<170> viele Beispiele aus der Geschichte lehrten. Deshalb schiene ihm die Friedensneigung der Kaiserin jetzt auch nicht aufrichtig. Lediglich um sich keine Vorwürfe machen zu müssen, daß er Eröffnungen zurückgewiesen habe, die vielleicht zur Beendigung dieses verhängnisvollen Krieges führen könnten, erkläre er, der König: obwohl er mit gutem Recht Entschädigung für die in seinen Ländern begangenen Greueltaten und Verwüstungen fordern könne, so wolle er doch aus Friedensliebe davon absehen, aber nur unter der Bedingung, daß keiner seiner Feinde solche Entschädigung von ihm fordere; denn er sei fest entschlossen, das, was er bisher mit dem Schwerte verteidigt hätte und noch weiter zu verteidigen sehr wohl imstande sei, nicht durch einen Federstrich zu verlieren. „Hat also das Haus Österreich“, so schloß er, „ernstlich die Absicht, mit mir zu unterhandeln, so ist es zur Vermeidung aller Mißverständnisse und zweideutigen Auslegungen nötig, daß wir uns zuvor über die Grundlagen der Verhandlung einigen. Ich sehe nur drei, die zum erwünschten Ziel führen können, nämlich: ein billiger Friede, der keine der kontrahierenden Mächte beeinträchtigt, zweitens ehrenvolle Bedingungen für beide Teile und drittens dauerhafte Befestigung des Friedens durch wohlbedachte Maßregeln.“
Aus der Antwort des Königs ersah Fritsch, daß er vor allem sein Mißtrauen gegen die ehrlichen Absichten des Wiener Hofes zerstreuen müsse. Um ihn vollends von der Geneigtheit der Kaiserin zum Frieden zu überzeugen, teilte er ihm einen Bericht aus Wien mit, den Gaul, der dortige sächsische Geschäftsträger, eben an den Kurprinzen geschickt hatte1. Nach diesem Bericht hatte Graf Kaunitz Gaul bestimmte Versicherungen gegeben, daß die Kaiserin den Krieg schnell zu beenden wünsche. Aber es standen auch grobe Unwahrheiten darin. So versicherte Graf Kaunitz dem sächsischen Geschäftsträger, die Kaiserin habe dem König von Preußen zweimal den Frieden angeboten, erst durch Frankreich, dann durch England2, und die Ablehnung des Königs rechtfertige die von ihr getroffenen Maßregeln zur Weiterführung des Krieges. Die Behauptung war notorisch falsch und erfunden. Nie hatte der Wiener Hof dem König derartige Anerbietungen gemacht, weder durch Frankreich noch auch durch England. Dieser Anfang versprach nichts Gutes. Denn was war von einer Unterhandlung zu hoffen, die mit Falschheiten und Lügen begann? Da aber Kleinigkeiten oft den größten Dingen schaden, so mußte der König über die Mitteilungen des Grafen Kaunitz an den sächsischen Geschäftsträger hinweggehen und nur die Gründe prüfen, aus denen die Kaiserin wohl den Frieden wünschen konnte. Er mußte sich
1 Der sächsische Geheimrat Gaul war nach Paris und Wien gesandt worden, um über die Anbahnung des Friedens zu verhandeln. Darauf bezogen sich die beiden von Fritsch am 29. abschriftlich überreichten Denkschriften, ein Antrag des sächsischen Gesandten Graf Flemming vom 8. auf Einleitung der Verhandlungen mit Preußen und die Antwort des Grafen Kaunitz vom 9. November 1762.
2 Kaunitz erwähnte in seiner Antwort an Flemming (vgl. Anm. 1), daß Maria Theresia „schon seit einiger Zeit“ dem französischen und englischen Hofe versichert habe, sie sei bereit, sofort den Frieden oder einen Waffenstillstand zu schließen. Diese Erklärungen bezogen sich auf ihren Wunsch nach Fortsetzung des Augsburger Friedenskongresses (vgl. S. 85 f.).