<94>gangen seien ober nicht, so war zur Erlangung bestimmter Nachrichten die Absendung eines Korps nötig, das stark genug war, sich durchzuschlagen und weit genug vorzustoßen, um sich durch den Augenschein von den tatsächlichen Vorgängen zu unterrichten. Zu dem Zweck sandte der König Platen mit 40 Schwadronen und 10 Bataillonen zur Rekognoszierung nach Parchwitz1. Der König begab sich zum Regiment Zieten auf den äußersten rechten Flügel des Lagers, um Platen mit den Augen zu folgen und selbst zu beurteilen, ob er Unterstützung brauchte, ob er ihn zurückziehen müßte, oder was sonst für Maßnahmen zu treffen seien. Kaum war der König dort angelangt, so stürzte eine Horde von 3 000 bis 4 000 Kosaken mit ihrem beim Angriff gewohnten Schreien und Lärmen auf das Regiment Zieten los. Eiligst sandte der König zur Armee und ließ die nächsten Regimenter des rechten Flügels herbeiholen. Bis zu ihrer Ankunft aber schickte man sich zur Verteidigung an. Die Schwadronen teilten sich in zwei Abteilungen, um ihre Front besser zu schützen und die Flanken zu decken. Vor jeder Schwadron wurde ein Unteroffizier mit 10 Husaren gestellt, mit dem Befehl, geschlossen und unbeweglich stehenzubleiben und sich nur plänkelnd mit dem Karabiner zu verteidigen. Sobald die Kosaken Miene machten, sich auf diese kleinen Abteilungen zu werfen, unterstützten die dahinterstehenden Schwadronen sie mit dem Säbel in der Faust, ohne sich sonst in ein Gefecht einzulassen. Das Scharmützel dauerte anderthalb Stunden. Sobald aber die Kosaken aus der Ferne die Hilfstruppen herankommen sahen, ergriffen sie Hals über Kopf die Flucht und zogen sich in der Richtung auf Groß-Wandris zurück. Wer Kosaken gegenüber kaltes Blut zu bewahren weiß, läuft nicht viel Gefahr. Denn trotzdem das Regiment Zieten den Barbaren an Zahl weit nachstand, vermochte es sich doch allein gegen sie zu behaupten, ohne daß ein Husar verwundet oder gefangen genommen wurde.

Kaum hatten die zur Hilfe heranrückenden Regimenter den König erreicht, so erblickte er in der Ebene von Iauer 40 österreichische Schwadronen, die in scharfem Trabe auf Wahlstatt rückten. Platen seinerseits hatte die Russen bis über Groß-Wandris zurückgetrieben. Zu seiner Unterstützung entsandte der König Zieten mit 6 Bataillonen und 10 Schwadronen und folgte ihm schließlich selbst. Kaum hatten diese Truppen die Höhe am Würcken-Teich2 erreicht, so sah man die Spitze der österreichischen Kavallerie bei Wahlstatt hervorkommen. Sie wurde mit starkem Kanonenfeuer empfangen und unmittelbar darauf von den Finckschen Dragonern unter Reitzenstein3 und zwei Czettritz-Schwadronen attackiert. Nach zwei kräftigen Angriffen hintereinander warf Reitzenstein sie in das eben von ihr verlassene Defilee zurück und machte dabei 300 Gefangene. Die feindliche Kavallerie floh aufgelöst nach Iauer, und nur ein einziges Regiment, das zuerst durch das Defilee gegangen war, vereinigte sich mit Buturlin. Der Zufall wollte, daß die Kosaken selbst zur Niederlage der Österreicher beitrugen. Die österreichischen Dragoner an der Spitze


1 15. August1761.

2 Bei Würchwitz.

3 Reitzenstein (vgl. S.72) war im Dezember 1760 ins Dragonerregiment Finckenstein versetzt worden.