10. Kapitel
Feldzug des Jahres 1759.
Die Armeen des Prinzen Ferdinand von Braunschweig und des Prinzen Heinrich von Preußen eröffneten den Feldzug. Wegen der Nähe der in Polen stehenden Russen mußte der König mit seiner Armee an der schlesischen und märkischen Grenze bleiben und durfte sich nicht in Unternehmungen einlassen, durch die er sich von seiner Verteidigungslinie entfernte. Er hätte sie nicht ohne Gefahr verlassen können. Auch die Österreicher verschoben den Beginn ihrer Operationen, damit die Russen Zeit hätten, ins Feld zu rücken. Dadurch wurden die Bewegungen der Truppen zumeist bis Ende Juli verzögert.
Die Franzosen gingen ohne Bundesgenossen vor, und so hatte die Armee des Prinzen Ferdinand lediglich mit einem Gegner zu kämpfen. Sie begannen ihre Unternehmungen, sobald ihre Vorbereitungen beendet waren und sie den Augenblick für gekommen hielten. Den Oberbefehl über das französische Heer führte in diesem Jahre Marschall Contades. Unter ihm befehligte der Herzog von Broglie in Frankfurt, wo er bis zur Ankunft des Marschalls die feindlichen Truppen im Auge behielt. Ein gemischtes Korps von Österreichern und Reichstruppen unter Arberg rückte nach Thüringen vor, wo es Prinz Heinrich und Prinz Ferdinand beunruhigte. Beide Prinzen verabredeten daher, den durch seine Nähe so lästigen Gegner gemeinsam zu vertreiben. Zur Ausführung des Planes wurde preußischerseits Knobloch, auf seiten der Alliierten Urff bestimmt. Knobloch nahm Erfurt und machte in der Gegend einige hundert Gefangene. Urff trieb den Feind bis über Vacha hinaus und setzte sich wieder in den Besitz von Hersfeld. Aber kaum hatten sich die Preußen mit ihren Alliierten zurückgezogen, als ihnen die Österreicher und Reichstruppen folgten und ihre erste Stellung wieder einnahmen. Das verdroß den Prinzen Ferdinand. Um die feindlichen Truppen aus der Nähe von Hessen zu vertreiben, warf er den gesamten linken Flügel seiner Armee nach Kassel und rückte von da über Melsungen<4> bis nach Hersfeld vor. Der Erbprinz4-1 drang ins Bistum Fulda und von dort in Franken ein, nahm Meiningen, Wasungen und vernichtete in der Gegend drei österreichische Regimenter. Arberg rückte ihm entgegen und griff ihn im Lager von Wasungen an4-2. Nach sechsstündigem Kampfe wurden die Österreicher und Reichstruppen zurückgeworfen und zur Flucht bis nach Thüringen gezwungen. Nun zog Prinz Ferdinand alle seine Detachements bei Fulda zusammen. Sein Plan ging dahin, die französischen Magazine in Fritzlar, Hanau und Umgegend zu zerstören, um die vom Feinde geplanten Unternehmungen in Hessen zu verzögern oder gar zu vereiteln. Der Prinz rückte auf Frankfurt und überrumpelte unterwegs mehrere französische Detachements, die sich nicht zu retten wußten und sich gefangen gaben. In Bergen vermutete er nur wenige Bataillone, die, zu schwach zum Widerstande, sich bei seiner Annäherung zurückziehen würden, oder falls sie so keck waren, sein Erscheinen abzuwarten, die Waffen strecken mußten. In diesem Glauben ließ er die Besatzung von Bergen angreifen4-3. Inzwischen aber erschien Broglie mit mehreren, aus den nächsten Quartieren zusammengerafften Brigaden auf der Anhöhe hinter dem Dorfe, und der Angriff der Alliierten wurde zurückgeschlagen. Dabei fiel Prinz Isenburg, der ihn befehligte. Prinz Ferdinand sah sich gezwungen, das einmal begonnene Gefecht fortzusetzen, und eroberte auch wirklich die Unterstadt von Bergen, aber die stark befestigte Oberstadt bereitete ihm unüberwindliche Hindernisse. Zugleich griffen die französischen Truppen die Verbündeten im richtigen Augenblick an und zwangen sie zur Aufgabe des schon Gewonnenen. Die Sachsen, die bei Broglies Armee waren, wollten die zurückgehenden Truppen verfolgen. Als Prinz Ferdinand das merkte, ließ er die Sachsen durch Kavallerie angreifen, die einen Teil niederhieb und ein paar hundert Gefangene machte. Der Rest des Tages ging mit gegenseitiger Kanonade hin. Da Prinz Ferdinand seinen Streich gescheitert sah, zog er sich noch in der Nacht nach Hessen zurück, ohne von Broglie beunruhigt zu werden. Blaisel folgte ihm und griff die Nachhut einer seiner Marschkolonnen auf ihrem Rückzuge mit solchem Geschick an, daß er 200 preußische Dragoner vom Regiment Finckenstein gefangen nahm.
Erfolgreicher hatte inzwischen Prinz Heinrich einen ähnlichen, gegen Böhmen gerichteten Anschlag ausgeführt. Am 15. April war er bei Peterswald in Böhmen eingerückt, ohne großen Widerstand zu finden. Dagegen stieß Hülsen, der mit der zweiten Kolonne über Sebastiansberg eindrang, auf einen verschanzten Feind. Seine Kavallerie umging die Österreicher auf dem Weg über Preßnitz und fiel ihnen in den Rücken, während die preußische Infanterie die feindlichen Verschanzungen in der Front angriff. Das ganze Reinhardtsche Korps, das aus den Regimentern Andlau, Königsegg und tausend Kroaten bestand, im ganzen 2 500 Mann, wurde gefangen genommen, ohne daß ein einziger Mann entkam. Nach dieser kühnen Tat rückte Hülsen auf Saaz vor und zerstörte dort eins der bedeutendsten feindlichen Magazine.<5> Gleichzeitig marschierte Prinz Heinrich gegen Budin, vernichtete dort alle von den Österreichern in der Gegend zusammengebrachten Vorräte und ging, nachdem er seinen Zweck erreicht hatte, wieder nach Sachsen zurück.
Bald darauf beschloß der Prinz, einen ähnlichen Streich gegen die Reichsarmee zu führen, um zu verhindern, daß sie sich versammelte und näher an die sächsische Grenze rückte. Das Unternehmen wurde in Gemeinschaft mit der Armee der Alliierten ausgeführt. Der Prinz zog sein Korps bei Zwickau zusammen, detachierte Finck nach Adorf, um den Feind wegen Eger besorgt zu machen, marschierte dann selbst nach Hof und schob von dort Knobloch über Saalburg gegen Kronach vor. Durch diese Bewegungen erschreckt, verließen die Reichstruppen ihr vorteilhaftes Lager bei Münchberg. Die Preußen besetzten es und machten in verschiedenen Gefechten eine Menge Gefangene. Dann rückte Finck gegen Weißenstadt vor, um Macquires Verbindung mit der Reichsarmee abzuschneiden. Infolgedessen wich der österreichische General bis nach der Oberpfalz zurück und vereinigte sich später bei Nürnberg mit den Reichstruppen. Finck folgte ihm und nahm ihm bei verschiedenen Gelegenheiten 400 Gefangene ab. Die Preußen bezogen ein Lager in der Nähe von Bayreuth. Bei Himmelkron zwang Meinicke den General Riedesel, sich mit 900 Mann zu ergeben (11. Mai). Dies Mißgeschick beschleunigte den Rückzug der Reichsarmee. Der Prinz von Zweibrücken führte sie nach Nürnberg zurück. Da nun Prinz Heinrich keinen Feind mehr vor sich hatte, schickte er Knobloch ins Bistum Bamberg, wo er alle für die Reichsarmee errichteten Magazine zerstörte.
Nachdem Prinz Heinrich sein Ziel erreicht hatte, kehrte er Anfang Juni mit den Truppen wieder nach Sachsen zurück. Die Österreicher hatten die Abwesenheit der Preußen zu einem Einfall benutzt. General Gemmingen, der bei Wolkenstein sich festgesetzt hatte, wurde von Schenckendorff5-1 angegriffen und geschlagen5-2. Brentano kam den Österreichern zwar zu Hilfe, wurde aber ebenso übel empfangen wie Gemmingen und zog sich schleunigst nach Böhmen zurück.
Der Zug des Prinzen Heinrich hatte der Reichsarmee in einem Monat alle Magazine, 60 Offiziere und 3 000 Mann gekostet. Von seiten der Verbündeten war der Erbprinz von Braunschweig mit 12 000 Mann ins Bistum Würzburg vorgedrungen, hatte dabei 300 Österreicher gefangen genommen und war dann wieder in Hessen zum Prinzen, seinem Oheim, gestoßen.
Erst Ende Mai nahmen die Franzosen ihre Operationen wieder auf. Contades ging bei Köln über den Rhein, vereinigte sich am 2. Juni bei Gießen mit Broglie und ließ Armentières mit einem Detachement von 20 000 Mann bei Wesel zurück. Bei der Annäherung der Franzosen hatte sich Prinz Ferdinand erst nach Lippstadt, dann nach Hamm zurückgezogen und dort alle Regimenter vereinigt, die im Bistum Münster überwintert hatten, mit Ausnahme der Besatzung von Hamm selbst. Imhoff<6> war bisher in Fritzlar geblieben. Sobald er aber erfuhr, daß Broglie, Contades und die Sachsen von drei Seiten gegen ihn anrückten, zog er sich auf Lippstadt zurück. Da die Franzosen Hessen von Truppen entblößt fanden, nahmen sie Kassel, Münden und Beverungen ein und bemächtigten sich der meisten Magazine der Verbündeten. Contades machte einen Vorstoß bis Paderborn. Prinz Ferdinand rückte ihm entgegen und lagerte bei Rietberg. Der Verlust all seiner Magazine zwang ihn zur Anlegung von neuen. In Osnabrück errichtete er sein Hauptdepot. Indessen gingen die Franzosen damit um, die Deutschen von der Weser abzuschneiden. Contades lagerte sich an den Emsquellen, zog von dort nach Bielefeld und Herford und schickte Broglie nach Oerlinghausen. Der rückte von da gegen Minden vor, überfiel die Stadt am hellen lichten Tage und machte 1 500 Gefangene (9. Juli). Infolge dieses Schlages mußte Prinz Ferdinand, der bei Ravensberg stand, sich auf Osnabrück zurückziehen6-1. Dort vereinigte er sich am 8. Juli mit dem Wangenheimschen Korps, das bisher Armentières gegenübergestanden hatte. Als nun der französische General den Weg frei fand, wollte er Münster mit Sturm nehmen. Der Anschlag mißglückte jedoch, und er begann eine regelrechte Belagerung. Die Laufgräben wurden eröffnet, und die Stadt ergab sich am 25. Juli.
