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12. Kapitel

Feldzug des Jahres 1760.

Im Frühjahr übernahm der König den Oberbefehl über die Armee in Sachsen. Infolge des Unglücks, das seine Truppen im letzten Feldzuge gehabt hatten, mußte er zur Verstärkung seiner Kavallerie die beiden Dragonerregimenter von der Armee der Verbündeten abberufen37-1. Prinz Heinrich wurde gegen die Russen geschickt. Fouqué sollte die Pässe bei Landeshut bewachen und der Prinz von Württemberg die Schweden in Schach halten. Da die Truppen sich in sehr schlechtem Zustand befanden, durften sie nur mit großer Vorsicht verwandt werden. Ein Absenden von Detachements war nicht ratsam. Man mußte den Krieg auf einem möglichst beschränkten Gebiet führen. Die bei Maxen und unter Generalmajor Diericke verloren gegangenen Truppen37-2 waren während des Winters neu formiert worden, aber es waren keine altgedienten, gebrauchsfähigen Soldaten. Sie kamen im Ernstfall garnicht in Betracht. Denn was sollte man mit einem Haufen von Leuten anfangen, die zur Hälfte aus sächsischen Bauern, zur Hälfte aus feindlichen Deserteuren bestanden und von Offizieren geführt wurden, die man nur aus Not und aus Mangel an besseren angestellt hatte? Auch hatten die Infanterieregimenter kaum mehr zwölf Offiziere, statt der vorschriftsmäßigen Zahl von zweiundfünfzig. Aber trotz solcher Mißstände erlahmte die Tatkraft nicht; denn die Notwendigkeit gebot zu handeln. Statt sich über den schlechten Zustand der Truppen zu beklagen, dachte der König nur daran, den Feinden stärker als je Widerstand zu leisten.

Auf österreichischer Seite hatte Laudon den Oberbefehl über die gegen Schlesien bestimmte Armee erhalten, die sich auf 40 000 Mann belief. Die Russen sollten seine Operationen unterstützen und zu dem Zweck an die Oder vorrücken, wie die beiden Kaiserinnen es verabredet hatten. Feldmarschall Daun behielt das Kommando über<38> die Hauptarmee, die in Sachsen zusammengezogen werden sollte. Von dort aus gedachte er sich nach Schlesien zu wenden, um es vollständig zu erobern, indes der Prinz von Zweibrücken mit den Reichstruppen bei Dresden bleiben, Sachsen vom Feinde säubern und die wenigen dort noch stehenden Preußen vertreiben sollte38-1.

Die Übermacht der Feinde, die den König von allen Seiten bedrängten, ihr Plan einer stärkeren Konzentrierung der Truppen in diesem Feldzug und schließlich die Schwäche der preußischen Armee nach so manchen, noch frischen Verlusten, all das ließ für den bevorstehenden Feldzug noch Schlimmeres befürchten als für den vergangenen. Indes bemühte sich der König, den Mut der Soldaten zu beleben und ihnen Selbstvertrauen einzuflößen. Das geschah durch die Vorspiegelung von bald zu erwartenden Diversionen, durch Verbreitung von günstigen Prophezeiungen und Anwendung aller Arten von Täuschung, die dem Volke gegenüber zu seinem eigenen Vorteil erlaubt sind.

Am 26. April bezog der König die Lager von Schlettau und bei den Katzenhäusern38-2. Die dorfreiche Gegend gestattete, den größten Teil der Armee in Kantonnementsquartiere zu legen. Dort genossen die Truppen die ersten ruhigen Augenblicke.

Wir hatten Laudon zuletzt in Olmütz verlassen. Jetzt drang er in Oberschlesien ein. Seine Kavallerie griff Goltz38-3 an und zwang ihn zum Rückzug auf Neustadt und später nach Neiße. Das Regiment Manteuffel wehrte sich während des ganzen Marsches gegen vier österreichische Kavallerieregimenter, die es umsonst auseinanderzusprengen versuchten (15. März). Nachdem Laudons Streich mißlungen war, ließ er Draskovich mit 6 000 Mann in Neustadt zurück und marschierte mit den übrigen Truppen nach Böhmen. Nun, wo Draskovich allein stand und seinen Ruhm mit niemandem zu teilen brauchte, wollte er etwas unternehmen. Als er erfuhr, daß ein Bataillon vom Regiment Mosel Landeshut verlassen hätte und nach Neiße marschierte, griff er es mit seiner ganzen Kavallerie an. Doch das Bataillon verteidigte sich trefflich, verlor nichts, tötete zahlreiche Feinde und rückte wie im Triumph in die Festung Neiße ein (31. Mai).

