<201> Auf diese beiden Tatsachen stütze ich meine Vermutungen. Folgendes scheint mir sonnenklar:

1. Frankreich hat seine Verbündeten nicht dazu vermocht, ihm die Vertretung ihrer Interessen anzuvertrauen.

2. Die Königin von Ungarn pflichtet den friedlichen Gesinnungen Frankreichs nur widerwillig bei. Ja vielleicht hofft sie, Vorteil daraus zu schlagen, indem sie durch diese Unterhandlung England von Preußen trennt.

3. Sie hat zwar aus Gefälligkeit den Sonderverhandlungen zwischen Frankreich und England zugestimmt, wollte aber nur von einem Friedenskongreß etwas wissen; denn sie kennt die Langsamkeit solcher Unterhandlungen und rechnet auf die Zufälle dieses Feldzuges. Sie hofft, noch irgend einen Vorteil zu erringen, der ihr bei den angeknüpften Unterhandlungen das Übergewicht sicher1.

Die letzte Annahme scheint mir um so stichhaltiger, als die Kaiserin und ihre Verbündeten keinen Waffenstillstand in Vorschlag gebracht haben. Dadurch verrät sich ihre Hinterabsicht, und es tritt klar zutage, daß der Friedenskongreß nur ein Köder für die Öffentlichkeit ist, der mehrere Zwecke haben kann:

1. Ihren Untertanen die Aussicht auf baldigen Frieden vorzuspiegeln, damit sie desto williger die großen Auflagen zahlen, die sie von ihnen verlangt.

2. Die Spanier einzuschüchtern, falls sie ihre Ansprüche auf Italien aufrechterhalten2, indem sie ihnen den baldigen Abschluß der schon angeknüpften Unterhandlungen vorspiegelt.

3. Vielleicht auch die Türken einzuschüchtern, falls sie irgend welche Anschläge gegen die Staaten der Königin im Sinne haben.

Das sind zwar nur lauter Mutmaßungen, aber sicher ist etwas Wahres daran.

Für uns hat das Ganze nach meiner Meinung folgende Bedeutung. Die Franzosen wollen mit dem Vorschlage eines allgemeinen Waffenstillstands nur den feindlichen Mächten den Puls fühlen und sie wider Willen nötigen, ihre geheimen Absichten zu enthüllen.

Ich habe zwar Gesandte für den Kongreß ernannt; wenn ihm aber kein Waffenstillstand vorausgeht, so ist das Ganze als absolut bedeutungslos zu betrachten. Infolgedessen müssen die Instruktionen der Gesandten dahin lauten, daß sie die Vorschläge, die man ihnen machen wird, nur anhören und zur Kenntnis nehmen, sich aber nicht für ermächtigt erklären, darüber zu verhandeln, oder auch annehmbarere Vorschläge erbitten, aber selber nicht mit der Sprache herausgehen. Denn weder gute Gründe noch ihre Beredsamkeit werden uns einen guten Frieden verschaffen, sondern allein das Waffenglück im Laufe dieses Feldzuges.

Soll der Friede zustande kommen, so muß als Grundlage die völlige Wiederherstellung unsrer Besitzungen nach dem Stande von 1756 verlangt werden. Um das


1 Vgl. S.84 f.

2 Vgl. S. 30.