<63> marschieren wollten und daß ihr Feldzugsplan sich lediglich gegen den König von Preußen richtete. Sie beabsichtigten, kurz gesagt, nichts, als Magdeburg zu belagern, und wenn die Hannoveraner dabei ruhig zusehen wollten, so würde ihr Land während des Feldzuges unbehelligt und das Ansehen der Herren Minister gewahrt bleiben. Dieser verlockende Gedanke hatte sich in den aberwitzigen Köpfen der hannöverschen Minister so festgesetzt, daß sie der französischen Armee beim Anmarsch auf die hannöversche Grenze englische Jäger als Führer entgegenschickten! So fielen die Minister ihrer Leichtgläubigkeit zum Opfer, und die Franzosen züchtigten sie für ihre Treulosigkeit gegen den König von Preußen, wie man aus dem Hergang des nächsten Feldzuges ersehen wird.

Während all diese Unterhandlungen Europa in Aufregung hielten, erfuhr der König von Preußen in Dresden neue Widerwärtigkeiten durch die Königin von Polen. Sie ließ ihn zwar täglich durch ihren Oberhofmeister, Baron Wessenberg, begrüßen und ihn überschwenglich ihrer Freundschaft versichern, stand aber in geheimem Einvernehmen mit den österreichischen Generalen und unterrichtete sie von allem, was sie irgend erfahren konnte. Ihr unerhörtes Betragen führte zu besonderen Vorsichtsmaßregeln. Um den Briefwechsel der Königin abzufangen, wurden an den Stadttoren alle Warenballen und Pakete aus Böhmen genau untersucht. Eines Tages öffnete man eine Kiste mit Würsten. Sie war an die Oberhofmeisterin der Königin, Gräfin Ogilvy, adressiert, die Güter in der Nähe von Leitmeritz besaß. Die Untersuchung der Würste ergab, daß sie mit Briefen vollgestopft waren. Nach dieser Entdeckung wurde der Hof in seiner Korrespondenz etwas zurückhaltender, aber das Spiel ging in gleicher Weise fort, nur mit dem Unterschied, daß man es noch schlauer betrieb. Auch ließ die Königin es in ihrer Tücke nicht dabei bewenden. Sie sandte geheime Agenten nach allen Garnisonen, in denen der König neue Regimenter aus den am Lilienstein gefangenen Sachsen errichtete, und ließ sie zu Aufsässigkeit, Meuterei und Desertion aufreizen. Das gelang auch bei vielen, sodaß bei Beginn des nächsten Feldzuges ganze Abteilungen meuterten und zum Feinde übergingen.

Der König von Polen und seine Verbündeten beabsichtigten, diese Truppen in Ungarn neu zu formieren und sie wieder auf den alten Stand vor ihrer Gefangennahme durch die Preußen zu bringen. Die Soldaten brachten sie zwar zusammen; da es aber an Offizieren fehlte, griffen sie zu einem in der Geschichte der weltlichen Fürsten beispiellosen Mittel. Die Kaiserin-Königin und der Allerchristlichste König entbanden die sächsischen Offiziere ihres Ehrenworts, nicht mehr gegen die Preußen zu fechten. Viele Offiziere waren feig genug, zu gehorchen. Im dunklen Mittelalter findet man wohl Päpste, die die Völker vom Treueid gegen ihre Herrscher lossprachen. Man findet einen Kardinal Julian Cesarini, der König Wladislav von Ungarn zum Bruche des Friedens bestimmte, den er Soliman geschworen hatte1.


1 Es handelt sich um den Frieden von Szegedin, den König Wladislav 1444 dem Sultan Murad II. zu halten schwur und auf Anstiften Cesarinis brach.