3. Unterredung des Königs mit dem Kabinettsminister Graf Podewils
(21. Juli 1756)
Podewils schreibt aus Berlin, 22. Juli 1756, über die Unterredung an den Kabinettssekretär Eichel171-1: Es ließen Se. Königl. Majestät mich kurz nach der gestrigen Mittagstafel, nachdem Sie den englischen Gesandten gesprochen, herein in Dero retraite berufen und geruheten mir zu sagen, wie zwar Dero aus denen gedruckten Zeitungen geschöpfte appréhensions von einer französischen Armee, so in Teutschland an der Maas oder dem Rhein durch den Prinz von Conty commandiret werden sollen, durch die Depeschen des Herrn von Knyphausen171-2 nicht confirmiret würden und Sie dahero davon noch zur Zeit nichts glauben könnten, so hätten Höchstdieselbe dennoch solche authentique Nachrichten171-3 erhalten, welche Sie vollenkommen au fait von dem gegen Dieselbe geschmiedeten Concert setzten und mehr als jemalen in der Idee, das Praevenire zu spielen, bestärketen. Nämlich, daß der wienersche Hof mit dem russischen eine Offensiv-Allianz gegen Dieselbe geschlossen und Höchstdieselbe NB künftiges Frühjahr unitis viribus attaquiren würden; ehe aber könnte weder der wienersche Hof mit seinen Praeparatorien fertig sein, noch der russische die ihm nötige Rekruten zu Completirung der Regimenter anschaffen; der französische hätte sich durch einen sekreten Articul bei dem Defensiv-Allianztraktat vom 1. Mai anni currentis171-4 engagiret, daß derselbe, wenn Schlesien attaquiret würde, davon sich nicht meliren und Sr. Königl. Majestät keine Assistenz leisten, sich auch in einen Krieg, so Oesterreich oder Rußland mit der Pforte haben könnte, gar nicht mischen wollte; und daß endlich in Petersburg vor Engelland alles auf einmal aus und solches von dem Bestushew rondement an Williams171-5 declariret worden wäre.
Ich habe darauf nichts anderes zu antworten gewußt, als daß ich billig supponiren müßte, daß diese Nachrichten authentique wären und nicht in fliegenden<172> Zeitungen, bloßen Soupçons und combinirten Conjuncturen bei der itzigen Krise bestünden.
Worauf Se. Königl. Majestät einigermaßen Feuer zu fassen schienen, als wenn ich zu incrédule wäre und nicht, was Höchstdieselbe mir mit gutem Fundament avancirten, Glauben beimessen wollte.
Ich nahm mir die Freiheit, nochmalen mit einer respectueusen franchise Sr. Königl. Majestät alle die Inconvenienzen und terriblen Suiten zu detailliren, welche daraus erwachsen könnten, wenn man diesseits im Aggressorium agiren und Frankreich und Rußland gleichsam au pied du mur poussiren wollte, ihre Garantie und Defensiv-Engagements, wenn beide auch sonst dieses Jahr es zu tun nicht Lust hätten, zu erfüllen, und in was vor einen terriblen embarras Se. Königl. Majestät zu gleicher Zeit ohne anitzo noch dringende Not gesetzet werden dürften, dreien so mächtigen Puissancen zugleich zu resistiren, anstatt das beneficium temporis, so von nun an bis künftige Operationssaison beinahe 10 Monate wäre, Ihro [Majestät] mehr Gelegenheit fourniren dürfte, inzwischen Ihre Partei inner- und außerhalb des Reichs zu verstärken; [daß] das beneficium temporis zu erwarten und vielleicht einige ouvertures zu Friedensnegociationen zwischen Frankreich und Engelland von neuem zu tentiren, auch inzwischen verschiedene Reichsstände in das hiesige und englische Interesse zu Fournirung von Truppen gegen Subsidien zu ziehen und unsere Partei unter denen Evangelischen in- und außerhalb des Reichs zu vergrößern, auch von allerhand Incidentpunkten und évènements zur Verbesserung unser itzigen mißlichen Situation zu profitiren sei, übrigens aber inzwischen in Preußen, Schlesien und sonsten ein formidables Corps Truppen parat gehalten würde, umb unseren Feinden zu zeigen, daß man bereit wäre, sie wohl zu empfangen und ihnen selbst zu begegnen.
Allein alles dieses wurde gänzlich verworfen, vor einen Effect von gar zu großer timidité gehalten und ich zuletzt ziemlich sèchement mit denen Worten congediiret: „Adieu, Monsieur de la timide politique!“
Ich habe inzwischen die consolation, daß ich zu zweien wiederholten Malen alles gesaget, was ein treuer und redlicher Diener zu thun schuldig, und zuletzt noch zuzufügen mir die Freiheit genommen:
„Die ersten Fortschritte und Erfolge würden ohne Zweifel brillant sein, aber bei der großen Macht der Feinde und zu einer Zeit, da der König isoliret und aller fremden Hilfe beraubt sei, welches ihm noch nie passiret wäre, zum mindesten insofern nicht, als in den beiden vorhergehenden Kriegen wenigstens diversions zu seinen Gunsten gemacht worden seien, würde vielleicht ein Tag kommen, wo er dessen gedenken werde, was ich ihm mit respektueuser Freiheit zum letzten Male vorstellte.“
171-1 Das Schreiben ist mit Ausnahme des letzten Absatzes deutsch abgefaßt.
171-2 Der preußische Gesandte in Paris. —-
171-3 Ein Bericht des holländischen Gesandten in Petersburg, Swart, den der König am 21. Juli 1756 aus dem Haag erhalten hatte (vgl. S. 173 Anm. 2).
171-4 Vgl. S. 34.
171-5 Der englische Gesandte in Petersburg.