6. Kapitel
Feldzug von 1757.
Gegen Ende März bezogen die preußischen Truppen Kantonnementsquartiere. Sie waren in vier Korps geteilt. Prinz Moritz führte den Oberbefehl bei Zwickau. Der König stand mit der Hauptarmee zwischen Dresden, Pirna, Berggießhübel und Dippoldiswalde. Bei Zittau hatte der Herzog von Bevern sein Korps aus den Winterquartieren in der Lausitz zusammengezogen. Feldmarschall Schwerin war mit seiner Armee gegen die böhmische Grenze zwischen Glatz, Friedland und Landeshut gerückt. Nach dem Feldzugsplan sollten die vier Korps gleichzeitig in Böhmen eindringen und auf verschiedenen Wegen bei Prag zusammentreffen, das als Vereinigungspunkt galt. Durfte man sich von diesem allgemeinen Vormarsch doch große Verwirrung unter den verschiedenen, in ihren Quartieren verstreuten feindlichen Korps versprechen. Ja, man konnte hoffen, einige von ihnen zu überrumpeln und mit den andern Gelegenheit zu Sondergefechten zu finden. Rieb man nur einen Teil davon auf, so hätten die Preußen für den ganzen Feldzug das Übergewicht erlangt. Auch konnte es zu einer Entscheidungsschlacht kommen, die das Schicksal des ganzen Krieges bestimmte. Um so wichtiger war die Geheimhaltung des Planes. Gelingen konnte er nur bei völliger Unkenntnis von seiten der Feinde, des verräterischen sächsischen Hofes und der Armee selbst, die ihn aus Unachtsamkeit verbreitet hätte.
Um Freund wie Feind gleichermaßen irrezuführen, wurde Dresden befestigt und mit Palisaden versehen, kurz, in verteidigungsfähigen Zustand gesetzt. Gleichzeitig ließ der König, wie zur Vorbereitung auf einen Defensivkrieg, rings um Dresden eine Reihe von starken Lagern abstecken: bei Cotta, Maxen und Possendorf, beim Windberg und bei Mohorn. Die dabei verwendeten sächsischen Jäger hatten nichts Eiligeres zu tun, als es dem sächsischen Hofe zu hinterbringen, und die Königin von Polen verfehlte nicht, die Mitteilung sofort an die österreichischen Generale zu befördern. Indessen ließ man es bei diesen auf Täuschung berechneten Demonstrationen nicht bewenden. Um die feindlichen Generale noch mehr in Sicherheit zu wiegen, wurden einige schwache Einfälle in Böhmen gemacht, gewissermaßen zur Vergeltung für die Streifzüge, die der Feind im vergangenen Winter zur Beunruhigung der<67> Preußen in die Lausitz unternommen hatte. Zu diesem Zweck machte Prinz Moritz einen Vorstoß in der Richtung auf Eger. Feldmarschall Keith griff bei Schluckenau unerwartet ein österreichisches Detachement an. Bei Böhmisch-Friedland überraschte der Herzog von Bevern 400 Mann Fußvolk und Panduren und nahm sie gefangen. Alle diese kleinen Scharmützel wiegten die Kaiserlichen in Sicherheit. Sie redeten sich ein, der König beschränke sich auf kleine Handstreiche und habe nichts Größeres im Sinne.
Die vier preußischen Heeresabteilungen setzten sich teils am 20., teils am 21. April in Marsch. Prinz Moritz drang über Sebastiansberg in Böhmen ein und rückte von da auf Komotau. Der König lagerte bei Nollendorf, schob seine Avantgarde bis Karbitz vor und detachierte von da die Brigade Zastrow zur Besetzung von Aussig und zur Vertreibung der Österreicher aus dem Schlosse von Tetschen. Am nächsten Tage rückte die Armee bis Hlinay vor, wo Prinz Moritz von Brüx her zu ihr stieß (25. April). Beim Anmarsch der Preußen verlegten die Österreicher ihre Quartiere über die Eger zurück. Das Schloß von Tetschen ergab sich erst am 28. April. Leider fand Zastrow67-1 dabei den Tod.
Nun überschritt die Armee den Paschkopole, zog durch die Ebene von Lobositz und lagerte bei Trebnitz. Der rechte Flügel lehnte sich an den Paschkopole. Die Hasenburg wurde besetzt. Die Stellung lag der des Feldmarschalls Browne bei Budin gegenüber. Wie man wußte, erwartete Browne für den nächsten Morgen eine österreichische Division, die im Saazer und Egerer Kreis überwintert hatte. Um ihrer Vereinigung zuvorzukommen, ja selbst einen Angriff zu versuchen, bevor sie das Lager von Budin erreichte, beschloß man, die Armee noch in derselben Nacht anderthalb Meilen oberhalb des Browneschen Lagers über die Eger zu werfen. Bot sich dann auch keine Gelegenheit, die Division auf dem Marsche zu schlagen, so wurde Browne durch diese Bewegung doch wenigstens zum Aufgeben seiner umgangenen Stellung gezwungen. Daraufhin schlug man bei Koschtitz zwei Brücken. Sie wurden aber erst am nächsten Morgen so weit fertig, daß die Truppen über die Eger gehen konnten (27. April). Die sofort zur Rekognoszierung vorgeschickten Husaren stießen bei Perutz auf die Division, die sich mit Brownes Heer vereinigen sollte. Indes hatte der Feind vom Übergang der Preußen Kunde erhalten und zog sich auf Welwarn zurück, ohne daß man ihm etwas hätte anhaben können; denn bisher hatte kaum die Hälfte der Armee den Fluß überschritten. Auch hatte Feldmarschall Browne bemerkt, daß seine Stellung umgangen war, und da er begriff, daß eine Vereinigung mit der heranrückenden Division nur beim Rückzug auf Welwarn möglich war, brach er sofort dahin auf. Die preußischen Husaren beunruhigten seine Nachhut und machten einige Gefangene.
<68>Die Armee des Königs lagerte bei Budin und verwandte den folgenden Tag zur Instandsetzung der Egerbrücken, um die Verbindung mit Sachsen zu sichern. Die bedeutenden feindlichen Magazine bei Martinowes, Budin und Charwatetz fielen in die Hände der Preußen, wodurch die Verproviantierung der Truppen bedeutend erleichtert wurde. Von Budin rückten die Preußen auf Welwarn, das der Feind eben geräumt hatte, und schoben eine Avantgarde von 40 Schwadronen und allen Grenadieren der Armee bis nach Tuchomirschitz vor. Der König, der selbst bei der Avantgarde war, sah, daß Brownes Armee sich noch auf dem Marsche befand. Die Nachhut, die den Marschkolonnen folgte, reizte ihn durch ihr unsicheres Benehmen zum Angriff. Zieten führte ihn aus und nahm 300 Mann gefangen. Der Feind hatte sich anfangs auf dem Weißen Berge postiert, verließ ihn aber am 2. Mai. Die preußische Avantgarde besetzte ihn und sah, wie der Feind durch Prag marschierte und ein Lager am jenseitigen Ufer der Moldau aufschlug. Noch am selben Tage besetzte die Armee des Königs die ganze Umgegend der Stadt und schloß sie in eine Art von Ringwall ein. Ihr rechter Flügel lehnte sich an die obere Moldau. Von da zog sich das Lager um St. Rochus, das Kloster St. Maria de Viktoria und Weleslawin bis nach Podbaba an der unteren Moldau.
Während des Vormarsches der vom König geführten Armee war der Herzog von Bevern nicht müßig geblieben. Er war am 20. April in Böhmen eingerückt und hatte seinen Weg über Grottau und Kratzau auf Machendorf genommen. Unterwegs schlug seine Kavallerie ein österreichisches Detachement unter dem Grafen Königsegg, das zum Rekognoszieren vorgerückt war. Der Feind, dessen Stärke man auf 28 000 Mann schätzte, hatte bei Reichenberg eine vorteilhafte Stellung eingenommen. Am 21. April ging der Herzog von Bevern zum Angriff gegen ihn vor und marschierte in zwei Kolonnen nach Habendorf. Sein Weg führte über einen Damm. Er ließ sich dadurch aber keineswegs aufhalten, da der Feind den Weg nicht mit Musketenfeuer verteidigen konnte. Jenseits des Defilees stand Königseggs Korps in Hufeisenform. In der Mitte hielt die österreichische Kavallerie auf einer kleinen Ebene, zu drei Treffen formiert und von den beiden Infanterieflügeln umfaßt. Diese standen mit dem Rücken an dichte Wälder gelehnt und hatten vor sich an einigen Stellen Verhaue und mit Geschützen besetzte Schanzen, deren Feuer ihre Reiterei deckte.
Der rechte Flügel des Prinzen von Bevern griff den feindlichen linken Flügel an. Zugleich warfen sich 15 preußische Schwadronen auf die in der Ebene stehende Kavallerie und trieben sie in wilder Flucht zurück. Der Prinz von Württemberg verrichtete dabei Wunder der Tapferkeit. Nun griff Lestwitz den rechten feindlichen Flügel und die Schanzen an, die Reichenberg deckten. Obgleich es vorher durch mehrere Defileen mußte, eroberte das Regiment Darmstadt die Schanzen und zwang den Feind zur Flucht. Er wurde von Höhe zu Höhe bis Röchlitz und Dörfel verfolgt. Aber bei den Schwierigkeiten des bergigen Geländes und bei der Unmöglichkeit, einen in völliger Auflösung fliehenden Feind mit Truppen in geschlossener Ordnung einzuholen, konnte<69> der Herzog von Bevern das feindliche Korps nicht völlig aufreiben. Die Österreicher verloren im Treffen bei Reichenberg etwa 1 800 Mann, darunter 800 Gefangene. Dagegen betrugen die preußischen Verluste nicht mehr als 300 Mann, da der Feind keinen hartnäckigen Widerstand geleistet hatte. Der Herzog von Bevern verfolgte Königsegg bis Liebenau. Dort verbot ein unwegsamer Engpaß, hinter dem die Österreicher sich wieder gesammelt hatten, jedes weitere Vordringen.
Auf dieser Seite wäre ein weiterer Vormarsch der Preußen also unmöglich gewesen, wäre Feldmarschall Schwerin nicht rechtzeitig zur Unterstützung herangerückt. Die schlesische Armee drang am 18. April als erste in Böhmen ein, und zwar auf fünf verschiedenen Straßen. Die erste Kolonne marschierte über Schatzlar und hätte dort beinahe die sächsischen Prinzen überrascht. Die zweite stieß auf der Straße nach Goldenöls auf 300 Panduren, die ihr von einer schroffen Felshöhe herab den Durchzug verwehrten. Aber Winterfeldt fand Mittel und Wege, die Felsen durch einige Truppen erklimmen zu lassen. Sie fielen den Panduren in den Rücken und hieben sie sämtlich nieder. Die drei übrigen Kolonnen, die durch die Grafschaft Glatz rückten, trafen auf keinen Feind und vereinigten sich mit den andern bei Königinhof. Feldmarschall Schwerin hatte bereits Meldung von allem erhalten, was beim Heere des Herzogs von Bevern geschehen war. Deshalb zog er hinter Königsegg her, um ihn in seinem Lager bei Liebenau zu überrumpeln. Aber die Österreicher brachen ihr Lager in aller Hast ab und wollten auf Jung-Bunzlau marschieren. Hier kam ihnen Schwerin indes zuvor und nahm ihnen zugleich ein bedeutendes Magazin fort, das<70> sie in Kosmanos errichtet hatten (26. April). Dort stieß auch das Lausitzer Korps zur schlesischen Armee.
Während Königsegg sich in Eilmärschen auf Prag zurückzog, folgte ihm der Feldmarschall bis Benatek und detachierte von dort aus General Wartenberg70-1, um dem Feind auf den Fersen zu bleiben. Wartenberg vernichtete bei Alt-Bunzlau die 1 500 Mann starke österreichische Nachhut, die fast ganz getötet oder gefangen wurde (2. Mai). Aber auch der tapfere General, einer der besten preußischen Reiterführer, kam dabei ums Leben. Er wurde allgemein betrauert. Nun marschierte Fouqué mit der Avantgarde des Feldmarschalls auf Alt-Bunzlau und blieb dort bis zum 4. Mai, um die Elbbrücken wiederherzustellen, die die Feinde zur Deckung ihres Rückzuges abgebrochen hatten. Noch am selben Tage ging der Feldmarschall mit seinem Heere über die Elbe und schlug anderthalb Meilen von Prag sein Lager auf.
Ein Teil der Truppen, die im letzten Jahre von Piccolomini geführt worden waren, hatte sich noch nicht zusammengezogen. Nach Piccolominis Tode hatte Feldmarschall Daun das Kommando übernommen. Auf das Gerücht von den verschiedenen Einfällen der Preußen erhielt der Feldmarschall Befehl, seine Armee zu versammeln und unmittelbar gegen Prag vorzugehen. Dort erwartete ihn Browne um so sehnlicher, als er sah, daß die ganze preußische Heeresmacht unverzüglich über ihn herfallen würde. Der König erhielt Meldung vom Anmarsch des Feldmarschalls Daun, konnte aber gegen Browne, der durch die Moldau und Prag gedeckt war, nichts unternehmen. Überdies waren die Dinge bereits so weit gekommen, daß das Schicksal der beiden Armeen notwendig durch eine Schlacht entschieden werden mußte. Da man aber nur auf dem jenseitigen Moldauufer fechten konnte, beschloß der König, Browne noch vor seiner Vereinigung mit Daun anzugreifen. Zu dem Zweck ließ er bei Selz eine Brücke über die Moldau schlagen und überschritt sie am 5. Mai mit 20 Bataillonen und 40 Schwadronen. Er hatte Zeit, die feindliche Stellung zu rekognoszieren, und fand, daß ein Angriff auf Brownes Front zu schwierig war, während bei Umgehung des rechten feindlichen Flügels das Gelände größere Vorteile bot.
Bei Anbruch des folgenden Tages vereinigten sich die beiden preußischen Armeen in Kanonenschußweite vom Feinde, und der Angriff ward unverzüglich beschlossen. Der linke Flügel der Österreicher lehnte sich an den Ziskaberg und war durch die Festung Prag gedeckt. Eine Schlucht von mehr als 100 Fuß Tiefe schützte die Front, und der rechte Flügel endigte auf einer Anhöhe, an deren Fuß das Dorf Sterbohol liegt. Um den Kampf nicht mit zu ungleichen Waffen zu beginnen, mußte Browne gezwungen werden, einen Teil der Höhen zu verlassen und sich in die Ebene herabzuziehen. Zu dem Zweck änderte der König seine Schlachtordnung. Die Armee war in mehreren Kolonnen aufgebrochen. Nun wurde sie in zwei Treffen formiert und marschierte auf dem Wege nach Poczernitz links ab. Sobald Browne diese Bewegung<71> bemerkte, rückte er mit den Grenadieren der Reserve, der Kavallerie des linken Flügels und dem zweiten Infanterietreffen parallel neben den Preußen her. Das hatte man gerade erreichen wollen. Die Armee des Königs ging durch Defileen und Sümpfe, die die Truppen etwas auseinanderbrachten, auf Bechowitz vor. Die preußische Kavallerie stieß durch das Dorf und fand dahinter eine von einem Teich begrenzte Ebene, die ihr gerade Raum genug bot, sich zu formieren. Zwischen Dorf und Teich eingekeilt und gegen jeden Seitenangriff geschützt, griff sie die österreichische Kavallerie dreimal hintereinander herzhaft an, durchbrach sie und schlug sie völlig in die Flucht.
Kaum waren 10 Bataillone des linken Flügels aufgestellt, so griffen sie, noch ehe das zweite Treffen heran war, den Feind übereilt und mit mehr Mut als Klugheit an. Sie wurden von furchtbarem Artilleriefeuer empfangen und zurückgeworfen, aber wahrlich nicht zu ihrer Unehre; denn die tapfersten Offiziere und die Hälfte der Bataillone bedeckten das Schlachtfeld. Feldmarschall Schwerin war trotz seines hohen Alters noch vom ganzen Feuer der Jugend beseelt. Über das Zurückweichen der Preußen empört, ergriff er eine Fahne, setzte sich an die Spitze seines Regiments und führte es selbst zum Angriff vor. Er verrichtete Wunder der Tapferkeit, aber da noch nicht Truppen genug zur Unterstützung heran waren, so unterlag er und fand selbst den Tod. So endete er sein glorreiches Leben und erwarb sich noch im Sterben neuen Ruhm.
Mittlerweile rückte das zweite Treffen heran. Der König zog noch Prinz Ferdinand von Braunschweig mit einigen Regimentern herbei, und der Kampf wurde wieder aufgenommen. Das war um so leichter, als auch Tresckow71-1 mit seiner mehr rechts stehenden Brigade die feindlichen Reihen durchbrach. Nun ließ der König die Regimenter Markgraf Karl und Jung-Braunschweig vorrücken, nahm Tresckow auf und trieb die österreichische Infanterie mit vereinten Kräften bis über ihre Zelte hinaus, zu deren Abbrechen sie keine Zeit mehr gehabt hatte. Jetzt wurde die Flucht auf dem rechten feindlichen Flügel allgemein. Man rief nach der Kavallerie, um die Verwirrung auszunutzen, aber unglücklicherweise waren die Husaren und Dragoner über die Bagage des fliehenden Feindes hergefallen und kamen zu spät, um sich auf die Infanterie zu stürzen. Sonst wäre sie Mann für Mann gefangen genommen oder niedergehauen worden.
Das hinderte den König indes nicht, dem Feinde kräftig nachzusetzen. Puttkamer71-2 wurde mit Husaren gegen die Sazawa vorgeschickt, wohin sich ein Teil der Flüchtlinge gerettet hatte, und das Gros der Armee rückte gegen den Wischehrad, sodaß der linke Flügel der Österreicher völlig vom rechten abgeschnitten war.
Der rechte preußische Flügel sollte ursprünglich garmcht in die Schlacht eingreifen, erstens wegen der schon erwähnten, vor ihm liegenden tiefen Schlucht und zweitens<72> wegen des unvorteilhaften Geländes. Aber durch die Unvorsichtigkeit Mansteins72-1, den sein allzu hitziger Mut bisweilen fortriß, kam er dennoch ins Gefecht. Mansteins Ungestüm geriet beim Anblick des Feindes in Flammen, und er ging ohne Befehl zum Angriff vor. Prinz Heinrich und der Herzog von Bevern mißbilligten zwar sein Vorgehen, wollten ihn aber nicht im Stiche lassen und unterstützten daher seinen Angriff. Die preußische Infanterie erkletterte schroffe Felsen, die vom ganzen linken österreichischen Flügel und von zahlreicher Artillerie verteidigt wurden. Als Prinz Ferdinand von Braunschweig sah, daß es auf jener Seite zum Gefecht gekommen war und seine Anwesenheit auf dem linken Flügel, wo er keinen Feind mehr vor sich hatte, überflüssig wurde, fiel er den Österreichern in die Flanke und in den Rücken und unterstützte den Angriff des Prinzen Heinrich dadurch so vorteilhaft, daß dieser drei feindliche Batterien erobern konnte und den Gegner von Höhe zu Höhe verfolgte.
Die Besiegten, die sich im Rücken durch preußische Bataillone beim Dorfe Michle von der Sazawa abgeschnitten sahen, wußten sich nicht anders zu retten, als indem sie sich in die Stadt Prag warfen. Sie versuchten zwar, nach dem Wischehrad durchzubrechen, wurden aber dreimal von der preußischen Kavallerie zurückgetrieben. Sie versuchten ferner nach Königsaal72-2 zu entweichen, aber auch daran wurden sie durch Feldmarschall Keith gehindert, dessen Armee alle Höhen besetzt hielt, an deren Fuß sie vorbei mußten. Man wußte zwar, daß ein Teil der flüchtigen kaiserlichen Armee sich in die Stadt Prag geworfen hatte, aber die genaue Zahl war nicht bekannt, und so mußte man sich damit begnügen, die Stadt einzuschließen und zu blockieren, so gut es die Dunkelheit und das nach Siegen so häufige Durcheinander erlaubte.
Die Schlacht bei Prag begann um neun Uhr morgens und dauerte einschließlich der Verfolgung bis acht Uhr abends. Sie war eine der mörderischsten des ganzen Jahrhunderts. Die Österreicher verloren 24 000 Mann, darunter an Gefangenen 30 Offiziere und 5 000 Mann, außerdem 11 Standarten und 60 Kanonen. Die Verluste der Preußen beliefen sich auf 18 000 Mann, darunter Feldmarschall Schwerin, dessen Verlust allein 10 000 Mann aufwog. Sein Tod ließ die Lorbeern des Sieges welken: er war mit seinem Blute zu teuer erkauft. Bei Prag fielen auch die Säulen der preußischen Infanterie. Fouqué und Winterfeldt wurden schwer verwundet. Es fielen Hautcharmoy und Goltz, der Prinz von Holstein, Manstein vom Regiment Anhalt72-3 und zahlreiche tapfere Offiziere und altgediente Soldaten, zu deren Ersatz ein so blutiger und erbitterter Krieg keine Zeit ließ.