Contades seinerseits lagerte mit seiner ganzen Armee bei Minden, besetzte das linke Weserufer und stellte Broglie auf das rechte. Nachdem Prinz Ferdinand die Weser erreicht hatte, zog er sofort flußaufwärts, um dem Feind entgegenzutreten. Am 29. rückte er in die Ebene von Minden vor und dehnte seine Armee zwischen Hille und Friedewalde aus. Dort stieß General Dreves zu ihm, der inzwischen Bremen den Franzosen wieder abgenommen hatte. Der Prinz ließ das Dorf Todtenhausen, eine Viertelmeile vom linken Flügel der Armee, befestigen, um Contades eine Art Falle zu stellen. Denn die Stellung der Franzosen war für einen direkten Angriff auf ihr Lager zu stark, und der Prinz konnte seinen Gegner nur vor die Klinge bekommen, wenn er ihn zu einem falschen Schritt verleitete. Um die Franzosen zu beunruhigen, schickte er ihnen außerdem den Erbprinzen in den Rücken. Der marschierte nach Gohfeld und stieß dort auf den Herzog von Brissac mit einem Detachement von 6 000 Mann.
Contades beeilte sich, den Wünschen des Prinzen Ferdinand entgegenzukommen. Ja, er benahm sich ganz so, als befolgte er nur die Instruktionen seines Gegners. Broglie ging mit seinem Detachement über die Weser und vereinigte sich mit der Hauptarmee. Prinz Ferdinand ließ Wege nach dem Sumpfe bahnen, der die französische Armee deckte, und griff sie schließlich am 1. August an. Zwölf Bataillone hielten das befestigte Dorf Todtenhausen besetzt. Sie wurden durch zwei starke Batterien unterstützt und von 20 Schwadronen verstärkt, die dicht hinter der Infanterie kampierten. Das Gros der Alliierten lagerte, wie schon gesagt, eine halbe Meile weiter,<7> hinter dem Hiller Walde. Mit weiser Vorsicht hatte Prinz Ferdinand seine Wege und Verbindungen derart angelegt, daß er bei der ersten Bewegung der Franzosen ohne Hindernisse auf sie losmarschieren konnte. Er beabsichtigte sie bei ihrem Angriff auf das Dorf zu überfallen. Bei Tagesanbruch rückte Contades in die Ebene vor. Broglie führte die zum Angriff des Dorfes bestimmte Avantgarde. Zu ihrer wirksamen Unterstützung stand die französische Hauptarmee jedoch allzu entfernt. Ihr rechter Flügel lehnte sich an die Weser, der linke bog sich hakenförmig zurück, mit dem Knick gerade gegenüber dem eben überschrittenen Sumpfe. Beim Anmarsch auf Todtenhausen erblickte Broglie die 12 Wangenheimschen Bataillone in Schlachtordnung. Er hielt sie für die ganze Armee des Prinzen Ferdinand. Er schwankte, blieb eine Zeitlang unentschlossen, schließlich aber ließ er Contades um neue Verhaltungsmaßregeln ersuchen. So ging die Gelegenheit und die Zeit vorüber; denn inzwischen langte Prinz Ferdinand mit seiner Armee an, und statt nun Wangenheim zu Hilfe zu kommen, stellte er seine Truppen dem von der französischen Armee gebildeten Winkel gegenüber auf. Contades warf ihm ein Kavalleriekorps entgegen, aber die Kampflust und das Ungestüm der englischen Infanterie trug den Sieg davon. Sie griff die französische Reiterei an, warf sie zurück und ging dann sofort gegen die feindliche Infanterie vor. Prinz Ferdinand hatte knapp Zeit, sie mit frischen Brigaden zu unterstützen. Schließlich ergriffen die Franzosen die Flucht, und die Verbündeten besetzten das vom Feinde verlassene Schlachtfeld. Während das Glück so dem Prinzen Ferdinand zuneigte, versuchte Broglie einen schwachen Angriff auf Todtenhausen. Auch hier kam es zu zwei Kavallerieattacken, die beide zugunsten der Verbündeten ausfielen. Die Flucht des linken französischen Flügels, das Zurückfluten der Kavallerie und schließlich der erfolglose Angriff auf Todtenhausen bestimmten den Feind zur Räumung des Schlachtfelds. In großer Verwirrung und Unordnung trat er den Rückzug an.
Am selben Tage schlug der Erbprinz den Herzog von Brissac bei Gohfeld, verfolgte ihn und besetzte ein Defilee in der Nähe der Weser, wodurch den Franzosen der Weg nach Waldeck und Paderborn verlegt wurde. Dieser Streich war ebenso entscheidend wie die Schlacht selbst; denn die französische Armee war damit auf dem linken Weserufer bei Minden von den Verbündeten umstellt. Sie mußte wieder über den Fluß zurückgehen, um den allein noch offenen Weg nach Kassel einzuschlagen. Armentières, der bisher Lippstadt blockiert hatte, hob die Belagerung auf, sandte 10 Bataillone nach Wesel und eilte mit den 12 anderen nach Kassel, wo er sich mit der geschlagenen Hauptarmee vereinigte. Am Tage nach der Schlacht ergab sich Minden dem Sieger. Die Franzosen verloren bei Minden über 6 000 Mann, darunter 3 000 Gefangene. Zur Ausnutzung des glücklichen Erfolges rückte Prinz Ferdinand gegen Münden vor, während der Erbprinz mit 20 000 Mann bei Rinteln über die Weser ging. Bei Münden kam es zu einem ernsten Nachhutgefecht. Nur durch das tapfere Verhalten des Generals St. Germain wurde das Gepäck der Franzosen<8> gerettet. Prinz Ferdinand wandte sich hierauf nach Paderborn, und Urff nahm in Detmold das französische Feldlazarett mitsamt seiner Bedeckung von 800 Mann weg8-1.
Beim Anmarsch der Verbündeten auf Stadtberge wichen der Herzog von Chevreuse sowie Armentières auf Kassel zurück. Da die Alliierten sich von dort ins Fürstentum Waldeck wandten, glaubte Contades, Prinz Ferdinand wolle die Franzosen vom Main abschneiden. In dieser Annahme verließ er plötzlich Kassel, wo er eine schwache Besatzung zurückließ, und bezog ein Lager bei Marburg. Ein Freikorpsführer der Alliierten, namens Freytag, rückte gleichfalls auf Marburg und zwang die Stadt zur Kapitulation8-2. Prinz Ferdinand stand zu dieser Zeit in Corbach. Er schob den Erbprinzen nach Wolfhagen vor und detachierte den Prinzen von Holstein8-3 nach Fritzlar. All diese Bewegungen brachten Contades vollends außer Fassung. Er hielt sich für verloren und räumte ganz Hessen. Prinz Ferdinand folgte ihm nach Ernsthausen. Noch am selben Tage nahm eins seiner Detachements 300 Franzosen in der Festung Ziegenhain gefangen. Der Feind hatte sich bei Amöneburg an der Ohm festgesetzt. Das Freikorps Fischer, das hinter der Lahn stand, wurde vom Erbprinzen geschlagen (28. August). Als dann der Prinz, sein Oheim, mit der Hauptarmee auf Wetter vorrückte, kam der junge Held bei Niederweimar dem Feind in den Rücken. Nun verlor Broglie ganz den Kopf, zog sich nach Gießen zurück und gab Marburg preis. Der Prinz von Bevern8-4 nahm die Stadt samt ihrer Besatzung von 900 Mann8-5. Infolge all dieser glücklichen Ereignisse konnte Prinz Ferdinand bis Krofdorf vorrücken. Nur die Lahn trennte die Alliierten noch von den Franzosen. Die letzteren verschanzten sich in ihrem Lager und warfen Broglie nach Wetzlar. Prinz Ferdinand ließ ihn von Wangenheim beobachten. Infolge seines Unglücks fiel Contades beim Hof in Ungnade und wurde abberufen. Broglie wurde zum Marschall von Frankreich ernannt und übernahm an seiner Stelle den Oberbefehl über die Armee.
Während so Deutsche und Franzosen an den Ufern der Lahn einander hartnäckig gegenüberstanden, suchte Prinz Ferdinand das Bistum Münster in seinem Rücken vom Feinde zu säubern. Er hatte Imhoff nach Westfalen geschickt, um Münster zu belagern. Der hatte aber kaum die Laufgräben vor der Stadt eröffnet, als er die Belagerung wieder aufgeben mußte (6. September). Armentières war schleunigst von der französischen Armee abmarschiert, bei Wesel über den Rhein gegangen und Münster zu Hilfe geeilt. Aber Imhoff erhielt Verstärkungen von den Alliierten, und da er sich dem Gegner nun gewachsen fühlte, so begann er die Belagerung aufs neue. Wieder näherte sich Armentières der Stadt, um die Deutschen anzugreifen. Aber<9> entweder hielt er die Sache für zu schwierig, oder die Schlappe eines seiner Detachements entmutigte ihn. Kurz, er zog sich hinter die Lippe zurück, und Imhoff zwang Münster zur Kapitulation (20. November).
Bei ihrer großen Eigenliebe sahen die Franzosen die Gründe für ihre Mißerfolge in Deutschland in der geringen Übermacht ihrer Armee über die der Verbündeten. Der Hof war ungefähr der gleichen Meinung und schloß daher, um dem Übel abzuhelfen, ein Abkommen mit dem Herzog von Württemberg9-1 zur Stellung von 12 000 Mann gegen Subsidiengelder. Der Herzog stellte sich selbst an die Spitze seiner Truppen. Er hatte sich das Kommando vorbehalten und sich ausbedungen, daß er und seine Leute nur zu Detachements verwandt werden dürften. Denn er wollte nicht unter den zahlreichen Generalen einer so großen Armee verschwinden und hielt es mit seiner Würde und Hoheit für unvereinbar, unter einem französischen Marschall zu dienen. Im Oktober traf der Herzog mit seinem Korps in Franken ein. Da ihn Broglie nicht nach Gutdünken verwenden konnte, so sandte er ihn ins Bistum Fulda, aus dem die Alliierten einen Teil ihrer Lebensmittel bezogen. Der Anmarsch der Württemberger brachte die Lieferungen des Landes ins Stocken, bot aber einen anderen Vorteil. Das vereinzelte Detachement war für die Alliierten ein willkommener Bissen. Der Erbprinz verließ die Armee in Eilmärschen und erschien, ehe man sich's versah, vor den Toren von Fulda. Gerade für diesen Tag hatte der Herzog einen Ball anberaumt, der nun gestört wurde. Voller Bestürzung über das Auftauchen eines so wachsamen Feindes, der ihm nicht einmal Zeit ließ, seine Truppen zu sammeln, flüchtete der Württemberger mit seiner Kavallerie nach dem Main. Als sich aber die Nachhut der Infanterie zum Rückzug wandte, drang der Erbprinz lebhaft auf sie ein und machte 1 200 Gefangene (30. November). Das war nicht die letzte Tat des jungen Helden. Wir werden noch beim Feldzug in Sachsen auf ihn zurückkommen.
Die Franzosen hatten in diesem Jahre länger als gewöhnlich im Felde gestanden. Nun aber nötigte sie die für Kriegsunternehmungen gar zu ungünstige Jahreszeit zum Aufbruch aus ihrem Lager. Sie gingen nach Frankfurt zurück. Prinz Ferdinand ließ Gießen blockieren und bezog Winterquartiere. Durch Tapferkeit und Geschick hatte er alles, was ihm das Unglück zu Beginn des Feldzugs entrissen hatte, wiedergewonnen, und die Alliierten waren am Jahresende im Besitz aller Städte und Länder, die sie vor der Kriegserklärung innegehabt hatten.
