<34> die Erneuerung des Bündnisses und den geplanten Krieg ab1. Um aber Frankreich gegenüber offenes Spiel zu spielen und den Versailler Hof von der Ungefährlichkeit der neuen Abmachung mit England zu überzeugen, zeigte er dem Herzog von Nivernais ohne weiteres das Original des Londoner Vertrages. Die Nachricht von dem Bündnis mit England machte auf Ludwig XV. und seinen Staatsrat tiefen Eindruck. Es fehlte nicht viel, so hätten sie behauptet, der König von Preußen habe sich gegen Frankreich aufgelehnt. Bei unparteiischer Prüfung kommt man zu einem ganz anderen Ergebnis. Preußens Bündnis mit Frankreich lief in zwei Monaten ab. Als unumschränkter Herrscher war der König zu Abmachungen mit allen Nationen berechtigt, die seinen Staaten den größten Vorteil boten. Er brach also weder sein Wort, noch handelte er gegen seine Ehre, als er sich mit dem König von England verband, zumal es in der Absicht geschah, durch die neuen Vereinbarungen sowohl seinen Staaten wie ganz Deutschland den Frieden zu erhalten. Aber die Franzosen waren Vernunftgründen unzugänglich. In Versailles sprach man von nichts als vom „Abfall“ des Königs von Preußen, der seine alten Verbündeten treulos im Stiche ließe. Der Hof erging sich in Vorwürfen, die erkennen ließen, daß seine Empfindlichkeit sich nicht auf bloße Worte beschränken würde.

Wir haben im vorhergehenden Kapitel gesehen, mit wieviel List und Geschmeidigkeit der Wiener Hof sich dem Versailler Hofe zu nähern suchte und wie fleißig Graf Kaunitz seinen Aufenthalt in Paris benutzt hatte, um die französische Nation mit dem Gedanken eines österreichischen Bündnisses vertraut zu machen. Ein Augenblick schlechter Laune bei Ludwig XV., und die neue Mode des Versailler Kronrats, sich in Tiraden gegen den König von Preußen zu ergehen, konnte diesen Samen plötzlich zum Aufschießen bringen. Der französischen Nation erschien bei ihrer außerordentlichen Lebhaftigkeit ein Bündnis mit dem Hause Österreich als Meisterstück der Staatskunst. Nunmehr erhielt Graf Starhemberg2 von der Kaiserin-Königin den Auftrag, ein Bündnis zwischen beiden Höfen vorzuschlagen. Da man beiderseits die gleichen Absichten hegte, wurde man bald einig. Der Vertrag ward am 1. Mal 1756 im Namen des Allerchristlichsten Königs von Rouillé und dem Abbé Bernis3 unterzeichnet. Das berühmte, so prahlerisch als „Union der Großmächte“ angekündigte Abkommen war seiner Natur nach ein Defensivbündnis und enthielt in der Hauptsache das Versprechen einer Hilfeleistung von 24 000 Mann im Fall eines Angriffs auf einen der beiden Kontrahenten. Und doch sollte dieses Bündnis die Kaiserin-Königin zur Ausführung ihrer langgehegten großen Pläne ermutigen!

Angesichts der Verbindung zwischen den Häusern Österreich und Bourbon entstand die Befürchtung, daß der Londoner Vertrag die Ruhe Deutschlands nicht sichern könnte. Der Friede hing bloß noch an einem Haar. Es bedurfte nur eines


1 Nicht König Friedrich, sondern Frankreich verzichtete auf die Erneuerung des Bündnisses.

2 Der österreichische Gesandte in Paris.

3 Graf Bernis, Günstling der Marquise von Pompadour, wurde 1757 Mitglied des Staatsrats, dann Staatssekretär des Auswärtigen, aber Ende 1758 gestürzt.