<127> Wer die Archimandriten und Popen angriff, machte sie sich zu unversöhnlichen Feinden, weil jeder Priester mehr an seinem Einkommen hängt als an den Lehren, die er verkündigt. Der Kaiser hätte lieber mit solchen Reformen warten sollen, und auch dann mußte er die Sache mit zarter Hand anfassen. Außer diesem laut gescholtenen Vorgehen warf man ihm noch vor, die Ismaïlowschen und Preobrashenskischen Garden zu streng zu halten. Vollends seine Absicht, mit Dänemark Krieg zu führen, war den Russen zuwider. Sie erklärten öffentlich, die Nation habe gar kein Interesse daran. Böswillige streuten solche Beschwerden im Volke aus, um den Kaiser persönlich verhaßt zu machen.

Freundschaft, Dankbarkeit und Hochachtung für die vortrefflichen Eigenschaften des Zaren bewogen den König, an diesen zu schreiben und den heiklen Punkt zu berühren. Dabei mußte er aber die starke Empfindlichkeit schonen, mit der alle Herrscher darauf halten, daß ihre Stellung als gesichert angesehen werde. Der König mußte sich ferner in bezug auf die Dänen mit äußerster Zurückhaltung ausdrücken. Um den Zaren fürs nächste vom Kriege gegen Dänemark abzubringen, setzte der König ihm alle Gründe auseinander, die für eine Verschiebung des Unternehmens auf das nächste Jahr sprachen. Insbesondere bestand er darauf1, der Zar solle sich, bevor er sein Reich verließe und einen auswärtigen Krieg führte, in Moskau krönen lassen, um seine Person durch diese Weihe in den Augen der Nation unverletzlicher zu machen, zumal alle seine Vorgänger diesen Brauch getreulich beobachtet hätten. Hiernach sprach er von den Revolutionen, die während der Abwesenheit Peters I. in Rußland ausgebrochen waren2. Aber er glitt nur über diesen Gegenstand hin und beschwor den Kaiser zuletzt inständigst, keine wesentlichen Vorsichtsmaßregeln zur Sicherung seiner Person zu verabsäumen. Er beteuerte ihm, einzig und allein seine aufrichtige Teilnahme am Wohle des Zaren habe ihn zur Feder greifen lassen. Der Brief machte wenig Eindruck auf Peter III. Er antwortete folgendermaßen3:

„Mein Ruhm erfordert, daß ich die Dänen wegen der mir und besonders meinen Vorfahren zugefügten Kränkungen zur Rechenschaft ziehe. Es soll nicht heißen, daß die Russen für mein Interesse Krieg führen, ohne daß ich mich an ihre Spitze gestellt hätte. Übrigens macht die Krönungszeremonie zuviel Kosten. Das Geld kann besser gegen die Dänen verwendet werden. Was die Teilnahme an meinem Wohle betrifft, so bitte ich Sie, deshalb unbesorgt zu sein. Die Soldaten nennen mich ihren Vater und sagen, sie wollten lieber von einem Mann als von einem Weibe geführt werden. Allein und zu Fuß gehe ich durch die Straßen Petersburgs. Wollte mir einer etwas antun, so hätte er seinen Plan schon längst ausgeführt. Aber ich erweise jedermann Gutes und vertraue mich ganz dem Schutze Gottes an. Da habe ich nichts zu fürchten.“


1 Schreiben des Königs vom 1. Mai 1762.

2 Gemeint ist der Strelitzenaufstand von 1698.

3 Am 15. Mai 1762 (alten Stils). Der Wortlaut ist nicht genau.