Der Feldzug des Königs dagegen hatte keinen so glücklichen Verlauf genommen. Vielleicht war er der unglücklichste von allen. Ja, es wäre ganz um die Preußen geschehen gewesen, hätten ihre Feinde das gleiche Geschick, mit dem sie zu siegen wußten, auch bei der Ausnutzung ihrer Siege gezeigt. Wir haben die Gründe angegeben, die<10> den König zur Defensive zwangen. Da ihn Dauns Armee festhielt, die in Böhmen an der schlesischen Grenze stand, so plante er einen Anschlag auf die Magazine, die die Russen bei Posen anlegten. Wäre das Unternehmen geglückt, so hätte es die feindlichen Operationen verzögert. Und Zeit gewinnen hieß alles gewinnen. Mitte März rückte die Armee des Königs auf das Schweidnitzer Gebirge zu und kantonnierte in den langgestreckten Dörfern zwischen Landeshut und Friedland. Fouqué blieb mit seinem Korps bei Neustadt in Oberschlesien. General Wobersnow10-1 war mit einem Detachement in die Woywodschaft Posen geschickt worden und vernichtete dort einige russische Magazine im Entstehen. Da sein Zug aber zu früh stattfand, so störte er die Feinde in ihren beabsichtigten Maßnahmen nur wenig oder garnicht.
An der böhmischen Grenze geschah nichts von Bedeutung. Laudon, der bei Trautenau stand, war fortwährend in Bewegung. Er hielt die vorgeschobenen Posten unaufhörlich, aber erfolglos in Unruhe. Nur ein einziges Unternehmen glückte den Österreichern: Beck überfiel bei Greiffenberg das Grenadier-Bataillon Diringshofen und schnitt ihm mit seiner Kavallerie den Rückzug ab. Nach tapferer Gegenwehr mußte das Bataillon die Waffen strecken (26. März). Gegen Ende des Monats drang de Ville, der in Mähren befehligte, mit starken Kräften in Oberschlesien ein. Da Fouqué mit seinem Korps zu schwach war, überließ er Neustadt dem Feind und bezog eine vorteilhaftere Stellung bei Oppersdorf. Der König hoffte, de Villes Vorstoß würde ihm Gelegenheit geben, das feindliche Korps getrennt zu schlagen und völlig aufzureiben. Zu diesem Zweck ließ er heimlich Truppen nach Neiße rücken und begab sich selbst dorthin. Aber alle Vorsicht, das Manöver vor den Feinden zu verbergen, war umsonst! Die katholische Geistlichkeit und die Mönche, die den Preußen als Ketzern insgeheim feindlich gesinnt waren, fanden Mittel und Wege, de Ville vom Anmarsch der Truppen zu benachrichtigen. An dem Tage, wo der König in Oppersdorf eintraf, zog sich der österreichische General nach Ziegenhals zurück (1. Mai). Nun blieb nichts weiter übrig, als die noch auf dem Marsche befindlichen Panduren in ein Nachhutgefecht zu verwickeln. Die Kavallerie umringte 800 Mann auf abschüssigem, für Reitergefechte wenig geeignetem Felsengelände und ließ sie über die Klinge springen oder nahm sie gefangen. Statt sich in Ziegenhals aufzuhalten, setzten die Österreicher ihren Rückzug bis nach Mähren fort. Da der König nun in jener Gegend seine Gegenwart nicht mehr für erforderlich hielt, kehrte er zu seiner Armee nach Landeshut zurück.
Feldmarschall Daun traf gerade in Böhmen ein und nahm sein Hauptquartier in Münchengrätz. Bis zum 28. Juni verblieben beide Heere ruhig in ihren Stellungen. Hierauf bezogen die Österreicher das Lager von Jaromircz, rückten dann nach der Lausitz und stellten sich bei Marklissa auf (6. Juli). Nun schickte der König aus seinem Lager bei Landeshut einige Bataillone ab, die über Schatzlar in Böhmen eindrangen.<11> Sie näherten sich Trautenau, und Major Quintus11-1 vernichtete ein Korps Panduren in der Gegend von Deutsch-Prausnitz. Seydlitz wurde nach Lähn detachiert, um Feldmarschall Daun im Auge zu behalten. Fouqué erhielt Befehl, Oberschlesien zu verlassen, um die Armee des Königs bei Landeshut abzulösen, da es gefährlich gewesen wäre, diese Stellung nicht zu besetzen. Sobald er eingetroffen war, brach der König auf und erreichte in zwei Märschen das Lager bei Schmottseiffen11-2, eins der stärksten in Schlesien (10. Juli). Tags zuvor11-3 hatte Laudon Seydlitz angegriffen, war jedoch geschlagen worden und hatte 150 Mann verloren. Ja er wäre beinahe selbst gefangen worden. Trotzdem vertraute der Hof diesem Freischarenführer ein Korps von 20 000 Mann an, das bei der ersten sich bietenden Gelegenheit zu den Russen stoßen sollte. Feldmarschall Daun wies ihm eine Stellung auf den Höhen von Lauban an, gerade wo Laudon im vergangenen Jahre von der preußischen Arrieregarde so übel empfangen worden war11-4. Daun wählte die Stellung, um Laudon einen Vorsprung vor den Preußen zu geben, sobald er den Befehl zur Vereinigung mit den Russen erhielte. Es war nicht schwer, diese Absicht der Österreicher zu durchschauen. Um Laudon im Auge zu behalten, postierte der König zwei Kavalleriekorps, das eine unter Lentulus in Löwenberg, das andere unter dem Prinzen von Württemberg in Bunzlau.
Während dieser Maßnahmen gegen die Österreicher hatte der König die Russen nicht außer acht gelassen. Schlabrendorff und Graf Hordt11-5 hatten sie im Winter durch Detachements längs der polnischen Grenze beobachten lassen. Bei Frühlingsanfang räumte Graf Dohna Mecklenburg und Pommern, ließ Manteuffel11-6 mit einem kleinen Korps gegen die Schweden zurück und marschierte mit seinen Truppen nach Stargard und weiter nach Landsberg. Hier erreichten ihn Verstärkungen unter Itzenplitz und Hülsen, die Prinz Heinrich ihm aus Sachsen gesandt hatte. Da man bemerkte, daß die Russen in einzelnen Korps durch Polen zogen, kam man auf den Gedanken, ihnen entgegenzurücken und sie einzeln zu schlagen. Das war nicht unmöglich, falls es gelang, eine ihrer Abteilungen auf dem Marsche zu überfallen, bevor die anderen herankamen. Die Ausführung des Plans erforderte Tatkraft und Entschlossenheit. Jedoch war gerade das Gegenteil der Fall. Die preußischen Truppen wurden schlecht geführt, die Generale ließen es an Wachsamkeit fehlen, alles geschah zu spät. Man häufte Fehler auf Fehler, und so wurde der unglückliche Zug gleichsam zur Quelle all des Mißgeschicks, das die Preußen in diesem Feldzuge traf. Am 23. Juni verließ Graf Dohna Landsberg und ging am 5. Juli bei Obornik über die Warthe. Seine Langsamkeit gab den Russen Zeit, sich bei Posen zusammenzuziehen.<12> Die beiden Armeen hielten sich mit Rekognoszierungen auf, die zu nichts führten. Am 14. rückten die Russen vor. Sie zogen ganz nahe an der preußischen Armee hin, aber in einer Unordnung, die Graf Dohna bei einiger Entschlossenheit wohl hätte ausnützen können. Indes traf er durchgehends so schlechte Maßnahmen, daß er durch seine eigene Nachlässigkeit einen Teil seiner Bäckerei und seines Proviants verlor, was ihn zum Rückzug auf Züllichau zwang. Der König erfuhr von der bei Dohnas Armee herrschenden Verwirrung und von der Uneinigkeit unter den Generalen. Er schickte deshalb Wedell dorthin, der das Kommando als Diktator übernahm12-1, obgleich er nicht der Rangälteste war.
An dem Abend, wo Wedell in Züllichau eintraf12-2, lagerte Ssaltykow12-3 bei Bomst und umging in der Nacht die Stellung der Preußen so geschickt, daß ein Teil der Russen bereits im Rücken der Preußen stand und das Defilee von Kay zwischen ihrem Lager und dem Wege nach Krossen besetzt hielt. Niemand hatte es bemerkt: solche Nachlässigkeit im Dienst herrschte bei der Armee, deren Kommando Wedell soeben übernommen hatte. Mit eigenen Augen überzeugte sich dieser nun von der feindlichen Umgehung, rekognoszierte darauf das Lager von Bomst und bemerkte dort nur noch das Ende der Kolonnen und die Nachhut auf ihrem Weg nach Krossen. Sofort ließ er die Zelte abbrechen, setzte sich in Marsch und griff die feindlichen Truppen in ihrer Stellung bei Kay an, in der Hoffnung, sie vor Eintreffen ihrer Hauptarmee zu schlagen. Allein die Sache ging anders aus. Die Stellung der Russen war gut. Man konnte sie nur in einer Frontbreite von 7 Bataillonen, rechts und links von Sümpfen eingeengt, angreifen. Die Russen standen halbmondförmig in drei Treffen auf fichtenbewachsenen Hügeln. Es gelang Wedell, das erste Treffen zu durchbrechen. Als er aber das zweite angreifen wollte, geriet seine Infanterie in ein so heftiges Kreuzfeuer von Kartätschen aus verschiedenen Batterien, daß sie sich nicht zu halten vermochte. Dreimal wurde der Ansturm erneuert, aber umsonst! Das Schlimmste aber war, daß Wedell der feindlichen Artillerie kein hinreichendes Geschütz gegenüberstellen konnte. Er hatte viel Leute verloren, und bei der geringen Aussicht auf Erfolg wollte er nicht noch den Rest unnütz opfern. So entschloß er sich zum Rückzug (23. Juli). Am folgenden Tage gingen die Truppen bei Tschicherzig über die Oder und lagerten bei Sawade. Ssaltykow rückte mit den Russen nach Krossen. In der Schlacht bei Kay verlor Wedell 4 000 bis 5 000 Mann. Der Feind dagegen hatte bei dem für ihn vorteilhaften Gelände augenscheinlich geringe Verluste.
Wedells Niederlage warf alle bisherigen Maßregeln des Königs völlig über den Haufen. Jetzt konnte Wedell dem weiteren Vordringen Ssaltykows ohne beträchtliche Verstärkungen nicht entgegentreten. Durch dessen Stellung bei Krossen waren Frankfurt und Küstrin gefährdet. Falls nicht binnen kurzem eine preußische Armee zur Verteidigung der Oder gegen Frankfurt vorrückte, war Berlin den schlimmsten Zufällen<13> ausgesetzt. Die schlesische Armee war nicht stark genug, daß man sie durch neue Detachements hätte schwächen können. Fouqué verteidigte mit 10 000 Mann die Pässe von Landeshut gegen 20 000 Österreicher unter de Ville. Die Armee des Königs im Lager von Schmottseiffen betrug 40 000 Mann gegen 60 000 unter Feldmarschall Daun. Mochten jedoch die Umstände sein, wie sie wollten, die Lage duldete keinen Aufschub. Man mußte eine Armee zur Deckung der Kurmark aufbringen. Denn es stand durchaus zu vermuten, daß die Schläge hier oder gar in Schlesien fallen würden. Da andrerseits die Österreicher Dresden gewissermaßen schonten, weil sich die königliche Familie dort aufhielt, so durfte man annehmen, daß ein entschlossener Mann die Stadt während der Abwesenheit des Heeres so lange zu halten vermochte, bis die Truppen wieder zum Entsatz heranrücken konnten, falls sie angegriffen wurde.