Gegen die Russen in Pommern war Forcade38-4 detachiert. Er hatte drei Korps zu ihrer Beobachtung vorgeschoben: Platen nach Schivelbein, Grabow nach Köslin und Gablentz38-5 nach Greifenberg. Prinz Heinrich, der den Oberbefehl führte, war gerade in Sagan und hatte dort die Detachements Goltz und Schmettau38-6 an sich gezogen. Doch fand er es nun zweckmäßiger, sich den Russen zur Vereitelung ihrer Pläne mehr zu nähern. Er marschierte daher nach Frankfurt und ließ Forcade nach Landsberg rücken, das zum Sammelpunkt der Armee bestimmt war.

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Während der Prinz seine Truppen zusammenzog, marschierte Laudon durch die Grafschaft Glatz und drang mit zwei Korps in Schlesien ein. Das eine rückte über Silberberg nach Reichenbach und vereinigte sich dort mit dem zweiten, das die Straße über Patschkau eingeschlagen hatte. Auf die Nachricht von diesem Einfall glaubte Fouqué, der Feind wolle Breslau angreifen. Sofort verließ er die Landeshuter Pässe und rückte nach Canth. Ungesäumt benutzten die Österreicher seine Abwesenheit und ließen die Stellungen von Grüssau und Landeshut durch Detachements besetzen. Laudon aber kehrte mit seiner Armee in die Grafschaft Glatz zurück und blockierte die Festung. Als sich Fouqué durch diese neue plötzliche Bewegung der österreichischen Truppen hintergangen sah, kehrte er nach Landeshut zurück und vertrieb den Feind von dort ohne Mühe. Er wollte die böhmischen Pässe besetzt halten und Verstärkungen abwarten, um dann über Braunau in die Grafschaft Glatz einzudringen und die Festung zu entsetzen. Er lagerte auf den Bergen. Sein rechter Flügel stand auf dem Blasdorfer Berge, der linke auf dem Doktorberg39-1. Die richtige Besetzung dieses Geländes hätte freilich die dreifache Truppenzahl erfordert. Aber Fouqué konnte den ganzen Raum jetzt weniger denn je ausfüllen, da er zur Sicherung seiner Verbindung mit Schweidnitz Zieten39-2 mit vier Bataillonen nach dem Zeiskenberg detachiert hatte.

Sobald Laudon von der Stellung der Preußen bei Landeshut erfuhr, ließ er 12 000 Mann vor Glatz zur Fortsetzung der Blockade, marschierte mit dem Gros seiner Truppen über Johannesberg und Wüstegiersdorf, bezog ein Lager bei Schwarzwaldau und vertrieb von dort die Malachowski-Husaren von ihrem Beobachtungsposten. Die Gelegenheit war günstig, sich mit geringen Kosten großen Ruhm zu erwerben. Laudon hatte sich gegenüber nur 8 000 Preußen und konnte sie mit 28 000 Mann angreifen. Doch wollte er sie der größeren Sicherheit halber auch noch überrumpeln. In der Nacht zum 23. Juni bemächtigte er sich zweier Anhöhen, auf denen Fouqués rechter Flügel stand. Im Besitz dieser wichtigen Stellung fiel ihm die Errichtung von Batterien nicht schwer, die die Preußen im Rücken und von der Seite beschossen. Den Rest der Stellung verteidigte Fouqué aufs tapferste. Nach großen Verlusten bemerkte er eine österreichische Kavalleriekolonne, die in vollem Anmarsch war, um ihm den Rückzug abzuschneiden. Daraufhin verließ er die Höhen, formierte mit seiner Infanterie ein Karree und trat so den Marsch an, um die Straße nach Wolkenhain zu erreichen. Die Truppen hatten fast all ihr Pulver verschossen. Die österreichische Kavallerie griff sie an, wurde verschiedentlich zurückgeworfen, drang aber trotz heldenmütiger Verteidigung schließlich in das Karree ein. Fouqué wurde zweimal verwundet und mit dem größten Teil der Mannschaft gefangen genommen39-3. Er hatte sich von 2 Uhr morgens bis 10 Uhr vormittags verteidigt. Die Niederlage<40> konnte dem seit so lange festgegründeten Rufe des tapfern Offiziers in keiner Weise schaden, nein, im Gegenteil dessen Glanz nur erhöhen. Haben wir doch hier ein leuchtendes Beispiel dafür, was Tapferkeit und Festigkeit gegen einen noch so zahlreichen Feind vermögen. Sein mannhafter Widerstand findet in der Geschichte nicht seinesgleichen, außer in der Verteidigung der Thermopylen durch Leonidas mit seinen Spartanern. Beider Schicksal war fast das gleiche. Indessen war nicht das ganze Korps verloren. Die Gersdorff-Husaren und die Platen-Dragoner hieben sich durch und retteten sich mit 1 500 Mann Infanterie, die sie nach Breslau zurückgeleiteten. Nach dieser Katastrophe verließ Zieten den Zeiskenberg und warf sich in die Festung Schweidnitz, um nicht Fouqués Schicksal zu teilen. Wie Barbaren nutzten die Österreicher den errungenen Vorteil aus. Auf Befehl der Generale, die die Grausamkeit und die Ausschreitungen der Truppen noch ermunterten, plünderten sie Landeshut und begingen allerlei Schandtaten und Räubereien. Die zügellose, wilde Soldateska verschonte nur das Elend und die Häßlichkeit.