Am folgenden Morgen sandte der König den Obersten Krockow nach Prag, um die Stadt zur Übergabe aufzufordern. Der Oberst war höchst erstaunt, den Prinzen Karl von Lothringen dort zu finden und mit Sicherheit zu erfahren, daß 40 000 aus<73> der Schlacht entkommene Österreicher in Prag eingeschlossen waren. Auf diese Nachricht hin mußte der König verschiedene Maßnahmen ergreifen. Er bemächtigte sich des Fiskaberges, wo nun der rechte Flügel der Armee sein Lager aufschlug. Von hier zog sich die preußische Stellung unter Benutzung aller nach Prag abfallenden Weinberge über Michle bis Podol an der Moldau. Dort wurde zur Sicherung der Verbindung mit Feldmarschall Keith eine Brücke geschlagen, desgleichen bei Branik an der unteren Moldau.
Prag kann eigentlich nicht als Festung gelten. Es liegt in einer Niederung und ist von Weinbergen und Felsen umgeben, die es von allen Seiten gleichmäßig beherrschen. Die Gräben sind trocken, die Festungswerke nur mit leichtem Mauerwerk bekleidet, die Brustwehren an vielen Stellen zu schmal, die Wallinien zu lang, und alles war während des Friedens stark vernachlässigt, sodaß man die Werke an verschiedenen Stellen stürmen konnte. Andrerseits konnte die starke Besatzung nur in aller Form angegriffen werden. Dazu bedurfte es aber einer viel stärkeren Armee als der preußischen, die außerdem noch durch Entsendung notwendiger Detachements, auf die wir gleich eingehen werden, geschwächt war. Aus all diesen Gründen begnügte sich der König mit der Einschließung, um die Besatzung womöglich durch Hunger zur Übergabe zu zwingen. Er hoffte, die Getreidemagazine durch ein Bombardement in Brand schießen zu können, zog zu dem Zweck Mörser und Kanonen heran und ließ drei große Batterien errichten, eine auf dem Ziskaberge, die zweite vor Michle, die dritte bei der Stellung des Feldmarschalls Keith, nach dem Strohhof73-1 zu. Doch umsonst! In den Kasematten der Bastionen waren die Vorräte vor den preußischen Kanonen geschützt.
Während dieser Vorkehrungen zur Belagerung Prags war Feldmarschall Daun bis Böhmisch-Brod vorgerückt. Sofort sandte ihm der König Zieten entgegen, bald darauf auch den Herzog von Bevern mit 20 000 Mann, der erst nach Kaurzim, dann nach Kuttenberg marschierte und Daun immerfort zurückdrängte, sodaß er schließlich bis Habern getrieben wurde. Doch mit jedem Schritt rückwärts kam der österreichische Heerführer seinen eigenen Hilfstruppen näher und konnte die bei der Schlacht von Prag versprengten Truppen, die sich über die Sazawa gerettet hatten, an sich ziehen.
Inzwischen schickte der König den Obersten Mayr73-2 mit seinen Freischaren und ungefähr 500 Husaren ins Reich, um die deutschen Fürsten einzuschüchtern, die Versammlung der Reichsarmee zu erschweren und zugleich die Pedanten in Regensburg zu schrecken, deren beleidigende Geschwätzigkeit allen Regeln des Anstandes Hohn sprach. Mayr drang ins Bistum Bamberg ein, rückte bis Nürnberg vor, vertrieb aus Regensburg die hochfahrenden Reichsdeputierten, die sich als Richter von Königen aufspielten, und brach dann in die Oberpfalz ein. Der Kurfürst von Bayern73-3 und viele Fürsten<74> erschraken über seinen Einfall und schickten Unterhändler an den König. Kurz, das ganze Deutsche Reich hätte die Partei der Kaiserin-Königin verlassen, wenn nicht einer jener gewöhnlichen Umschläge des Kriegsglücks den Preußen einen Streich gespielt hätte. Im weiteren Verlaufe des Krieges werden wir häufig solchen Wechselfällen begegnen, die bald die Hoffnungen der Preußen, bald die der Kaiserlichen vernichteten. Mittlerweile dauerte die Belagerung Prags fort. Die Stadt wurde bombardiert, aber die Österreicher machten häufig Ausfälle. Eines Tages wollten sie die Batterien am Strohhof angreifen, aber Prinz Ferdinand von Preußen eilte herbei und warf sie mit einem Verlust von 1 200 Mann bis zum gedeckten Wege zurück. Ein andermal versuchten sie einen Ausfall nach dem Wischehrad, doch mit so wenig Vorsicht und Überlegung, daß sie den bei Podol errichteten preußischen Batterien die Flanke darboten. Das Geschützfeuer richtete große Verheerungen unter ihnen an, und sie mußten in wilder Flucht nach Prag zurückkehren. Ein drittes Mal unternahm der Prinz von Lothringen mit 4 000 Mann einen Ausfall auf der Klein-Seite und eroberte eine nur von fünfzig Mann verteidigte Feldschanze. Aber General Retzow trieb ihn alsbald zurück und verfolgte ihn bis an die Stadttore.
Die Preußen hatten bei der Belagerung nicht nur die Feinde, sondern auch die Elemente gegen sich. Infolge von Gewittern und Wolkenbrüchen schwoll die Moldau plötzlich an und riß die Brücke bei Branik fort. Die Strömung trieb die Pontons gegen die Brücke in Prag, sodaß die Feinde vierundzwanzig abfingen. Glücklicherweise entkamen ihnen zwanzig andere, die man bei Podol auffischte. Durch die zahl<75>reichen Bomben wurden einige Stadtteile arg beschädigt. Sogar eine feindliche Bäckerei ging in Flammen auf. Einstimmig berichteten die Überläufer, daß bereits Mangel an Lebensmitteln einträte und daß die Besatzung statt von Schlachtvieh von Pferdefleisch lebte. Ärgerlich war, daß sich weder mit Gewalt noch List gegen die Stadt etwas ausrichten ließ. Man mußte alles von der Zeit erwarten. Nur aus Hunger und Verzweiflung hätte der Prinz von Lothringen den Versuch machen können, sich mit der Waffe einen Weg durch die Preußen zu bahnen, waren doch die Quartiere der Belagerer wegen ihrer starken Verschanzungen unangreifbar. So hätte er sich denn nach einigen fruchtlosen Anstrengungen also doch ergeben müssen.
Der Plan, Prag mitsamt der eingeschlossenen Armee zu erobern, wäre indessen geglückt, hätte man ihm Zeit zum Reifen lassen können. So aber galt es, dem Feldmarschall Daun entgegenzutreten. Man mußte eine Schlacht liefern, und die ging verloren.
Wir verließen den Herzog von Bevern in seinem Lager in Kuttenberg und Feldmarschall Daun bei Habern. Dort erhielt er alle Verstärkungen, die der Wiener Hof aus den Garnisonen der Erbländer und von den ungarischen Truppen herbeiziehen konnte. Dazu kamen die Flüchtlinge aus der Prager Schlacht, sodaß seine Armee von 14 000 Mann, die sie bei Beginn des Feldzuges gehabt hatte, nun auf 60 000 anwuchs. Die starke Vermehrung seiner Streitkräfte warf alle bisherigen Pläne des Königs um. Er mußte den Herzog von Bevern unbedingt unterstützen, wenn dieser sich gegen eine dreifache Übermacht behaupten sollte. Andrerseits war eine Schwächung der Belagerungsarmee gewagt, da sie einen weiten Umkreis zu verteidigen hatte und die in der Stadt eingeschlossenen 40 000 Mann von Tag zu Tag einen Ausfall machen konnten. Dennoch erübrigte man durch sparsame Besetzung und teilweise Zusammenziehung oder Verstärkung der Stellungen 10 Bataillone und 20 Schwadronen. Dies Detachement durfte sich zwar von Prag entfernen, aber nicht zu lange, oder die Blockade mußte darunter leiden. Wollte man Prag und die darin eingeschlossene Armee in seine Gewalt bekommen, so mußte Feldmarschall Daun aus jener Gegend unbedingt vertrieben werden. Die Belagerungstruppen hatten zwar günstige Stellungen, um Ausfälle zurückzuweisen, bildeten aber nur ein einziges Treffen, und es wäre ihnen daher nicht möglich gewesen, sich in Front und Rücken zugleich zu verteidigen. Auch wäre den Belagerern, hätten sie sich rings um Prag selbst einschließen lassen, die Fourage ausgegangen, die sich die Kavallerie schon vier bis fünf Meilen weit vom Lager suchen mußte. Aus diesen triftigen Gründen beschloß der König, sich persönlich an die Spitze des Hilfskorps zu setzen, das zum Herzog von Bevern stoßen sollte. Er wollte sich an Ort und Stelle selber ein Urteil bilden, was am besten zu tun sei.
Am 13. Juni brach der König von Prag auf. Zugleich wurde Tresckow abgeschickt, um die Ufer der Sazawa vom Feinde zu säubern; denn die leichten Truppen des Feldmarschalls Daun fingen schon an, jene Gegend zu beunruhigen. Der König mar<76>schierte über Schwarz-Kosteletz auf Malotitz, wo Tresckow, der sich mehr rechts gehalten hatte, wieder zu ihm stieß. Des Königs Absicht war, Kolin zu erreichen, um sich mit dem Herzog von Bevern zu vereinigen. Jedoch stieß er bei Zasmuk auf eine starke feindliche Abteilung unter Nadasdy, die den Herzog von Bevern eigentlich schon von der preußischen Armee abschnitt. Bald darauf entdeckte man in der Ferne auf der Straße nach Kolin76-1 zwei Kolonnen, die in der Richtung auf Kaurzim marschierten. Durch abgesandte Kundschafter erfuhr man, es sei der Herzog von Bevern, der zur Vereinigung mit dem Heere des Königs heranrücke. Es war schon gegen Abend, und die Nacht brach herein, ohne daß der Herzog herankam. So mußte der König sich damit begnügen, ein Lager aufzuschlagen, so gut es die Dunkelheit erlaubte. Allerdings war er erstaunt über die völlig unerwartete Bewegung des Herzogs. Sie hatte indes folgende Gründe.
Am 13. Juni war der Herzog von Nadasdy bei Kuttenberg angegriffen worden und hatte ihn zurückgeschlagen. Gleichzeitig aber hatte Feldmarschall Daun die preußische Flanke zu umfassen versucht. Dieser Umgehung hatte der Herzog sich entzogen, indem er seine Stellung bei Kuttenberg mit der bei Kolin vertauschte. Dort erhielt er die Meldung, daß die bei Wysok lagernden Österreicher sich für den folgenden Morgen zum Angriff anschickten. Um sich dieser Gefahr nicht auszusetzen, zog er es vor, dem preußischen Hilfskorps entgegenzurücken, dessen Anmarsch ihm gemeldet war. Am nächsten Tage sollten die Wege nach Wysok rekognosziert werden, um Gewißheit über die Stellung des Feindes zu erlangen. Das mißlang aber wegen der dichten Wälder, die zudem voller Panduren waren. Noch am selben Tage76-2 griffen 4 000 Kroaten einen Proviantzug an, der von Nimburg zur Armee abgegangen war. Seine ganze Bedeckung bestand aus 200 Mann Infanterie unter Major Billerbeck76-3 vom Regiment Prinz Heinrich. Der tapfere Offizier verteidigte sich drei Stunden lang gegen die feindliche Übermacht, bis die Hilfstruppen ihn befreiten. Er verlor keinen Proviantwagen und hatte nur sieben Verwundete, was bei der Stärke der Angreifer sehr wenig war. Ein so geringfügiger Vorfall verdiente keine Erwähnung, wäre er nicht ein Beispiel dafür, was Tapferkeit und Entschlossenheit bei gut getroffenen Anordnungen im Kriege vermögen.
Das Gelände des preußischen Lagers war nicht vorteilhaft genug, um den Feind in gesicherter Stellung zu erwarten. Daher beschloß der König, nach Swojschitz zu rücken, wo die Gegend zur Verteidigung geeigneter war. Kaum aber war die Armee zur Besetzung dieser Stellung abmarschiert, so tauchte das Heer des Feldmarschalls Daun auf und formierte sich bei Swojschitz in einer Art Dreieck. Der linke Flügel zog sich nach Zasmuk, der rechte nach der Elbe zu. Die Front lag den Orten Kaurzim und Malotitz gegenüber. Sie war von einer sumpfigen Wiese gedeckt, durch die sich ein morastiger Bach schlängelte. Die veränderte Stellung des Feindes zwang auch<77> den König zur Änderung seiner Dispositionen. Die Armee schlug eine andere Richtung ein, zog sich mehr links auf Nimburg und lagerte dort in der Weise, daß sie links von ihrer Front Planjan und rechts Kaurzim hatte. Dieser Ort wurde zur Deckung der Flanke mit einem Bataillon besetzt. Bei Planjan stieß man auf ein österreichisches Korps, das offenbar einen Handstreich auf die preußischen Magazine bei Nimburg plante. Es wurde aber zum Rückzug gezwungen und nahm Stellung auf einer Anhöhe hinter Planjan, wo es die Nacht über blieb.
Des Königs Lage wurde von Tag zu Tag mißlicher und schwieriger. Seine Stellung taugte nichts, sein Lager war schmal und an die Berge gedrängt. In der Front war es freilich unangreifbar wegen des Morastes und des Baches, die beide Armeen trennten. Aber sein rechter Flügel war bei Kaurzim schlecht angelehnt, und Feldmarschall Daun hätte ihn jederzeit umgehen können, sobald er von Zasmuk auf Malotitz rückte. Hätte er das getan, so wäre er den Preußen in die Flanke gekommen und hätte sie rettungslos niedergehauen. Außerdem waren eine Menge entgegengesetzter Maßnahmen zu treffen, die garnicht alle auf einmal ausführbar waren, und doch durfte keine von ihnen ohne schweren Nachteil unterlassen werden. So mußte man die Magazine von Brandeis und Nimburg sichern, aus denen die Beobachtungsarmee ihr Brot bezog, mußte die Belagerungsarmee vor Prag decken, d. h. mit einem schwachen Korps eine doppelt überlegene Armee daran hindern, Detachements nach Prag zu schicken oder selbst heranzurücken. Denn je mehr der Feind die Schwäche der Preußen durchschaute, desto mehr hatten sie auf die Dauer eine Niederlage zu befürchten. Selbst wenn sie sich in der eingenommenen Stellung behaupteten, konnten sie Feldmarschall Daun doch nicht an der Absendung eines großen Detachements hindern, das längs der Sazawa vorrücken und den Preußen im Lager zwischen Branik und Michle in den Rücken fallen konnte. Dann wäre die Belagerungsarmee zwischen zwei Feuer geraten. Sie wäre im Rücken angegriffen worden, und zugleich hätte der Prinz von Lothringen einen Ausfall aus Prag gemacht. Dabei wäre sie wohl gänzlich geschlagen worden. Änderte der König aber seinen Entschluß und hielt es für geratener, sich auf Schwarz-Kosteletz oder Böhmisch-Brod zurückzuziehen, so fand er dort allerdings bessere Lagerplätze, aber die anderen erwähnten Unzuträglichkeiten blieben die gleichen. Denn näherte er sich der Elbe, so deckte er zwar die Magazine, ließ aber den Weg nach Prag offen. Zog er sich hingegen mehr auf die Sazawa zurück, so deckte er zwar die Belagerungsarmee besser, gab aber die Magazine preis und verließ obendrein eine zum Fouragieren geeignete Gegend, um sich in einem ausgesogenen Lande zusammenzupferchen, wo alle Lebensmittel aufgezehrt waren.
Andere, noch wichtigere Bedenken traten hinzu. Feldmarschall Daun führte eine Armee von 60 000 Mann, die die Kaiserin-Königin mit großen Kosten zusammengebracht hatte. Aller Wahrscheinlichkeit nach hätte es der Wiener Hof nicht ungestraft zugelassen, daß die Preußen im Angesicht einer solchen Truppenmacht den Prinzen von Lothringen mit 40 000 Mann zu Kriegsgefangenen machten. Wußte man doch<78> bereits, daß Feldmarschall Daun Befehl hatte, zum Entsatz des Prinzen das Äußerste zu wagen. So blieb dem König eigentlich nur die Wahl zwischen zwei Entschlüssen. Entweder er überließ es dem Feinde, die preußischen Truppen in ihren Stellungen anzugreifen, oder er kam dem Feinde selbst mit einem Angriff zuvor. Bedenkt man ferner, daß die Einnahme Prags jetzt nach der Verstärkung des Feldmarschalls Daun ohne einen zweiten Sieg unmöglich war, daß es aber die Waffenehre preisgeben hieß, wenn man die Belagerung beim Anrücken des Feindes aufhob, so war das Schlimmste, was im Fall eines feindlichen Sieges geschehen konnte, der Verzicht auf diese Belagerung.
Aber ein noch viel triftigerer Grund zwang den König zu einem entscheidenden Schlage. Gewann er nämlich noch eine Schlacht, so war seine völlige Überlegenheit über die Kaiserlichen besiegelt. Dann hätten die ohnedies schwankenden und unentschiedenen Reichsfürsten ihn um Bewilligung der Neutralität angefleht. Die Operationen der Franzosen in Deutschland wären gestört worden und vielleicht ganz zum Stillstand gekommen. Schweden wäre friedfertiger und vorsichtiger geworden. Ja selbst der Petersburger Hof hätte sich seine Schritte noch überlegt. Denn der König hätte dann seine Armee in Ostpreußen und sogar die des Herzogs von Cumberland unbedenklich verstärken können. Alle diese gewichtigen Gründe bewogen den König, Feldmarschall Daun am nächsten Tage in seiner Stellung anzugreifen.
Am 18. Juni frühmorgens brach die Armee auf. Sofort vertrieb Tresckow mit der Avantgarde das feindliche Korps, das sich am Tage vorher auf den Anhöhen hinter Planjan gelagert hatte. Damit mußte begonnen werden, um die Straße nach Kolin frei zu machen, auf der die Armee in zwei Kolonnen vorrücken sollte. In zwei Treffen marschierte sie der feindlichen Front gegenüber links ab. Sobald Feldmarschall Daun den Anmarsch bemerkte, änderte er seine Stellung, brach rechts ab und zog auf den Höhenkämmen nach Kolin zu. Vor der preußischen Armee hatte sich Nadasdy mit 4 000 bis 5 000 Husaren aufgestellt. Eine Kavallerieabteilung drängte ihn Schritt für Schritt zurück, aber der Marsch der Kolonnen wurde dadurch sehr aufgehalten. Indes trieb man die leichten Truppen immer weiter vor sich her, bis eine Anhöhe erreicht war, die man notwendig besetzen mußte, um den Feind anzugreifen.
Da die Truppen nicht so schnell anlangten, wie es zum Gelingen wünschenswert gewesen wäre, benutzte der König die Frist, um die Generale zu versammeln und mit ihnen den Schlachtplan zu verabreden. An der Straße nach Kolin, auf der die Preußen vorrückten, lag ein Wirtshaus78-1, von dem man einen deutlichen Einblick in die Aufstellung Dauns hatte und alle Teile des Schlachtfeldes überblicken konnte. Dort traf der König seinen Entschluß und befahl den Angriff auf den rechten feindlichen Flügel, der keine gute Anlehnung hatte. Zudem bot das Gelände dort keine großen Schwierigkeiten. Die österreichische Front zog sich über steile, abschüssige Felsen, an deren<79> Fuß einige von Panduren besetzte Dörfer über die Ebene verstreut lagen. So unangreifbar der Feind hier war, so leicht war ein Stoß gegen seinen rechten Flügel. Der Angriff des linken preußischen Flügels sollte von der bereits besetzten Anhöhe erfolgen. Davor lag ein einsamer, von Kroaten besetzter Friedhof79-1, den man zunächst nehmen mußte. Hielt man sich von da etwas links, so kam man der Armee des Feldmarschalls Daun in die Flanke und in den Rücken. Da die gesamte preußische Infanterie den Angriff unterstützen mußte, sollte der ganze rechte Flügel dem Feinde versagt werden. Deshalb verbot der König den dort kommandierenden Offizieren aufs strengste, über die Straße nach Kolin vorzugehen. Das war um so klüger, als die dem rechten preußischen Flügel gegenüberstehenden Österreicher ein ganz unzugängliches Terrain besetzt hielten. Hätten die Truppen die Anordnung des Königs befolgt, so hätte er während der Schlacht jederzeit Bataillone nach Bedarf zur Unterstützung der Brigaden heranziehen können, die den ersten Angriff unternahmen. Außer den erwähnten Maßnahmen erhielt Zieten Befehl, Nadasdy mit 40 Schwadronen die Spitze zu bieten, damit dieser die preußische Infanterie ungestört ließ. Die übrige Kavallerie wurde hinter der Infanterie als Reserve aufgestellt.