Nach reiflicher Überlegung beschloß der König, Prinz Heinrich mit 16 Bataillonen und 25 Schwadronen nach Sagan kommen zu lassen, wo die 15 Schwadronen und 6 Bataillone des Prinzen von Württemberg zu ihm stießen. Prinz Heinrich sollte das Kommando über die Armee des Königs übernehmen13-1, da er der einzige war, dem man sie anvertrauen konnte. Dann wollte der König sich an die Spitze der bei Sagan zusammenzuziehenden Truppen stellen und mit ihnen sofort zur Verteidigung der bedrohten Provinzen abrücken. Das Wedellsche Korps sollte dort zu ihm stoßen.
Am 29. Juli traf Prinz Heinrich in Schmottseiffen ein, und der König begab sich noch am 29. nach Sagan. In jener Gegend war Laudon bereits längs der schlesischen Grenze vorgerückt. Obwohl der König ihn beobachten ließ, wurden die preußischen Offiziere auf folgende Weise getäuscht. Hadik war dem Prinzen Heinrich gefolgt und hatte sich bei Sorau mit Laudon vereinigt. Der setzte seinen Weg fort, aber ein Husarenregiment, das sonst immer beim Laudonschen Korps war, blieb bei Hadik. Infolgedessen wähnten die zur Rekognoszierung ausgesandten Offiziere, daß Laudons gesamtes Korps dort stände. Daraufhin marschierte der König nach Christianstadt, wurde jedoch erst hier sich über die Täuschung klar; denn Laudon kam am gleichen Tage in Guben an. So sah sich der König zur Fortsetzung seines Marsches gezwungen. Er erreichte noch am selben Tage Sommerfeld (1. August). Die preußische Kavallerie griff die von Hadik an, der Laudon folgte. Diese wurde bis Guben zurückgeworfen. Noch am selben Abend brach Laudon auf, um Frankfurt zu erreichen. Der König lagerte bei Niemitsch an der Neiße. Bei Tagesanbruch sah man zwei Kolonnen auf der Straße von Guben nach Kottbus marschieren. Sogleich überschritt die preußische Kavallerie den Fluß. Schnell wurde die feindliche Arrieregarde in ein Gefecht verwickelt, bei dem das ganze Kaiserliche Regiment Blau-Würzburg, 1 300 Mann stark, gefangen genommen wurde. Die Husaren verfolgten den Feind und nahmen ihm 600 Proviantwagen ab, da die ganze Bedeckung sich zerstreut hatte13-2. In anderer Kriegslage hätten solche Erfolge bedeutungsvoll werden können. Hier aber war es verlorene Mühe;<14> denn der Zweck des Unternehmens war ja doch verfehlt und die Vereinigung der Österreicher und Russen bei Frankfurt nicht mehr zu verhindern.
Am folgenden Tage (3. August) brach der König auf. Wedell erhielt Befehl, bei Müllrose zur Armee zu stoßen. Das fiel ihm nicht schwer; denn da die Russen Krossen geräumt hatten, stand ihm nichts mehr im Wege. Die Armee des Königs schlug die Straße über Beeskow ein. Von dort marschierte die Infanterie direkt auf Müllrose. Der König selbst rückte mit der Kavallerie durch Neubrück nach dem Verbindungskanal der Oder und Spree14-1. Dort fand er die Brücken abgebrochen, und am jenseitigen Ufer standen die Löwenstein-Dragoner, die ihm den Übergang streitig machen wollten. Das Hindernis sah indes schwieriger aus, als es war. Der Kanal hatte viele Furten. Die preußische Kavallerie ging hindurch, fiel sofort über die hinter Büschen gedeckt stehenden österreichischen Dragoner her, schlug sie und trieb sie bis in die Vorstädte von Frankfurt. Von dort begab sich der König wieder zur Infanterie nach Müllrose und brachte 300 Gefangene vom Regiment Löwenstein mit. Am 4. traf Wedell dort ein. Finck, der nach dem Fortgang des Prinzen Heinrich in der Gegend von Torgau geblieben war, wurde jetzt in seiner Stellung überflüssig, zumal er allein mit 10 000 Mann Sachsen nicht decken konnte. So erhielt er denn gleichfalls Befehl, zur Hauptarmee zu stoßen.
Der König zog so viel Truppen zusammen, als er irgend konnte, weil er zur Eile gezwungen war. Er mußte die Russen schlagen, sobald er ihrer habhaft werden konnte, um dann noch rechtzeitig zur Verteidigung Sachsens herbeizueilen. Denn das Land war bis auf die festen Plätze von Truppen entblößt, und der Reichsarmee standen alle Wege offen, bis Berlin vorzudringen. Um den Russen auf den Leib zu rücken, verließ die Armee die Gegend von Müllrose und bezog ein Lager zwischen Lebus und Wulkow (7. August). Sie verproviantierte sich aus Küstrin und wartete Fincks Ankunft ab. Am 9. traf er im Lager ein. Nun wurden die nötigen Anstalten zum Übergang über die Oder zwischen Lebus und Küstrin getroffen. Die Ausführung des Planes wurde um so mehr beschleunigt, als Hadik sofort das von den Preußen verlassene Lager bei Müllrose besetzt hatte. Von hier aus konnte er sich mit Ssaltykow vereinigen und einen Handstreich gegen Berlin ausführen, wenn ihm niemand entgegentrat.
Alle diese Umstände zwangen den König zur Elle. Am 11. überschritt die Armee die Oder und stellte sich den Russen gegenüber in Schlachtordnung. Sie dehnte sich mit dem rechten Flügel bis Trettin aus. Ihr linker Flügel lehnte sich an Bischofsee. Die Fincksche Reserve lagerte vor den Treffen auf Anhöhen14-2, die den Russen die Bewegungen der Preußen verdeckten. Ein morastiger Bach14-3 trennte beide Armeen. Ssaltykows Lager befand sich bei Kunersdorf. Sein linker14-4 Fügel stützte sich auf eine kleine Anhöhe14-5, auf der die Russen eine sternförmige Schanze angelegt hatten. Zwei Ver<15>schanzungslinien zogen sich von dort über einen Höhenrücken und endigten auf der beträchtlichen Anhöhe der Judenberge bei Frankfurt. Die linke Seite des Lagers bei der Sternschanze wurde von einer von Finck besetzten Anhöhe beherrscht und jenseits des Baches15-1 von einer Erhöhung, im Volksmund die Pechstange genannt15-2. Die Armee des Königs konnte den Feind von ihrer Stellung aus unmöglich angreifen. Sie hätte über zwei schmale Dämme gemußt, die durch Verhaue gesperrt und im Besitz der Russen waren. Auch hätten sich die Brigaden unter feindlichem Gewehrfeuer entwickeln und eine Verschanzung unter dem Kreuzfeuer der feindlichen Batterien angreifen müssen. So schien es dem König zweckmäßiger, den Bach hinauf zu ziehen. Nach einem Umweg von einer halben Meile kam man auf der Straße nach Reppen an eine Brücke15-3. Hier führt eine zweite Straße durch den Forst15-4 nach der Pechstangenhöhe. Diese Geländebeschaffenheit bildete die Grundlage zu den Anordnungen für die Schlacht, die am nächsten Tage geliefert wurde. Das Fincksche Korps erhielt Befehl, auf den von ihm besetzten Anhöhen eine in der Nacht errichtete Batterie zu decken, die die russische Sternschanze direkt unter Feuer hielt.
Am folgenden Tage (12. August) schlug die preußische Armee die Straße nach Reppen ein und marschierte in dem Forst bei der Pechstange in fünf Treffen auf. Die drei ersten Treffen bestanden aus Infanterie, die beiden letzten aus Kavallerie. Indessen eröffnete Finck mit seinen Batterien ein heftiges Feuer und stellte sich, als wollte er die vor ihm befindlichen Dämme überschreiten. Dadurch wurde Ssaltykows Aufmerksamkeit abgelenkt, und die Armee des Königs erreichte unbemerkt den Waldrand. Sogleich wurde auf zwei Höhen15-5, die den linken Flügel der Russen beherrschten, schweres Geschütz aufgefahren. Die preußischen Batterien umschlossen und umringten die russische Sternschanze also fast wie ein Polygon bei einer förmlichen Belagerung. Nach all diesen Vorbereitungen griff Schenckendorff15-6 unter dem Schutze von 60 Feuerschlünden die Sternschanze an und eroberte sie fast beim ersten Ansturm. Die Armee folgte ihm. Die beiden an der Sternschanze beginnenden Verschanzungslinien wurden in der Flanke angegriffen, und nun entstand ein fürchterliches Gemetzel unter dem russischen Fußvolk bis an den Kunersdorfer Friedhof. Mit Mühe gelang es dem linken preußischen Flügel, ihn zu nehmen. Nun kam Finck, der von den Angreifern schon überholt war, über die Dämme und stieß zu den übrigen Truppen. Schon hatte man sieben Feldschanzen, den Friedhof und 180 Kanonen genommen. Der Feind befand sich in großer Unordnung und hatte ungeheure Verluste. Da attakkierte der Prinz von Württemberg, den die Untätigkeit der Kavallerie verdroß, sehr zur Unzeit die russische Infanterie in ihren Verschanzungen auf den Judenbergen15-7<16> und wurde von ihr abgewiesen. Zugleich aber verließen die Feinde eine große Batterie auf den Judenbergen16-1. Die preußische Infanterie, die nur 800 Schritt entfernt stand, stürmte gegen sie an. Jedoch — man sieht, wovon Siege oft abhängen, — als sie kaum noch 150 Schritt entfemt war, bemerkte Laudon den Fehler der Russen, rückte mit seiner Reserve in die verlassene Batterie ein und kam so den Preußen um einige Minuten zuvor. Sogleich ließ er das Geschütz mit Kartätschen laden und auf die Preußen feuern. Das brachte sie in Unordnung. Mehrfache Angriffe auf die das ganze Gelände bestreichende Batterie scheiterten. Als Laudon bemerkte, daß der Mut der Stürmenden allmählich erlahmte, ließ er sie rechts und links von Kavallerie angreifen. Nun wurde die Verwirrung der Preußen allgemein und sie fluteten aufgelöst zurück.
Der König deckte den Rückzug durch eine vom Regiment Lestwitz verteidigte Batterie. Dabei bekam er einen Prellschuß. Hinter ihm wurde das Pionierregiment16-2 gefangen genommen. Auch die Infanterie war bereits über die Dämme zurückgegangen und bezog wieder das tags zuvor verlassene Lager. Zuletzt kehrte auch der König zurück. Er wäre den Feinden in die Hände gefallen, hätte sich nicht der<17> Rittmeister Prittwitz17-1 mit 100 Husaren ihnen entgegengeworfen, um dem König Zeit zum Rückzug durch das Defilee zu schaffen. Die Hauptmacht der Kavallerie zog sich auf dem gleichen Wege zurück, auf dem sie am Morgen gekommen war. Im ersten Augenblick war die Bestürzung der Truppen so groß, daß die in dem früheren Lager neu formierte Infanterie auf den bloßen Ruf: „Die Kosaken kommen!“ über 1 000 Schritt weit floh, ehe man sie wieder zum Stehen bringen konnte.