Die erste Nachricht, die der König in Sachsen erhielt, war die von der Einschließung der Festung Glatz. Dadurch wurde seine Lage noch kritischer. Es war ebenso bitter, Glatz, den Schlüssel Schlesiens, preiszugeben, wie unmöglich, der Festung zu Hilfe zu kommen. Auch mußte man nach ihrem Verluste mit der Unhaltbarkeit der böhmischen und schlesischen Pässe rechnen; denn einmal im Besitz der Übergänge von Silberberg und Martha, konnten die Österreicher den auf den Bergen stehenden preußischen Truppen leicht in den Rücken fallen, und eine andere Stellung zur Deckung der Provinz war dann nicht mehr zu finden. Andrerseits war es ebenso gefährlich, Sachsen zu verlassen. Rückte der König mit einem Teil seiner Truppen nach Schlesien, so liefen die in Sachsen bleibenden Gefahr, von der großen Überzahl der Österreicher erdrückt zu werden. Als beste Lösung erschien ihm, es beim Marsche nach Schlesien so einzurichten, daß Feldmarschall Daun ihm nachzog, sozusagen in seinem Gefolge. Auch war dieser Ausweg nicht gefahrlos; denn dadurch kam der König unvermeidlich zwischen Laudon, der schon in Schlesien stand, und die Armee Dauns, falls dieser wirklich nachfolgte. Jedoch rechnete der König auf die Vereinigung mit Fouqué, dessen Niederlage ihm noch unbekannt war, und zog den Entschluß, nach Schlesien zu marschieren, allen anderen vor. Infolgedessen ließ er den für Schlesien bestimmten Teil des Heeres über die Elbe gehen. Die Brücke wurde bei Zehren geschlagen, und die Truppen überschritten sie am 14. Juni. Am andern Ufer stieß zu ihnen der Prinz von Holstein mit den zwei Dragonerregimentern von der Armee der Alliierten.

Beim Anmarsch der Preußen zogen sich alle Detachements Lacys auf Reichenberg zurück, und der König bezog sein Lager bei Zscheila gegenüber von Hülsen, dessen Korps bei Meißen stehen geblieben war. Zur Verbindung beider Korps wurden schleunigst Brücken über die Elbe geschlagen. Von Zscheila rückte der König nach Radeburg (18. Juni). Unterwegs kam er nach Lacys Lagerstätte, die von den vier dem Lacyschen Korps beigegebenen sächsischen Dragonerregimentern bewacht wurde. Die preußische<41> Avantgarde machte Jagd auf sie, nahm ihnen 400 Mann ab und zwang sie zu fluchtartigem Rückzuge auf das Lacysche Hauptkorps, das am Fuß der Höhen von Boxdorf und Reichenberg beim Dorfe Berbisdorf stand. Die preußische Armee schickte sich an, Lacy am nächsten Tag anzugreifen, wartete aber noch auf das Eintreffen Hülsens, dem der König Befehl hatte zukommen lassen, mit einem Teil seiner Truppen zu ihm zu stoßen. Aber Hülsen konnte erst in der Nacht das Lager bei Radeburg erreichen.

Am nächsten Tage hatte sich das Bild bereits verschoben. Daun war bei Dresden über die Elbe gegangen und hatte das Lager von Boxdorf und Reichenberg bezogen. Auch hatte Lacy Berbisdorf bei Nacht verlassen, um den rechten Flügel der Daunschen Stellung bei Lausa zu decken. Der König besetzte das vom Feinde geräumte Gelände und stellte Krockow41-1 mit 3 Husarenregimentern, 2 Dragonerregimentern und 2 Freibataillonen rings um Berbisdorf auf. In der nächsten Nacht griff Lacy das Krockowsche Korps erfolglos an. Auch die Preußen versuchten einen Angriff auf Lacy, aber das alles rief nur gegenseitige Beunruhigung hervor und führte zu nichts.

Nun erst hörte der König von der Niederlage Fouqués bei Landeshut. Durch diese Katastrophe wurde seine Lage in Schlesien verzweifelt. Da der preußischen Armee bei Radeburg die Fourage ausging, so bezog sie das Lager bei Großdobritz. Dort machte Krockow 300 Gefangene von einem Detachement, das über Moritzburg gekommen war und sich eingebildet hatte, über die preußische Bagage herfallen zu können. Doch was bedeutete die Gefangennahme von 300 Mann gegen den Verlust von so vielen ganzen Korps! Infolge der unerwarteten Niederlage bei Landeshut mußte der König alle in diesem kritischen Zeitpunkt geplanten Maßregeln ändern. Weniger denn je durfte er jetzt Sachsen verlassen, außer wenn es mit dem Feldmarschall Daun zugleich geschah. Verlor er doch sonst fortwährend in kleinen Trupps die wenigen ihm gebliebenen Mannschaften.

