<92> ein Detachement zur Deckung Magdeburgs oder zur Verstärkung der Besatzung abschicken. Da indessen Soubise in Erfurt stand, so wollte der König den Versuch machen, ihn von dort zu vertreiben. Dann war die Gefahr, seine Truppen zu schwächen, geringer. Aus diesem Grunde rückte er mit 2 000 Pferden, einem Freibataillon und zwei Grenadierbataillonen gegen Erfurt (13. September). Er traute seinen Augen kaum, als er die französische Armee aus der Cyriaksburg vor seiner Nase abziehen sah. Soubise glaubte sich in Erfurt nicht sicher und ging tatsächlich nach Gotha zurück. Kaum war er fort, so ließ der König die Stadt zur Übergabe auffordern. Sie kapitulierte unter der Bedingung, daß der Petersberg1 neutral bleiben, die Stadt von den Preußen besetzt und die Cyriaksburg von den Feinden geräumt werden sollte.
Sobald die Truppen bei Erfurt eine Art befestigter Stellung eingenommen hatten, verließ Prinz Ferdinand von Braunschweig die Armee mit 5 Bataillonen und 7 Schwadronen, um Magdeburg zu decken und dem Herzog von Richelieu die Spitze zu bieten. Der Prinz konnte sich noch durch 6 Bataillone aus der Festung verstärken. Das aber waren die einzigen Maßnahmen, die man unter den obwaltenden Umständen treffen konnte. Sie waren schwach und unzulänglich genug angesichts von 50 000 Franzosen, besonders wenn der Feind hätte energisch vorgehen wollen. Entschlossen, die Unzulänglichkeit der vorhandenen Mittel durch Geschicklichkeit zu ersetzen, rückte Prinz Ferdinand auf einem Umweg nach Magdeburg. Unterwegs stieß er in Egeln auf das Regiment Lusignan, machte 400 Gefangene und stellte sich dann keck bei Wanzleben auf, als wollte er den bei Halberstadt lagernden Richelieu herausfordern. In diesem Abschnitt des Feldzuges hatten die preußischen Streifkorps beständig das Übergewicht über die Franzosen, und es verging kaum ein Tag, wo sie dem Prinzen keine Gefangenen einbrachten.
Der König mußte bei seiner heiklen Lage seine Zuflucht zu allem nehmen, mußte List und Unterhandlungen, kurz, alle möglichen Mittel aufbieten, um sich etwas Luft zu schaffen. Bei solchen Versuchen verlor man ja auch nichts und hatte nur die Mühe, vielleicht erfolglose Auswege zu ersinnen. So begab sich Oberst Balbi, als Amtmann verkleidet, zum Herzog von Richelieu2, den er von einigen gemeinsamen Feldzügen in Flandern her kannte, um ihm Vorschläge zur Versöhnung des Ver-
1 Der Petersberg, die Zitadelle, lag westlich, die Cyriaksburg, ein vorgeschobenes geschlossenes Werk südwestlich der Stadt.
2 Der Ingenieuroberst Johann Friedrich von Balbi wurde am 14. August 1757 an den Grafen Neuwied, den Vermittler des Wiener Präliminarvertrages von 1735 (vgl. Bd. VII, S. 109), geschickt. Dieser hatte den König von der Bereitwilligkeit des Marschalls Belle-Isle, Friedensverhandlungen zu begünstigen, unterrichtet. Balbi wurde zu einem vorläufigen Abkommen ermächtigt, auf der Grundlage: keine Abtretungen, ein Waffenstillstand, um Abrede mit den Verbündeten zu treffen, Einschluß der Verbündeten und Erneuerung der Allianz mit Frankreich. In das Hauptquartier des Herzogs von Richelieu dagegen wurde am 6. September der Kammergerichtsrat von Eickstedt mit einem Schreiben des Königs entsandt, worin dieser den Frieden antrug und um Mitteilung der Bedingungen ersuchte. Richelieu erwiderte, er müsse in Paris anfragen, und der Versailler Hof erklärte, nur gemeinsam mit Österreich verhandeln und Frieden schließen zu wollen.