<182>lichsten Königs ihr Recht widerfahren. Leider aber ist nicht das gleiche vom Wiener Hofe zu sagen, dessen Gebaren seit der Unterzeichnung jenes Vertrages nur zu sehr das Gegenteil bewiesen hat.
Inzwischen nahm das Ränkespiel in Frankreich zu. Das Ziel, das man sich in Wien gesteckt hatte, war die langsame, unmerkliche Herbeiführung eines Bruches zwischen Frankreich und Preußen. Zu dem Zweck sparte man weder unredliche Mittel noch tückische Anschwärzungen, weder Listen noch betrügerische Winkelzüge.
Unter so kritischen Umständen, wo der Wiener Hof Europa von einem Ende bis zum anderen verhetzt, um dem König Feinde zu schaffen, wo er seine Schritte verleumdet, den harmlosesten Dingen schlimme Deutungen gibt, wo er die Mächte zu blenden, zu verführen und einzuschläfern sucht, je nachdem es ihm für seine Pläne günstig scheint — in einer Zeit, wo Maßnahmen zum Angriff auf den König getroffen werden, wo der Wiener Hof Munitions- und Proviantvorräte in Mähren und Böhmen anhäuft und gewaltige Rüstungen macht, wo er Lager von 80 000 Mann in seinen Staaten bildet, wo die Ungarn und Kroaten Postenketten längs der schlesischen Grenze ziehen, wo Lager an den preußischen Grenzen abgesteckt werden und der Friede dem Kriege gleicht, wohingegen alle preußischen Truppen ruhig im Quartier liegen und kein Zelt aufgeschlagen ist, glaubte der König das Schweigen brechen zu müssen.
Seine Majestät beauftragte Herrn von Klinggräffen, seinen bevollmächtigten Gesandten am Wiener Hofe, von der Kaiserin-Königin eine Erklärung zu fordern, ob all die großen Kriegsvorbereitungen an der schlesischen Grenze gegen den König gerichtet seien oder welches die Absichten Ihrer Kaiserlichen Majestät wären1. Die Kaiserin-Königin erwiderte wörtlich:
„Sie habe unter den gegenwärtigen Umständen sowohl zu ihrer eigenen Verteidigung wie zu der ihrer Verbündeten Rüstungen für angezeigt gehalten, die überdies nicht bezweckten, irgend jemand zum Schaden zu gereichen.“
Eine so unbestimmte Antwort in einem so kritischen Zeitpunkt erheischte eine bündigere Erklärung. Daraufhin erhielt Herr von Klinggräffen neue Weisungen und stellte der Kaiserin-Königin folgendes vor. Der König habe zu den schlimmen Absichten, die man der Kaiserin beimesse, geschwiegen, solange er es mit seiner Sicherheit und seinem Ruhme vereinbar gefunden hätte. Nun aber dürfe er nichts mehr verhehlen. Er (Klinggräffen) habe Befehl, ihr zu eröffnen, daß der König von den Angriffsplänen unterrichtet sei, die beide Höfe in Petersburg vereinbart hätten. Er wisse, daß sie ausgemacht hätten, ihn unvermutet gemeinsam anzugreifen, die Kaiserin-Königin mit 80 000 Mann, die Kaiserin von Rußland mit 120 000 Mann. Dieser Plan sollte im letzten Frühjahr zur Ausführung gelangen, sei aber auf das nächste Frühjahr verschoben worden, da es den russischen Truppen an Rekruten, an
1 Vgl. S. 175.