Die Kaiserlichen ihrerseits konnten sich nicht vor Eintreffen der Reichstruppen in Bewegung setzen, aber die Langsamkeit des Prinzen von Zweibrücken verzögerte deren Anmarsch. Endlich langten sie an. Daun ließ sie am Windberg Stellung nehmen. Hülsen blieb bei Meißen, und noch am selben Tage traten beide Armeen den Marsch nach Schlesien an41-2. Die Kaiserlichen zogen über Bischofswerda und detachierten von dort Lacy zur Deckung ihrer linken Flanke auf den Keulenberg. Der König marschierte über Krakau und beschloß einen unvermuteten Angriff auf Lacy. Die Preußen besetzten Königsbrück, und noch in derselben Nacht41-3 brach die Armee in vier Kolonnen auf, zwei diesseits und zwei jenseits des Pulsnitzbaches. Die Avantgarde griff die leichten feindlichen Truppen an und scheuchte damit Lacy auf. Seine Flucht war so überstürzt, daß man ihn nicht einholen konnte und kaum 200 Mann seiner Arrieregarde gefangen nahm. Die Nacht verbrachte die Armee auf dem<42> Keulenberg. Seite an Seite zogen am folgenden Tage Preußen und Österreicher weiter. Die letzteren rückten über Bautzen und lagerten sich bei Gurig, die Armee des Königs beim Kloster Marienstern. Am 6. Juli erreichte Daun Görlitz und die Preußen Nieder-Gurig. In der Nähe von Bautzen kam es beim Übergang über die Spree zu einem Arrieregardengefecht mit den Österreichern42-1. Übereilt ging der Husarenmajor Zedmar42-2 über die Brücke und wäre verloren gewesen, wäre ihm der König nicht noch rechtzeitig zu Hilfe gekommen. Die Armee ging regelrecht über den Fluß und nahm dem Feind einige Gefangene ab. Der Tag war so heiß, daß 80 Mann des Heeres mitten auf dem Marsche tot umsanken. Auch die Österreicher erlitten einen gleichen, vielleicht noch stärkeren Verlust, da ihr Marsch länger war.

Inzwischen hatte Lacy Zeit gehabt, sich vom Überfall am Keulenberg zu erholen. Er hatte seine Leute gesammelt und sich vorgenommen, den Marsch des Königs durch ständige Beunruhigung seiner Arrieregarde zu verzögern. Fälschlich vermuteten seine Patrouillen die Kaiserlichen im Lager bei Bautzen. Sie wurden daher von den preußischen Vedetten aufgehoben. So kam man auf den Gedanken, einmal tüchtig über die Ulanen herzufallen und sie derart einzuschüchtern, daß ihnen die Lust zu weiterer Belästigung der Preußen verging. Die Ulanen standen eine Meile vom Lager bei Salzenforst. Zwei Husarenregimenter und ebenso viele Dragoner sollten den Anschlag ausführen. Unglücklicherweise waren sie gerade beim Fouragieren, und statt ihrer vollen Stärke von 4 000 Pferden brachte man kaum 1 500 zusammen. Trotzdem wollte der König den Versuch wagen. Die Ulanen wurden angegriffen, verloren im Nu 400 Mann und wurden hitzig bis Göda verfolgt. Da Zedmar seine Tapferkeit nicht immer zu mäßigen verstand, ging er bis über Göda vor. Der König sah sich zu seiner Unterstützung genötigt, denn schon rückte Lacys ganze Kavallerie, die bei Rothnauslitz im Lager stand, truppweis heran. Indes glückte es, Zedmar aus seiner mißlichen Lage zu befreien. Die preußische Kavallerie begann sich auf Bautzen zurückzuziehen, aber sehr langsam. Da der König befürchtete, der Feind möchte seine Überlegenheit über die Preußen ausnutzen, ließ er ein Bataillon der Besatzung von Bautzen mit Geschütz vorrücken. Der Befehl wurde sehr zur gelegenen Zeit ausgeführt; denn schon trieb der Feind einige Schwadronen vor, die aber sofort in Verwirrung gerieten, als ein paar Kanonenschüsse ihnen Halt geboten. Darauf führte Lacy seine Truppe nach Rothnauslitz zurück, und die preußische Kavallerie ritt ruhig wieder in ihr Lager.

Nun galt es sich zu entscheiden, ob man lieber Daun nach Schlesien folgen oder sich mit aller Macht auf Lacy stürzen wollte, um ihn ein für allemal los zu werden. Wäre man doch auf dem geplanten Marsche nach Schlesien durch Lacys Nachhut mehr belästigt worden als durch den Feind, den man dort vorfand. Der letzte Plan schien<43> also mehr Sicherheit zu bieten und wurde deshalb gefaßt. Gelang er, so konnte er zu Größerem führen.