Nachdem alle Anordnungen getroffen waren, ging Hülsen79-2 mit 7 Bataillonen und 14 Geschützen zum Angriff vor. Von den übrigen 21 Bataillonen standen 15 im ersten und 6 im zweiten Treffen. Das war also der Schlachtplan, bei dessen Befolgung die Preußen gesiegt hätten. Aber man höre, was geschah!
Zieten griff Nadasdy an, schlug ihn völlig und verfolgte ihn bis Kolin, sodaß er von der österreichischen Armee abgedrängt wurde und während der ganzen Schlacht die Operationen des Königs nicht mehr durchkreuzen konnte. Um 1 Uhr nachmittags griff Hülsen den Friedhof und das Dorf Krczeczhorz von der Höhe herab an, ohne großen Widerstand zu finden. Dann eroberte er zwei Batterien von je zwölf Geschützen.
So ging beim ersten Angriff alles den Preußen nach Wunsch. Dann aber wurden Fehler begangen, die den Verlust der Schlacht herbeiführten. Prinz Moritz, der den linken Flügel der Infanterie führte, formierte sich 1 000 Schritt von jener Anhöhe, anstatt das eben von Hülsen eroberte Dorf zur Anlehnung zu benutzen. Seine Schlachtlinie hing also gleichsam in der Luft. Der König bemerkte es noch rechtzeitig und führte sie bis an den Fuß der Anhöhe. Da man schon lebhaftes Feuer auf dem rechten Flügel vernahm, war Eile vonnöten, und weil sich nichts anderes bot, füllte der König die Lücken des ersten Treffens mit den Bataillonen aus dem zweiten Treffen aus. Dann ritt er schleunigst zum rechten Flügel, um zu sehen, was es dort gab. Er fand, daß Manstein, der schon in der Schlacht bei Prag mit seiner Brigade so unzeitig angegriffen hatte79-3, hier wieder in denselben Fehler verfallen war. Manstein hatte im Dorf Chozenitz an der Straße, auf der er mit seiner Kolonne marschierte, Panduren bemerkt. Sogleich packte ihn die Lust, sie daraus zu vertreiben.<80> Gegen den Befehl dringt er in das Dorf ein, vertreibt den Feind, verfolgt ihn, gerät in das Kartätschenfeuer der österreichischen Batterien und wird seinerseits angegriffen. Der rechte Flügel der Infanterie rückt ihm zu Hilfe.
Als der König an Ort und Stelle ankam, war der Kampf schon so ernstlich im Gange, daß er die Truppen nicht mehr zurückziehen konnte, ohne sie einer Niederlage auszusetzen. Bald darauf wurde auch der linke Flügel mit dem Feind handgemein, obwohl es die Generale hätten verhindern können. Nun wurde die Schlacht allgemein, und was das schlimmste war, der König mußte sich mit der Rolle des Zuschauers begnügen, da er nicht ein einziges Reservebataillon übrig behielt. Feldmarschall Daun benutzte die Fehler der Preußen als großer Feldherr. Er zog hinter seiner Front die Reserven vor, die nun ihrerseits den bisher siegreichen Hülsen angriffen. Trotzdem hielt Hülsen sich noch, und hätte man ihm nur vier frische Bataillone zu Hilfe schicken können, so war die Schlacht gewonnen; denn er warf auch die österreichische Reserve zurück. Darauf sprengte das Dragonerregiment Normann in die feindliche Infanterie, zerstreute sie und eroberte 5 Fahnen, griff die sächsischen Garde-Karabiniers an und trieb sie bis nach Kolin. Mittlerweile machte die preußische Infanterie im Zentrum und auf dem rechten Flügel Fortschritte, errang aber keinen entscheidenden Erfolg. Alle Bataillone hatten stark unter dem Geschütz- und Gewehrfeuer gelitten. Sie waren um die Hälfte gelichtet und hatten dreimal so große Abstände, als es hätte sein dürfen. Da kein zweites Treffen und keine Reserve zur Ausfüllung der Lücken vorhanden war, mußte man Kürassierregimenter heranziehen. Sie wurden in einiger Entfernung hinter den Lücken postiert. Das Kavallerieregiment Prinz von<81> Preußen griff sogar eine große feindliche Infanteriemasse an und hätte sie auch aufgerieben, hätte nicht in diesem Augenblick eine Batterie ihr Kartätschenfeuer auf das Regiment gerichtet. Nun prallte es in Verwirrung zurück und warf die hinter ihm stehenden Regimenter Bevern und Prinz Heinrich über den Haufen. Der Feind bemerkte das Durcheinander und trieb sofort seine Kavallerie vor. Sie benutzte den rechten Moment und machte die Verwirrung allgemein.
Der König wollte sie durch Kürassiere attackieren lassen, die in der Nähe standen und die die Schlappe zum Teil wieder hätten wettmachen können, aber er brachte sie nicht vom Fleck. Nun wandte er sich an zwei Schwadronen vom Dragonerregiment Meinicke, die der feindlichen Kavallerie in die Flanke fielen und sie bis an den Fuß der Höhen zurücktrieben. Von der ganzen Infanterielinie war nichts mehr übrig als das erste Bataillon Garde, das am rechten Flügel noch standhielt. Es hatte vier feindliche Infanteriebataillone und zwei Kavallerieregimenter, die es umzingeln wollten, zurückgeworfen. Aber ein Bataillon, und wäre es noch so tapfer, kann nicht allein eine Schlacht gewinnen. Noch behauptete sich Hülsen mit seiner Infanterie und einiger ihm zu Hilfe gesandter Kavallerie auf der Stelle, von der er die Österreicher bei Beginn der Schlacht vertrieben hatte. Er hielt sich bis 9 Uhr abends; dann mußte er mit der ganzen Armee den Rückzug antreten. Prinz Moritz führte die Truppen nach Nimburg und ging dort über die Elbe, ohne daß ein einziger feindlicher Husar ihm gefolgt wäre.
Die Schlacht bei Kolin kostete den König 8 000 Mann seiner besten Infanterie. Er verlor 16 Kanonen, deren Pferde gefallen waren und die man nicht hatte fortschaffen können.
Nachdem der König den Generalen die Rückzugsbefehle erteilt hatte, eilte er dorthin, wo er am nötigsten war: zu seiner Armee vor Prag. Er konnte sie erst am Abend des folgenden Tages erreichen und traf sofort Anstalten zur Aufhebung der Belagerung, die sich nach der Niederlage bei Kolin nicht länger fortsetzen ließ.
Das Eigenartige bei der Schlacht von Kolin war, daß die österreichische Infanterie sich bereits zum Rückzug anschickte und die Kavallerie gleichfalls zurückgehen wollte, als ein Oberst Ayasasa81-1 aus eigenem Antrieb die preußische Infanterie mit seinen Dragonern angriff, in dem Augenblick, wo sie durch die Kürassiere vom Regiment Prinz von Preußen in Unordnung geraten war. Dieser Erfolg machte den schon erteilten Rückzugsbefehl rückgängig. Ohne Zweifel befanden sich die Österreicher nach einer so erbitterten Schlacht in solcher Verwirrung, daß sie die Preußen nicht verfolgen konnten. Trotzdem blieben sie Sieger. Bei größerer Entschlossenheit und Tatkraft hätte Feldmarschall Daun mit seinem Heere schon am 20. Juni vor Prag sein können, und die Folgen der Schlacht von Kolin wären für die Preußen dann noch verhängnisvoller geworden als die Niederlage selbst.
<82>Früh am Morgen des 20. Juni hoben die Preußen die Belagerung auf. Das Korps, das bei Michle gestanden hatte, ging durch Alt-Bunzlau und Brandeis und dann über die Elbe, um sich mit der von Kolin kommenden Armee, die bei Nimburg lagerte, zu vereinigen. Das Korps des Feldmarschalls Keith sollte sich auf Welwarn zurückziehen, um die Magazine von Leitmeritz und Aussig zu decken. Aber allerhand Widerwärtigkeiten kamen dazwischen. Da die Brücken nicht schnell genug wiederhergestellt wurden, entstand ein Aufenthalt, und Feldmarschall Reich konnte sein Lager nicht vor elf Uhr verlassen. Die Truppen, die bei Michle standen, waren schon um drei Uhr morgens aufgebrochen. Der Prinz von Lothringen hatte sofort Nachricht vom Siege des Feldmarschalls Daun erhalten und rüstete sich zu einem Ausfall auf die Truppen des Feldmarschalls Reich, die eben ihre Zelte abbrechen wollten. Er drang auf der Klein-Seite vor und eröffnete eine lebhafte Kanonade auf die beiden preußischen Kolonnen, die sich über das Kloster St. Viktoria zurückzogen. Indes dämpften die Grenadiere der Nachhut das Ungestüm des Feindes, und der Prinz von Preußen nahm eine Stellung bei Rusyn ein, in der er den Rückzug der Truppen deckte. So verloren die Preußen beim Abzuge nur 200 Mann an Toten und Verwundeten. Der Prinz von Lothringen erbeutete zwei dreipfündige Kanonen, deren Pferde gefallen waren: das einzige Siegeszeichen, das er von seinem Ausfall zurückbrachte.
Das Korps, mit dem der König nach Brandeis marschiert war, lagerte am folgenden Tage bei Neu-Lysa, wo es sich mit den Trümmern der Truppen von Kolin vereinigte. Die Vermutung, Feldmarschall Daun würde nun gegen die Armee des Königs und der Prinz von Lothringen gegen die des Feldmarschalls Keith vorgehen, war irrig. Die Österreicher verloren viel Zeit mit dem Vorschieben ihrer Magazine, und erst nach acht Tagen vereinigten sich die beiden österreichischen Heere bei Brandeis. Der Prinz von Preußen übernahm das Kommando der Armee bei Neu-Lysa und marschierte mit ihr über Jung-Bunzlau nach Böhmisch-Leipa82-1. Der König dagegen schlug den Weg nach Melnik ein, um sich mit Feldmarschall Keith zu vereinigen und ihm Verstärkung zuzuführen. Bei Leitmeritz ging er über die Elbe, ließ aber, um seine Verbindung mit dem Prinzen von Preußen nicht zu verlieren, den Prinzen Heinrich mit einem Detachement bei Trebautitz am rechten Elbufer. Die Armee des Königs dehnte sich in der Ebene zwischen Leitmeritz und Lobositz aus. Einige Bataillone besetzten den Paschkopole und das Defilee von Welmina. Die sächsischen Pässe wurden von neu ausgehobenen Truppen bewacht. Leitmeritz hatte während der Belagerung von Prag als Depot gedient. Dort war das große Magazin und das Armeelazarett. Die Stadt selbst liegt in einem tiefen Grunde und kann nur durch Lager verteidigt werden, die<83> die Berge im Umkreis besetzt halten. Sobald die Truppen in Leitmeritz eintrafen, begann man mit der Fortschaffung der Kranken, der Munition und der dort lagernden Geschütze. Doch so sehr man die Transporte beschleunigte, man kam erst am 20. Juli damit zu Ende.
Anfang Juli näherte sich Nadasdy den Preußen. Er lagerte bei Gastorf, dem Korps des Prinzen Heinrich gegenüber, und gab sich alle Mühe, die Verbindung zwischen den preußischen Lagern bei Leitmeritz und Böhmisch-Leipa zu unterbrechen. Das gelang ihm auch ohne Mühe: er sandte seine Panduren ringsum in die Wälder und nach den zahlreichen Defileen, die sich in jenem Teil Böhmens befinden. Auf dem linken Elbufer erschien nur ein kleines österreichisches Korps unter Laudon. Der hatte sich mit 2 000 Panduren am Fuße des Paschkopole eingenistet, von wo er die Landstraßen unsicher machte und die Detachements beunruhigte, sonst aber wenig erreichte. Nur ein Handstreich gelang ihm, und der wurde verhängnisvoll für Manstein — denselben, der die Schlacht bei Prag begonnen und den Verlust der Schlacht von Kolin verschuldet hatte83-1. General Manstein ließ sich von einer Eskorte von 200 neu ausgehobenen Leuten nach Sachsen bringen, um sich dort von seinen Wunden zu kurieren. Unterwegs wird er von Laudon angegriffen. Die Eskorte gerät in Unordnung. Manstein springt aus seinem Wagen, greift zum Degen, verteidigt sich wie ein Verzweifelter, weist das angebotene Pardon zurück und wird getötet83-2.
Lebhafter ging es bei den Truppen des Prinzen von Preußen zu. Nachdem sich der Prinz von Lothringen mit Feldmarschall Daun vereinigt hatte, verließen beide Brandeis und folgten dem Prinzen von Preußen. Sie lagerten bei Niemes, umgingen die linke Flanke der Preußen und erreichten Gabel einen Tag vor ihnen. Das Schloß von Gabel verteidigte General Puttkamer83-3, den der Prinz von Preußen mit vier Bataillonen dorthin detachiert hatte, um die Zufuhr für die Armee aus Zittau zu erleichtern. Hätte sich der Prinz von Preußen zum sofortigen Vormarsch auf Gabel entschlossen, so hätten die Österreicher durch ihre Bewegung nichts gewonnen. Aber da sich der Prinz die Folgen nicht sofort klargemacht hatte, so blieb er ruhig in seinem Lager und ließ den Feind machen, was er wollte. Feldmarschall Daun schickte ein Detachement von 20 000 Mann ab, das Puttkamer in Gabel angriff. Trotz tapferer Gegenwehr mußte sich Puttkamer am dritten Tage nach Eröffnung der Laufgräben aus Mangel an Unterstützung ergeben (15. Juli). Nachdem der Posten verloren war, sah der Prinz von Preußen seine Wichtigkeit ein: der gerade Weg aus seinem Lager nach Zittau geht nämlich über Gabel. Nun war ihm diese Straße verlegt, und es blieb ihm nur noch der Weg über Rumburg offen. Das war aber ein Umweg von einigen Meilen, abgesehen davon, daß man dort nur in einer Kolonne marschieren konnte. Das Heer mußte also diesen Weg einschlagen und verlor dabei einen Teil des Gepäcks und der<84> Pontons, die auf den engen Straßen zwischen den Felsen zerbrachen. Der Prinz mußte bei seinem Marsche auf Zittau also einen Bogen beschreiben, während Daun auf der Sehne marschierte. Als Schmettau84-1, der Führer der preußischen Avantgarde, sich Zittau näherte, fand er die Österreicher schon auf dem Eckartsberge postiert. Das war der Schlüsselpunkt der ganzen Gegend: er beherrschte die Stadt und ihre Umgebung. Die Armee des Prinzen von Preußen besetzte eine Anhöhe dem feindlichen Lager gegenüber. Zittau lag vor ihrem rechten Flügel zwischen den beiden Armeen, und der linke Flügel zog sich über den Hennersdorfer Berg. Der Prinz konnte die Stadt zwar halten, sie aber nicht vor Angriffen der Kaiserlichen schützen. Auf Anraten des Prinzen Karl von Sachsen ließ Daun Zittau bombardieren. Die Stadt hat enge Straßen und größtenteils Schindeldächer. Die fingen Feuer, und die brennenden Schindeln verbreiteten den Brand über verschiedene Stadtteile. Die Häuser stürzten ein, und ihre Trümmer sperrten die Straßen. Nun sah sich der Prinz von Preußen genötigt, die Besatzung herauszuziehen. Aber die Truppen auf der ihm entgegengesetzten Seite konnten sich durch die Flammen und Trümmer keinen Weg zur Armee bahnen, und so fielen Oberst Diericke mit 150 Pionieren und Major Kleist mit 80 Mann vom Regiment Markgraf Heinrich in Feindes Hand (23. Juli). Der Besitz von Zittau selbst war unwichtig. Schlimm war nur der Verlust eines bedeutenden Magazins, das niederbrannte. Denn ohne das Magazin konnte die Armee des Prinzen von Preußen Brot und Lebensmittel nur noch aus Dresden beziehen. Man hätte das Brot also zwölf Meilen weit ins Lager schaffen müssen, und da sich einem solchen Transport unübersteigbare Schwierigkeiten entgegenstellten, so mußte der Prinz sich seinen Lebensmitteln nähern. Er brach daher von Zittau auf, ohne vom Feind verfolgt zu werden, und wies der Armee eine Stellung in der Gegend von Bautzen an (27. Juli).
Sobald der König den Verlust von Gabel erfuhr, entschloß er sich zur Räumung von Leitmeritz und zum Rückzug nach Sachsen. Leitmeritz war leer, Munition und Proviant waren schon in Dresden angekommen. Da keine Zeit zu verlieren war, so ging Prinz Heinrich über die Elbe, vereinigte sich mit dem König, und die Armee lagerte zwischen Sullowitz und Lobositz. Nadasdy war der Nachhut des Prinzen gefolgt und griff die Feldwachen an, fand aber tapferen Widerstand und wurde mit Verlusten flugs über die Elbe zurückgeworfen. An den folgenden Tagen zog sich die Armee nach Hlinay und von da nach Nollendorf und Pirna zurück. Dabei wurde ein Detachement von 200 Mann neu ausgehobener Truppen, die den Schreckenstein verteidigten, von Laudon angegriffen und gefangen genommen (22. Juli). Aussig und Tetschen wurden ohne Verluste geräumt. Der König ließ den Prinzen Moritz mit 14 Bataillonen und 10 Schwadronen zur Deckung des Passes von Berggießhübel zurück und marschierte mit dem Rest der Truppen nach Bautzen, wo er sich mit dem<85> Prinzen von Preußen vereinigte (29. Juli). Der Prinz, der krank geworden war, verließ die Armee und siechte seitdem dahin85-1. Sofort rückte der König mit einem Detachement von Bautzen nach Weißenberg und vertrieb von dort Beck, der sich auf Bernstadt zurückzog. Die Maßregeln zur Neuordnung der Verpflegung und zur Anschaffung neuer Proviantwagen hielten den König vierzehn Tage lang auf.
Dabei war er rechts durch die Fortschritte der Franzosen und links durch die der Russen bedrängt. Da er also einige Detachements fortschicken mußte, so kam er auf den Gedanken, die Österreicher anzugreifen und sich womöglich von ihnen zu befreien, bevor er sich durch jene Absendungen schwächte. So brach er denn am 15. August nach Bernstadt auf. Die linke Kolonne führte der König, die rechte der Herzog von Bevern. Fast hätten sie Beck auf einer Höhe bei Sohland umzingelt. Der Freischarenführer rettete sich indes mit Verlust eines Teiles seiner Mannschaft. In Bernstadt erfuhr man, daß ein feindliches Detachement sich bei Ostritz versammelte. Sogleich wurde Oberst Werner85-2 dorthin gesandt. Fast hätte er Nadasdy abgefangen, und jedenfalls nahm er ihm seine Bagage und deren Eskorte weg. In Nadasdys Papieren fand man Originalbriefe der Königin von Polen, die den General von allem, was sie über die Preußen erfuhr, auf dem Laufenden hielt und ihm einige Überrumpelungsvorschläge machte. Der König schickte die Originale an den Kommandanten von Dresden, Oberst Finck85-3. Der sollte sie der Königin zeigen, damit sie merkte, daß man hinter all ihre Schliche gekommen sei.
Von Bernstadt detachierte der König 5 Bataillone nach Görlitz und marschierte mit dem Gros der Armee stracks auf die Österreicher los (16. August). Feldmarschall Daun stand noch auf dem Eckartsberg und ließ die Truppen nur eine Schwenkung machen, um seine Front den Preußen parallel zu richten. Seine Stellung war unangreifbar. Auf der linken Flanke lag ein bastionsartiger Berg85-4, der mit 60 zwölfpfündigen Kanonen gespickt war und die Hälfte der österreichischen Armee bestrich. Vor der Front zog sich der tiefe Grund des Wittgenbaches mit steilen Felswänden. Drei Straßen führten durch die Ortschaft Wittgendorf auf den Feind zu. Nur die breiteste bot Raum genug für einen Wagen. Der rechte Flügel des Feldmarschalls lehnte sich an die Neiße. Am jenseitigen Ufer stand Nadasdy mit der Reserve auf einer Anhöhe und konnte von dort aus mit 30 schweren Geschützen die ganze Front der Kaiserlichen bestreichen. Beide Armeen waren nur durch die Schlucht des Wittgenbaches getrennt. Der Tag verstrich unter gegenseitiger Kanonade. Am folgenden Morgen schob der König ein Korps unter Winterfeldt bei Hirschfelde über die Neiße vor, um zu rekognoszieren, ob man Nadasdy nicht in ein Gefecht verwickeln könnte.<86> Dann hätte Feldmarschall Daun ihm zu Hilfe kommen müssen, und das hätte Anlaß zu einer allgemeinen Schlacht geboten. Aber die Schwierigkeit des Geländes vereitelte das Vorhaben, und so mußte man den Plan fallen lassen.
