<81> Preußen griff sogar eine große feindliche Infanteriemasse an und hätte sie auch aufgerieben, hätte nicht in diesem Augenblick eine Batterie ihr Kartätschenfeuer auf das Regiment gerichtet. Nun prallte es in Verwirrung zurück und warf die hinter ihm stehenden Regimenter Bevern und Prinz Heinrich über den Haufen. Der Feind bemerkte das Durcheinander und trieb sofort seine Kavallerie vor. Sie benutzte den rechten Moment und machte die Verwirrung allgemein.
Der König wollte sie durch Kürassiere attackieren lassen, die in der Nähe standen und die die Schlappe zum Teil wieder hätten wettmachen können, aber er brachte sie nicht vom Fleck. Nun wandte er sich an zwei Schwadronen vom Dragonerregiment Meinicke, die der feindlichen Kavallerie in die Flanke fielen und sie bis an den Fuß der Höhen zurücktrieben. Von der ganzen Infanterielinie war nichts mehr übrig als das erste Bataillon Garde, das am rechten Flügel noch standhielt. Es hatte vier feindliche Infanteriebataillone und zwei Kavallerieregimenter, die es umzingeln wollten, zurückgeworfen. Aber ein Bataillon, und wäre es noch so tapfer, kann nicht allein eine Schlacht gewinnen. Noch behauptete sich Hülsen mit seiner Infanterie und einiger ihm zu Hilfe gesandter Kavallerie auf der Stelle, von der er die Österreicher bei Beginn der Schlacht vertrieben hatte. Er hielt sich bis 9 Uhr abends; dann mußte er mit der ganzen Armee den Rückzug antreten. Prinz Moritz führte die Truppen nach Nimburg und ging dort über die Elbe, ohne daß ein einziger feindlicher Husar ihm gefolgt wäre.
Die Schlacht bei Kolin kostete den König 8 000 Mann seiner besten Infanterie. Er verlor 16 Kanonen, deren Pferde gefallen waren und die man nicht hatte fortschaffen können.
Nachdem der König den Generalen die Rückzugsbefehle erteilt hatte, eilte er dorthin, wo er am nötigsten war: zu seiner Armee vor Prag. Er konnte sie erst am Abend des folgenden Tages erreichen und traf sofort Anstalten zur Aufhebung der Belagerung, die sich nach der Niederlage bei Kolin nicht länger fortsetzen ließ.
Das Eigenartige bei der Schlacht von Kolin war, daß die österreichische Infanterie sich bereits zum Rückzug anschickte und die Kavallerie gleichfalls zurückgehen wollte, als ein Oberst Ayasasa1 aus eigenem Antrieb die preußische Infanterie mit seinen Dragonern angriff, in dem Augenblick, wo sie durch die Kürassiere vom Regiment Prinz von Preußen in Unordnung geraten war. Dieser Erfolg machte den schon erteilten Rückzugsbefehl rückgängig. Ohne Zweifel befanden sich die Österreicher nach einer so erbitterten Schlacht in solcher Verwirrung, daß sie die Preußen nicht verfolgen konnten. Trotzdem blieben sie Sieger. Bei größerer Entschlossenheit und Tatkraft hätte Feldmarschall Daun mit seinem Heere schon am 20. Juni vor Prag sein können, und die Folgen der Schlacht von Kolin wären für die Preußen dann noch verhängnisvoller geworden als die Niederlage selbst.
1 Vielmehr der sächsische Oberstleutnant Ludwig Ernst von Benckendorff mit dem sächsischen Chevaulegerregiment Prinz Karl.