Am 8. Juli abends sammelte sich die Armee bei Nieder-Schmölln. Sie schlug aber nicht, wie ausgesprengt wurde, die Straße nach Görlitz ein, sondern wandte sich plötzlich auf Rothnauslitz und stieß unterwegs immerfort auf Nachzügler vom Lacyschen Korps. In der Nähe von Bischofswerda traf sie auf die feindliche Arrieregarde und trieb Lacy trotz aller Wachsamkeit und aller Schnelligkeit seiner Bewegungen bis über die Defileen von Harthau hinaus (9. Juli). Dort verbrachte die Armee des Königs die Nacht. Am nächsten Tage verfolgte sie den Feind weiter bis auf die Höhen von Weißig. Dort wurden Batterien errichtet, um Lacy vom Weißen Hirsch zu vertreiben. Noch ehe zwei Kanonenschüsse gefallen waren, hatte die Infanterie die Stellung schon erobert und sah das Lacysche Korps in voller Flucht bei Dresden über die Elbe gehen.

Der König mußte in seiner verzweifelten Lage alles unternehmen und alles dransetzen, um sich einige Überlegenheit über den Feind zu verschaffen. Sein erster Gedanke war, bei Kaditz über die Elbe zu gehen. Sollte das Unternehmen aber glücken, so waren verschiedene Vorbereitungen unumgänglich. In solchen Fällen gilt es, beim Feinde allerlei Befürchtungen zu erwecken. Zu dem Zweck dehnte der König seinen linken Flügel bis Pillnitz aus und machte Miene, dort eine Brücke zu schlagen. Unterdessen bemächtigte sich ein Detachement der Stellungen am Fischhaus und bei Reichenberg, und Hülsen rückte, wie ihm befohlen war, auf Briesnitz, unter Mitnahme der Pontons und Brückenteile der abgebrochenen Brücke bei Meißen. Um jedoch Daun nicht völlig aus dem Gesicht zu verlieren, wurden 500 Husaren zur Beobachtung seiner Bewegungen nach Weißenberg und gegen Reichenbach vorgeschoben, um rechtzeitig Meldung zu schicken. Die Ausführung all dieser verschiedenen Maßnahmen zog sich aber bis zum 13. hin. Hülsen hatte unterwegs 400 Gefangene gemacht. Der König ging über die Elbe, vereinigte sich mit ihm, ließ aber den Prinzen von Holstein mit ungefähr 10 000 Mann auf dem Trachenberge bei Kaditz zurück.

Sowohl die Reichsarmee wie Lacy wurden durch diese Demonstrationen beunruhigt. Sie fürchteten, ein preußisches Korps könnte bei Pillnitz über die Elbe gehen und ihnen in den Rücken fallen, während der König sie gleichzeitig in der Front angriffe. Daraufhin räumten sie noch in derselben Nacht schleunigst ihr Lager bei Planen und zogen sich zurück, Lacy nach Groß-Sedlitz und der Prinz von Zweibrücken nach Dohna (13. Juli).

Sogleich schloß der König Dresden ein und faßte ganz plötzlich den Plan, die Stadt zu belagern. Das hatte man vorher nicht für ausführbar gehalten, und daher war nichts zur Belagerung vorbereitet. Der König stellte seine Truppen von Gruna bis Räcknitz auf. Die Panduren wollten sich im Großen Garten behaupten, wurden aber daraus vertrieben, ja die ganze Pirnaer Vorstadt fiel bei der schwachen und lässigen Verteidigung in die Hände der Stürmenden. Alles, was man in der Eile an Geschütz und Munition zusammenbringen konnte, bestand aus einem Dutzend<44> Mörsern, 1 200 Bomben, 20 Zwölfpfündern und 4 000 Kugeln. In größter Hast wurden Faschinen, Bohlen und andres Belagerungsmaterial herbeigeschafft. Ein Erfolg der Belagerung ließ sich schon deshalb erhoffen, weil man die ersten Batterien am Hauptgraben der Stadt errichten konnte und weil dicht beim Moschinskyschen Garten44-1 eine alte Schanze war, die eigens zu einer Parallele und zur Errichtung einer Rikoschettbatterie angelegt schien. Der Prinz von Holstein mußte am andern Elbufer einen Scheinangriff auf die Neustadt machen, obgleich er nur Feldkanonen und einige Haubitzen besaß. Zwar verfügte der Gouverneur von Dresden, Macquire, über eine Besatzung von 6 000 Mann, aber man hoffte, er würde die Stadt lieber übergeben, als sie in Asche legen lassen. Er wurde zur Übergabe aufgefordert, lehnte sie jedoch ab. Nun erfolgte der Angriff beim Pirnaischen Tore. Hätte man die Anordnungen des Königs richtig befolgt, so war Dresden wieder sein. Aber die Offiziere, Ingenieure und Artilleristen überboten einander in Fehlern. Die Batterien wurden freilich errichtet. Auch wurden Jäger in die Vorstadthäuser gelegt, die den<45> Hauptwall beherrschten. Sie säuberten ihn rasch von allen sich dort zeigenden Verteidigern. Die Kanonen schossen bereits Bresche, und eine Bombe setzte das Dach der Kreuzkirche in Brand. Es stürzte ein, und das ganze Stadtviertel brannte nieder. Eine andere Bombe setzte die Pirnaische Straße in Flammen. Auch sie wurde durch die Feuersbrunst fast völlig vernichtet. Weitere Geschosse fielen in die Schloßstraße und verursachten dort großen Schaden. Tausend Bomben und tausend Zentner Pulver mehr, und die Belagerung wäre glorreich beendigt worden. Aber es stand wohl im Buch des Schicksals geschrieben, daß die Preußen Dresden nicht wieder erobern sollten.