Unter den obwaltenden Umständen wäre ein entscheidender Schlag für den König von großem Vorteil gewesen. Es war keine Zeit zu verlieren. Ein französisches Heer stand bei Erfurt, die Armee des Herzogs von Cumberland war bis Stade zurückgedrängt, und das Herzogtum Magdeburg sowie die Altmark standen den Einfällen der Franzosen offen. Eine schwedische Armee hatte die Peene bei Anklam überschritten, und die Reichstruppen waren im Anmarsch auf Sachsen. Allein es war bei dem schwierigen und unwegsamen Gelände unmöglich, den Österreichern eine Schlacht zu liefern, und da der König schleunigst einige Detachements abschicken mußte, sah er sich zum Rückzuge genötigt. Die Infanterie zog treffenweise ab, ohne daß der Feind es zu bemerken schien.
Die Armee marschierte nach Bernstadt (20. August) und lagerte auf den Höhen von Jauernick bis zur Neiße. Jenseits des Flusses dehnte sich Winterfeldts Korps bis Radmeritz aus. Ein Detachement ging nach Görlitz, um die Brigade abzulösen, mit der Grumbkow86-1 nach Schlesien marschieren sollte, um die Grenze von den feindlichen Streifscharen, die dort ihr Unwesen trieben, zu säubern und die Festung Schweidnitz zu decken. Der König übergab den Befehl über die Armee dem Herzog von Beyern, dem er Winterfeldt, seinen eigentlichen Vertrauensmann, zur Seite stellte. Nachdem er beiden die Deckung der schlesischen Grenzen ans Herz gelegt hatte, brach er selbst mit 18 Bataillonen und 30 Schwadronen auf, um den Franzosen und Reichstruppen entgegenzutreten.
Um die zusammenhängenden Ereignisse dieses Feldzuges ohne Unterbrechungen zu schildern, haben wir noch nichts von dem Feldzug der Alliierten unter dem Befehl des Herzogs von Cumberland berichtet. Nun aber erfordert der Zusammenhang, dies in Kürze nachzuholen.
Seit Anfang April hatten die Franzosen Kleve und Wesel genommen, ohne auf Widerstand zu stoßen. Graf Gisors besetzte Köln, das die Franzosen zu ihrem Waffenplatz zu machen gedachten. Die Führung der Armee sollte d'Estrées übernehmen. Er traf in den ersten Tagen des Mai ein. Am 26. rückte er vor und lagerte mit all seinen Truppen bei Münster. Der Herzog von Cumberland hatte sein Heer bei Bielefeld zusammengezogen. Bei der Annäherung von d'Estrées, der bei Rheda lagerte, schob er ein Detachement nach Paderborn vor, ging dann aber selbst auf Herford zurück. Nun schickten die Franzosen ein Detachement nach Hessen. Es stieß dort auf keinen Widerstand und besetzte das ganze Land. Selbst die Hauptstadt Kassel ergab sich nach schwachem Widerstande. Nach dem Plane der hannöverschen Minister, die den Über<87>gang über die Weser für schwieriger als über den Rhein hielten, sollte der Herzog von Cumberland dem Gegner erst hinter der Weser die Spitze bieten. Aus diesem Grunde ließ er seine Truppen auf Brücken, die bei den Dörfern Rehme und Vlotho geschlagen waren, über den Fluß gehen (16. Juni). Zugleich gab er Befehl zur Befestigung von Münden und Hameln, woran er auch früher hätte denken können.
Die Franzosen rückten bis Corvey vor. Eines ihrer Detachements ging über die Weser und zwang den Herzog zur Änderung seiner Stellung. Er lagerte sich nun mit dem rechten Flügel bei Hameln, mit dem linken bei Afferde. Zugleich ließ der Herzog von Orléans bei Münden Brücken zum Überschreiten der Weser schlagen. In der Erwartung eines baldigen Angriffs zog der Herzog von Cumberland alle seine Detachements an sich und sammelte sie bei Hastenbeck, dessen Lage man ihm als hervorragend geschildert hatte. Der rechte Flügel der Armee war hier gut angelehnt, aber das Zentrum stand in einem Bogen und hatte ein Gehölz vor sich, in dem sich eine ziemlich tiefe Schlucht befand. Die Franzosen rückten heran. Der 25. Juli verstrich mit Rekognoszierungen von seiten d'Estrées' und mit einer Kanonade von seiten des Herzogs von Cumberland.
Am nächsten Morgen drangen die französischen Truppen unbemerkt durch die erwähnte Schlucht in das Gehölz, griffen den linken Flügel des Herzogs an und eroberten die Batterie im Zentrum der Verbündeten. Mit dem Degen in der Hand gewann der Erbprinz von Braunschweig87-1 sie zurück und zeigte durch diese erste Probe, daß ihn die Natur zum Helden bestimmt hatte. Zugleich bricht ein hannöverscher Oberst Breidenbach aus eignem Antrieb vor, sammelt die ersten besten Bataillone, dringt in das Gehölz ein, fällt den Franzosen in den Rücken, treibt sie in die Flucht und nimmt ihnen ihre Kanonen und Fahnen ab. Jedermann glaubt, die Schlacht sei für die Verbündeten gewonnen. D'Estrées sieht seine Truppen in Unordnung geraten und gibt Befehl zum Rückzug. Der Herzog von Orléans widerspricht. Schließlich erfährt man zum großen Erstaunen der ganzen französischen Armee, daß der Herzog von Cumberland sich in vollem Rückmarsch auf Hameln befinde. Nun mußte der Erbprinz die so ruhmvoll zurückeroberte Batterie wieder preisgeben. Ja, der ganze Rückzug erfolgte so überstürzt, daß man sogar den tapferen Oberst Breidenbach, der sich in der Schlacht so ausgezeichnet hatte, völlig vergaß. Der wackre Offizier blieb allein Herr des Schlachtfeldes und brach erst in der Nacht auf, um sich der Hauptarmee anzuschließen. Als er dem Herzog seine Siegesbeute überbrachte, weinte dieser vor Verzweiflung über die voreilige Räumung des Schlachtfeldes, dessen Besitz ihm niemand streitig gemacht hätte. Aber trotz aller Vorstellungen von seiten des Herzogs von Braunschweig87-2 und einiger Generale war er von der Fortsetzung des Rückzuges nicht abzubringen. Er marschierte zuerst nach Nienburg, dann nach Verden und weiter<88> über Rotenburg und Bremervörde nach Stade. Durch dies ungeschickte Manöver gab er den Franzosen das ganze Land preis. Hameln wurde sofort vom Herzog von Fitz-James besetzt. Aber das sonderbarste und merkwürdigste war, daß d'Estrées zurückberufen wurde, weil er einen Sieg davongetragen hatte.
Am 7. August traf der Herzog von Richelieu, dem der Hof den Oberbefehl über die Armee übertragen hatte, in Münder ein. Er besetzte Hannover, indes der Herzog von Ayen in Braunschweig und Voyer in Wolfenbüttel einrückten. Den Prinzen Soubise schickte er mit einem Detachement von 25 000 Mann nach Erfurt, wo er sich mit der Reichsarmee und einer Abteilung Österreicher vereinigen sollte. Richelieu selbst machte sich an die Verfolgung der Verbündeten, überschritt die Aller und lagerte bei Verden. Zugleich nahm Armentières am 29. August Bremen. Dann rückte die französische Armee auf Rotenburg, um den Herzog von Cumberland anzugreifen, fand ihn dort aber nicht mehr; denn der Herzog hatte sich bereits auf Bremervörde zurückgezogen und vermied seit der Schlacht von Hastenbeck jedes Zusammentreffen mit dem Feinde. Als der König aus den Bewegungen des Herzogs von Cumberland erkannte, daß er sich lediglich auf die Verteidigung der Weser beschränken wollte, sah er alle üblen Folgen voraus, rief seine 6 Bataillone, die er bei der Armee hatte, zurück und warf sie gerade noch rechtzeitig nach Magdeburg, wie wir im folgenden sehen werden.
Nach der obigen Schilderung leuchtet es ein, daß dem Herzogtum Magdeburg ein Einfall der Franzosen und der Stadt selbst eine Belagerung bevorstand. Sachsen drohte eine Beute des sich bei Erfurt versammelnden Heeres zu werden, und dann waren die Besatzungen von Dresden und Torgau verloren. Auch die Hauptstadt Berlin war unverteidigt und konnte jeden Augenblick von den Schweden eingenommen werden. Sie waren bereits bis zur Uckermark vorgedrungen, wo sich nur eine Handvoll Leute ihrem Vordringen widersetzte. Unter solchen Umständen war es dringend geboten, so vielen Feinden entgegenzutreten. Der König übernahm selbst die Führung der dazu bestimmten Truppen. Es war nur ein kleines Häuflein; denn er wollte seine schlesische Armee, die einen weit schlimmeren Feind zu bekämpfen hatte, nicht zu sehr schwächen.
Der Herzog von Bevern, der über 50 Bataillone und 110 Schwadronen verfügte, bezog nach dem Abmarsch des Königs ein Lager auf der Landeskrone bei Görlitz. Am andern Neißeufer, auf dem Holzberg88-1 bei Moys, setzte sich Winterfeldt mit seinem Detachement fest. Der Herzog ließ sein Magazin von Bautzen nach Görlitz schaffen, und die vereinigten Heere des Feldmarschalls Daun und des Prinzen von Lothringen lagerten sich ihm gegenüber bei Ossig, von wo sie Nadasdy zur Beobachtung Winterfeldts nach Schönberg vorschoben. Inzwischen war Graf Kaunitz zur Besprechung mit den Generalen und zur Beschlußfassung über die weiteren Operationen im österreichi<89>schen Lager eingetroffen. Zu Ehren seiner Ankunft plante Nadasdy, Winterfeldts Stellung auf dem Holzberg anzugreifen. Der Posten war nur mit zwei Bataillonen besetzt. Die übrigen zehn Bataillone von Winterfeldts Korps standen 3 000 Schritt weiter rückwärts nach Görlitz zu. An dem Tage, wo der Angriff erfolgte89-1, war Winterfeldt beim Herzog von Bevern, mit dem er einige Maßregeln zu verabreden hatte. Man meldete ihm, daß der Feind seine Stellung angriffe. Sofort eilte er zurück, doch schon vor seiner Ankunft war der Holzberg genommen. Nun wollte er den Feind wieder vertreiben, rückte mit vier Bataillonen gegen ihn an und wurde leider tödlich verwundet. Mit dem errungenen Erfolge zufrieden, zog sich Nadasdy von selbst nach Schönberg zurück. Die Preußen verloren bei diesem Gefecht 1 200 Mann und viele tapfre Offiziere. Winterfeldt erlag seiner Wunde89-2. Sein Verlust wurde unter diesen Umständen um so mehr betrauert, als er der unentbehrlichste Mann bei der Armee des Herzogs von Bevern war und der König bei seinen Anordnungen zur Verteidigung Schlesiens auf ihn gerechnet hatte.
Am Tage nach dem Gefecht am Holzberge brach der Herzog von Bevern sein Lager ab und marschierte über Katholisch-Hennersdorf und Naumburg nach Liegnitz, anstatt das Lager von Löwenberg oder von Schmottseiffen zu beziehen, durch das er Schlesien gedeckt hätte. Aber nicht genug damit, daß er die Grenze verließ, er schwächte sich auch noch durch Detachierung von 15 000 Mann, die er in verschiedene feste Plätze warf.<90> Diese Fehler zogen die Unglücksfälle nach sich, die am Ende des Feldzuges über ihn hereinbrachen.
Feldmarschall Daun folgte den Preußen, marschierte durch Löwenberg und Goldberg und lagerte sich auf den Höhen von Wahlstatt. Die Preußen standen in einer Niederung, mit dem rechten Flügel bei Liegnitz, die Katzbach im Rücken, und mit dem linken Flügel beim Dorfe Groß-Beckern. Aus diesem Gelände hatten sie alles zu fürchten, und ein unternehmender Feind hätte seinen Vorteil daraus gezogen. Das aber war Feldmarschall Daun nicht. An einem Nachmittag indes wollte der Prinz von Lothringen, vom Wein erhitzt und durch die Reden des Grafen Montazet90-1 aufgestachelt, etwas gegen die Preußen unternehmen. Er ließ acht bis zehn Grenadierbataillone mit Geschütz vorrücken und das Dorf Beckern angreifen90-2. Aber diese Abteilung war denn doch zu schwach gegen eine ganze Armee, und da sie auch keine Unterstützung erhielt, so wurde sie von den Truppen, die der Herzog von Bevern aus der Linie zur Unterstützung des Dorfes vorschickte, wieder zurückgetrieben, wobei sich besonders das Infanterieregiment Prinz von Preußen auszeichnete. Immerhin hatte der feindliche Vorstoß dem Herzog von Bevern deutlich gezeigt, daß seine Stellung übel, sein Lager schlecht gewählt und seine ganze Lage bedenklich war. In der Befürchtung, am folgenden Tage von stärkeren Kräften angegriffen zu werden, zog er sich noch in der Nacht über die Katzbach zurück und marschierte auf Parchwitz. Dort stieß er auf ein Korps von Kaiserlichen, das ihm den Übergang über die Katzbach streitig machte. Er schlug daher eine Brücke über die Oder, überschritt sie und zog auf dem rechten Ufer nach Breslau, wo er am 1. Oktober anlangte. Dann ging er auf der Stadtbrücke wieder über die Oder und verschanzte sich hinter dem kleinen Lohebach. Die Österreicher lagerten sich ihm gegenüber bei Lissa. Der Wiener Hof hatte bayrische und württembergische Truppen in Sold genommen und nach Schlesien geschickt. Sie stießen nun zu Nadasdys Reserve in der Gegend von Schweidnitz, das sie belagern sollten.
Inzwischen wollen wir die Schilderung des schlesischen Feldzuges für einen Augenblick unterbrechen, um dem König auf seinem Zuge gegen die Franzosen zu folgen. Der König marschierte zuerst nach Dresden. Von dort schickte er Seydlitz90-3 mit einem Husaren- und einem Dragonerregiment nach Leipzig zur Vertreibung Turpins, dessen leichteTruppen in der Gegend von Halle umherstreiften. Beim Anmarsch der Preußen zogen sich die Franzosen zurück, sodaß Seydlitz in jener Gegend nichts mehr zu tun hatte und zwischen Grimma und Rötha wieder zum König stieß. Von Rötha marschierten die Truppen auf Pegau. Dorthin hatte der Feind zwei kaiserliche Husarenregimenter, Szecheny und Esterhazy, detachiert. Pegau liegt am andern Ufer der<91> Elster. Eine steinerne Brücke führt hinüber bis an das Stadttor. Der Feind hatte das Tor, sowie einige Dächer der nächsten Häuser besetzt, um den Eingang zu sperren. Seydlitz ließ 100 Husaren absitzen und das Tor sprengen. Das ganze Regiment folgte nach und drang in voller Karriere in Pegau ein. Szekely und Kleist91-1 jagten durch die Stadt und zum entgegengesetzten Tore wieder hinaus. Dort stießen sie auf die beiden feindlichen Regimenter, die sich hinter einem Hohlweg aufgestellt hatten. Sie greifen sie an, werfen sie, verfolgen sie bis Zeitz und machen dabei noch 350 Gefangene (7. September).
Am nächsten Tage rückte die Armee des Königs auf Naumburg. Dort stieß die Avantgarde auf sechs der tags zuvor geschlagenen Schwadronen. Sie wurden bald zerstreut und verloren besonders viel Leute beim Übergang über die Saalebrücke bei Schulpforta. Die Brücke wurde ausgebessert, und die Preußen marschierten hinüber nach Buttstädt.
Hier traf die Nachricht von der berüchtigten Konvention von Kloster Zeven ein, die der Herzog von Cumberland mit dem Herzog von Richelieu geschlossen hatte91-2. Die Unterhandlungen waren von einem Grafen Lynar, Minister des Königs von Dänemark91-3, geführt worden. Auf Grund dieser Konvention sollten die Feindseligkeiten eingestellt werden, die hessischen, braunschweiger und gothaischen Truppen in ihre Heimat zurückkehren und die hannöverschen Truppen ruhig bei Stade in einem bestimmten Bezirk am rechten Elbufer bleiben. Über das Kurfürstentum Hannover, die Kriegskontributionen und Entschädigungen wurde nicht das geringste abgemacht, sodaß Hannover also völlig der Willkür der Franzosen preisgegeben war. Kaum war die Konvention abgeschlossen, so kehrte der Herzog von Cumberland, ohne die Ratifikation abzuwarten, nach England zurück, während der Herzog von Richelieu seinerseits Anstalten zum Einfall ins Fürstentum Halberstadt traf. Mittlerweile wurden bei der preußischen Armee Briefe des Grafen Lynar an den Grafen Reuß aufgefangen. Beide waren Anhänger der Pietistensekte und durch Fanatismus verblödet. Graf Lynar schrieb seinem Freunde über jene Verhandlungen: „Der Gedanke, die Konvention zustande zu bringen, kam mir durch himmlische Eingebung. Der Heilige Geist verlieh mir die Kraft, den Fortschritten der französischen Waffen Einhalt zu tun, gleichwie Josua einst den Lauf der Sonne hemmte. Der allmächtige Gott, der die Welt in seinen Händen hält, fand in mir Unwürdigem das Mittel, dem weiteren Vergießen dieses lutherischen, dieses kostbaren hannöverschen Blutes zu wehren91-4.“ Leider stand Graf Lynar mit seinem Selbstlob allein. Wir wollen ihn also lieber zwischen Josua und der Sonne lassen und zu interessanteren Dingen zurückkehren.
Die schmachvolle Konvention versetzte der Sache des Königs einen schweren Schlag. Seine sogenannte Armee bestand nur aus 18 000 Mann. Außerdem mußte er noch<92> ein Detachement zur Deckung Magdeburgs oder zur Verstärkung der Besatzung abschicken. Da indessen Soubise in Erfurt stand, so wollte der König den Versuch machen, ihn von dort zu vertreiben. Dann war die Gefahr, seine Truppen zu schwächen, geringer. Aus diesem Grunde rückte er mit 2 000 Pferden, einem Freibataillon und zwei Grenadierbataillonen gegen Erfurt (13. September). Er traute seinen Augen kaum, als er die französische Armee aus der Cyriaksburg vor seiner Nase abziehen sah. Soubise glaubte sich in Erfurt nicht sicher und ging tatsächlich nach Gotha zurück. Kaum war er fort, so ließ der König die Stadt zur Übergabe auffordern. Sie kapitulierte unter der Bedingung, daß der Petersberg92-1 neutral bleiben, die Stadt von den Preußen besetzt und die Cyriaksburg von den Feinden geräumt werden sollte.
Sobald die Truppen bei Erfurt eine Art befestigter Stellung eingenommen hatten, verließ Prinz Ferdinand von Braunschweig die Armee mit 5 Bataillonen und 7 Schwadronen, um Magdeburg zu decken und dem Herzog von Richelieu die Spitze zu bieten. Der Prinz konnte sich noch durch 6 Bataillone aus der Festung verstärken. Das aber waren die einzigen Maßnahmen, die man unter den obwaltenden Umständen treffen konnte. Sie waren schwach und unzulänglich genug angesichts von 50 000 Franzosen, besonders wenn der Feind hätte energisch vorgehen wollen. Entschlossen, die Unzulänglichkeit der vorhandenen Mittel durch Geschicklichkeit zu ersetzen, rückte Prinz Ferdinand auf einem Umweg nach Magdeburg. Unterwegs stieß er in Egeln auf das Regiment Lusignan, machte 400 Gefangene und stellte sich dann keck bei Wanzleben auf, als wollte er den bei Halberstadt lagernden Richelieu herausfordern. In diesem Abschnitt des Feldzuges hatten die preußischen Streifkorps beständig das Übergewicht über die Franzosen, und es verging kaum ein Tag, wo sie dem Prinzen keine Gefangenen einbrachten.
Der König mußte bei seiner heiklen Lage seine Zuflucht zu allem nehmen, mußte List und Unterhandlungen, kurz, alle möglichen Mittel aufbieten, um sich etwas Luft zu schaffen. Bei solchen Versuchen verlor man ja auch nichts und hatte nur die Mühe, vielleicht erfolglose Auswege zu ersinnen. So begab sich Oberst Balbi, als Amtmann verkleidet, zum Herzog von Richelieu92-2, den er von einigen gemeinsamen Feldzügen in Flandern her kannte, um ihm Vorschläge zur Versöhnung des Ver<93>sailler Hofes zu machen. Er merkte aber, daß der Herzog von Richelieu seinem eignen Einfluß nicht traute und nicht genug Ansehen beim Ministerium und beim König zu haben glaubte, um eine Änderung ihres Systems und ihrer Ansichten über das Bündnis mit dem Hause Österreich herbeizuführen, zumal jene erst kürzlich geschlossene Allianz noch den Reiz der Neuheit besaß. Der preußische Unterhändler sah die Erfolglosigkeit seiner Vorschläge ein und beschränkte sich auf die Bitte, der Herzog möchte doch wenigstens die vom Kriege heimgesuchten preußischen Provinzen etwas schonen. Zugleich verhandelte er mit ihm wegen der Kriegskontributionen. Zweifellos dämpften die in die Hände des Marschalls fließenden Summen in der Folgezeit seinen kriegerischen Eifer bedeutend.
