlichen Begriff von den Vorgängen an jedem von ihnen zu machen.

Im letzten Herbst war ein Ministerwechsel in England eingetreten. Fox, der durch die Intrigen des Herzogs von Cumberland ins Ministerium gedrungen war, fühlte selbst, daß er sich auf seinem Posten nicht zu halten vermöchte, da die ihm feindlich gesinnte Kabale die Oberhand gewann. So beschloß er denn, sein Amt freiwillig niederzulegen1. An seine Stelle trat Pitt, der durch seine Beredsamkeit und seinen hohen Geist der Abgott der Nation war, überdies auch der klügste Kopf in England. Durch seine Redegewalt hatte er sich das Unterhaus unterjocht und beherrschte es, ja, er war sozusagen seine Seele. Einmal ans Ruder gelangt, bot er seinen ganzen umfassenden Geist auf, um seinem Vaterlande die Vorherrschaft zur See zu sichern. Da er groß und edel dachte, so war er empört über die Konvention von Kloster Zeven, die er als Schimpf für England betrachtete. Das erste, was er in seiner neuen Stellung unternahm, war, diesen schändlichen Vertrag für ungültig zu erklären und die Erinnerung daran möglichst auszulöschen. Er überredete den König von England, den Prinzen Ferdinand von Braunschweig an die Spitze der verbündeten Armee zu stellen und ihn sich vom König von Preußen auszubitten2. Er machte den Vorschlag, die Truppen in Deutschland durch ein englisches Korps zu verstärken, das auch wirklich im Jahre 1758 zu ihnen stieß. Noch mehr, es erschien ihm für den Ruhm seines Volkes von Vorteil, die Bündnisse mit dem König von Preußen und verschiedenen deutschen Fürsten zu erneuern. Zu diesem Zweck sandte er Yorke nach Schlesien, wo eine neue Konvention unterzeichnet wurde3. In einem Artikel verpflichtete sich der König von England während der ganzen Dauer des Krieges zu einer jährlichen Subsidienzahlung von 4 Millionen Talern an Preußen. Der König sah sich zur Annahme dieser Subsidien genötigt, was sonst seiner Denkungsart widerstrebte4. Aber die Franzosen hatten seine Provinzen am Niederrhein gebrandschatzt, und die Russen konnten jeden Tag Ostpreußen besetzen. Das war um so weniger zu verhindern, als Feldmarschall Lehwaldt zum Kampf gegen die Schweden nach Pommern hatte eilen müssen5. Außerdem waren diese Subsidiengelder die einzige Hilfe, die man von England erhalten konnte. Die Forderung, ein Geschwader in die Ostsee zu schicken, war zu verschiedenen Malen abgelehnt worden.

Zur selben Zeit sandte Pitt den Ritter Keith nach Rußland, um durch seine Intrigen denen der französischen und österreichischen Partei entgegenzuarbeiten und womöglich der Kaiserin die Augen zu öffnen über die ihr eingeflößten Vorurteile, die


1 Nach dem Rücktritt von Fox (vgl. S. 60 f.) im Oktober 1756 wurde im Dezember William Pitt Staatssekretär der südlichen Angelegenheiten. Auf Verlangen des Herzogs von Cumberland mußte er im April 1757 sein Amt niederlegen, wurde aber im Juni des Jahres von neuem auf diesen Posten berufen.

2 Vgl. S. 101.

3 Der Subsidienvertrag vom 11. April 1758. Joseph Yorke bisher englischer Gesandter im Haag, war zur Ablösung Andrew Mitchells, des englischen Vertreters in Berlin, bestimmt. Doch machte König Friedrich die Abberufung Mitchells wieder rückgängig.

4 Vgl. Bd. VII, S. 158.

5 Vgl. S. 114.