Früh am Morgen des 20. Juni hoben die Preußen die Belagerung auf. Das Korps, das bei Michle gestanden hatte, ging durch Alt-Bunzlau und Brandeis und dann über die Elbe, um sich mit der von Kolin kommenden Armee, die bei Nimburg lagerte, zu vereinigen. Das Korps des Feldmarschalls Keith sollte sich auf Welwarn zurückziehen, um die Magazine von Leitmeritz und Aussig zu decken. Aber allerhand Widerwärtigkeiten kamen dazwischen. Da die Brücken nicht schnell genug wiederhergestellt wurden, entstand ein Aufenthalt, und Feldmarschall Reich konnte sein Lager nicht vor elf Uhr verlassen. Die Truppen, die bei Michle standen, waren schon um drei Uhr morgens aufgebrochen. Der Prinz von Lothringen hatte sofort Nachricht vom Siege des Feldmarschalls Daun erhalten und rüstete sich zu einem Ausfall auf die Truppen des Feldmarschalls Reich, die eben ihre Zelte abbrechen wollten. Er drang auf der Klein-Seite vor und eröffnete eine lebhafte Kanonade auf die beiden preußischen Kolonnen, die sich über das Kloster St. Viktoria zurückzogen. Indes dämpften die Grenadiere der Nachhut das Ungestüm des Feindes, und der Prinz von Preußen nahm eine Stellung bei Rusyn ein, in der er den Rückzug der Truppen deckte. So verloren die Preußen beim Abzuge nur 200 Mann an Toten und Verwundeten. Der Prinz von Lothringen erbeutete zwei dreipfündige Kanonen, deren Pferde gefallen waren: das einzige Siegeszeichen, das er von seinem Ausfall zurückbrachte.
Das Korps, mit dem der König nach Brandeis marschiert war, lagerte am folgenden Tage bei Neu-Lysa, wo es sich mit den Trümmern der Truppen von Kolin vereinigte. Die Vermutung, Feldmarschall Daun würde nun gegen die Armee des Königs und der Prinz von Lothringen gegen die des Feldmarschalls Keith vorgehen, war irrig. Die Österreicher verloren viel Zeit mit dem Vorschieben ihrer Magazine, und erst nach acht Tagen vereinigten sich die beiden österreichischen Heere bei Brandeis. Der Prinz von Preußen übernahm das Kommando der Armee bei Neu-Lysa und marschierte mit ihr über Jung-Bunzlau nach Böhmisch-Leipa1. Der König dagegen schlug den Weg nach Melnik ein, um sich mit Feldmarschall Keith zu vereinigen und ihm Verstärkung zuzuführen. Bei Leitmeritz ging er über die Elbe, ließ aber, um seine Verbindung mit dem Prinzen von Preußen nicht zu verlieren, den Prinzen Heinrich mit einem Detachement bei Trebautitz am rechten Elbufer. Die Armee des Königs dehnte sich in der Ebene zwischen Leitmeritz und Lobositz aus. Einige Bataillone besetzten den Paschkopole und das Defilee von Welmina. Die sächsischen Pässe wurden von neu ausgehobenen Truppen bewacht. Leitmeritz hatte während der Belagerung von Prag als Depot gedient. Dort war das große Magazin und das Armeelazarett. Die Stadt selbst liegt in einem tiefen Grunde und kann nur durch Lager verteidigt werden, die
1 Schon seit Beginn des Krieges hatte der Prinz von Preußen, August Wilhelm, ein selbständiges Kommando begehrt. Am 1. Juli 1757 übernahm der Thronfolger, dem Winterfeldt als Berater mitgegeben wurde, den Oberbefehl über die zweite Armee in Jung-Bunzlau mit dem Auftrag, die Lausitz und Schlesien zu decken. Wenn irgend möglich, sollte er Böhmen nicht vor dem 15. August räumen und, rückte er nach Schlesien, den Weg durch die Lausitz nehmen.