<65> und Charlottenburg besetzt und näherte sich Berlin von Süden. Der Umkreis der Stadt beträgt drei Meilen. Unmöglich konnten also 16 000 Mann eine so ausgedehnte Linie, die nicht einmal Wälle und Festungswerke besaß, gegen 20 000 Russen und 18 000 Österreicher verteidigen, die von andrer Seite nichts zu befürchten hatten und daher alles wagen konnten. Schon begann der Feind die Stadt zu bombardieren. Ließ man es aufs Äußerste ankommen, so liefen die Truppen Gefahr, in Gefangenschaft zu fallen, und Berlin wurde von Grund aus zerstört. Aus diesen wesentlichen und triftigen Gründen faßten die Generale den Entschluß zum Rückzuge und empfahlen dem Magistrat die Absendung einer Deputation an die feindlichen Generale zum Abschluß einer Art von Kapitulation. In der Nacht zum 9. Oktober rückten der Prinz von Württemberg und Hülsen ab und zogen sich nach Spandau zurück. Nur das Jägerkorps erlitt dabei einige Verluste. Noch am selben Tage marschierten die Russen in Berlin ein. Es wurde vereinbart, daß die Bürgerschaft durch Kriegssteuer zwei Millionen aufbringen und sich dadurch von einer Plünderung loskaufen sollte1. Trotzdem hatten Lacy und Tschernyschew nicht übel Lust, einen Teil der Stadt anzuzünden. Ohne die nachhaltigen Vorstellungen des holländischen Gesandten Verelst2 wäre es vielleicht zu einer Katastrophe gekommen. Der edle Republikaner wies die Feinde auf die Menschenrechte hin und schilderte ihnen ihre Barbarei mit so abschreckenden Farben, daß sie sich schämten. Ihre ganze Wut und Wildheit ließen sie an den königlichen Schlössern in Charlottenburg und Schönhausen aus, die von den Sachsen und Kosaken geplündert wurden.

Nun verbreitete sich das Gerücht vom Anmarsch des Königs. Lacy und Tschernyschew hatten Nachricht erhalten, der König beabsichtige sie abzuschneiden. Die Kunde


1 Die Angabe ist nicht genau. Die Kontribution betrug 1 1/2 Millionen, zu denen noch 200 000 Taler „Douceurgelder“ an Stelle der Verpflegung der Truppen kamen. Der König ersetzte davon eine Million der Stadt wieder.

2 In einem Schreiben vom 22. Oktober 1760 dankte der König dem Gesandten Dietrich Hubert Verelst für seine „Mühen und vermittelnden Dienste“, um den Bürgern zu helfen und die „Härten und Greuel, die der Feind gegen sie vorhatte, zu erleichtern“; er fühle sich ihm für die bewiesene „edle Menschlichkeit“ auf das höchste verpflichtet.