Tatsächlich gewannen die Russen die Schlacht, allein sie kam ihnen teuer zu stehen. Sie verloren nach eigenem Geständnis 24 000 Mann. Sie eroberten alle ihre Kanonen wieder und überdies noch 80 preußische und machten 3 000 Gefangene. Die Armee des Königs verlor bei Kunersdorf insgesamt 10 000 Mann an Toten, Gefangenen und Verwundeten.
Da der König auf den Sieg gerechnet hatte, so hatte er während der Schlacht General Wunsch17-2 zur Eroberung von Frankfurt abgeschickt, um dem Feinde den Rückzug abzuschneiden. Der tapfere Offizier hatte sich der Stadt auch bemächtigt und dabei 400 Gefangene gemacht. Infolge der unglücklichen Schlacht aber mußte er den Platz wieder räumen und nach Reitwein zurückgehen. Dort bezog die Armee ein Lager, nachdem sie die Oder überschritten hatte. Am Abend der Schlacht hatte man kaum 10 000 Mann zusammengebracht. Hätten die Russen ihren Sieg ausgenutzt, so hätten sie die entmutigten Truppen verfolgt, und es wäre um die Preußen geschehen gewesen. Nun aber ließen sie dem König Zeit, sich von seinen Verlusten zu erholen. Am folgenden Tage war die Armee schon wieder 18 000 Mann stark, und wenige Tage später belief sich ihre Zahl bereits auf 28 000 Mann. Der König ließ Geschütz aus den Festungen kommen und das Korps zu sich stoßen, das bisher die Schweden an der Peene in Schach gehalten hatte. Fast alle Generale waren schwer oder leicht verwundet. Kurz, es lag nur an den Feinden, dem Krieg ein Ende zu machen. Nur der letzte Gnadenstoß fehlte noch. Allein sie rührten sich nicht, und statt, wie die Umstände es forderten, herzhaft vorzudringen, frohlockten sie über ihren Sieg und priesen ihr Glück. Mit einem Wort, der König konnte wieder Luft schöpfen und gewann Zeit, seine Armee mit den dringendsten Bedürfnissen zu versorgen17-3.
Gerechterweise müssen wir aber doch die Gründe nennen, die Ssaltykow zur Beschönigung seiner Untätigkeit anführte. Als Feldmarschall Daun auf lebhafte Fortsetzung der Operationen drang, antwortete er ihm: „Für dies Jahr, mein Herr, habe ich genug getan. Ich habe zwei Schlachten gewonnen, die Rußland 27 000 Mann kosten. Bevor ich wieder in Tätigkeit trete, warte ich, bis Sie Ihrerseits zwei Siege davongetragen haben. Es ist nicht billig, daß die Truppen meiner Herrscherin alles<18> allein tun sollen.“ Nur mit Mühe setzten die Österreicher bei ihm durch, daß er bei Frankfurt über die Oder ging. Auch das tat er nur unter der Bedingung, daß Hadik bei Müllrose stehen bliebe.
Infolge dieser Bewegung der Russen änderte der König seine Stellung. Er marschierte sofort nach Alt-Madlitz, dann nach Fürstenwalde, da er dort den Übergang über die Spree beherrschte. Denn das war bei den damaligen Umständen sehr wichtig. Die Reichstruppen hatten soeben Torgau und Wittenberg genommen18-1. Man mußte daher einen Handstreich von ihnen gegen Berlin befürchten. Ein Gleiches besorgte man von Hadik. Er brauchte nur an der Spree entlang zu rücken und sie zur Deckung seines Marsches zu benutzen, während Ssaltykow die Armee des Königs durch näheres Heranrücken in Schach hielt. Die Lage der Preußen war so schlecht, ja verzweifelt, daß es sehr schwer gewesen wäre, einen weisen Entschluß nach allen Regeln der Kunst zu fassen. Da man aber auf alles gefaßt sein mußte, so beschloß der König, lieber den letzten Mann zu opfern, als dem Gegner die Einnahme Berlins ungestraft zu gestatten. Er nahm sich also vor, über den ersten Feind herzufallen, der sich der Hauptstadt näherte. Wollte er doch lieber mit den Waffen in der Hand zugrunde gehen, als langsam verbluten. Die Annäherung Dauns vermehrte die Bedrängnis des Königs noch. Der Feldmarschall hatte sich bei Triebel gelagert und in Guben eine Zusammenkunft mit Ssaltykow gehabt. Prinz Heinrich konnte die Vereinigung der Österreicher und Russen nicht hindern und noch weniger die Detachements aufhalten, die sie etwa gegen den König sandten. Aber welchen von beiden Entschlüssen Daun auch fassen mochte, jeder war gleich verderblich. Indessen nahmen die Dinge eine unerwartet günstige Wendung. Trifft doch weder alles Schlimme noch alles Gute genau nach Voraussicht ein.
Seit der König Schlesien verlassen, hatten dort die Dinge ein anderes Antlitz bekommen. De Ville hatte sich eingebildet, Fouqué könne sein Einrücken in Schlesien nicht hindern. Zwar machte er keinen Versuch, die Landeshuter Pässe zu forcieren, schlug aber den Weg über Friedland ein. Dort hatte man ihm jedoch aus gleich zu erörternden Gründen keine Hindernisse entgegengesetzt, und so zog er denn ruhig in die Ebene von Schweidnitz hinab. Nun warf Fouqué einige Truppen nach Friedland und Konradswaldau, von wo sich die Österreicher verproviantieren mußten. De Ville litt bald Mangel und sah sich zum Rückzug nach Böhmen gezwungen. Dabei griff er die Stellung von Konradswaldau an, wurde aber mit Verlust von 1 300 Mann und seiner gesamten Bagage zurückgeschlagen. Er schätzte sich glücklich, als er auf Umwegen Braunau wieder erreicht hatte.
Feldmarschall Daun hatte seinerseits Marklissa verlassen und war nach Priebus gezogen. Prinz Heinrich wollte ihn nicht aus den Augen lassen, marschierte nach Sagan und schickte von dort Zieten zur näheren Beobachtung des Feindes nach Sorau.<19> Von den Russen zum Handeln gedrängt, beabsichtigte Daun, das Zietensche Korps aufzuheben. Er ließ also zwei Kolonnen, durch dichte Wälder gedeckt, rechts und links an den Preußen vorbeimarschieren. Sie sollten sich in einem Defilee zwischen Sorau und Sagan vereinigen, um Zieten den Rückzug abzuschneiden. Der aber kam dem Feldmarschall zuvor und zog sich rechtzeitig und ohne Verlust zur Armee des Prinzen Heinrich zurück (2. September).
Der Prinz konnte in seiner Stellung nichts gegen die Österreicher unternehmen. Weniger denn je durfte nach dem Verlust zweier Schlachten eine dritte gewagt werden. So beschränkte er sich denn darauf, Daun von den Russen und der Kurmark fernzuhalten. Als bestes Mittel dazu erschien ihm die Zerstörung der Magazine im Rücken des Feindes. Mit aller erdenklichen Schnelligkeit und Geschicklichkeit führte er seine Absicht aus. Er verließ Sagan und marschierte über Lauban nach Görlitz. De Ville war schleunigst herbeigeeilt. Als aber Prinz Heinrich Miene machte, ihn anzugreifen, zog er sich, durch die Schlappe bei Konradswaldau eingeschüchtert, auf Reichenbach zurück. Gerade das wünschte der Prinz. Sogleich sandte er ein Korps nach Böhmen, das ein feindliches Magazin in Böhmisch-Friedland zerstörte. Ein anderes Detachement rückte über Zittau nach Gabel, nahm die dortige Besatzung von 600 Mann gefangen und vernichtete die angehäuften bedeutenden Vorräte der Österreicher. Der glückliche Erfolg dieses Unternehmens veranlaßte Feldmarschall Daun zum Rückzug. Hätte sich damals nicht Dresden auf die schimpflichste Weise ergeben, so hätten die Kaiserlichen nach Böhmen zurückkehren müssen. Durch den Fall von Dresden aber gelangten sie in den Besitz der bedeutenden, von den Preußen dort angelegten Magazine und konnten sich nun in Bautzen festsetzen.
Der Abzug der Österreicher und der fühlbare Mangel an Futter veranlaßt die Russen zur Aufgabe ihrer Stellung bei Frankfurt. Sie marschierten nach der Lausitz und lagerten bei Lieberose (30. August). Die Armee des Königs folgte ihnen über Beeskow und rückte von da nach Waldow vor. Hadik, der sich auf dem Marsche nach Waldow befand, zog sich bei Annäherung der Preußen zurück. Infolgedessen konnte der König eine vorteilhafte Stellung hinter Sümpfen einnehmen, die den Russen ihre Verproviantierung aus Lübben und der Umgegend abschnitt.
Dresden wurde damals schon belagert, doch waren die Laufgräben noch nicht eröffnet. Der König schickte ein Detachement unter Wunsch nach Dresden. Unterwegs überrumpelte der geschickte Offizier Torgau (31. August)19-1 und langte gerade an dem Tage vor Dresden an, als Schmettau die Kapitulation unterzeichnete (4. September). Es erübrigt sich meines Erachtens, über die Haltung eines Mannes ein Wort zu verlieren, der eine Festung vor Eröffnung der Laufgräben und bevor Bresche geschossen ist, übergibt. Wer sähe nicht, daß eine so schwache und lässige Verteidigung<20> ihren Grund in Bestechung hat20-1? Da Wunsch vor Dresden nun nichts mehr zu tun fand, zog er sich nach Torgau zurück. Die Reichstruppen waren herangerückt, um die Festung wiederzunehmen. Wunsch geht mit einer Handvoll Leute über die Elbe, schleicht sich in die Weinberge, stürzt sich von dort auf den Feind, schlägt ihn, erobert sein ganzes Lager und jagt ihn in die Flucht (8. September). Auf die Kunde hin schickte der König Finck mit einer Verstärkung von 10 Bataillonen und 20 Schwadronen ab, und die zwei vereinigten Korps rückten bis Meißen vor. Infolge dieser kleinen Unfälle wurde Hadik von der russischen Armee abberufen. Er marschierte durch die Lausitz, ging bei Dresden über die Elbe und rückte nach seiner Vereinigung mit den Reichstruppen stracks auf Finck los. Wunsch stand bei Siebeneichen in der Nähe von Meißen. Ein Teil der Österreicher griff ihn an, während das Hauptkorps bei Munzig über die Triebisch ging und in Fincks rechter Flanke erschien. Der General bedachte sich nicht lange. Er griff den Feind bei Korbitz an, schlug ihn, erbeutete einige Kanonen und nahm ihm 600 Gefangene ab (21. September). Wunsch blieb hinter ihm nicht zurück. Er trieb seine Angreifer gleichfalls mit Verlust zurück, und Hadik mußte nach Dresden flüchten.