Bald darauf mußte der König seine Armee durch eine abermalige Detachierung schwächen. Er sandte den Prinzen Moritz mit 10 Bataillonen und 10 Schwadronen nach Leipzig. Dort stand er gleichsam im Mittelpunkt, konnte im Notfall zum König oder zum Prinzen Ferdinand stoßen und ein Auge auf Marschall haben, der mit 15 000 Österreichern bei Bautzen lagerte. Marschalls Korps flößte um so mehr Besorgnis ein, als die Lausitz offen lag und er leicht einen Einfall in die Kurmark, ja selbst einen Vorstoß gegen Berlin machen konnte. Auch von Pommern her war die Hauptstadt durch die Schweden bedroht, deren Vorrücken Manteuffel93-1 mit 500 Husaren und 4 Bataillonen aufzuhalten suchte.
Nach dem Abmarsch der beiden Korps aus dem Lager bei Erfurt blieben dem König nur noch 8 Bataillone und 27 Schwadronen. Hätte der Feind seine Schwäche gemerkt, so hätte er zweifellos etwas unternommen. Das aber mußte unter allen Umständen verhindert werden. Man griff deshalb zu den verschiedensten Mitteln, um die Bevölkerung von Erfurt und sogar die Franzosen über den wahren Sachverhalt zu täuschen. Man ließ also die Truppen garnicht im Lager kampieren, verteilte die Infanterie auf die umliegenden Dörfer und wechselte verschiedentlich ihre Quartiere. Da nun die Regimenter jedesmal unter anderem Namen auftraten, so erschien die Zahl der Truppen, die die Spione dem Prinzen Soubise eifrig hinterbrachten, weit größer.
Zwei Tage nach der Einnahme von Erfurt machte der König mit 20 Husaren- und Dragonerschwadronen einen Rekognoszierungsritt auf Gotha, in der Absicht, die beiden mehrfach geschlagenen kaiserlichen Husarenregimenter von da zu vertreiben (15. September). Das gelang über Erwarten: die Furcht vor den Preußen beschleunigte ihren Rückzug. Dicht bei Gotha mußten sie durch einen Engpaß und verloren dabei 180 Mann. Ja man verfolgte sie bis in die Nähe von Eisenach, wo Soubise sein Lager bezogen hatte. Dort war auch der Generalissimus der Reichsarmee, Prinz von Hildburghausen, zu ihm gestoßen. Die herzogliche Familie war froh, die zudringlichen Gäste los zu sein. Hatte sie doch ebenso über die Franzosen wie über die<94> Österreicher zu klagen. Die Franzosen hatten schlimm auf dem Schlosse gehaust, ja sogar die Kanonen mit Gewalt weggenommen, und die österreichischen Offiziere hatten eine dreiste Sprache geführt und sich mit einer Arroganz betragen, die gegenüber souveränen Fürsten aus einem der ältesten deutschen Herrscherhäuser wenig passend war.
In Gotha blieb Seydlitz mit der Kavallerie, um die Bewegungen der Feinde im Auge zu behalten und das kleine Heer in Erfurt rechtzeitig zu benachrichtigen, damit es im Notfall noch vor dem Anmarsch des Gegners von Eisenach zurückgehen konnte. Wenig Tage danach94-1 wurde Seydlitz von einem weit überlegenen Korps angegriffen. Der Prinz von Hildburghausen wollte die Übernahme des Kommandos durch einen glänzenden Streich bekunden und hatte Soubise den Vorschlag gemacht, die Preußen aus Gotha zu vertreiben. So setzten sich denn beide mit den Grenadieren ihrer Armee, der österreichischen Kavallerie, Laudon und seinen Panduren und sämtlichen leichten französischen Truppen in Marsch. Seydlitz erfuhr noch rechtzeitig von ihrem Vorhaben. Die Feinde kamen alsbald heran. Eine Kavalleriekolonne umfaßte Gotha von rechts, indem sie sich aus dem Kamme der nach Thüringen ziehenden Anhöhen hielt. Eine andre Kavalleriekolonne, Husaren an der Spitze, kam von links aus der Richtung von Langensalza. Die mittelste Kolonne bildeten Panduren und hinter ihnen die Grenadiere. Seydlitz hatte sich in einiger Entfernung von Gotha in Schlachtordnung aufgestellt, voran die Husaren, dahinter die Meinicke-Dragoner. Die Czettritz-Dragoner hatte er nach einem Engpaß eine halbe Meile hinter sich geschickt, mit dem Befehl, ein Glied zu formieren, um dem Feind eine möglichst breite Front vorzuspiegeln. Dessenungeachtet stand das Regiment durchaus nahe genug zur Deckung seines Rückzugs, falls er der Überzahl weichen mußte. Wirklich täuschte sein geschicktes und listiges Manöver den Prinzen von Hildburghausen. Er glaubte, die preußische Armee, die er für beträchtlich hielt, rücke zur Unterstützung von Seydlitz heran, und die lange Kavallerielinie, die er vor sich sah, würde sogleich über ihn herfallen. An dem unsichern Benehmen der österreichischen Husaren erkannte Seydlitz, daß seine Kriegslist Eindruck gemacht hatte. Unmerklich drängte er den Feind zurück, gewann mit jedem Vorstoß Terrain und nötigte ihn zum Rückzuge durch den Engpaß, in dem die feindlichen Truppen schon vor einigen Tagen soviel zu leiden gehabt hatten. Zugleich zog sich die Kavalleriekolonne, die den rechten feindlichen Flügel bildete, wieder zurück. Nun sandte Seydlitz einige Husaren und Dragoner nachGotha. Sie drangen gerade in dem Augenblick ein, wo der Prinz von Darmstadt94-2 sich mit den Reichstruppen zurückzuziehen begann. Dabei machten sie viele Gefangene. Der hastige Rückzug des Prinzen von Darmstadt aus Gotha wäre für Soubise fast verhängnisvoll geworden. Er befand sich im Schloß und vermutete nicht, daß man die Stadt so<95> schnell räumen würde. Er hatte gerade noch Zelt, sich aufs Pferd zu werfen und schleunigst zu fliehen. 160 Gemeine und drei höhere Offiziere fielen in die Hände der Preußen. Jeder andre als Seydlitz wäre froh gewesen, sich ohne Verlust aus der Klemme gezogen zu haben. Aber Seydlitz wäre mit sich selbst unzufrieden gewesen, hätte er nicht glänzend abgeschnitten. Dies Beispiel beweist, daß die Fähigkeit und Entschlossenheit eines Generals im Kriege entscheidender ist als die Zahl der Truppen. Ein mittelmäßiger Kopf hätte unter gleichen Umständen durch das imponierende Auftreten des Feindes den Mut verloren, wäre bei ihrem Anmarsch zurückgegangen und hätte die Hälfte seiner Leute bei einem Arrieregardengefecht verloren, das die überlegene feindliche Kavallerie schnellstens angefangen hätte. Durch die geschickte Aufstellung des Dragonerregiments, das er dem Feinde im fernen Hintergrunde zeigte, gelang es Seydlitz, sich so rühmlich aus seiner gefährlichen Lage zu befreien.
Bis jetzt hatte der König die Dinge in der Schwebe lassen müssen. Er konnte nichts unternehmen und mußte alles von der Gunst der Zeit erwarten. Er blieb ruhig in Erfurt, bis er erfuhr, daß ein französisches Detachement der westfälischen Armee durch Hessen auf Langensalza marschierte. Die Ankunft dieses Korps, das ihm in den Rücken fallen konnte, durfte er nicht abwarten und beschloß daher, sich vorher zurückzuziehen. Da sich überdies das Gerücht verbreitete, Hadik zöge durch die Lausitz, um in die Mark einzufallen, so war Prinz Moritz genötigt gewesen, in Gewaltmärschen nach Torgau zu eilen, und mußte von dort wahrscheinlich bis Berlin vorrücken. Der König hatte also keinerlei Unterstützung zu erwarten. So schien ihm denn ein längeres Verweilen in Erfurt nicht ratsam. Um aber nichts zur Unzeit aufs Spiel zu setzen, zog er sich nach Eckartsberga zurück (11. Oktober). Dort erreichten ihn mehrere Kuriere aus Dresden mit der Meldung von Finck, das Marschallsche Korps sei im Begriff, Bautzen zu verlassen und Hadik zu folgen. Sicherlich war Prinz Moritz nicht stark genug, um beiden Gegnern zugleich Widerstand zu leisten. Der König entschloß sich also, ihm selbst Verstärkungen zuzuführen. So gingen denn die Truppen bei Naumburg über die Saale zurück. Feldmarschall Keith warf sich mit einigen Bataillonen nach Leipzig. Der König überschritt die Elbe bei Torgau und marschierte auf Annaburg. Dort erfuhr er: Berlin hätte sich mit einer Kontribution von 200 000 Talern von den Österreichern losgekauft95-1, Hadik hätte sich schon vor der Ankunft des Prinzen Moritz zurückgezogen und Marschall stände unbeweglich in seinem Lager bei Bautzen. Des Königs erster Gedanke war, Hadik den Heimweg abzuschneiden. Zu dem Zweck eilte er nach Herzberg, aber Hadik war schon nach Kottbus zurückgegangen. Da Prinz Moritz bereits auf dem Rückmarsche war, wollte der König auf ihn warten und blieb noch einige Tage in seiner Stellung, um sich über die weiteren Pläne der Franzosen<96> klar zu werden. Denn von ihnen hing es ab, ob er ihren Unternehmungen entgegentreten sollte oder, wenn der Feldzug in Thüringen zu Ende war, sich wieder nach Schlesien wenden und Schweidnitz entsetzen konnte, dessen Belagerung Nadasdy begonnen hatte.
Allein die Ereignisse zwangen den König zu Operationen, die er damals noch garnicht voraussehen konnte. Der Abzug der Preußen aus Erfurt bewog Soubise, über die Saale zu gehen und sich Leipzig zu nähern. Die Meldung kam vom Feldmarschall Keith, der dringend um Hilfe ersuchte, sodaß der König schleunigst zu ihm eilen mußte. Sofort marschierte er mit seinem kleinen Heer auf Leipzig, säuberte sofort das rechte Ufer der Mulde von einigen Brigaden, die Custine dorthin vorgeschoben hatte, rückte dann in Leipzig ein (26. Oktober) und vereinigte sich mit Prinz Moritz und Prinz Ferdinand von Braunschweig. Dann setzte er sich sogleich in den Besitz der großen Heerstraße nach Lützen. Am 30. Oktober war die Armee versammelt und lagerte bei Altranstädt, von wo Retzow zur Deckung des Defilees von Rippach abgesandt wurde. Noch in derselben Nacht brach der König auf, um den Feind in seinen rings um Weißenfels zerstreuten Quartieren zu überfallen; doch retteten sich alle, außer dem in Weißenfels selbst. Die drei Stadttore wurden angegriffen, mit dem Befehl an die Offiziere, sich unverzüglich der Saalebrücke zu bemächtigen, da man den wichtigen Übergang in der Hand haben wollte. Die Stadt wurde gestürmt und 500 Mann gefangen genommen, aber ein Teil der Besatzung entkam und setzte die bedeckte Brücke in Brand. Da sie ganz aus Holz bestand, fing sie leicht Feuer, und an Löschen war nicht zu denken, da der Feind am andren Ufer, hinter Mauern versteckt, ein heftiges Musketenfeuer unterhielt und alle, die sich um die Rettung der Brücke bemühten, getötet oder verwundet wurden. Bald darauf erschienen neue Truppen am andren Flußufer. Bei ihrer ständigen Zunahme sah man die Unmöglichkeit ein, an dieser Stelle den Übergang über die Saale zu erzwingen. Da aber erst die Spitze der Armee bei Weißenfels angelangt und das Gros noch auf dem Marsche war, so wurde es nach Merseburg dirigiert, in der Hoffnung, daß man die dortige Stadtbrücke benutzen könnte.
Als Feldmarschall Keith in Merseburg eintraf, sah er, daß die Franzosen sich dort bereits festgesetzt und die Brücke abgebrochen hatten. Er schwankte indes keinen Augenblick, zog mit einigen Bataillonen nach Halle, vertrieb die Franzosen von dort und stellte die gleichfalls zerstörte Brücke wieder her. So stand der rechte Flügel des preußischen Heeres bei Halle, das Zentrum gegenüber von Merseburg und der linke Flügel bei Weißenfels, gedeckt durch die Saale und durch zwei detachierte Korps, die zugleich die feindlichen Bewegungen im Auge behielten und die rückwärtigen Verbindungen über den Fluß sicherten. Zuerst ging Feldmarschall Keith bei Halle über die Saale. Schon auf diese Bewegung hin, die an sich noch gar keinen Nachteil für die Franzosen bedeutete, räumte Soubise das ganze Saaleufer und zog sich nach St. Micheln zurück. Den ganzen Tag und die folgende Nacht verwandten die Preußen zur Wiederherstellung der Brücken bei Weißenfels und Merseburg. Am 3. November<97> früh gingen der König und Prinz Moritz über die Saale und rückten zugleich mit Feldmarschall Keith auf Roßbach, wo sie sich vereinigen wollten. Unterwegs machte der König mit einem Teil der Kavallerie eine Rekognoszierung zur Erkundung der feindlichen Stellung. Sie war denkbar schlecht. Die dreisten Husaren drangen bis ins feindliche Lager, erbeuteten Kavalleriepferde und rissen Soldaten aus den Zelten. Solche Vorkommnisse, im Verein mit der Achtlosigkeit der französischen Generale, bestimmten den König zum Angriff am folgenden Tage.
Bei Morgengrauen verließ die Armee das Lager. Die gesamte Kavallerie bildete die Avantgarde. Als sie an die Stelle kam, wo der König tags zuvor das feindliche Lager beobachtet hatte, fand sie es nicht mehr. Zweifellos waren Soubise Bedenken über die Mängel seiner Stellung aufgestiegen, und er hatte sie noch in der Nacht gewechselt. Nun standen seine Truppen auf einer Anhöhe, vor der sich eine Schlucht hinzog. Der rechte Flügel lehnte sich an ein Gehölz, das durch einen Verhau und drei mit Geschützen besetzte Schanzen befestigt war. Der linke Flügel war von einem See umgeben, den man wegen seiner Größe nicht umgehen konnte. Zum Sturm auf eine so starke Stellung hatte der König zu wenig Infanterie. Bei etwas hartnäckigem Widerstand war sie nur mit einem Opfer von 20 000 Mann zu erobern. Der König sah ein, daß ein solches Unternehmen seine Kräfte überstieg. Er gab darum der Infanterie Befehl, in der Nähe zwischen Sümpfen hindurch zu marschieren, um sich des Lagers bei Braunsdorf zu bemächtigen. Die Kavallerie folgte als Nachhut. Sobald die Franzosen den Rückzug der preußischen Truppen bemerkten, schoben sie ihre Vorposten nebst Artillerie vor und eröffneten ein starkes, aber erfolgloses Geschützfeuer. Alles, was sie an Spielleuten und Trompetern hatten, blies Fanfare. Trommler und Pfeifer stimmten lustige Weisen an, als hätten sie bereits einen Sieg gewonnen. So verdrießlich dies Schauspiel auch für Leute war, die nie einen Feind gefürchtet hatten, so mußte man es unter den obwaltenden Umständen doch mit gleichgültigen Blicken betrachten und die deutsche Ruhe der französischen Leichtfertigkeit und Prahlerei entgegensetzen.
Noch in der Nacht zum 5. traf die Meldung ein, daß der Feind nach rechts abmarschiere. Die Husaren waren seit Tagesanbruch im Felde. Sie drangen in das eben von den Franzosen geräumte Lager und erfuhren von Bauern, daß die Franzosen den Weg nach Weißenfels eingeschlagen hätten. Kurz darauf stellte sich ein ziemlich bedeutendes Korps dem rechten preußischen Flügel gegenüber, anscheinend eine Arrieregarde oder eine Abteilung, die zur Deckung der Armee auf dem Marsche bestimmt war. Die Preußen gaben wenig darauf, da ihr Lager sowohl in der Front wie auf beiden Flügeln durch einen unüberschreitbaren Sumpf gedeckt und nur auf drei schmalen Straßen angreifbar war. So ließen sich beim Feind nur drei Pläne voraussetzen. Entweder konnte er sich aus Mangel an Lebensmitteln über Freiburg nach Oberthüringen zurückziehen, oder den Weg nach Weißenfels einschlagen, wo jedoch die Brücken zerstört waren, oder aber Merseburg noch vor dem König zu erreichen<98> suchen, um ihm den Übergang über die Saale abzuschneiden. Nun aber stand die preußische Armee Merseburg viel näher als die Franzosen. Auch brauchte man einen Marsch der Franzosen auf Merseburg um so weniger zu fürchten, als er sicher zu einer Schlacht geführt hätte, von der man sich Erfolg versprechen konnte, da keine befestigte Stellung zu stürmen war.
Der König schickte viele Streifkorps aus und wartete in seinem Lager ruhig die Klärung der feindlichen Absichten ab. Denn eine einzige vorzeitige oder übereilte Bewegung hätte alles verdorben. Teils wahre, teils falsche Nachrichten, die die Patrouillen brachten, ließen die Ungewißheit noch bis gegen Mittag bestehen. Da tauchte plötzlich in einiger Entfernung die Spitze der französischen Kolonnen auf: sie wollten den linken preußischen Flügel umgehen. Ebenso unvermerkt verschwanden die Reichstruppen aus ihrem alten Lager. Nur das Korps, das man für die Nachhut gehalten hatte und das in Wahrheit die Reserve St. Germains war, blieb den Preußen gegenüber stehen. Der König rekognoszierte nun persönlich den Marsch Soubises und gewann die Überzeugung, daß er auf Merseburg gerichtet sei. Die Franzosen rückten nur sehr langsam vor, da sie mehrere Bataillone in Kolonnen formiert hatten, die jedesmal bei einer Wegenge abbrechen mußten.
Um zwei Uhr brachen die Preußen ihre Zelte ab, machten eine Viertelschwenkung nach links und setzten sich in Bewegung. Der König marschierte parallel neben Soubises Armee her. Seine Truppen waren durch den Sumpf gedeckt, der bei Braunsdorf beginnt, sich eine starke Viertelmeile weit erstreckt und 2 000 Schritt vor Roßbach endet. Seydlitz bildete mit der gesamten Kavallerie die Avantgarde. Er hatte Befehl, die zahlreichen Mulden im Gelände zur Umgehung der französischen Kavallerie zu benutzen und sich auf die Spitze ihrer Kolonnen zu stürzen, bevor sie Zeit fänden, sich zu formieren. Dem Prinzen Ferdinand, der an diesem Tage den rechten Flügel der Armee kommandierte, konnte der König nur die Kavalleriefeldwachen des Lagers lassen. Er stellte sie, um dem Feinde zu imponieren, in einem Gliede auf. Das ging um so eher an, als der Braunsdorfer Sumpf den rechten Flügel teilweise deckte. So zogen beide Armeen parallel nebeneinander her und kamen sich dabei immer näher. Das Heer des Königs hielt sich sorgsam auf einer kleinen Anhöhe, die auf Roßbach98-1 zuläuft. Die Franzosen dagegen, die die Gegend wohl nicht recht kannten, marschierten im Grunde. Auf dem Janushügel ließ der König eine Batterie auffahren, deren Feuer den Sieg entscheiden sollte. Gegenüber in der Niederung taten die Franzosen ein gleiches. Da sie aber bergauf schossen, so war die Wirkung gleich Null.