Bald traf die Meldung ein, Daun habe plötzlich Schlesien verlassen und rücke in Eilmärschen zum Entsatz Dresdens heran. Bei seiner Annäherung wurde die Stellung auf dem Weißen Hirsch aufgegeben. Sehr zur Unzeit verzögerten sich die leichten Truppen beim Abzuge. Im Walde beim Fischhaus wurden sie angegriffen und verloren ungefähr 500 Mann (19. Juli). In derselben Nacht ließ der König den Prinzen von Holstein über die Elbe gehen und eine Stellung zwischen Löbtau und Unkersdorf einnehmen. Denn sobald sich Daun dem anderen Elbufer näherte, mußte man durchaus Streitkräfte bei Unkersdorf haben, um den Durchmarsch durch den Plauenschen Grund frei zu halten, ohne daß der Feind ihn streitig machen konnte. Gleichzeitig wies der König den Truppen andere Lagerplätze an. Ein Teil der Armee nahm gegenüber Lacy und dem Prinzen von Zweibrücken Stellung, der andere lagerte nach dem Großen Garten zu, errichtete dort Verhaue und dehnte sich über Räcknitz bis in die Nähe von Plauen aus. Nun tauchte Daun auf dem Weißen Hirsch auf und besetzte das andere Elbufer hinter Dresden und zu beiden Seiten der Stadt. In der Nacht vom 21. zum 22. Juli schickte er 16 Bataillone zu einem Angriff gegen die Preußen in der Pirnaer Vorstadt. Darauf war der König gefaßt. Er hatte seine Truppen so aufgestellt, daß sie den Feind gebührend empfangen konnten. Der Angriff fand statt, doch wurden die Österreicher zurückgeschlagen und verloren 300 Mann, darunter ihren Führer, General Nugent. Ein Bataillon vom Regiment Anhalt-Bernburg hatte bei der Belagerung seine Schuldigkeit nicht getan. Zur Strafe durfte es den Säbel nicht mehr tragen. Diese für jeden ehrliebenden Soldaten empfindliche Züchtigung machte guten Eindruck bei der Armee und feuerte das Bataillon an, seinen Fehler wieder gutzumachen. Dazu fand sich, wie wir später hören werden, Gelegenheit in der Schlacht bei Liegnitz45-1.

Ein seltsames Geschick schien in diesem Feldzuge zu wollen, daß kleine Vorteile der Preußen beständig durch bedeutende Verluste wieder aufgewogen wurden. Selbst der beim Angriff auf die Pirnaer Vorstadt gefangene General Nugent brachte dem König eine Hiobspost, die Eroberung von Glatz durch Feldzeugmeister Harsch45-2. Die Nachricht klang zwar unglaubhaft, wurde jedoch bald von Schlesien aus bestätigt. D'O, der<46> Kommandant von Glatz46-1, hatte eine Besatzung von 5 Bataillonen und alle Kriegsund Lebensbedürfnisse, um eine lange Belagerung zu überstehen. Der Feind hatte seine erste Parallele auf Schwedeldorf an der Neiße gestützt und sie von dort um die Unterstadt und das Schloß weitergeführt. Sie reichte links bis zum Hause des Barons Pilati. Feldzeugmeister Harsch plante einen doppelten Angriff, einmal auf die Unterstadt beim Böhmischen Tor und ferner auf das Schloß beim Feldtor. Kaum waren einige Batterien angelegt, als die Belagerer ihre Gegner bereits von einem Außenwerk vertreiben wollten, dem Fouqué wegen seiner langen Form und seiner schmalen Kehle den Namen „der Kranich“ gegeben hatte46-2. Das in den Felsen gesprengte Werk brauchte nur verteidigt zu werden, um den Feind wochenlang aufzuhalten. Kaum aber erschienen die Österreicher zum Angriff, so nahmen die Belagerten Reißaus und entflohen aufs schimpflichste. Sie retteten sich in das Festungstor. Der Feind drängte hitzig nach. Die Verteidiger des gedeckten Weges flüchteten, statt auf den Feind zu schießen, über die Brücke in das Ravelin, und im Handgemenge mit ihnen drangen die Österreicher ein. Feldzeugmeister Harsch bemerkte den Vorgang und schickte aus den Laufgräben einige Bataillone zur Unterstützung der Angreifer vor. Kurz, die Österreicher nahmen die Festung, ohne zu wissen wie, und fast ohne Widerstand. Der Kommandant befand sich gerade in der Unterstadt und eilte bei dem Lärm aufs Schloß. Aber es war schon genommen, und da es durch seine Lage die Werke auf dem Schäferberg und in der Unterstadt beherrscht, so blieb den Preußen kein Zufluchtsort zu weiterer Verteidigung. Dies schimpfliche und für die preußischen Waffen entehrende Ereignis war die Folge eines geheimen Einverständnisses, das Laudon von langer Hand mit Hilfe der Jesuiten, der Mönche und des ganzen katholischen Pfaffengelichters angeknüpft hatte. Durch ihre Vermittlung war ihm die Bestechung von Offizieren und vielen Soldaten geglückt. Unter ihnen befand sich auch die Wache an der Stelle, wo Harsch zum Angriff vorging.

