Im selben Jahre starb auch der Sultan Osman1. Sein Nachfolger galt für kühner und unternehmungslustiger. Dieser Ruf ermutigte den preußischen Gesandten an der Pforte gleich nach seiner Thronbesteigung zu neuen Anstrengungen. Die Hauptsache war, beim Großherrn zur Audienz vorgelassen zu werden. Schon über ein Jahr suchte Rexin vergeblich diese Gunst zu erlangen. War sie doch nötig zur Anknüpfung der ihm aufgetragenen Unterhandlungen mit dem Großwesir und den höchsten Beamten2. Im Verlauf meiner Darstellung werden wir sehen, welche verschiedenen Formen jene Verhandlungen annahmen. Wir werden dabei Gelegenheit haben, oft zu bemerken, wie wenig die orientalischen Völker zur Befolgung gesunder und kluger politischer Grundsätze geeignet sind. Das kommt vor allem von ihrer völligen Unkenntnis der Staatsinteressen europäischer Fürsten, von der Feilheit der Völker und ihrer schlechten Verwaltung. Alles, was Krieg und Frieden betrifft, unterliegt der Entscheidung des Mufti, ohne dessen Fetwa man die osmanischen Truppen nicht in Bewegung setzen kann.
1 Osman III. († 28. Oktober 1757); ihm folgte Mustapha III.
2 Auf die Nachricht vom Tode des Sultans Mahmud V. († 13. Dezember 1754) hatte der König bereits im Jahre 1755 den früheren Kaufmann Gottfried Fabian Haude, der als Kenner der Türkei galt, unter dem Decknamen eines Geheimen Kommerzienrates Karl Adolf von Rexin nach Konstantinopel geschickt, um den Boden für einen Handels- und einen Defensivvertrag zu „sondieren“. Bei Ausbruch des Krieges im Herbste 1756 war Rexin zum zweitenmal an die Pforte gesandt worden, um die Verträge zum Abschluß zu bringen.