Während Finck in Sachsen solche Fortschritte machte, rückte Ssaltykow über Sommerfeld und Christianstadt nach Schlesien. Kam man ihm nicht zuvor, so drohte dem flachen Lande Verwüstung und den festen Plätzen Belagerung. Deshalb marschierte der König nach Sagan, wo er vier österreichische Regimenter anzutreffen hoffte, die Campitelli zur Unterstützung der Russen heranführte. In Sagan vereinigte sich der König wieder mit dem Prinzen Heinrich, teilte ihm die von Finck errungenen Erfolge mit und ließ sich von ihm einige Verstärkungen zum teilweisen Ersatz der nach Sachsen und gegen die Schweden gesandten Detachements geben. Gleichzeitig trug er ihm auf, die Elbe zu erreichen, um sich mit Finck zu vereinigen und alles aufzubieten, um sich wieder in den Besitz von Dresden zu setzen. Der König selbst marschierte nach Neustädtel und kam dort den Russen zuvor. Ssaltykow hatte es auf Glogau abgesehen und wollte die Höhen von Baunau besetzen. Auch hier kam der König eher an (24. September). Als die feindlichen Kolonnen den Ort besetzt sahen, machten sie bei Beuthen halt, ohne jedoch ihre Zelte aufzuschlagen. Das schien zu besagen, daß sie die Preußen am nächsten Tage angreifen wollten. Sie brachten die Nacht im Biwak zu. Bei Tagesanbruch sah man die feindlichen Generale zur Rekognoszierung erscheinen. Der König hatte kaum 20 000 Mann im Lager. Die Stellung war freilich gut, aber die doppelte Niederlage durch die Russen war noch in frischem Gedächtnis. Daran dachten die feindlichen Generale jedoch nicht. Sie<21> kehrten zur Armee zurück, und alsbald wurden die Zelte aufgeschlagen. Prinz Heinrich und Fouqué hatten dem König gemeinsam Verstärkungen geschickt. Am Tage nach der Rekognoszierung langten diese an und wurden bei Nenkersdorf am Oderufer aufgestellt, wo sie sich verschanzten. In dieser Stellung blieben die beiden Armeen ziemlich ruhig stehen.
Das österreichische Korps lagerte indes eine halbe Meile von der russischen Armee. Ehe Ssaltykow ihm Hilfe zu bringen vermochte, konnte man es um so leichter schlagen, als es nirgends einen Stützpunkt hatte. Das reizte den König zu einem Angriff. In der Nacht vom 1. Oktober marschierte er auf das österreichische Lager los. Allein er fand es leer und griff nur einige Nachzügler aus. Von ihnen erfuhr er, daß die ganze Armee in der Nacht bei Carolath über die Oder gegangen sei. Die Preußen näherten sich dem Fluß und hörten eine lebhafte Kanonade. Zum größten Erstaunen sah man, daß dies Feuer von der russischen Arrieregarde herrührte, die die eben passierte Brücke über den Fluß mit starkem Geschützfeuer zerstörte. So dumm und täppisch waren die Russen. Dadurch war zwar das linke Oderufer sichergestellt, aber der König rückte nun zur Deckung des rechten Ufers mit der Armee nach Glogau. Dort gingen 10 Bataillone und 30 Schwadronen über den Fluß und postierten sich zur Deckung der Festung auf einer Anhöhe. Das Gros der Truppen lagerte dicht bei den Festungswerken. Ssaltykow nahm Stellung bei Kuttlau. Täglich fanden Scharmützel zwischen Husaren und Kosaken statt, die jedesmal zum Vorteil der Preußen ausfielen. Durch seinen schnellen Marsch hatte der König den geplanten Streich der Russen vereitelt. Sie verließen die Gegend von Glogau und schlugen die Straße nach Guhrau und Freystadt ein. Eine ihrer Kolonnen zog so dicht an den preußischen Verschanzungen vorbei, daß sie von der Artillerie beschossen wurde. Selbst ihre Nachhut wurde beunruhigt.
Währenddessen brach die Hauptarmee des Königs ihr Lager ab und rückte nach Köben. Aus Mangel an Pontons mußte sie den Übergang über die Oder auf einer Bockbrücke bewerkstelligen (8. Oktober). Nachdem die Truppen das andere Ufer erreicht hatten, nahmen sie Stellung hinter den sumpfigen Ufern der Bartsch und deckten so ganz Niederschlesien. Diericke, der den linken Flügel kommandierte, besetzte einen der Oderdämme und die Mühle, die einst durch Schulenburgs Rückzug vor Karl XII.21-1 berühmt geworden war. Die Hauptmacht der Preußen breitete sich in den Wäldern von Sophienthal aus. Rechts hatte ein Detachement eine feste Stellung an der Bartsch eingenommen. Falls der Feind auf Herrnstadt rückte, konnte es ihm von dort aus leicht zuvorkommen. Die Stellung war sehr gut und sehr sicher, nur etwas zu ausgedehnt. Zwei Dämme, die einzigen Übergänge über die Bartsch, waren von den Preußen besetzt und verschanzt. Aus Ärger über die Durchkreuzung all ihrer Pläne steckten die Russen recht barbarisch die Stadt Guhrau und die umliegenden<22> Dörfer in Brand und marschierten nach Verwüstung des ganzen Landes auf Herrnstadt, wo man ihnen aber zuvorkam. In ihrer angeborenen Brutalität beschossen sie die Stadt aus Rache mit Bomben und legten sie in Asche (23. Oktober). Trotzdem mußten sie bei dem engen Gelände, das sie besetzt hielten, aus Wassermangel schließlich wieder abziehen und Schlesien räumen.
Der König bekam damals einen starken Gichtanfall und ließ sich nach Beendigung der Operationen gegen die Russen nach Glogau bringen.
Die Russen war man für dies Jahr also los. Doch blieben noch Handstreiche Laudons gegen Schlesien zu befürchten. Zu seiner Beobachtung befahl der König Fouqué, seine Stellung bei Landeshut zu verlassen und den Österreichern von Trachenberg bis Ratibor zur Seite zu marschieren. Infolgedessen mußte Laudon, um Olmütz wieder zu erreichen, über Krakau und quer durch das Fürstentum Teschen ziehen.
In Schlesien war die Armee des Königs nun nicht mehr erforderlich. Sie rückte also unter Hülsens22-1 Führung nach Sachsen. Um uns bei der Aufzählung so vieler verschiedener Ereignisse nicht zu zersplittern, wollen wir jetzt die Operationen des Prinzen Heinrich in der Lausitz der Reihe nach aufzählen. Wir hatten ihn zuletzt bei Görlitz verlassen. Daun hatte sich seinem Lager genähert, um ihn anzugreifen. Aber der Prinz brach in der Nacht auf, marschierte über Rothenburg und griff am folgenden Tage bei Hoyerswerda das Korps Velas an. Der General wähnte sich vor jedem Überfall sicher. Plötzlich umringte ihn die preußische Kavallerie, durchbrach seine Infanterie und nahm Vela mit 1 500 Kroaten, der Hauptmacht seines Detachements, gefangen (25. September). Am Tage vor seiner Niederlage hatte Vela einen Brief von Daun mit der Versicherung erhalten, er könne ganz ruhig sein und sich auf den Schutz des Feldmarschalls vor etwaigen Angriffen des Prinzen Heinrich verlassen.
Nach diesem Zuge richtete der Prinz seinen Marsch auf Elsterwerda. Nach Lage der Dinge hätten die Preußen sich jetzt sofort bei Meißen vereinigen müssen, aber die Elbbrücke war zerstört, und die Mittel zu ihrer raschen Wiederherstellung fehlten. So mußte der Prinz denn bei Torgau über die Elbe gehen. Zugleich überschritt Feldmarschall Daun den Fluß bei Dresden und rückte dann auf Meißen. Zu schwach zum Widerstand, zog sich Finck auf Torgau zurück und vereinigte sich mit dem Prinzen Heinrich. Am 4. Oktober bezogen die Preußen eine Stellung bei Strehla. Die Österreicher rückten gegen sie vor und lagerten sich zwischen Riesa und Oschatz. Ihre Detachements dehnten sich bis Dahlen, Hubertusburg und Grimma aus. Der Prinz hatte ein Korps auf den Berg bei Schildau gestellt, das sich nun zum Rückzug in die Torgauer Wälder genötigt sah. Dadurch wurde der Prinz um seine rückwärtigen Verbindungen besorgt und marschierte zur Deckung seines Proviants wieder nach<23> Torgau (16. Oktober). Daun folgte ihm unmittelbar bis Belgern. Wenn der Prinz auch für seine gute Stellung nichts zu fürchten hatte, so mußte er doch nach seiner rechten Flanke hin acht geben. Er schickte daher Rebentisch nach Düben zur Beobachtung der feindlichen Unternehmungen. In der Tat beabsichtigte Daun, das preußische Lager zu umgehen. Zu diesem Zweck sandte er den Herzog von Aremberg mit 26 Bataillonen und 6 Kavallerieregimentern nach Dommitzsch. Der Prinz ließ das neue feindliche Lager erkunden, und da es sich als schwer angreifbar erwies, sandte er ein Detachement unter Wunsch zur Verstärkung von Rebentisch ab. Wunsch ging bei Torgau über die Elbe, bei Wittenberg wieder auf das andere Ufer und vereinigte sich mit Rebentisch, der sich inzwischen nach Bitterfeld zurückgezogen hatte. Da Aremberg ihm bei der großen Nähe in seiner Flanke lästig war, so verließ der Prinz sein Lager mit 15 Bataillonen und ebensoviel Schwadronen und erreichte Pretzsch, gerade als der Feind den Marsch nach Düben angetreten hatte. Nun griffen Prinz Heinrich und Rebentisch den Herzog von Aremberg zugleich an. Die feindliche Arrieregarde unter Gemmingen, 1 500 Mann stark, wurde gefangen genommen (29. Oktober). Dieser Schlag brach die Standhaftigkeit der Österreicher. Am 4. November zog sich Daun hinter den Ketzerbach zurück und nahm Stellung zwischen Zehren und Lommatzsch. Prinz Heinrich rückte bis Hirschstein vor und vereinigte sich dort mit Hülsen.
Durch seine Erkrankung längere Zeit an Glogau gefesselt, konnte der König das Lager nicht vor dem 13. November erreichen. Mit einer Bedeckung von 800 Mann war er durch die Lausitz marschiert, aber sein immer noch sehr schlechter Zustand hinderte ihn an jedem Unternehmen. Zur Umgehung des Feindes hatte Prinz Heinrich Finck nach Nossen detachiert. Daun hielt nicht stand, verließ den Ketzerbach und lagerte bei Dresden am Windberg im Plauenschen Grunde. Sogleich rückte Wedell vor, bemächtigte sich Meißens und tat der kaiserlichen Arrieregarde auf ihrem Rückzug viel Abbruch. Die Armee des Königs lagerte am selben Tage bei Schlettau, und General Diericke23-1, dessen Detachement das andere Elbufer besetzt hielt, marschierte nach Zscheila. Am nächsten Tage rückten die Preußen nach Wilsdruff, und Zieten stieß zur näheren Beobachtung des Feindes bis Kesselsdorf vor.