Während dieser beiderseitigen Manöver hatte Seydlitz den rechten feindlichen Flügel unbemerkt umgangen und sich mit Ungestüm auf die Kavallerie geworfen. Die beiden österreichischen Regimenter machten zwar Front und hielten den Anprall aus, wurden aber von den Franzosen mit Ausnahme des Regiments Fitz-James im Stich gelassen und fast vollständig aufgerieben. Die Infanterie beider Armeen marschierte<99> indes weiter. Ihre Spitzen waren nur 500 Schritt voneinander entfernt. Der König hätte sich gern in den Besitz des Dorfes Reichardtswerben gesetzt. Da die Entfernung aber immer noch 600 Schritt betrug und der Kampf jeden Augenblick beginnen konnte, so detachierte er Feldmarschall Keith mit 5 Bataillonen, seinem ganzen zweiten Treffen, dorthin. Der König selbst ritt bis auf 200 Schritt an die beiden französischen Treffen heran und sah, daß sie abwechselnd in Bataillonskolonnen und in aufmarschierten Bataillonen formiert waren. Der rechte Flügel Soubises hing sozusagen in der Luft. Da aber die preußische Kavallerie noch bei der Verfolgung der feindlichen Reiterei war, konnte man diesen Flügel nur mit Infanterie umfassen. Zu dem Zweck zog der König zwei Grenadierbataillone vor und ließ sie auf seiner linken Flanke einen Haken bilden, mit dem Befehl, in dem Augenblick, wo die Franzosen zum Angriff vorgingen, halb rechts zu schwenken. Dadurch mußten sie dem Feinde notwendig in die Flanke fallen. Pünktlich führten sie die Bewegung aus. Sobald die Franzosen zur Front einschwenkten, bekamen sie das Feuer der Grenadiere in die Flanke. Nachdem sie höchstens drei Salven des Regiments Alt-Braunschweig ausgehalten hatten, sah man ihre Kolonnen gegen den linken Flügel drängen. Bald hatten sie die zwischen ihnen stehenden aufmarschierten Bataillone zusammengedrückt. Von Minute zu Minute wurde die Infanteriemasse dichter, schwerfälliger und verwirrter, und je mehr sie sich auf ihre eigne Linke warf, um so mehr wurde sie von der preußischen Front überflügelt.
Während so die Verwirrung bei Soubises Truppen beständig zunahm, erhielt der König die Meldung, daß ein feindliches Kavalleriekorps in seinem Rücken auftauche. Schleunigst sammelte er die ersten Schwadronen, deren er habhaft werden konnte. Aber kaum hatten sie sich den im Rücken der Preußen erscheinenden Reitergeschwadern entgegengestellt, so gingen diese schleunigst zurück. Nun attackierten die Gardes du Korps und die Gensdarmen die schon in größte Verwirrung geratene französische Infanterie, zersprengten sie mühelos und machten viele Gefangene. Diese Attacke fand gegen 6 Uhr abends statt. Das Wetter war trübe und die Dunkelheit schon so groß, daß eine Verfolgung unklug gewesen wäre, trotz des wilden Durcheinanders der Flucht. Der König begnügte sich damit, Kürassier-, Dragoner- und Husarenabteilungen, keine über 30 Mann stark, hinterdreinzuschicken.
Während des Kampfes hatten 10 Bataillone auf dem rechten preußischen Flügel mit geschultertem Gewehr dagestanden, ohne zu feuern. Prinz Ferdinand von Braunschweig, der sie kommandierte, hatte den Braunsdorfer Sumpf, der einen Teil seiner Front deckte, garnicht verlassen, sondern nur die ihm gegenüberstehenden Reichstruppen mit einigen Kanonenschüssen verjagt. So waren also nur sieben preußische Bataillone ins Feuer gekommen, und die ganze Schlacht hatte bis zur Entscheidung nur anderthalb Stunden gedauert.
Am nächsten Tage bei Morgengrauen brach der König mit den Husaren und Dragonern auf, um den Feinden nachzusetzen. Sie hatten sich auf Freiburg zurückgezogen. Die Infanterie erhielt Befehl, auf derselben Straße zu folgen. Die feindliche<100> Arrieregarde war noch in Freiburg. Die Dragoner saßen ab und vertrieben einige feindliche Abteilungen aus den Gärten. Dann traf man Anstalten zur Erstürmung des Schlosses, aber der Feind wartete das garnicht erst ab, sondern zog sich eiligst über die Unstrut zurück und verbrannte die Brücken hinter sich. Inzwischen kamen die kleinen Abteilungen, die der König am Abend der Schlacht abgesandt hatte, einzeln zurück. Sie brachten teils gefangene Offiziere, teils Soldaten, ja auch Kanonen mit. Keine einzige erschien mit leeren Händen. Unterdessen wurde die Brücke über die Unstrut schleunigst wiederhergestellt, sodaß sie bereits binnen einer Stunde wieder benutzbar war. Die Soubisesche Armee hatte sich aber auf so vielen Straßen zerstreut, daß man nicht wußte, auf welcher man sie verfolgen sollte. Da die Bauern versicherten, das Gros der Flüchtigen habe die Richtung nach Eckartsberga eingeschlagen, so marschierte der König dorthin. Den ganzen Tag über machte man immerfort neue Gefangene. Alle nach verschiedenen Seiten entsandten Detachements brachten welche ein. In Eckartsberga fand man aber ein Korps Reichstruppen, etwa 5 000 bis 6 000 Mann stark. Da der König keine andre Infanterie bei sich hatte als das Mayrsche Freibataillon, so legte er es nebst Husaren in ein Gehölz in der Nähe des feindlichen Lagers in einen Hinterhalt und befahl ihnen, den Feind die ganze Nacht durch zu beunruhigen. Verdrossen über die Störung ihrer Nachtruhe, räumten die Reichstruppen ihre Stellung und verloren dabei 400 Mann und 10 Kanonen. Lentulus100-1, der ihnen am nächsten Tage bis Erfurt nachsetzte, nahm ihnen noch weitere 800 Gefangene ab und brachte sie zum König.
Die Schlacht bei Roßbach hatte Soubise 10 000 Mann gekostet, darunter 7 000 Gefangene. Außerdem erbeuteten die Preußen 63 Kanonen, 15 Standarten, 7 Fahnen und ein Paar Pauken.
Das Verhalten der französischen Generale ist schwerlich zu billigen. Unstreitig hatten sie die Absicht, die Preußen aus Sachsen zu vertreiben. Aber lag es nicht viel<101> mehr im Interesse ihrer Verbündeten, den König einfach festzuhalten, um dadurch Feldmarschall Daun und dem Prinzen von Lothringen Zeit zur vollständigen Eroberung Schlesiens zu verschaffen? Hätten sie den König nur noch eine kurze Weile in Thüringen hingehalten, so wäre die Eroberung nicht nur vollendet worden, sondern die Preußen hätten auch bei der vorgerückten, rauhen Jahreszeit in Schlesien unmöglich noch die Erfolge erringen können, von denen wir gleich reden werden. Was aber die Schlacht selbst anlangt, in die sie sich so zur Unzeit einließen, so war es gewiß nur Soubises Unentschlossenheit und seinen verkehrten Anordnungen zuzuschreiben, wenn er sich von einer Handvoll Leute besiegen ließ. Noch erstaunlicher aber als alles übrige erschien die Art, mit der Frankreich die Verdienste seiner Generale belohnte. D'Estrées, der Sieger von Hastenbeck, wurde zurückberufen101-1, Soubise aber, der bei Roßbach unterlag, wurde bald darauf zum Marschall von Frankeich befördert.
Eigentlich gab die Schlacht von Roßbach dem König nur die Freiheit, in Schlesien neue Gefahren aufzusuchen. Die Bedeutung des Sieges lag bloß in dem Eindruck, den er auf die Franzosen und die Trümmer der Armee des Herzogs von Cumberland machte. Sobald Richelieu Nachricht von der Niederlage erhalten hatte, verließ er sein Lager bei Halberstadt und zog sich ins Kurfürstentum Hannover zurück. Die Truppen der Verbündeten hingegen, die schon die Waffen strecken wollten, schöpften neuen Mut und neue Hoffnung.
Fast gleichzeitig gab ein günstiger Umschwung im englischen Ministerium, auf den wir gleich näher eingehen werden, der Regierung neue Tatkraft. Beschämt über die Konvention von Kloster Zeven, die ihrer Nation das Siegel der Schmach aufdrückte, beschlossen die englischen Minister, diese Konvention zu brechen. Sie waren dazu um so mehr berechtigt, als das Abkommen weder vom König von England noch vom König von Frankreich ratifiziert worden war. Sie bemühten sich sofort, die Armee bei Stade wieder auf die Beine zu bringen, und der Herzog von Cumberland, der das Vertrauen seiner Truppen verloren hatte, wurde vom König abberufen. An seiner Statt erbat er sich vom König den Prinzen Ferdinand von Braunschweig, dessen Ruf sich mit Recht durch ganz Europa verbreitet hatte. Die Preußen verloren in ihm zwar einen trefflichen und schwer entbehrlichen General, aber es war von größter Wichtigkeit, die Armee der Verbündeten wieder in die Höhe zu bringen, und so konnte der König diese Bitte nicht gut abschlagen. Prinz Ferdinand verließ also das Heer, begab sich auf Umwegen nach Stade und fand in der Gegend ein zerstreutes Korps von 30 000 Mann vor, dessen Entwaffnung die Franzosen aus Inkonsequenz oder Leichtsinn versäumt hatten.
Während des Feldzuges in Thüringen kam man dahinter, daß ein Franzose, namens Fraigne, der sich am Hofe von Zerbst aufhielt101-2, Hausierer und andre verkappte Leute zur preußischen Armee schickte, um alles, was sie erkundeten, den französischen Generalen mitzuteilen. Infolgedessen wurde ein Detachement nach<102> Zerbst gesandt, das den Abenteurer aufhob und nach der Festung Magdeburg schaffte. Dabei stellte sich heraus, daß die Fürstin-Witwe von Zerbst102-1 infolge einer unerklärlichen Liebestorheit eine heimliche Ehe mit diesem Menschen geschlossen hatte. Sie schlug lauten Lärm über seine Gefangennahme und verlegte aus Ärger ihren Wohnsitz nach Paris. Die Sache konnte unter Umständen üble Folgen haben, da die Großfürstin von Rußland die Tochter der Fürstin von Zerbst war. Aber vielleicht ignorierte oder mißbilligte die Großfürstin das Verhältnis ihrer Mutter zu diesem Abenteurer, und so erwuchs dem König kein weiterer Verdruß daraus.
Der König kehrte von Eckartsberga nach Freiburg zurück. Gleichzeitig kam ein Detachement, das Feldmarschall Keith nach Querfurt gesandt hatte, von der Verfolgung der Franzosen wieder. Sogar die Bauern der Gegend brachten Gefangene ein. Sie waren erbittert über die Schandtaten, die die Soldaten Soubises in lutherischen Kirchen verübt hatten. Alles, was das Volk aufs höchste verehrte, war mit roher Unanständigkeit entweiht worden. Dies zügellose Benehmen der Franzosen hatte alle thüringischen Bauern zu Parteigängern der Preußen gemacht.
Indessen mußte der König von Freiburg aufbrechen. Die Lage in Schlesien erforderte seine Gegenwart und Hilfe. Er wollte stracks auf Schweidnitz marschieren, um Nadasdy zur Aufhebung der Belagerung zu zwingen. Am 13. November brach er mit 19 Bataillonen und 28 Schwadronen von Leipzig auf. Gleichzeitig rückte Feldmarschall Keith mit einem kleinen Korps über Leitmeritz in Böhmen ein, um den Marsch des Königs durch die Lausitz zu erleichtern und Marschall durch diese Diversion zum Verlassen der Gegend von Bautzen und Zittau zu zwingen. Keith nahm ein großes feindliches Magazin bei Leitmeritz weg und machte Miene, auf Prag vorzurücken. Derweilen drang der König in die Lausitz ein und vertrieb Hadik aus Großenhain. Bei seiner Annäherung zog sich Marschall auf Löbau zurück. Auf dem Marsche von Bautzen nach Weißenberg wurde die Spitze einer Kolonne gegen Löbau dirigiert. Bei ihrem Erscheinen ging Marschall noch weiter auf Gabel zurück. Hierauf setzte der König seinen Weg ungehindert fort.
Bei seiner Ankunft in Görlitz (23. November) erhielt der König die schmerzliche Nachricht, daß sich Schweidnitz ergeben hatte102-2. Die Festung wurde auf folgende Weise genommen. Nadasdy hatte am 27. Oktober die Laufgräben zwischen dem Bögenfort und der Ziegelei eröffnet. Am 10. November war seine dritte Parallele fertig. Die Besatzung hatte einige erfolgreiche Ausfälle gemacht, und obwohl das Bombardement einen Teil der Stadt zerstört hatte, war noch keins der Werke in Feindeshand gefallen. Ungeduldig über seine geringen Erfolge, beschloß Nadasdy einen Handstreich zu wagen. In der Nacht zum 11. November unternahm er einen allgemeinen Sturm<103> auf alle Schanzen, die die eigentliche Festung umgeben, und eroberte zwei. Ob dieses Unfalls verloren der Kommandant der Festung, Sers103-1, und Grumbkow103-2, der ihm beigeordnet war, den Kopf. Sie kapitulierten und gaben sich mit der ganzen Besatzung, 10 Husarenschwadronen und 10 Bataillonen Infanterie, kriegsgefangen. Die Österreicher entwaffneten die Truppen, und da der größte Teil von ihnen aus Schlesien war, so gaben sie ihnen den Laufpaß und ließen sie in ihre Dörfer zurückkehren. Zu keiner Zeit hätte dies Ereignis die Pläne des Königs mehr durchkreuzen können. Jedenfalls aber wurde dadurch seine Vereinigung mit dem Herzog von Bevern um so nötiger, zumal leicht vorauszusehen war, daß sich Nadasdy nach der Einnahme von Schweidnitz mit Feldmarschall Daun vereinigen würde, um alles, was an Preußen noch bei Breslau stand, zu vernichten.
Der Herzog von Bevern hatte vom König gemessenen Befehl, den Feind anzugreifen und nicht zu dulden, daß Schweidnitz sozusagen vor seinen Augen erobert würde. Das war angesichts der österreichischen Stellung bei Lissa auch leicht auszuführen. Der Herzog konnte mit einer einzigen Bewegung dem Feind in die Flanke fallen und hätte ihn vermutlich geschlagen. Die Belagerung von Schweidnitz wäre dann aufgehoben und der Plan der Kaiserlichen durchkreuzt worden. Blieb er dagegen untätig stehen, so mußte die Festung, die auf keine Hilfe mehr zu hoffen hatte, schließlich kapitulieren. Dann konnten alle feindlichen Truppen vereint über die Preußen herfallen und ihre befestigte Stellung an der Lohe stürmen. Leider sah der Herzog das Zwingende dieser Gründe nicht ein. Immerhin bestimmten ihn eines Tages die Generale, den Angriff wenigstens zu versuchen. Er brach also aus dem Lager auf und schlug die leichten Truppen, die die rechte Flanke der Österreicher deckten. Um aber ihre Hauptarmee anzugreifen und in die Oder zu werfen, was sicher gelungen wäre, dazu hätte er weniger Unsicherheit und Ängstlichkeit und mehr Selbstvertrauen haben müssen. So aber schreckte er vor einem Unternehmen zurück, dessen Ausgang nie völlig sicher ist. Er glaubte genug getan zu haben und führte seine Truppen in ihre Verschanzungen zurück.
Am 24. November kam der König in Naumburg am Queis an. Dort erfuhr er den Sieg der Österreicher über den Herzog von Bevern103-3 und den Verlust Breslaus103-4. Alles, was man dem Herzog vorhergesagt hatte, war leider nur allzu genau eingetroffen. Nadasdy hatte sich mit dem Prinzen von Lothringen und Feldmarschall Daun vereinigt, und in ihrer Ungeduld, die Eroberung Schlesiens zu vollenden, hatten die Feinde ihren Plan unverzüglich ins Werk gesetzt. In der Nacht vom 21. zum 22. November hatten sie vor der Front der Preußen, zwischen Pilsnitz und Groß-Mochbern, vier große Batterien mit schwerem Geschütz errichtet. Der Herzog von Bevern sah sich das mit an und ließ sie ihr Vorhaben ruhig vollenden, so deutlich auch in diesen Maßnahmen Dauns Anschlag gegen die preußischen Verschanzungen zutage<104> trat. Dann zog Nadasdy an der Lohe entlang und formierte sich in der Richtung auf Gabitz. Der Herzog von Bevern erblickte darin die Absicht, ihm in den Rücken zu fallen, so schwierig das in Wahrheit auch gewesen wäre, und schwächte sich noch durch Detachierung einer Abteilung unter Zieten nach Gabitz, die dort der feindlichen Umfassung entgegentreten sollte. Die Front des preußischen Lagers hinter der Lohe war durch Schanzen gedeckt, die in der Kehle offen und so schlecht angelegt waren, daß man einige sogar vom andern Ufer bestreichen konnte. Nicht einmal für ihre hinreichende Besetzung mit Geschützen hatte der Herzog von Bevern gesorgt. Der größte Teil seiner Artillerie steckte in einer Verschanzung, die er in einem tiefen Grunde anlegen ließ, um seine Flanke an der Lohe gegen die Vorstadt von Breslau zu decken. Feldmarschall Daun hatte Zeit gehabt, all diese Nachlässigkeiten und Schnitzer zu beobachten und erkunden zu lassen. Er benutzte sie weidlich zum eigenen Vorteil.
Am 22. November um neun Uhr morgens begann der Angriff. Einige Schanzen wurden abwechselnd genommen und wieder zurückerobert. Die preußische Kavallerie mußte in einem Morast operieren, wo sie nicht fechten konnte und vom Feuer einer Batterie von 60 Kanonen überschüttet wurde, die die Österreicher am jenseitigen Ufer errichtet hatten. Ungeachtet so vieler Fehler behaupteten sich die Preußen noch in ihrer Stellung. Auf dem linken Flügel bei Gabitz warf Zieten nicht nur die Angriffe zurück, sondern verfolgte Nadasdy sogar bis über die Lohe. Der Feind zog sich in regelloser Flucht bis hinter das Schweidnitzer Wasser zurück. Währenddessen waren die Österreicher beim Angriff auf den Herzog von Bevern unter dem Schutz ihrer Artillerie über die Lohe gegangen und eroberten die preußischen Schanzen sofort durch die Kehlen. Die Besatzung verteidigte sich zwar tapfer und warf die Angreifer verschiedentlich wieder hinaus. Ja, Prinz Ferdinand von Preußen trieb sie teilweise bis an die Lohe zurück. Aber der Feind war allzu stark. Das Lager war verloren, und die Nacht brach herein. Es hätte zwar noch Hilfsmittel gegeben, aber der Herzog von Bevern sah sie nicht. In der ersten Bestürzung ging er über die Oder zurück und warf Lestwitz mit 8 Bataillonen nach Breslau. Dadurch verlor er 80 Kanonen und fast 8 000 Mann, die der Angriff auf das Lager bei Lissa ihm nicht gekostet hätte. Allerdings behaupteten die Österreicher, das Gefecht habe ihnen 18 000 Mann kampfunfähig gemacht, und in der Tat waren die umliegenden Dörfer mit Verwundeten überfüllt.
Am folgenden Morgen, oder richtiger noch in der Nacht, unternahm der Herzog von Bevern eine Rekognoszierung des Beckschen Korps, das in seiner Nähe lagerte. Er war allein und ließ sich von Panduren gefangen nehmen. Kyau, der rangälteste General, übernahm den Oberbefehl, überlegte aber nicht, was etwa zu tun wäre, sondern marschierte stracks nach Glogau ab.
Kaum glaubte sich Lestwitz in Breslau verlassen, so verlor er den Kopf. Als die Österreicher sich der Hauptstadt näherten, wartete er, der doch bisher als tapferer Offizier gegolten hatte, nicht einen feindlichen Kanonenschuß gegen die Wälle ab, sondern bot dem Feind die Kapitulation an und erhielt mit Waffen und Gepäck freien<105> Abzug. Zwei Tage darauf schlug er mit seiner Besatzung, von der die Hälfte desertierte, die Straße ein, die Kyau gezogen war.
Der König erhielt all diese niederschmetternden Nachrichten auf einmal. Er ließ sich durch die Schicksalsschläge nicht niederdrücken, sondern sann nur auf Abhilfe und beschleunigte seinen Marsch, um das Oderufer möglichst bald zu erreichen. Unterwegs umging er Liegnitz, das die Österreicher befestigt hatten, und rückte stracks auf Parchwitz vor. Seine Avantgarde stieß unvermutet auf ein feindliches Detachement, schlug es gründlich und machte 300 Gefangene105-1. Am 28. November traf er in Parchwitz ein. Er hatte den Marsch von Leipzig bis zur Oder in zwölf Tagen zurückgelegt. Kyau sollte bei Köben über die Oder gehen, konnte den Befehl aber nicht ausführen, da der größte Teil seiner Truppen bereits Glogau erreicht hatte. Nichts war unter solchen Umständen kostbarer als Zeit. Kein Augenblick war zu verlieren. Man mußte die Österreicher um jeden Preis unverzüglich angreifen und aus Schlesien herauswerfen oder sich für immer in den Verlust der Provinz fügen. Die schlesische Armee ging bei Glogau wieder über die Oder, konnte sich mit den Truppen des Königs aber erst am 2. Dezember vereinigen. Sie war mutlos und durch die eben erlittene Niederlage tief gedrückt. Man faßte die Offiziere bei ihrer Ehre, erinnerte sie an ihre früheren Siege, suchte durch Frohsinn den frischen Eindruck der traurigen Bilder zu verwischen. Selbst der Wein mußte zur Wiederbelebung der niedergeschlagenen Geister herhalten. Der König sprach mit den Soldaten und ließ unentgeltlich Lebensmittel verteilen. Kurz, er erschöpfte alle Mittel, die die Einbildungskraft ersinnen konnte und die die Zeit irgend erlaubte, um im Heere wieder Vertrauen wachzurufen, ohne das die Hoffnung auf Sieg eitel ist105-2. Schon begannen die Gesichter sich aufzuhellen. Die Truppen, die soeben die Franzosen bei Roßbach geschlagen hatten, redeten ihren Kameraden zu, guten Mut zu fassen. Etwas Ruhe gab den Soldaten frische Kraft, und die Armee war bereit, bei der ersten Gelegenheit die am 22. erlittene Schmach wieder abzuwaschen. Der König suchte nach dieser Gelegenheit und fand sie bald.
