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19. Instruktion für Generalleutnant Graf Christoph Dohna231-1
(2. April 1758)

Ich habe Euch das Kommando über meine ostpreußische Armee übertragen; denn ich setze das Vertrauen in Euer Verdienst, daß Ihr sie gut führen werdet. Darum verbiete ich Euch bei Todesstrafe, einen Kriegsrat abzuhalten231-2; aus solchen gehen nur feige Entschlüsse hervor. Vielmehr sollt Ihr zu Euch selbst das Vertrauen haben, das ich mit Recht in Euch zu setzen glaube. Ihr müßt Euch bei Eurer Armee die gleiche Autorität erwerben, wie ich sie hätte, wenn ich dort wäre. Allerdings sind Generalleutnants mit dem gleichen Range wie Ihr dabei; aber das Oberkommando hebt Euch über sie hinaus. Darum sollt Ihr sie zu ihrer Pflicht anhalten und Vorstellungen von ihnen, einerlei worüber, nicht dulden. Ihr seid in unsrer Mannszucht erzogen, also brauche ich Euch nicht zu empfehlen, sie zu wahren, desgleichen die Subordination.

Unter den jetzigen Umständen seht mir darauf, daß in Mecklenburg bald alles zu Ende kommt, — es handelt sich um Stellung von Rekruten, um Geldzahlungen und Lieferungen für die Magazine231-3 — damit Ihr Eure Truppen beisammen habt und freier zu handeln vermögt.

Verlaßt Euch während des Feldzuges nicht auf die Befehle, die ich Euch geben könnte; denn bei der Natur meiner Operationen wird jede Verbindung zwischen uns aufhören, und Ihr müßt auf Euren eignen Kopf handeln. Überdies wird die Last der Führung von zwei bis drei Armeen, die ich hier habe, meine Aufmerksamkeit völlig beanspruchen. Wollte ich Euch also auch Ratschläge für Eure Operationen geben, so könnten sie nur oberflächlich sein oder zu spät kommen oder endlich Euch mehr in Verlegenheit bringen, als Euch bei Euren Unternehmungen helfen. Aus diesen Gründen halte ich es für angezeigt, Euch ein allgemeines Bild unserer Lage zu entwerfen und Euch Eure Aufgabe in großen Zügen anzuweisen. Die Einzelheiten der Ausführung überlasse ich Eurer Einsicht und Eurem Scharfblick.

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Meine Lage ist jetzt die, daß ich zum mindesten für ein halbes Jahr von der Diversion der Franzosen befreit bin, die mir im letzten Jahre die Arme band. Obwohl jene schlechten Truppen mir nur durch ihre Plünderungen schaden konnten, haben sie doch wirkliches Unheil angerichtet, indem sie mich ablenkten, während die Österreicher mir wirkliche Verluste beibrachten. Von den Franzosen befreit, die gegenwärtig über den Rhein zurückgehen232-1, muß ich alles aufbieten, um die Königin von Ungarn gleich bei Beginn des Feldzuges niederzuwerfen. Dazu sind meine Armeen in Schlesien und Sachsen bestimmt. Von Rußland oder Schweden habe ich keine Diversion zu befürchten. Was Rußland betrifft, so scheint es die Absicht zu haben, sich an der Weichsel zu verschanzen und dann ein Korps gegen mich zu schicken. Diese Diversion kann nach zwei Seiten geschehen: entweder nach Pommern oder nach Schlesien. Nach allen erhaltenen Nachrichten scheinen die Österreicher alles zu versuchen, um die Russen nach Schlesien zu ziehen. Da aber die hierzu bestimmte russische Armee nicht vor Ende Juni gegen Schlesien vorrücken kann, so hoffe ich inzwischen solche Erfolge errungen zu haben, daß ich ein starkes Korps abschicken und ihr entgegenstellen kann.

Das Schlimmste, was mir geschehen kann, wäre, daß Fermor232-2 in Pommern einfiele. Dann kommt Ihr in die üble Lage, die Schweden aufgeben zu müssen, um den neuen Feinden entgegenzutreten. Die Art, gegen sie Krieg zu führen, muß darin bestehen, daß Ihr sie sobald wie irgend möglich vertreibt, sie auf dem Marsche angreift oder während sie gerade ihr Lager beziehen, damit sie gar keine Zeit finden, sich einzurichten, ihr Geschütz aufzufahren und sich zu verschanzen. Habt sorgfältig acht darauf, daß Ihr sie nur mit einem Flügel angreift. Da das Geschütz heute gewaltig in Mode ist232-3, sollt Ihr Batterien von schwerem Geschütz und Haubitzen auf dem Flügel errichten, mit dem Ihr angreift, um ihre Kanonen zum Schweigen zu bringen und ihren Mut zu erschüttern.

