<35> der Festung hätte ihnen die Vorherrschaft in der ganzen Ostsee gesichert. Die gegenwärtigen Pläne Rußlands liefen also den dänischen Interessen strikt zuwider. Eine noch größere Gefahr aber drohte für die Zukunft. Hatte doch Großfürst Peter Ansprüche auf Schleswig1, die er nach der Thronbesteigung geltend machen konnte. Das wäre ihm von Pommern aus um so leichter gefallen. Liegt dagegen ein Reich wie Preußen zwischen Rußland und Dänemark, so wird es dem russischen Kaiser bei all seiner Macht unmöglich, Krieg in Holstein zu führen. Diese wohlbegründeten Erwägungen bestimmten das Ministerium in Kopenhagen, dem preußischen Gesandten einigermaßen entgegenzukommen. Anfänglich bot es Hilfstruppen zur Verteidigung Pommerns an2, bereute aber den Vorschlag bald wieder aus Furchtsamkeit und Unentschlossenheit. Erschrocken über sein eigenes Vorgehen, sann es nun bloß darauf, sich auf gute Weise herauszuziehen. Um also die Verhandlungen abzubrechen, ohne dem König Grund zu einem Vorwurf zu geben, spannte das dänische Ministerium die Forderungen für seine Hilfe so hoch, daß es ihrer Ablehnung so gut wie sicher war. Das Scheitern so vieler Versuche, Unterhandlungen anzuknüpfen, überzeugte den König immer mehr von der Unmöglichkeit, unter den gegenwärtigen Umständen etwas von den europäischen Höfen zu erlangen. Die Gewalt der Leidenschaften beherrschte die Geister, und die Erregung der Gemüter war noch zu heftig, als daß sie sich hätten beruhigen lassen. Um mit Ehren aus dem verhängnisvollen Kriege hervorzugehen, blieben dem König also nur zwei Bundesgenossen: Tapferkeit und Beharrlichkeit.

All diese Verhandlungen der Kabinette hatten auf die Tätigkeit der Armeen keinen Einfluß und hinderten die Feinde nicht an verschiedenen Unternehmungen noch während des Winters. Ein Teil der Russen lag bei Neustettin in Winterquartieren. Sie faßten den Plan, Schwedt zu überfallen. Dort befanden sich der Bruder des Königs, Prinz Ferdinand, ferner der Markgraf von Schwedt und der Prinz von Württemberg3. Einige Tage, nachdem Prinz Ferdinand abgereist war, vergaßen die wachehaltenden Bürger, die Oderbrücke aufzuziehen. Das benutzten die Kosaken, um in die Stadt zu dringen (22. Februar). Sie nahmen den Markgrafen und den Prinzen von Württemberg im Schloß gefangen und führten sie eine Meile weit fort. Dort stellten ihnen die Prinzen einen Revers aus, in dem sie sich für gefangen erklärten4. Die Kaiserin von Rußland mißbilligte dies Vorgehen jedoch und wollte nichts von Lösegeld hören.

In der Lausitz dauerte der Krieg im Winter wie im Sommer fort. Wie oben erwähnt, hatte der König zur Beobachtung Becks ein Kavalleriekorps unter Czettritz5


1 Vgl. Bd. III, S. 119.

2 Die dänischen Anerbietungen, die im April 1760 auf dem Wege über Hannover erfolgten, betrafen vielmehr die Rückeroberung Ostpreußens.

3 Prinz Friedrich Eugen, der Schwiegersohn des Markgrafen Friedrich Wilhelm von Schwedt.

4 Durch Lösegeld kaufte Prinz Friedrich Eugen sich wieder frei.

5 Generalmajor Freiherr Ernst Heinrich von Czettritz.