Durch die Wiedereroberung Dresdens wäre das Mißgeschick des Königs in diesem Feldzuge großenteils wettgemacht worden. Sie lag ihm um so mehr am Herzen, als Dresden die Winterquartiere sicherte und die Österreicher ständig in Sorge um Böhmen hielt. Aber Dauns Stellung war unangreifbar durch die steilen Felsen auf seinem linken Flügel und durch die Überschwemmung, die seinen rechten Flügel deckte. Zur Erreichung des Ziels blieb also nichts übrig, als die Stellung des Feindes mit Detachements zu umgehen. Auf diese Weise konnte man die Zufuhr seiner Lebensmittel erschweren und Daun durch einige Einfälle in Böhmen zur Aufgabe von<24> Dresden zwingen. Infolgedessen wurde Finck nach Freiberg detachiert. Er rückte von dort nach Dippoldiswalde, setzte sich bei Maxen fest und schob Wunsch bis zum Defilee von Dohna vor. In augenscheinlicher Unkenntnis vom Anmarsch der Preußen rückte eine Kolonne Reichstruppen unvorsichtig heran, wurde geschlagen und verlor dabei 400 Mann24-1. Zugleich drang Oberst Kleist24-2 mit seinen Husaren in Böhmen ein, verheerte die Gegend von Teplitz, Dux und Aussig und brachte eine Menge Gefangene zurück.
Feldmarschall Daun war über diese Beutezüge und besonders über Fincks Stellung erbost und sandte Brentano nach Dippoldiswalde. Daraufhin hätte Finck zurückgehen müssen; denn seine Order lautete, alle schwachen Detachements, auf die er stieß, anzugreifen, sich aber bei der Annäherung überlegener Streitkräfte zurückzuziehen. Er verließ sich sehr zur Unzeit auf seine Stellung, die an sich nicht schlecht war. Hätte er nur Mannschaft genug zu ihrer Besetzung gehabt! Seine Vertrauensseligkeit stürzte ihn ins Verderben. Er hatte nur einige Anhöhen mit Infanterie besetzt und eine der wichtigsten den Gersdorff-Husaren anvertraut, als ob Kavallerie zur Verteidigung von Stellungen geeignet wäre! Daun, der in seinem Lager durch den Felsenwall des Windbergs und die Überschwemmung der Friedrichstadt24-3 gesichert war, detachierte 40 000 Mann zum Angriff auf die bei Maxen so übel postierten Preußen. Der König erfuhr nichts von diesem Vorhaben. Da er aber von dem Marsche des Brentanoschen Korps nach Dippoldiswalde Meldung erhielt, entsandte er Hülsen mit 8 000 Mann zur Vertreibung des Feindes und zur Sicherung der Verbindung zwischen der Armee und dem bei Maxen stehenden Korps. Kaum aber war Hülsen in Dippoldiswalde angelangt, als er erfuhr, welche Katastrophe sich soeben ereignet hatte.
Am Morgen des 20. November hatten die Österreicher Finck angegriffen. Einige Kanonenschüsse vertrieben Gersdorff aus der Stellung, die er verteidigen sollte. Die feindliche Infanterie besetzte die Anhöhe, pflanzte Geschütz auf und beschoß nun von dort aus Fincks Flanke, während die Hauptarmee ihn in der Front angriff. Einige preußische Infanterieregiments taten ihre Schuldigkeit nicht. Der Feind eroberte eine Anhöhe, die sie besetzt hielten. Die preußische Kavallerie unternahm zur Unzeit einige schlecht geführte Angriffe und wurde mehrfach zurückgeworfen. Schließlich steckten die Österreicher das Dorf Maxen, das Fincks Linie in zwei Teile zerriß, in Brand. Nun gerieten die Truppen in Unordnung, die Verwirrung ergriff auch den Rest des Korps, und die Preußen räumten übereilt das Schlachtfeld. Im ersten Schreck liefen sie bis Dohna. Dort hatte Wunsch gerade die Reichsarmee trotz ihres nachdrücklichen Angriffs zurückgeschlagen. Hätten die preußischen Generale nach dem Unglück, das sie betroffen, noch einen Schatten von Besinnung bewahrt, so hätten<25> sie sich jetzt noch mit Ehren aus ihrer üblen Lage retten können. Sie brauchten bloß den Weg nach Glashütte einzuschlagen, der über Frauenstein und Freiberg führt. Schien ihnen aber dieser Weg, der ihnen bekannt war, dem Feinde zu nahe, so brauchten sie nur über Berggießhübel in Böhmen einzudringen. Von dort konnten sie leicht wieder nach Sachsen gelangen, sei es über Einsiedel, über Asch oder Sebastiansberg. Aber mit Ausnahme von Wunsch waren alle durch die Niederlage derart betäubt, daß sie völlig den Kopf verloren. Am folgenden Tage wurden sie von Daun umzingelt. Wunsch wollte mit der Kavallerie durchbrechen, aber Finck und die anderen hingen mehr an ihrer Bagage als an ihrer Ehre und untersagten ihm jede Feindseligkeit. Des preußischen Namens unwürdig, waren die Generale feig genug, sich dem Feinde zu ergeben und die Waffen zu strecken. Das Korps, das sich so schimpflich unterwarf, war 16 Bataillone und 35 Schwadronen stark.
Auf die niederschmetternde Nachricht von diesem traurigen Ereignis hin zog sich Hülsen von Dippoldiswalde nach Freiberg zurück. Dort stießen zu ihm die Kleistschen Husaren, die von ihrem Zug nach Böhmen zurückkehrten. Stolz auf seine Erfolge, rückte Daun ein paar Tage danach mit seiner Avantgarde bis an die Vorposten der Armee des Königs. Er wollte die Entschlossenheit der Preußen auf die Probe stellen, sah aber die Armee in Schlachtordnung, in guter Stellung und bereit, ihn zu empfangen, wenn ihn nach einem Kampfe gelüstete. Die Folge dieser Erkundung war eine ziemlich lebhafte Kanonade. Darauf kehrten die Österreicher in ihr Lager zurück. Einige Zeit später25-1 rückte der König nach Freiberg, führte Hülsen Verstärkungen zu und sorgte für die Sicherheit der Truppen. Auch fand er eine gute Stellung für das Korps, das dort stehen bleiben sollte. Die Front war durch die zwischen steilen Felsen fließende Mulde gedeckt, die nur an drei Stellen überschreitbar war, und zwar auf steinernen Brücken. Hinter diesen wurden starke Infanteriestellungen angelegt. Zur Vermehrung der Schwierigkeiten wurden die Brücken mit Reisig bedeckt und nur so viel Raum freigelassen, daß ein Reiter zur Erkundung hindurchkonnte. Auch waren die Reisigbündel mit Brennstoff vermischt, sodaß sie beim Auftauchen des Feindes sofort angezündet werden konnten, wodurch der Übergang unmöglich wurde.
Durch die errungenen Vorteile aufgeblasen, begannen die Österreicher sich für unüberwindlich zu halten. Macquire, der in Dippoldiswalde kommandierte, rückte mit 16 000 Mann, Bagage und allem Zubehör einer Truppe, wie beim Garnisonswechsel in Friedenszeiten, nach Freiberg, um sich dort festzusetzen. Er glaubte, die Preußen würden seine Ankunft garnicht abwarten, sondern sich sofort zurückziehen. Seine Annahme stützte sich auf einige Demonstrationen, die Beck gegen Torgau zu machen beauftragt war. Doch hatte der König schon Vorsorge getroffen und Truppen zur Verteidigung der Stadt abgesandt. Außerdem hatten Becks Demonstrationen garnichts Gefährliches, da er auf dem rechten Elbufer vorging und Torgau auf dem linken<26> Ufer liegt, also nur durch Belagerung von dieser Seite genommen werden konnte. Macquire kam um seinen Marsch; denn er fand die Preußen in Schlachtordnung am Muldeufer, bekam einige Geschützsalven und kehrte nach Dippoldiswalde zurück, wo er seine Winterquartiere bezog.
Trotz der rauhen Jahreszeit standen beide Armeen noch immer im Feldlager. Sie hatten Baracken errichtet und suchten sich so gut wie möglich gegen die Unbilden der Witterung zu schützen. So groß war auf beiden Seiten die Erbitterung und die Hartnäckigkeit, daß keiner einen Zoll breit weichen wollte! Bei Zscheila stand, wie gesagt, ein preußisches Detachement in fester Stellung, durch eine Verbindungsbrücke über die Elbe gesichert. Infolge plötzlich eintretender Kälte mußte die Brücke abgebrochen werden. Der Fluß ging mit Eis, war aber noch nicht ganz zugefroren. Diesen Augenblick benutzte Beck zu einem Angriff mit starken Kräften (3. Dezember). Diericke ließ seine Kavallerie und die Hälfte seiner Infanterie nach Meißen zurückgehen, hatte aber keine Zeit mehr, den Rest zu retten. Beck warf sich mit allen Kräften auf ihn, und nach blutigem Kampfe mußte der tapfere General mit drei Bataillonen die Waffen strecken und sich in österreichische Gefangenschaft geben (4. Dezember). Damit hatte das Mißgeschick der Preußen in diesem Jahr sein Ende.
Soviel Unglück und Mißerfolge hinderten den König indes nicht, neue Pläne zur Vertreibung der Österreicher aus Sachsen zu entwerfen. Zunächst ging er den Prinzen von Braunschweig um Hilfe an. Ende Dezember traf der Erbprinz mit 12 000 Mann in Freiberg ein. Diese Truppen ließ der König zur Verteidigung seines Rückens hinter der Mulde und marschierte selbst mit den Preußen stracks auf Dippoldiswalde, vertrieb alle feindlichen Abteilungen von den Ufern der Wilden Weißeritz, aus Pretzschendorf und Frauenstein und ließ seine Truppen dort Kantonnementsquartiere beziehen. Auf sein Vorgehen hin sandte Daun Verstärkungen an Macquire nach Dippoldiswalde, und Macquire selbst errichtete Verschanzungen und Batterien. Ein Frontalangriff auf seine Stellung war nur auf einem schmalen, in den Fels gehauenen Weg möglich, der außerdem von zwei feindlichen Batterien bestrichen wurde. Das war also unausführbar, und so dachte man denn auch garnicht daran. Zur Umgehung der Stellung boten sich nur zwei Wege. Den einen über Rabenau nach Possendorf hätte man zweifellos gewählt, hätte der Feind dort nicht vorsichtigerweise 8 Bataillone zur Verteidigung des Defilees aufgestellt, das zur Eroberung der Anhöhe passiert werden mußte. Der andere Weg führte über Glashütte. Er zieht eine Meile lang durch Bergschluchten und endigt am Fuß eines Felsens, wo Macquires linker Flügel stand. Der Weg war voller Schneemassen, die von den Bergen herabgerollt waren. Artillerie konnte hier also nicht durchkommen. Auch der Infanterie wäre es kaum gelungen, selbst wenn kein Feind das Defilee verteidigt hätte. Nach gründlicher Überlegung und genauer Erkundung des Geländes überzeugte man sich von der Unmöglichkeit, in dieser rauhen Jahreszeit noch etwas gegen die Österreicher zu unternehmen. Indes wurde alles ausfouragiert und alle Lebensmittel wurden<27> aufgezehrt, um dem Feinde in jener Gegend die Erhaltung großer Truppenmassen während des Winters unmöglich zu machen. Darauf ging der König nach Freiberg zurück. Die Armee bei Wilsdruff bezog enggelegte Kantonnementsquartiere in den Dörfern rings um das Lager, aber die Zelte blieben aufgeschlagen, und sechs Bataillone zogen unter täglicher Ablösung auf Wache. Ebenso verfuhren die Österreicher in ihrem Lager in Planen. Vielleicht ist dies das erste moderne Beispiel, daß zwei sich so nahestehende Heere während eines so strengen Winters im Felde blieben. Der Erbprinz kehrte, da es in Sachsen keine Lorbeeren mehr zu pflücken gab, Ende Januar 1760 wieder zur Armee der Verbündeten nach Westfalen zurück.