Der unglückselige Zwischenfall machte die Lage noch kritischer und verwickelter. Dauns Anmarsch, seine Stellung bei der Dresdener Neustadt, der Mangel an Kriegsbedarf zur Belagerung, all das zwang den König zum Verzicht auf die Eroberung der sächsischen Hauptstadt. Unverzüglich traf er ernstliche Anstalten zum schleunigen Rückmarsch nach Schlesien, um noch schlimmeren Katastrophen als der eben erwähnten womöglich vorzubeugen. Ohne vom Feinde beunruhigt zu werden, verließ der König am 30. den Plauenschen Grund und geleitete Hülsen in sein Lager bei Meißen zurück. Am nächsten Tage (1. August) ging die Armee bei Zehren über die Elbe und nahm Stellung bei Dallwitz.

Nach dem bisher Geschehenen fürchtete Feldmarschall Daun, die Preußen könnten die Belagerung von Dresden wieder aufnehmen, sobald er von dort abrückte. Darum<47> richtete er seine Märsche und Bewegungen so geschickt nach denen des Königs, daß die beiden Armeen fast immer nebeneinander herzogen. Die Österreicher schlugen die Hauptstraße nach Görlitz ein, die Preußen blieben ihnen zur Seite. Bei Koitzsch gingen diese über die Röder (3. August), bei Radibor über die Spree47-1. Da ihnen der Feind beim Marsch auf Reichenbach zuvorgekommen war, so zogen sie, um den Weg abzuschneiden, am Stromberg und an Nothkretscham vorbei. Hätte ein Fremder die Bewegung beider Heere beobachtet, so hätte er sich leicht täuschen können und wahrscheinlich geglaubt, daß beide unter einem Oberbefehl ständen. Die Daunsche Armee hätte er für die Avantgarde gehalten, die Preußen für das Gros und die Lacyschen Truppen für die Arrieregarde. Immerhin hielt Lacy, der aus Furcht vor unliebsamen Abenteuern vorsichtiger geworden war, drei Meilen Abstand von den Preußen.

Der Zug hatte indes sein Gutes; denn da die Preußen unmittelbar zwischen Daun und Lacy marschierten, so wurde ein Adjutant des Feldmarschalls mit Briefen an Lacy abgefangen47-2. In dem Paket fand man die jüngsten Nachrichten über die Ereignisse in Schlesien. Auch ersah man daraus die Feldzugspläne des Feldmarschalls, die er deutlich auseinandersetzte und über die er Lacy um Rat fragte. Aus den schlesischen Nachrichten ging hervor, daß Laudon Breslau angegriffen hatte, aber vom Prinzen Heinrich zur Aufhebung der Belagerung gezwungen worden war. Das war folgendermaßen geschehen.

