<148> einen strengen Verweis der Zarin zu beschränken. Peter III. war unklug genug, ihr mit dem Kloster zu drohen. Er hätte sie ohne vorherige Drohung gleich einsperren oder sie mehr schonen müssen. Die Zarin verbarg ihren Zorn und ihr Rachegelüst unter dem Schein der Unterwürfigkeit und unter geheuchelten Tränen, faßte aber von nun an den Plan, den Thron an sich zu reißen und sich ihres Gemahls zu entledigen.
Als ersten Bundesgenossen gewann sie den Gouverneur ihres Sohnes Paul, den Grafen Panin. In seinem grenzenlosen Ehrgeiz wollte Panin die erste Rolle im Staate spielen. Aus Groll, daß der Kaiser ihm keine seinen Verdiensten angemessene Stellung anvertraut hatte, sah er in der Verschwörung gleichsam den Weg zu den höchsten Würden und trat ihr mit Begeisterung bei. Panin entdeckte sich der Fürstin Daschkow, zu der er Beziehungen hatte1. Bei ihrem romantischen Charakter ging die Fürstin leicht auf den Plan ein. Außerdem war sie auf den Zaren eifersüchtig, weil er ihre Schwester, die Gräfin Woronzow2, ihr selbst vorzog und diese zu seiner Geliebten gemacht hatte. Die eingebildete Beleidigung entflammte sie zu tatsächlicher Rache. Emsig war sie bemüht, die Partei der Verschwörer zu stärken. Bald gewann sie einige untüchtige, vermögenslose Gardeoffiziere, die in den Staatswirren ihren persönlichen Vorteil zu finden hofften. Sie griffen mit Eifer zu und waren zu allem bereit. Auch gelang es ihnen, einige Gardesoldaten durch Bestechung auf ihre Seite zu ziehen.
Noch aber war die Verschwörung nicht zum Ausbruch reif; denn um sicher zu gehen, wollten die Verschwörer ihre Zahl noch vermehren. Ein Zufall beschleunigte die Ausführung. Der Zar war im Begriff abzureisen, um persönlich die Führung im Kriege gegen Dänemark zu übernehmen. Seit einigen Wochen befand er sich auf seinem Schlosse Oranienbaum, wo er dem Adel vor seinem Aufbruch aus Rußland noch einige Feste geben wollte. Er hatte die Kaiserin zu einer Oper mit nachfolgendem Hofball eingeladen, und schon waren die glänzendsten Vorbereitungen dazu getroffen.
Am selben Tage entdeckte ein Gardesoldat, den die Verschworenen ebenfalls zu gewinnen getrachtet hatten, dem General-Polizeimeister von Petersburg, Korff, das ganze Komplott. Sofort sandte dieser das Protokoll an den Zaren, fand aber keine Beachtung. Am Abend kehrte die Kaiserin nach Peterhof zurück. Sie hatte den Kaiser für den folgenden Tag dorthin eingeladen3. Bei ihrer Rückkehr fand sie die Fürstin
1 Graf Nikita Panin war der Oheim der Fürstin Katharina Nomanowna Daschkow, der Staatsdame und Freundin der Kaiserin Katharina.
2 Gräfin Elisabeth Nomanowna Woronzow.
3 Der Gang der Ereignisse war kurz folgender: Am 19./30. Juni 1762 sah die Kaiserin Katharina den Zaren anläßlich einer Theateraufführung in Oranienbaum zum letzten Male und begab sich von dort nach Peterhof. Am 28. Juni (9. Juli), am Vorabend des Namenstages Peters III., sollte bei ihr eine Festtafel stattfinden. Doch die Verhaftung eines Kapitänleutnants der Preobrashenskischen Garde, eines Freundes der Orlows, wurde der Anlaß, daß Katharina sich in der Frühe des 28. Juni nach Petersburg begab, um sich zur Selbstherrscherin proklamieren zu lassen. Am Tage darauf dankte Peter III. ab.