<153> Menschenleben hängt nur an einem Haar, und den Ausschlag für den Gewinn oder den Verlust einer Schlacht gibt oft nur eine erbärmliche Nichtigkeit. Unser Schicksal entsteht aus der Verkettung unberechenbarer Ursachen. In der Fülle von Ereignissen, die sie herbeiführen, müssen also notgedrungen die einen glücklich, die anderen verhängnisvoll sein.

Im selben Jahre endete das Pontifikat des Papstes Benedikt XIV.1, des am wenigsten abergläubischen, aufgeklärtesten Papstes, der seit lange auf dem römischen Stuhle gesessen hat. Die französische, spanische und österreichische Partei gab ihm zum Nachfolger den Venezianer Rezzonico, der den Namen Klemens XIII. annahm. Die geistige Verschiedenheit der beiden Päpste war auffallend. Klemens war vielleicht ein guter Priester, besaß aber keine jener Eigenschaften, die zur Beherrschung des Kirchenstaates und der römischen Weltkirche erforderlich sind. Schon seine ersten Schritte nach Besteigung des Papstthrones waren falsch. Er sandte dem Feldmarschall Daun einen geweihten Hut und einen geweihten Degen, weil er die Preußen bei Hochkirch geschlagen hatte2. Solche Geschenke pflegt der römische Hof sonst nur Feldherren zu geben, die über die Ungläubigen gesiegt oder wilde Völker gebändigt haben. Dieser aufsehenerregende Schritt mußte den Papst also notwendig mit dem König von Preußen entzweien, den er doch schonend hätte behandeln sollen, da viele preußische Untertanen katholisch waren.

Noch anstößiger waren die Händel, die Klemens XIII. mit dem König von Portugal wegen der Jesuiten bekam. Die Jesuiten in Paraguay hatten Krieg gegen die Spanier und Portugiesen geführt, ja sie geschlagen. Seit diesen Zwistigkeiten hielt es der König von Portugal für angezeigt, die Geheimnisse seines Gewissens und seiner Regierung den Mitgliedern der Gesellschaft Jesu zu entziehen, die sich als Feindin seines Reiches gezeigt hatte. Er verabschiedete also den Jesuiten, der sein Beichtvater war, und nahm sich einen aus einem anderen religiösen Orden. Zur Rache für diese vielleicht folgenschwere Schmach — denn andere Herrscher konnten dem Beispiel des Königs sehr wohl folgen—spannen die Jesuiten Intrigen in Portugal und wiegelten alle Granden, auf die sie Einfluß hatten, gegen die Regierung auf. Der Pater Malagrida, noch zelotischer und von noch glühenderem Priesterhaß erfüllt als seine Ordensbrüder, zettelte sogar eine Verschwörung gegen die Person des Königs an, deren


1 Benedikt XIV. (vgl. Bd. II, S. 42) starb am 3. Mai 1758.

2 Nach den Ergebnissen der neuesten Forschung ist der Sachverhalt folgender. Aus Anlaß der Schlacht bei Hochkirch sprach Papst Klemens dem Könige von Frankreich feierlich seine Freude über dessen Bündnis mit Österreich aus. In einem zweiten Breve ermahnte er den Kaiser als Schirmvogt der Kirche, die Rechte der Religion und des heiligen Reiches zu wahren. Im Januar 1759 erschien zunächst in der „Gazette de Cologne“ eine Andeutung über die Verleihung eines geweihten Hutes und Degens durch den Papst an Feldmarschall Daun. Sie wurde im März durch andere, vor allem holländische Zeitungen bestätigt, dann aber im August sowohl in einem Erlaß des Vatikans an den Wiener Nuntius wie auch durch den Wiener Hof selbst amtlich dementiert. Auf jene Zeitungsnachrichten hin hat König Friedrich, einer Anregung des Marquis d'Argens folgend, im Mai 1759 das satirische päpstliche Verleihungsbreve für Daun (vgl. Bd. V) verfaßt.