<102>eiteln: Am 28. September bezog der König das Lager von Siegroth und am 29. das von Groß-Nossen bei Münsterberg. Dort blieb er, um aus den Bewegungen der Feinde über ihre Pläne klar zu werden. Sofort schickte Laudon Detachements zur Verstärkung der Stellungen von Silberberg und Martha ab. Doch war seine Armee, bei der sich auch Tschernyschew befand, so stark, daß 20 000 oder 30 000 Mann weniger ihn an der Ausführung seiner Pläne nicht hinderten.

Am 1. Oktober erfuhr der König in Groß-Nossen, daß sich die Österreicher durch einen Handstreich der Festung Schweidnitz bemächtigt hätten. So unglaublich die Nachricht klang, so traf sie dennoch zu. Der Streich war folgendermaßen angelegt und ausgeführt worden. In der Festung wurden ungefähr 500 Kriegsgefangene bewacht. Einer der wichtigsten war ein Italiener, der Freischarenführer Major Rocca. Der hatte es sich in den Kopf gesetzt, die Festung, in der er gefangen war, den Österreichern in die Hände zu spielen. Zu dem Zweck wußte er sich bei dem Kommandanten mit so viel Unterwürfigkeit und Geschick einzuschmeicheln, daß ihm mehr Freiheit gelassen ward, als einem Gefangenen zustand, besonders da die Festung rings von Feinden umgeben war. Rocca ging in den Befestigungswerken umher und kannte die Plätze aller Wachen und Detachements. Er beobachtete verschiedene Nachlässigkeiten im Garnisondienst, verkehrte nicht nur öffentlich mit jedermann, sondern sah auch oft genug die mit ihm gefangenen österreichischen Soldaten. Kurz, er intrigierte in der Stadt, sparte keine Bestechungen und unterrichtete Laudon genau von allem, was er sah und hörte und was er selbst zur Einnahme der Festung für ratsam hielt.

Auf die von Rocca erhaltenen Nachrichten hin entwarf Laudon seinen Plan zur Überrumpelung von Schweidnitz. In der Nacht vom 30. September zum 1. Oktober führte er ihn folgendermaßen aus. Er verteilte 20 Bataillone zu vier Angriffen: auf das Breslauer Tor, auf das Striegauer Tor, auf das Fort Bögendorf und auf die Wasserschanze. Zastrow war auf einem Ball. Da er aber Verdacht geschöpft hatte, ließ er am Abend die Besatzung unter Gewehr treten und verteilte sie auf die Werke. Er beging jedoch den Fehler, den Offizieren keine Verhaltungsbefehle zu erteilen und seine Kavallerie nicht zur Erkundung auszusenden. Auch versäumte er es, zur Beleuchtung des Vorgeländes Leuchtkugeln aufsteigen zu lassen. Kurz, er vernachlässigte all seine Pflichten zu sehr. Unterdes rückten die österreicher heran und gelangten unentdeckt bis an die Palisaden. Die ganze Verteidigung bestand aus zwölf Kanonenschüssen und einem so geringen Gewehrfeuer, daß der Feind nach Belieben verfahren konnte. So überrumpelten die Österreicher die Wache am Striegauer Tor und drangen von dort in die Festungswerke ein. In der allgemeinen Verwirrung warfen die österreichischen Gefangenen die Maske ab, bemächtigten sich des inneren Stadttores und öffneten es den ersten sich nähernden feindlichen Truppen. Kurz, in noch nicht einer Stunde waren die Österreicher Herren der ganzen Stadt. Nur der Kommandant der Wasserschanze, Beville, hielt sich tapfer, bis alle Mittel erschöpft waren und die weitere Verteidigung unmöglich wurde. Im Fort Bögendorf flog zufällig ein