Habt Ihr dies Volk verjagt, so müßt Ihr Euch umgehend wieder den Schweden zuwenden. Sonst hindert sie nichts, stracks auf Berlin zu marschieren. Aus allen diesen Gründen wünschte ich sehnlichst, daß Ihr den Schweden kräftig eins versetzt, bevor Ihr Euch nach der andern Seite wenden müßt. Es ist Eure Sache, den Plan mit List und Gewalt glücklich durchzuführen. Denn daß dies sehr nötig ist, liegt auf der Hand.

Für alles, was den Unterhalt der Truppen betrifft, sollt Ihr Eure Befehle auf jeden Fall dem Präsidenten Aschersleben232-4 geben.

Was Euer eignes Verhalten betrifft, so geht stets kräftig und offensiv vor. Folgt den Grundsätzen der Ehre und faßt allemal den für die Nation ruhmvollsten Entschluß. Ein General muß kühn und wagemutig sein. Verbindet er mit seiner Ver<233>wegenheit Talente, so hat er gewöhnlich Glück. Ihr seid ein Mensch und über das Schicksal nicht erhaben. Unglück kann Euch zustoßen. Aber darüber dürft Ihr unbesorgt sein. Verlaßt Euch drauf, daß ich Euch nicht nach den guten oder schlechten Erfolgen beurteile, sondern nach den Umständen, in denen Ihr Euch befunden, und nach den Anordnungen, die Ihr getroffen habt.

Gilt es zum Beispiel, den Russen entgegenzutreten, so halte ich es nicht für ratsam, weiter als bis Köslin zu rücken. Indes überlasse ich Euch ganz die Entscheidung darüber. Da Ihr an nichts weiter zu denken habt, werdet Ihr besser beurteilen, was Euch zu tun frommt, als ich, der den Kopf voll von der schweren Bürde hat, die hier auf mir lastet.

Ich muß dem eben Gesagten noch eins hinzufügen. Haben wir Glück und wird das russische Korps beim Anmarsch auf Schlesien gehörig geschlagen, so mache ich einen weiten Vorstoß und schicke das schlesische Korps über die Weichsel bis in die Nähe von Warschau, um Fermor in seinen Stellungen bei Thorn, Elbing usw. zu umgehen. Habt Ihr mittlerweile den Schweden eins versetzt, so beabsichtige ich, Euch durch Preußisch-Polen marschieren zu lassen, um Thorn, Elbing, Danzig usw. zu nehmen, sobald das schlesische Korps Fermor umgangen und ihn zum Rückzug von der Weichsel gezwungen hat.

Aber jetzt ist nicht der Augenblick, um daran zu denken. Sobald ich die Sache für ausführbar halte, werde ich Euch beizeiten benachrichtigen, damit Ihr Eure Maßregeln danach treffen könnt. Denkt in erster Linie an Mecklenburg, dann an die Schweden. Durch Überwindung einer Schwierigkeit nach der andern und mit Hilfe des Himmels und unserer tapfern Armee hoffe ich auf eine möglichst vorteilhafte Gestaltung aller Dinge zu Nutz und Frommen des Staates, dem wir dienen, und unseres gemeinsamen Vaterlandes.

Friderich.

Anbei ein französischer Chiffrenschlüssel für Eure Berichte.

P.S.

Alles, was ich Euch schreibe, geht nur aufs Ganze. Die große Zahl meiner Feinde gestattet mir kein Verweilen bei Einzelheiten noch die Aufstellung eines zusammenhängenden Planes. Anbei die Übersicht dessen, was Ihr nach besten Kräften auszuführen bestrebt sein sollt:

1. Schweden zum Frieden zu zwingen,

2. Pommern und die Uckermark zu decken, wenn ersteres unmöglich ist,

3. die Russen zu vertreiben, falls sie in Pommern oder in die Neumark einfallen,

4. Maßregeln zur Sicherung von Stettin zu treffen.

5. Habt Ihr Euch gegen die Russen wenden müssen, so kehrt Ihr, nachdem sie geschlagen sind, Euch wieder gegen die Schweden.


231-1 Dohna hatte als Nachfolger des Feldmarschalls Lehwaldt (vgl. S. 223) den Oberbefehl über das ehemals ostpreußische Heer erhalten, das zum Kampfe gegen die Schweden nach Pommern geschickt war.

231-2 Vgl. S. 229.

231-3 Vgl. S. 223.

232-1 Vgl. S. 124.

232-2 Der Führer der russischen Armee.

232-3 Vgl. S. 193.

232-4 Georg Wilhelm von Aschersleben, Präsident der Kriegs- und Domänenkammer in Stettin.