Am 4. Dezember rückte er bis Neumarkt vor. Er hatte nur die Avantgarde der Husaren bei sich und erfuhr, daß der Feind seine Bäckerei in Neumarkt einrichte, daß die Stadt von Panduren besetzt sei und daß die Armee des Feldmarschalls Daun in kurzem erwartet würde. Erlaubte man dem Feinde die Besetzung der Höhen hinter Neumarkt, so gab man ihm einen großen Vorteil in die Hand. Andrerseits war es schwer, den Ort zu nehmen. Infanterie war nicht da und konnte auch nicht vor dem Abend heran sein. Außerdem hatte man keine Kanonen. Die Husaren waren die einzigen verfügbaren Truppen. Der König entschloß sich, aus der Not eine Tugend zu machen. Da er um keinen Preis zulassen wollte, daß der Prinz von Lothringen sich ihm zum Trotz gegenüber lagerte, ließ er einige Husarenschwadronen absitzen und das Stadttor sprengen. Ein Regiment folgte zu Pferde und drang in voller Karriere ein.<106> Ein andres Regiment erreichte durch die Vorstädte das Breslauer Tor, und das Unternehmen endigte mit der Gefangennahme von 800 Kroaten durch die Husaren. Sogleich wurde der Lagerplatz besetzt. Man fand dort Pfähle und Markierungen, die die österreichischen Ingenieure zur Absteckung der Truppenstellung hinterlassen hatten. Der Prinz von Württemberg übernahm den Befehl über die Avantgarde. Am Abend erhielt er 10 Bataillone Verstärkung, mit denen er bei Kammendorf ein Lager bezog. Noch am selben Tage zog die Kavallerie durch das Defilee von Neumarkt, während das Gros der Infanterie in Neumarkt und den umliegenden Dörfern kantonnierte. Da erhielt der König zuverlässige Meldung, der Prinz von Lothringen habe das Lager an der Lohe verlassen und sei bis über Lissa vorgerückt. Sein rechter Flügel lehne sich an das Dorf Nippern, der linke an Gohlau, und das Schweidnitzer Wasser decke seinen Rücken. Erfreut sah der König den Feind in einer Stellung, die seine eigenen Absichten erleichterte. Denn er war gezwungen und entschlossen, die Österreicher überall anzugreifen, wo er sie fand, und wenn sie auf dem Zobtenberg gestanden hätten.
Sofort wurden die Anordnungen zum Vormarsch getroffen. Die Armee setzte sich am 5. vor Tagesanbruch in Bewegung. Voran rückte eine Avantgarde von 60 Schwadronen und 10 Bataillonen, an ihrer Spitze der König. Dicht dahinter folgte die Armee in vier Kolonnen, die Infanterie in der Mitte, die Kavallerie auf den Flügeln. Als die Avantgarde sich dem Dorfe Borne näherte, sah sie eine große Kavallerielinie vor sich, deren rechter Flügel sich nach Lissa hinzog, während der vorgeschobene linke Flügel sich an ein Gehölz rechts von der Armee des Königs lehnte. Anfangs hielt man diese Kavallerie für einen Flügel der österreichischen Armee, deren Zentrum man aber nicht entdeckte. Die Patrouillen versicherten, es wäre eine Avantgarde. Ja, man erfuhr sogar, daß sie von General Nostitz kommandiert würde und aus vier sächsischen Dragonerregimentern und zwei kaiserlichen Husarenregimentern bestände. Um sicher zu gehen, wurden die 10 Bataillone der Vorhut unvermerkt in das Gehölz gelegt, das die linke Flanke von Nostitz deckte. Dann warf sich die inzwischen aufmarschierte preußische Kavallerie mit Ungestüm auf den Feind. Im Nu wurden die Regimenter zerstreut und bis vor die Front der österreichischen Armee verfolgt. 5 Offiziere und 800 Mann wurden dabei gefangen genommen und an den Marschkolonnen entlang nach Neumarkt zurückgeschickt, um die Truppen durch diesen Erfolg anzufeuern. Nur mit Mühe zügelte der König das Ungestüm der Husaren, die ihre Kampflust vorwärts trieb. Sie wollten schon mitten in die österreichische Armee hereinbrechen, wurden jedoch in Kanonenschußweite vom Feinde zwischen den Dörfern Groß-Heidau und Frobelwitz wieder gesammelt.
Von dort sah man die kaiserliche Armee so deutlich, daß man sie Mann für Mann zählen konnte. Ihr rechter Flügel, der, wie man wußte, bei Nippern stand, war allerdings durch das große Gehölz bei Lissa106-1 verdeckt, aber vom Zentrum bis zum linken<107> Flügel war alles zu übersehen. Beim ersten Anblick dieser Stellung ergab sich aus der Geländebeschaffenheit, daß der Hauptstoß sich gegen den linken Flügel des Feindes richten müsse, der sich, schlecht angelehnt, über den Sagschützer Kiefernberg zog. War diese Stellung erst gestürmt, so hatte man für den Rest der Schlacht das Gelände für sich; denn es fällt von dort aus immer weiter ab und senkt sich gegen Nippern herab. Ließ man sich dagegen mit dem Zentrum ein, so konnte der rechte österreichische Flügel durch das Lissaer Gehölz den Angreifern in die Flanke fallen. Jedenfalls hätte man zum Schluß einen Angriff auf den Kiefernberg machen müssen, da er die ganze Ebene beherrschte, hätte sich also das Härteste und Schwerste bis zuletzt aufgespart, wo die Truppen, ermattet und vom Kämpfen erschöpft, zu großen Anstrengungen nicht mehr imstande sind. Fing man aber mit dem Schwersten an, so hatte man den ersten Feuereifer der Soldaten zugute, und das Weitere war dagegen leicht. Aus diesen Gründen wurde die Armee unverzüglich zum Angriff auf den linken feindlichen Flügel angesetzt. Die mit Aufmarschabständen vorrückenden Kolonnen wurden wieder auseinandergezogen und zu zwei Treffen formiert, indem die Züge mit einer Viertelschwenkung rechts abmarschierten. Der König zog mit seinen Husaren links neben der marschierenden Armee her, auf einer Hügelkette entlang, die dem Feind ihre Bewegungen verbarg. Da er so zwischen beiden Heeren wie auf einer Grenzscheide ritt, konnte er die Österreicher überblicken und den Marsch seiner Truppen leiten. Auch sandte er zuverlässige Offiziere teils zur Beobachtung des rechten Flügels des Feldmarschalls Daun, teils auf Kanth, wo Draskowich lagerte, um dessen Bewegungen im Auge zu behalten. Zugleich wurden Patrouillen am Schweidnitzer Wasser entlang geschickt, um während des Angriffs den Rücken der Armee zu sichern.
Der Plan des Königs, zu dessen Ausführung man jetzt schritt, war folgender. Die ganze preußische Armee sollte die linke Flanke des kaiserlichen Heeres angreifen. Den<108> Hauptstoß sollte der rechte Flügel ausführen, während der linke dem Feinde mit so viel Vorsicht versagt werden sollte, daß Fehler wie bei Prag und bei Kolin (wo sie die Niederlage verschuldet hatten)108-1 nicht wieder begangen werden konnten.
Wedell108-2, der mit seinen 10 Avantgardenbataillonen zum ersten Angriff bestimmt war, hatte sich bereits an die Spitze der Armee gesetzt, und die Teten der Kolonnen hatten unbemerkt vom Feinde das Schweidnitzer Wasser erreicht. Feldmarschall Daun hielt den Marsch der Preußen für einen Rückzug und sagte zum Prinzen von Lothringen: „Die guten Leute paschen ab. Lassen wir sie in Frieden ziehen!“ Inzwischen hatte Wedell sich vor den beiden Infanterietreffen des rechten Flügels formiert. Sein Angriff wurde durch eine Batterie von 20 Zwölfpfündern108-3 unterstützt, die der König von den Wällen von Glogau genommen hatte. Das erste Treffen erhielt Befehl, in Bataillonsstaffeln vorzurücken, jedes Bataillon mit 50 Schritt Abstand hinter dem andern, sodaß der äußerste rechte Flügel beim Vorrücken der Schlachtfront dem Ende des linken Flügels um 1 000 Schritt voraus war. Bei dieser Anordnung konnte der linke Flügel unmöglich ohne Befehl in den Kampf eingreifen.
Nun stürmte Wedell gegen den Kiefernberg an, auf dem Nadasdy stand. Er stieß auf keinen großen Widerstand und nahm ihn ziemlich schnell. Als sich die österreichischen Generale umgangen und in der Flanke gefaßt sahen, suchten sie eine neue Front zu formieren und sich den Preußen parallel zu stellen. Doch zu spät! Die ganze Kunst der preußischen Generale bestand darin, dem Feinde keine Zeit zur Veränderung seiner Stellung zu lassen. Schon richteten sich die Preußen auf einer Anhöhe ein, die das Dorf Leuthen beherrscht. In dem Augenblick, wo der Feind sie mit Infanterie besetzen wollte, wurde er von einer zweiten Batterie von 20 Zwölfpfündern108-4 so zur rechten Zeit mit Feuer überschüttet, daß er die Lust verlor und sich zurückzog. Dort, wo Wedell angriff, bemächtigten sich die Österreicher eines Hügels nahe dem Bach108-5, damit er ihre Linie nicht in der ganzen Länge bestreichen konnte. Der aber duldete sie nicht lange dort. Nach einem Kampfe, der länger und hartnäckiger war als der erste, warf er den Feind zurück. Zugleich griff Zieten die feindliche Kavallerie an und schlug sie in die Flucht. Einige Schwadronen seines rechten Flügels bekamen dabei in die Flanke eine Kartätschensalve aus dem Buschwerk am Bachufer. Das unerwartete Feuer trieb sie zurück. Sie formierten sich wieder neben der Infanterie.
Nun meldeten die zur Beobachtung des rechten österreichischen Flügels abgesandten Offiziere dem König, daß dieser Flügel sich durch das Gehölz bei Lissa ziehe und unverzüglich in der Ebene auftauchen müsse. Daraufhin erhielt Driesen108-6 Befehl, mit dem linken preußischen Kavallerieflügel vorzugehen. Als die österreichischen Kürassiere sich bei Leuthen zu formieren begannen, wurden sie von der Batterie im Zentrum der preußischen Armee mit heftigem Artilleriefeuer begrüßt. Zugleich griff Driesen sie an. Der Kampf war kurz. Die Kaiserlichen wurden zerstreut und flohen Hals über<109> Kopf. Ein Infanterietreffen, das sich neben den Kürassieren hinter Leuthen aufgestellt hatte, wurde von den Bayreuth-Dragonern in der Flanke angegriffen und auf die Freibataillone Angelellis geworfen. Zwei ganze Regimenter mit Offizieren und Fahnen wurden gefangen genommen. Als nun die feindliche Kavallerie so vollständig zersprengt war, ließ der König das Zentrum seiner Infanterie auf Leuthen vorrücken. Das Gefecht war lebhaft, aber kurz, da die österreichische Infanterie zerstreut zwischen Häusern und Gärten stand. Als die Preußen aus dem Dorf heraustraten, erblickten sie eine neue Infanterielinie, die die österreichischen Generale auf der Windmühlenhöhe aufgestellt hatten. Eine Weile hatten die Preußen unter ihrem Feuer zu leiden. Aber der Feind hatte in der allgemeinen Verwirrung nicht gemerkt, daß Wedell ihnen ganz nahe war. Unvermutet fiel der tapfere und geschickte General ihnen in die Flanke und in den Rücken. Dies glänzende Manöver entschied den Sieg und endigte den großen Tag.
Nun raffte der König die ersten besten Truppen zusammen und machte sich mit den Seydlitz-Kürassieren und einem Bataillon Bornstedt an die Verfolgung der Feinde. Er rückte zwischen dem Schweidnitzer Wasser und dem Lissaer Gehölz vor109-1. Aber die Dunkelheit wurde so groß, daß er Patrouillen vorausschicken mußte, um den Wald abzustreifen und Nachricht zu bringen. Von Zeit zu Zeit ließ er Kanonensalven auf Lissa richten, wohin sich das Gros der österreichischen Armee geflüchtet hatte. Als die Avantgarde sich dem Orte näherte, bekam sie eine Salve von ungefähr zwei Bataillonen. Es wurde aber niemand verwundet. Man antwortete mit einigen Kanonenschüssen und setzte den Marsch ruhig fort. Unterwegs brachten die Seydlitz-Kürassiere truppweise Gefangene ein. Als der König nach Lissa kam, fand er alle Häuser voll von Flüchtigen und Versprengten der kaiserlichen Armee. Er besetzte sofort die Brücke und ließ dort Kanonen auffahren, mit dem Befehl, zu schießen, solang der Pulvervorrat reichte109-2. Auch ließ er auf der Straße nach Breslau, auf der sich der Feind zurückzog, die Häuser zunächst dem Schweidnitzer Wasser mit Infanterietrupps besetzen, die die ganze Nacht durch das jenseitige Ufer bestreichen mußten, teils, um die Besiegten ständig in Schrecken zu halten, teils, um zu verhindern, daß sie Truppen auf das andere Ufer warfen, die am nächsten Tage den Übergang hätten verteidigen können.
Die Schlacht hatte um ein Uhr mittags begonnen. Als der König mit der Avantgarde in Lissa einrückte, war es acht Uhr abends. Seine Armee war 33 000 Mann stark, als sie den Kampf mit den Österreichern aufnahm. Diese sollten sich auf 60 000 Mann belaufen. Wäre die Nacht nicht hereingebrochen, so wäre die Schlacht die entscheidendste des ganzen Jahrhunderts geworden.
<110>Die Truppen hatten keine Zeit zur Ruhe. Noch in der Nacht rückten sie von Lissa weiter, brachten unterwegs noch massenhaft feindliche Nachzügler ein und erreichten um 10 Uhr das Ufer der Lohe (6. Dezember). Trotzdem Serbelloni mit einer starken Nachhut bei Groß-Mochbern stand, gingen 10 Bataillone über den Fluß. Sie wurden in einer Schlucht postiert, die sie vor dem Feuer der österreichischen Kanonen deckte. Die Husaren wurden hinter Dörfern und Vorwerken verdeckt aufgestellt und konnten im Notfall jederzeit eingreifen. Serbelloni beschleunigte seinen Rückzug nach Kräften. Er zog sich gegen zwei Uhr nachmittags auf Breslau zurück. Zieten folgte ihm mit allen Husaren, 20 Schwadronen Dragonern und 16 Bataillonen auf dem Fuße. Ein Teil der Österreicher warf sich in wirrem Durcheinander nach Breslau. Da sich die Arrieregarde so in Schrecken und Verwirrung zurückzog, verlor sie unterwegs noch eine Menge Leute. Zieten verfolgte die Armee des Feldmarschalls Daun durch Bohrau, Reichenbach und Kunzendorf bis Reichenau, wo Fouqué mit einigen Truppen aus Glatz zu ihm stieß. Darauf trieben beide Generale die Österreicher gemeinsam bis nach Böhmen.
Der König begann am 7. Dezember die Einschließung Breslaus und besetzte die Nikolaivorstadt, Gabitz, Lehmgruben, Huben und Dürrgoy. Da man die Stadt nach den Regeln der Kriegskunst auch auf dem andern Oderufer einschließen mußte, so sandte der König Befehl an Wied, der in Brieg krank gelegen hatte, mit 3 Bataillonen von dort heranzurücken. Zur Verstärkung erhielt er 5 Schwadronen, die sich auf der Landstraße von Breslau nach Hundsfeld aufstellten. Dort verschanzte er sich nach Kräften, um einen etwaigen Fluchtversuch der Besatzung nach Polen zu hindern. Die Belagerung von Breslau wurde vorbereitet. Der König ließ die nötige Munition, Kanonen und Mörser aus den Festungen Brieg und Neiße kommen. Am 10. Dezember waren die Vorbereitungen beendet. Darauf besetzten 6 Bataillone die Ohlauer Vorstadt und verschanzten sich im Kloster der Barmherzigen Brüder, aus dem sie die Panduren vertrieben hatten. Forcade nahm Stellung auf dem St. Moritz-Kirchhof und errichtete eine Batterie unter dem Schutze der Mauern, die bei den Arbeiten als Deckung dienten. Um die Aufmerksamkeit des Kommandanten110-1 und der Besatzung abzulenken, errichtete auch Prinz Ferdinand von Preußen in der Nikolaivorstadt eine Batterie und legte ein Stück Laufgraben an. Infolgedessen glaubte der Feind, die Preußen würden von dieser Seite zum Angriff vorgehen. Derweil zog Balbi seine Parallele vom St. Moritz-Kirchhof bis gegenüber dem Schweidnitzer Tor. Aus dieser Parallele richteten zwei große Batterien ihr Kreuzfeuer auf die Taschenbastion und auf den Kavalier110-2 der sie beherrscht. Die Belagerten verteidigten sich nur lässig. Sie versuchten von Polnisch-Neudorf aus, wo Wied stand, einen schwachen Ausfall, wobei sie 300 Leute verloren. Zufällig schlug am 16. eine Bombe in das Pulvermagazin der Taschenbastion. Die Schulter flog in die Luft und ihre<111> Trümmer bildeten eine Art von Bresche. Dabei wurde die Kälte so heftig, daß der Kommandant besorgte, die Preußen möchten trotz aller Vorsichtsmaßregeln einen Sturm über die zugefrorenen Gräben wagen. Er fürchtete dem Angriff zu erliegen und wußte außerdem, daß die Kaiserlichen nach Böhmen zurückgetrieben waren und daß er von ihnen keinen Entsatz zu erwarten hatte. Aus allen diesen Gründen zog er die Kapitulation vor und ergab sich mit der ganzen Besatzung111-1. Dabei stellte sich heraus, daß 14 000 Mann 17 000 belagert hatten. Allerdings bestand ein Teil der Garnison aus Flüchtlingen von Leuthen, und ganz allgemein gesprochen: weder die Befestigungswerke noch die Zahl der Soldaten verteidigen eine Stadt, sondern es hängt alles von der größeren oder geringeren Festigkeit und dem entschlossenen Mut des Kommandanten ab.
Wir haben die Ereignisse des schlesischen Feldzuges ohne Unterbrechung berichtet. Vielleicht würde man nun nicht ungern die Verluste der beiden kriegführenden Parteien erfahren. Die Preußen verloren in der Schlacht bei Leuthen an Toten und Verwundeten nur 2 660 Mann, weil sie mit Ausnahme des ersten Angriffs ein günstiges Terrain hatten. Die Österreicher dagegen verloren 307 Offiziere und 21 000 Mann, 131 Kanonen und 51 Fahnen. Außerdem machten Zieten und Fouqué bei der Verfolgung noch 2 500 Gefangene. Ferner kostete die Kapitulation Breslaus dem Feind 13 Generale, 685 Offiziere und 17 635 Mann, im ganzen also 41 442 Mann, um die die kaiserliche Armee schwächer nach Böhmen zurückkehrte.