Nachdem wir die Hauptereignisse dieses Unglücksjahres berichtet haben, bleiben uns noch ein paar Worte über die Unternehmungen der Schweden in Pommern und in der Uckermark zu sagen. Solange man ihnen noch Truppen entgegenstellen konnte, waren sie leicht in Schach zu halten; denn 1 000 Mann Infanterie und 500 Husaren flößten ihnen schon großen Respekt ein. Auch waren ihre Verpflegungseinrichtungen völlig unzulänglich. Sie hatten weder eine Feldbäckerei noch Brot- oder Mehlwagen und ernährten sich, wo sie in der Übermacht waren, lediglich durch die vom Lande erpreßten Lieferungen. Aus dieser Vernachlässigung der notwendigsten Heereseinrichtungen erwuchsen den Schweden die größten Unzuträglichkeiten bei ihren Operationen. Die preußischen Generale, die gegen sie fochten, brauchten nur ihre Lieferungen zu stören. Dann mußten die von der Hand in den Mund lebenden Feinde aus Mangel an Lebensmitteln sofort bis an ihre Grenzen zurückweichen.
Zu Anfang des Jahres, gleich nach dem Abmarsch des Grafen Dohna, erhielt Manteuffel27-1 den Oberbefehl gegen die Schweden. Trotz seiner geringen Truppenzahl<28> vermochte er sich bis September zu halten. Dann aber zwang die unglückliche Schlacht von Kunersdorf den König, ihn zur Hauptarmee zu berufen. Mit dem Abzug seines Detachements begannen die Erfolge der Schweden. Sogleich besetzten sie Anklam, Demmin und Ückermünde28-1. Ihr diesjähriger Führer, Graf Fersen, schiffte sich mit 3 000 Mann in Stralsund ein, setzte nach der Insel Usedom über und griff das von der Landmiliz verteidigte Swinemünde an. Die Besatzung zog sich nach der Insel Wollin zurück, aber die Stadt wurde genommen, und kurz darauf ergab sich auch die Swinemünder Schanze den Schweden. In Stettin befand sich eine Handvoll Provinzialhusaren. Der Herzog von Bevern sandte sie nach Pasewalk, wo die Schweden eine befestigte Stellung hatten. Der Führer der Husaren, Major Stülpnagel, überrumpelte den Feind28-2 und machte 200 Gefangene — mehr Leute, als er selbst hatte. Fersen setzte sogleich nach der Insel Wollin über, bemächtigte sich der gleichnamigen Stadt und nahm 600 Mann Landmiliz gefangen28-3. Auch Prenzlau fiel wieder in die Hände der Schweden. Der König war damals gerade in der Lausitz und detachierte sofort Manteuffel mit den Rekonvaleszenten von Kunersdorf, die das Lazarett in Stettin verlassen hatten. Dazu fügte er das Freiregiment Hordt, die Meinicke-Dragoner und die Belling-Husaren. Dies gewaltige Korps gab den Dingen in Pommern sofort ein anderes Gesicht. Einige hundert Mann, die Manteuffel sogleich dem Feind in den Rücken schickte, nahmen die schwedische Garnison von Demmin gefangen und bemächtigten sich der Kriegskasse (22. Oktober). Die schwedische Armee zog sich umgehend zurück, ging bei Anklam wieder über die Peene und nahm ihr Winterquartier in Schwedisch-Pommern. Dort beunruhigte Manteuffel sie mehrfach durch die Belling-Husaren, die auf diesem kleinen Kriegstheater eine große Rolle spielten. Der häufigen preußischen Überfälle müde, versuchten die Schweden Anklam zu überrumpeln. In der Nacht griffen sie die Vorstadt an und brachten das mit ihrer Verteidigung beauftragte Freibataillon in Verwirrung. Manteuffel eilte aus der Stadt herbei, stieß jedoch bei der tiefen Dunkelheit statt auf das Freibataillon auf die Schweden und wurde gefangen genommen (28. Januar 1760). Aber die preußische Besatzung vertrieb die Schweden nicht nur, sondern machte noch 150 Gefangene. Hiermit endeten für dies Jahr die Kriegsereignisse in Pommern.
Nach einem für Preußen so unglücklichen Feldzuge war der König doch noch im Besitz des ganzen Gebietes, das er im vergangenen Winter innegehabt hatte, mit Ausnahme von Dresden und des Forts Peenemünde. Fouqué hatte Laudon bis Mähren begleitet und war dann nach Landeshut zurückgekehrt. Die preußische Armee in Sachsen dehnte sich von Wilsdruff bis Zwickau aus. Ein Kavalleriekorps stand in Koßdorf zur Deckung von Torgau und der Kurmark. So lagen die Dinge nach einer Kette von Mißgeschicken noch über Erwarten gut. Allerdings verlor das Leibregiment<29> Karabiniers in Zeitz bei einem Überfall noch 150 Mann (17. Februar 1760), doch fand man im Winter noch Zeit genug, den Verlust wettzumachen. In der oben beschriebenen Stellung erwarteten die Armeen beider Gegner das Nahen des Frühlings. Dann sollte das Kriegsglück von neuem zwischen ihnen entscheiden.
10-1 Generalmajor Moritz Franz Kasimir von Wobersnow.
11-1 Karl Theophil Guischard, dem der König nach einer Disputation über die Geschichte der Schlacht bei Pharsalus den Namen Quintus Icilius gegeben und den er unter diesem Namen zum Chef und Kommandeur eines Freibataillons gemacht hatte.
11-2 Zwischen Löwenberg und Greiffenberg.
11-3 Vielmehr schon am 4. Juli 1759 bei Liebenthal.
11-4 Vgl. Bd. III, S. 148.
11-5 Generalmajor Gustav Albrecht von Schlabrendorff, Chef eines Kürassierregiments; Oberst Graf Johann Ludwig Hordt, Chef eines Freiregiments.
11-6 Vielmehr Generalmajor Georg Friedrich von Kleist.
12-1 Vgl. Anhang, Nr. 1.
12-2 22. Juli 1759.
12-3 Der Führer der russischen Armee.
13-1 Vgl. die Instruktion des Königs für den Prinzen Heinrich im Anhang (Nr. 2).
13-2 Überfall bei Markersdorf, 2. August 1759.
14-1 Der Friedrich-Wilhelm-Kanal.
14-2 Die Trettiner Höhen.
14-3 Das Hühnerfließ.
14-4 Der König bezeichnet in seiner Darstellung diesen Flügel als den rechten, da er annimmt, daß die Hauptfront der Russen nach der Oderniederung gerichtet war.
14-5 Die Mühlberge.
15-1 Jenseits der preußischen Stellung.
15-2 Die Walkberge, heute Waldberg genannt.
15-3 Die Faule Brücke.
15-4 Der Frankfurter Stadtforst.
15-5 Die Walk- und die Klosterberge.
15-6 Vgl. S. 5.
15-7 Es liegt eine Verwechslung der Judenberge, die das letzte Bollwerk der Russen bildeten, mit dem Großen Spitzberg vor, an dem sich der Angriff der Preußen brach. Auch am Tage der Schlacht selber war der König in diesem Irrtum befangen, der ihn zur Fortsetzung des Kampfes bestimmte.
16-1 Vgl. S. 15 Anm. 7.
16-2 Das Füsilierregiment Diericke.
17-1 Joachim Bernhard von Prittwitz und Gaffron, Rittmeister im Husarenregiment Zieten.
17-2 Generalmajor Johann Jakob von Wunsch, Chef und Kommandeur eines Freiregiments.
17-3 Vgl. im Anhang (Nr. 3) Vollmacht und Instruktion für General Finck dem der König nach der Schlacht am Abend des 12. August 1759 infolge höchster seelischer und körperlicher Erschöpfung den Oberbefehl übertrug. Am 16. übernahm Friedrich das Kommando wieder.
18-1 Am 14. und 21. August 1759.
19-1 Am 28. August 1759 hatte Wunsch auch Wittenberg wiedergenommen.
20-1 Der Verdacht des Königs ist nicht begründet, doch ist auch die Eile, mit der Schmettau die Kapitulation abschloß, in keiner Weise gerechtfertigt. Unter dem Eindruck der Niederlage bei Kunersdorf hatte ihn Friedrich am 14. August 1759 zur Übergabe von Dresden ermächtigt, wenn er sich nicht halten und eine „günstige Kapitulation“ erlangen könnte. Das zweite Schreiben vom 25. August, in dem er ihm baldige Hilfe in Aussicht stellte und befahl, mit Aufbietung aller Mittel Dresden zu behaupten, traf erst am Tage nach der Übergabe ein.
21-1 November 1704 (vgl. Bd. II, S. 41).
22-1 Der erkrankte König hatte dem General Hülsen das Kommando übertragen.
23-1 Generalmajor Kaspar Christoph von Diericke.
24-1 Gefecht bei Oberheßlich, 16. November 1759.
24-2 Friedrich Wilhelm Gottfried Arnd von Kleist, Chef eines Husarenregiments.
24-3 Stadtteil von Dresden auf dem linken Elbufer.
25-1 30. November 1759.
27-1 Vielmehr Kleist (vgl. S. 11).
28-1 Am 21. August 1759.
28-2 Am 2. September 1759.
28-3 Am 16. September 1759.
4-1 Erbprinz Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig.
4-2 1. April 1759.
4-3 13. April 1759.
5-1 Generalmajor Friedrich August von Schenckendorff.
5-2 Gefecht bei Aue, 27. Mai 1759.
6-1 Prinz Ferdinand war bereits am 8. Juli 1759 nach Osnabrück marschiert.
8-1 Prinz Ferdinand rückte über Herford, Bielefeld nach Paderborn; die gesamte französische Bagage wurde am 6. August 1759 in Detmold erbeutet.
8-2 Die Angabe trifft nicht zu. Oberstleutnant von Freytag nahm am 23. August 1759 mit den hannöverschen Jägern, wie im folgenden erwähnt wird, lediglich 300 Franzosen in Ziegenhain, östlich von Marburg, gefangen.
8-3 Prinz Georg Ludwig von Holstein-Gottorp (vgl. Bd. III, S. 123).
8-4 Prinz Karl von Bevern (vgl. Bd. III, S. 141) hatte die preußische Armee verlassen, um am Feldzug der Alliierten teilzunehmen.
8-5 11. September 1759.
9-1 Herzog Karl Eugen.