Obgleich der Feldzug lang, schwer und mühselig gewesen war und über alles Erwarten glücklich auslief, blieb doch noch eine Unternehmung übrig: so groß war der Umschwung aller Dinge in Schlesien gewesen. Es galt Liegnitz zurückzuerobern, das die Kaiserlichen befestigt und ringsum unter Wasser gesetzt hatten. Schon am 16. Dezember hatte Driesen die Stadt mit Kavallerie eingeschlossen. Am 25. stieß Prinz Moritz mit Infanterie dazu, um eine regelrechte Belagerung zu eröffnen. Alle Vorkehrungen wurden getroffen, auch das Geschütz kam an. Feldmarschall Daun hatte Bülow111-2 als Kommandanten in Liegnitz zurückgelassen. Der zog die Rettung der Besatzung einer Verteidigung vor, die er auf die Dauer doch nicht hätte aushalten können. Er kapitulierte also unter der Bedingung, daß ihm freier Abzug gewährt wurde111-3. Das wurde gern bewilligt, da die Truppen völlig erschöpft waren und bei dem starken Froste Schaufel und Hacke versagten. Die Festungswerke und Schleusen der Stadt wurden zerstört, damit der Feind sie im Fall einer nochmaligen Eroberung nicht so rasch in verteidigungsfähigen Zustand setzen und Liegnitz nicht wieder als festen Platz benutzen konnte. Darauf wurde die gesamte Kavallerie zur Blockade von Schweidnitz verwandt. Doch verschob man die regelrechte Belagerung auf das nächste Frühjahr. Das Zietensche Korps bildete eine Kette von Schmiedeberg über Landeshut, Friedland und Braunau bis Glatz. Am 6. Januar bezogen die Truppen<112> Winterquartiere. Der König blieb in Breslau, um selbst über alles zu wachen und die nötigen Maßregeln zur Ergänzung und Wiederherstellung des Heeres zu treffen, damit der nächste Feldzug frühzeitig eröffnet werden konnte.
Der Vollständigkeit halber müssen wir noch berichten, was in Preußen zwischen Lehwaldt und Apraxin vorfiel und was die Schweden in Pommern taten. Im Juni näherte sich Feldmarschall Apraxin mit 100 000 Mann der preußischen Grenze. Das Gros seiner Armee marschierte auf Grodno, die Hauptstadt von Polnisch-Litauen, indes Fermor, von der russischen Flotte unterstützt, mit 20 000 Mann Memel belagerte. Die Stadt kapitulierte am 5. Juli. Lehwaldt hatte sich zur Verteidigung des Pregelufers entschlossen und zu diesem Zweck ein Lager bei Insterburg bezogen, von wo er Apraxin beobachtete. Nach der Einnahme von Memel drang die feindliche Armee in Preußen ein und rückte gegen Insterburg. Von der andern Seite ging Fermor gegen den Pregel vor. Dies wäre wohl für Lehwaldt der richtige Augenblick zum entscheidenden Schlage gegen einen der beiden Generale gewesen. Vielleicht aber fand er dazu keine günstige Gelegenheit. Das Fermorsche Korps, das bis Tilsit gekommen war, erregte seine Besorgnis. Er fürchtete, umgangen zu werden, und zog sich auf Wehlau zurück. Er hatte bei seiner Armee zwei Husarenregimenter von höchstens 2 400 Mann. Trotzdem leisteten sie nicht nur 12 000 Tataren und Kosaken, die bei der russischen Armee waren, Widerstand, sondern errangen während des Feldzuges auch noch beträchtliche Erfolge über jene Barbaren. Da Apraxin nach Lehwaldts Rückzug völlig freie Hand hatte, so vereinigte er sich bei Insterburg mit Fermor. Dann rückten beide an der Alle entlang vor und lagerten bei Groß-Jägersdorf, anderthalb Meilen von der preußischen Armee.
Der König hatte Lehwaldt freie Hand gelassen, nach eignem Ermessen zu handeln, erstens wegen der großen Entfernung zwischen beiden Armeen und zweitens, weil die das Heer des Königs umschwärmenden Streifscharen solche wichtigen Briefschaften leicht hätten abfangen können. Lehwaldt befürchtete, ein russisches Korps könnte auf Königsberg vorrücken, dessen Festungswerke zur Verteidigung allzu weitläufig waren, und die Hauptstadt mit den dortigen Magazinen wegnehmen, während er selbst durch Apraxin in Schach gehalten wurde. So glaubte er denn, den Feind von diesem Unternehmen nur abhalten zu können, indem er ihm eine Schlacht lieferte. Er beschloß, ihn in seinem Lager bei Groß-Jägersdorf anzugreifen. Am 29. August brach er auf und rückte in ein Gehölz, wo er den Russen gerade in der Flanke stand. Hätte er jetzt sofort angegriffen, so hätte er wahrscheinlich den Sieg davongetragen. Er verfügte zwar nur über 24 000 Mann, konnte aber doch auf Erfolg rechnen, da die Russen auf einen Angriff nicht gefaßt und über Lehwaldts Erscheinen bestürzt waren. In ihrem Lager herrschte große Verwirrung. Ihre Stellung war schlecht, und nichts hinderte Lehwaldt, stracks auf sie loszumarschieren. Es ist unerfindlich, aus welchen Gründen er das, was er sofort ausführen konnte, auf den folgenden Tag verschob.
<113>Am 30. August griff er den Feind an. Sofort trieben die preußischen Husaren und Dragoner die russische Kavallerie und die Kosaken vor sich her und jagten sie bis in ihr Lager zurück. Aber der Feind hatte in der Nacht seine Stellung gewechselt, und so stimmten die vom Feldmarschall tags zuvor gegebenen Angriffsdispositionen nicht mehr zu dem Gelände, in dem die Russen jetzt standen. Nichtsdestoweniger griff die Kavallerie des linken Flügels die russische Reiterei an und warf sie hinter ihre Front zurück, erhielt von dort aber so heftiges Kanonen- und Kartätschenfeuer, daß sie sich wieder auf die preußische Infanterie zurückziehen mußte. Zugleich griff Lehwaldt die russischen Grenadiere in einem Gehölz an, das voller Verhaue war und im Zentrum von Apraxins Stellung lag. Die Grenadiere wurden geschlagen und fast völlig aufgerieben. Aber das Dickicht, worin der Kampf stattfand, verbarg den Preußen eine feindliche Bewegung, die ihnen verderblich werden sollte: Rumänzow kam den Grenadieren mit 20 Bataillonen aus dem zweiten russischen Treffen zu Hilfe und umfaßte die preußische Infanterie in Flanke und Rücken. Sie verlor nach und nach Terrain und mußte schließlich weichen. Der Rückzug ging in guter Ordnung vonstatten und wurde von Dragonern und Husaren gedeckt. Der Feind wagte keine Verfolgung, und die Preußen kehrten nach Wehlau in ihr altes Lager zurück. Lehwaldt verlor bei Groß-Jägersdorf nicht mehr als 1 400 Mann an Toten, Verwundeten und Gefangenen, sowie 13 Kanonen.
Apraxin blieb noch einige Tage in seinem Lager bei Groß-Jägersdorf stehen, machte aber am 7. September Miene, über die Alle zu gehen und geradeswegs auf Königsberg vorzurücken. Trotzdem schien ihm das Unternehmen nicht sehr am Herzen zu liegen; denn als er auf ein preußisches Korps stieß, das ihm den Übergang über die Alle streitig machte, ließ er seinen Plan fallen. Zehn Tage darauf brach er plötzlich sein Lager bei Groß-Jägersdorf ab und zog sich gegen die polnische Grenze zurück. Feldmarschall Lehwaldt folgte ihm zum Schein bis Tilsit, weniger in der Absicht, die feindliche Arrieregarde zu beunruhigen, als um die Öffentlichkeit zu täuschen. Das Stärkeverhältnis der zwei Armeen war denn doch zu ungleich und die erlittene Schlappe noch zu frisch. Übrigens erreichte er seinen Zweck ungefährdet; denn wenn sich der Feind von selbst nach Polen zurückzog, so war es das beste, man ließ ihn seinen Weg ruhig fortsetzen. So räumte Apraxin ganz Preußen bis auf Memel, das die Russen in Besitz behielten.
Die preußische Armee blieb in der Gegend von Tilsit stehen und schätzte sich glücklich, einen so schrecklichen Feind auf so billige Weise losgeworden zu sein. War sie aber den drohenden Gefahren des Feldzugs entgangen, so war es doch nicht wahrscheinlich, daß sie auf die Dauer das gleiche Glück haben würde. Denn hätte Feldmarschall Lehwaldt auch alle Talente des Prinzen Eugen besessen, wie hätte er im Verlauf des Krieges mit 24 000 Preußen 100 000 Russen standhalten können? Der König aber hatte gegen so viele Feinde zu kämpfen und seine Truppen waren so gewaltig zusammengeschmolzen, daß er völlig außerstande war, der Armee in Ostpreußen Hilfe zu<114> schicken. Es war zu befürchten, ja vorauszusehen, daß die Russen bei größerer Erfahrung ihre Pläne erweitern, die begangenen Fehler wieder gutmachen und bei Beginn des nächsten Feldzugs ein beträchtliches Korps über die Weichsel werfen würden, das Lehwaldt von Pommern abschneiden konnte. Man hatte allen Grund zu der Annahme, daß er, von so zahlreichen Feinden umringt, das gleiche Schicksal wie der Herzog von Cumberland erleiden werde, nur mit dem Unterschied, daß die Russen, weniger höflich als die Franzosen, ihn zwingen würden, die Waffen zu strecken.
Auf dem Kriegsschauplatz in Pommern hatten die Schweden nur deshalb Fortschritte gemacht, weil sie auf keinen Widerstand stießen. Sie waren im Besitz von Anklam, Demmin und der Peenemünder Schanze, die sie nach vierzehntägiger Belagerung erobert hatten114-1. Die Besatzung von Stettin bestand aus 10 Bataillonen Miliz, die von den pommerschen Ständen gestellt waren. Manteuffel114-2 mit seinen 4 Bataillonen war zu großen Unternehmungen nicht imstande. Ließ nun der König die Truppen da, wo sie standen, so setzte er das Heer in Ostpreußen der größten Gefahr aus und gab zugleich Pommern der Eroberung durch die Schweden preis. Er beschloß daher, seine Kräfte mehr zu konzentrieren, um mit größerer Sicherheit vorgehen zu können, und die entlegeneren Teile seiner Staaten aufzugeben, da die große Zahl der Feinde ihre wirksame Verteidigung ausschloß. Aus diesem Grunde berief er Lehwaldt mit seiner Armee von Tilsit zurück und sandte ihn nach Pommern gegen die Schweden114-3. Der Feldmarschall warf sie prompt aus Anklam und Demmin heraus und trieb sie bald bis unter die Kanonen von Stralsund. Aber selbst da fühlten sich die feindlichen Truppen noch nicht sicher und entflohen auf die Insel Rügen. Infolge starker Kälte fror der Meeresarm zwischen Rügen und Pommern zu. Feldmarschall Lehwaldt ließ sich bei seinem hohen Alter die günstige Gelegenheit entgehen, mit seiner Armee über das Eis nach Rügen zu setzen, wo er die Schweden gänzlich aufgerieben hätte. Ein derartiger Handstreich hätte den König wenigstens eine Zeitlang von einem Feinde befreit, der ihm eine schlimme Diversion verursachte. Aber wenn Feldmarschall Lehwaldt auch nicht alles tat, was er hätte tun können, so brachte er auf seinem kurzen Zuge immerhin 3 000 Mann schwedischer Gefangener ein. Erst im März des folgenden Jahres gelang einem zur Belagerung von Peenemünde abgesandten Detachement die Einnahme der Schanze.
Ungeheuer war die Menge der Aufgaben, die in diesem Feldzug zu bewältigen waren. Da man sich nach allen Seiten zur Wehr setzen mußte, so war ein Erfolg nur dann möglich, wenn die gleichen Truppen auf verschiedenen Kriegsschauplätzen kämpften. Prinz Ferdinand von Braunschweig hatte bei seiner Armee zu wenig Kavallerie, und doch brauchte er für das von ihm geplante Unternehmen notwendig Reiterei. Da dem König daran lag, die Franzosen aus Niedersachsen und vom Niederrhein zu<115> vertreiben, und er selbst soviel als möglich dazu beitragen wollte, so schickte er 10 Dragoner- und 5 Husarenschwadronen von der Armee des Feldmarschalls Lehwaldt ab, mit dem Befehl, bei Stade zum Prinzen Ferdinand von Braunschweig zu stoßen. Der Prinz unternahm sofort einen Vorstoß gegen Celle, der aber mißlang, teils weil ihm der Herzog von Richelieu zuvorkam und ihn am Übergang über die Aller hinderte, teils weil das öde Heideland ihm keine Lebensmittel liefern konnte. Trotz dieses Fehlschlages bemächtigte er sich kurz darauf der Stadt Harburg. Der König verabredete nun mit dem Prinzen folgenden Feldzugsplan. Die Verbündeten sollten über die Weser vorrücken, und zwar aus zwei Gründen: erstens, um die Hauptstädte des Kurfürstentums Hannover und des Herzogtums Braunschweig nicht durch Belagerungen zugrunde zu richten, ohne die man sie nicht erobern konnte, und zweitens, weil die Franzosen aus Furcht, vom Rhein abgeschnitten zu werden, beide Länder wahrscheinlich aus eignem Antrieb räumen würden, besonders wenn sich zugleich ein preußisches Detachement bei Braunschweig zeigte. Prinz Heinrich, der zur Heilung einer bei Roßbach erhaltenen Wunde in Sachsen geblieben war, sollte das Detachement führen. Alles wurde genau verabredet. Wir werden bei Beginn des nächsten Feldzuges sehen, wie glücklich Prinz Ferdinand das geplante Unternehmen ausführte.
100-1 Oberst Freiherr Rupert Scipio von Lentulus, Sohn des österreichischen Generals Joseph Cäsar (vgl. Bd. II, S. 70.89), war nach dem Dresdener Frieden in das preußische Heer übergetreten.
101-1 Vgl. S. 88.
101-2 Marquis de Fraigne, der 1756 der französischen Gesandtschaft in Berlin attachiert war, wurde am 23. Februar 1758 als französischer Spion verhaftet.
102-1 Johanna Elisabeth, Witwe des 1747 gestorbenen Fürsten Christian August, Mutter der Großfürstin Katharina von Rußland (vgl. Bd. II, S. 153 f.). Von einer heimlichen Ehe mit Fraigne ist nichts überliefert.
102-2 Am 12. November 1757.
103-1 Generalmajor Philipp von Sers.
103-2 Vgl. S.86.
103-3 Am 22. November 1757.
103-4 Am 24. November 1757.
105-1 Scharmützel bei Parchwitz, 28. November 1757
105-2 Vgl. auch die Rede des Königs an die Generale vom 3. Dezember im Anhang, Nr. 16.
106-1 Der Zettelbusch.
108-1 Vgl. S. 71 f. und 79 f.
108-2 Generalmajor Karl Heinrich von Wedell.
108-3 Auf dem Glanzberg.
108-4 Auf dem Judenberg.
108-5 Der Gohlauer Graben.
108-6 Generalleutnant Georg Wilhelm von Driesen.
109-1 Als Führer diente der Kretschmer aus Saara, der mit einer Laterne neben dem Pferde des Königs herging.
109-2 Die Nacht verbrachte der König im Schlosse von Lissa, das voll verwundeter Österreicher war. Die Begegnung daselbst mit den abgeschnittenen österreichischen Offizieren war für ihn ohne Gefahr. Was darüber berichtet wird, ist spätere legendenhafte Ausschmückung.
110-1 Baron Sprecher.
110-2 Erhöhtes Werk der Bastion
111-1 Am 20. Dezember 1757.
111-2 Oberst Ferdinand von Bülow.
111-3 Am 26. Dezember 1757.
114-1 Am 13. September 1757 gingen die Schweden über die Peene und besetzten Anklam und Demmin. Am 23. nahmen sie die Peenemünder Schanze ein.
114-2 Vgl. S. 93.
114-3 Vgl. den Operationsplan für Lehwaldt vom 9. November 1757 im Anhang, Nr. 15.
67-1 Generalmajor Bernd Asmus von Zastrow fiel auf dem Marsch von Aussig nach Lobositz am 25. April 1757 durch eine Kroatenkugel.
70-1 Hartwig Karl von Wartenberg.
71-1 Joachim Christian von Tresckow.
71-2 Georg Ludwig von Puttkamer.
72-1 Vgl. S. 45.
72-2 Auf dem linken Moldauufer, auf dem Keith aufgestellt war, um dem Feinde den Rückzug dorthin zu verlegen.
72-3 Generalleutnant Heinrich Karl Ludwig von Hérault Ritter von Hautcharmoy; die Obersten Friedrich Balthar Freiherr von der Goltz, Prinz Friedrich Wilhelm von Holstein-Beck, Georg Friedrich von Manstein.
73-1 Ein Gehöft, auch die „Angelka“ genannt.
73-2 Johann von Mayr, Kommandeur eines Freibataillons.
73-3 Maximilian Joseph.
76-1 Die Kaiserstraße.
76-2 Vielmehr am 16. Juni 1757.
76-3 Konstantin von Billerbeck.
78-1 Zur Goldnen Sonne.
79-1 Des Dorfes Krczeczhorz.
79-2 Generalmajor Johann Dietrich von Hülsen.
79-3 Vgl. S. 72.
81-1 Vielmehr der sächsische Oberstleutnant Ludwig Ernst von Benckendorff mit dem sächsischen Chevaulegerregiment Prinz Karl.
82-1 Schon seit Beginn des Krieges hatte der Prinz von Preußen, August Wilhelm, ein selbständiges Kommando begehrt. Am 1. Juli 1757 übernahm der Thronfolger, dem Winterfeldt als Berater mitgegeben wurde, den Oberbefehl über die zweite Armee in Jung-Bunzlau mit dem Auftrag, die Lausitz und Schlesien zu decken. Wenn irgend möglich, sollte er Böhmen nicht vor dem 15. August räumen und, rückte er nach Schlesien, den Weg durch die Lausitz nehmen.
83-1 Vgl. S. 72 und 79 f.
83-2 Gefecht bei Wellemin, 22. Juni 1757.
83-3 Nikolaus Lorenz von Puttkamer.
84-1 Graf Karl Christoph Schmettau.
85-1 Bei der Begegnung mit dem Prinzen am 29. Juli sprach der König kein Wort mit ihm und ließ den Generalen, die unter ihm kommandiert hatten, sagen, „wie sie insgesammt meritiereten, daß ihnen die Köpfe vor die Füße geleget würden“. Am 30. legte August Wilhelm den Oberbefehl nieder und ging zunächst nach Dresden. Er starb in Oranienburg am 12. Juni 1758.
85-2 Paul von Werner.
85-3 Friedrich August von Finck.
85-4 Der Schanzberg.
86-1 Generalmajor Philipp Wilhelm von Grumbkow.
87-1 Karl Wilhelm Ferdinand. Er trat 1773 als General der Infanterie in die preußische Armee. In der Schlacht bei Auerstädt schwer verwundet, starb er am 10. November 1806.
87-2 Herzog Karl befand sich bei der alliierten Armee, die er am 31. Juli 1757 verließ.
88-1 Oder Jäckelsberg.
89-1 Treffen bei Moys, 7. September 1757.
89-2 Am 8. September 1757.
90-1 Französischer Brigadier und Militärbevollmächtigter im österreichischen Hauptquartier.
90-2 Kanonade von Barschdorf, 26. September 1757.
90-3 Friedrich Wilhelm von Seydlitz, seit 20. Juni 1757 Generalmajor.
91-1 Michael von Szekely, Oberst und Chef eines Husarenregiments; Friedrich Wilhelm Gottfried Arnd von Kleist, Major im Regiment Szelely.
91-2 Am 8. September 1757.
91-3 Graf Rochus Friedrich Lynar, Statthalter von Oldenburg und Delmenhorst.
91-4 Die Echtheit des Briefes wird bestritten.
92-1 Der Petersberg, die Zitadelle, lag westlich, die Cyriaksburg, ein vorgeschobenes geschlossenes Werk südwestlich der Stadt.
92-2 Der Ingenieuroberst Johann Friedrich von Balbi wurde am 14. August 1757 an den Grafen Neuwied, den Vermittler des Wiener Präliminarvertrages von 1735 (vgl. Bd. VII, S. 109), geschickt. Dieser hatte den König von der Bereitwilligkeit des Marschalls Belle-Isle, Friedensverhandlungen zu begünstigen, unterrichtet. Balbi wurde zu einem vorläufigen Abkommen ermächtigt, auf der Grundlage: keine Abtretungen, ein Waffenstillstand, um Abrede mit den Verbündeten zu treffen, Einschluß der Verbündeten und Erneuerung der Allianz mit Frankreich. In das Hauptquartier des Herzogs von Richelieu dagegen wurde am 6. September der Kammergerichtsrat von Eickstedt mit einem Schreiben des Königs entsandt, worin dieser den Frieden antrug und um Mitteilung der Bedingungen ersuchte. Richelieu erwiderte, er müsse in Paris anfragen, und der Versailler Hof erklärte, nur gemeinsam mit Österreich verhandeln und Frieden schließen zu wollen.
93-1 Generalmajor Heinrich von Manteuffel.
94-1 Am 19. September 1757.
94-2 Prinz Georg von Hessen-Darmstadt, Reichs-Generalfeldmarschall-Leutnant.
95-1 Der Überfall Berlins hatte am 16. Oktober 1757 stattgefunden, doch schon in der Nacht zum 17. zog Hadik wieder ab.
98-1 Vielmehr Reichardtswerben.