Prinz Heinrich war nach Landsberg marschiert, und ihm war dort aufgefallen, daß sämtliche Bewegungen der Russen auf Schlesien gerichtet waren. Daher verließ er die Neumark und rückte über Züllichau in die Gegend von Glogau (1. August). Er hatte nämlich Nachricht erhalten, daß die Russen und Österreicher an einem verabredeten Tage vor Breslau zusammentreffen wollten, um die Stadt von beiden Oberseiten zugleich zu berennen. Die Ausführung des Planes fiel allerdings anders aus, und zwar aus zwei Gründen: erstens infolge der Langsamkeit der Russen, die noch kaum bis Posen gekommen waren, und zweitens wegen Laudons Sieg über Fouqué und der Eroberung von Glatz. Laudon hatte nun keinen Feind mehr vor sich und hielt sich infolgedessen für stark genug, um seinen Anschlag auf Breslau ohne Hilfe der Russen mit seinen eigenen Truppen auszuführen. Er marschierte auf die Stadt los, ließ sie gleich bombardieren und legte einen Teil in Asche (1. August). Als Prinz Heinrich davon erfuhr, rückte er in Eilmärschen aus beiden Oderufern heran. Werner, der Führer der Avantgarde einer seiner Kolonnen, schlug ein feindliches Beobachtungskorps, das bis Parchwitz vorgerückt war, und vernichtete das ganze Dragonerregiment Erzherzog Josef (5. August). Diese Schlappe und der gleichzeitige Anmarsch des Prinzen Heinrich bewogen Laudon zur Aufhebung der Belagerung von Breslau.<48> Tauentzien48-1 hatte die Stadt klug und tapfer verteidigt. Allerdings hatte er einen Teil der Vorstädte in Brand setzen müssen. Prinz Heinrich langte am selben Tage (6. August) in Breslau an, wo Laudon sich nach Canth zurückgezogen hatte und die Russen nach Hundsfeld rückten. Der Prinz detachierte Platen48-2 und Thadden48-3 nach Friedewalde. Dort verschanzten sie sich in einer Stellung zur Deckung der Vorstadt Polnisch-Neudorf gegen die Schandtaten der Kosaken.

Im übrigen enthielt Dauns Brief seine Feldzugspläne. Er erörterte die Frage, ob es vorteilhafter wäre, Schweidnitz oder Neiße zu belagern, und endigte mit den Worten, Lacy brauchte sich nicht zu eilen und seine Truppen nicht zu übermüden. Es käme nicht darauf an, ob er einen Tag früher oder später einträfe.

Nachdem diese Briefe aufgefangen waren, setzte die Armee des Königs ihren Marsch nach Arnsdorf fort. Am nächsten Tage (6. August) kam sie in Rothwasser und am 7. in Bunzlau an, während Daun Löwenberg erreichte. In fünf Tagen hatten beide Armeen die Strecke von der Elbe bis zum Bober zurückgelegt und waren infolgedessen der Ruhe bedürftig. Am 9. setzten sie sich wieder in Marsch, jedoch mit ganz verschiedenen Absichten. Der König mußte notwendig für neuen Proviant sorgen und wollte zu dem Zweck nach Breslau oder Schweidnitz marschieren, wo sich die großen Armeemagazine befanden; denn seine mitgenommenen Vorräte reichten nur noch auf zehn Tage. Dauns Absicht war jedoch auf eine Stellung hinter der Katzbach gerichtet, durch die er den König zugleich von Breslau und Schweidnitz abzuschneiden hoffte. Dann wäre dieser entweder zu einem mißlichen Kampfe gegen überlegene Streitkräfte oder zum Rückzug auf Glogau genötigt worden. Dadurch aber hätte er es den Österreichern und Russen leicht gemacht, das Heer des Prinzen Heinrich zu vernichten und Breslau und Schweidnitz zu nehmen. So entgegengesetzte Absichten mußten, wie wir gleich sehen werden, zu seltsamen Gegensätzen in den Operationen der beiden Armeen führen. Unleugbar beging der König einen Schnitzer, als er mit seinen Truppen nach Goldberg rückte (9. August), wohin Daun mit seiner ganzen Armee marschieren wollte. Die Preußen hätten dort nur eine Spitze zeigen und mit ihren gesamten Kräften über Löwenberg nach Hirschberg rücken sollen, um die dortige Feldbäckerei und das bedeutende Lebensmitteldepot der Österreicher zu vernichten. Von hier brauchten sie sich nur nach Landeshut zu wenden, um Schweidnitz zu erreichen. Infolge dieses Manövers hätte der Feind ohne Kampf in die böhmischen Gebirge zurückgehen müssen, um Brot und Lebensmittel zu finden. Der wahre Grund zur Unterlassung des ganzen Zuges war der: man wußte nicht, daß die Kaiserlichen in Hirschberg Depots von Lebensmitteln angelegt hatten. Erst später erfuhr man davon.

So brach der König denn mit seiner Avantgarde nach Goldberg auf. Die Husaren und Freibataillone, die unterwegs zu ihm stoßen sollten, trafen aber nicht ein,<49> vielleicht infolge von Mißverständnissen, vielleicht aus Faulheit oder aus anderen Gründen. Bei der Annäherung an Goldberg bemerkte die preußische Avantgarde ein feindliches Korps in Stärke von ungefähr 10 000 Mann. Unvermerkt kam man beiderseits ins Geplänkel. Infolgedessen mußte die Avantgarde haltmachen; denn bei der Lage der Dinge wäre der Übergang über die Katzbach unklug gewesen, da Markgraf Karl mit der Hauptarmee noch weit zurück war und man auch nicht sicher wußte, wo Laudon stand. Außerdem befand sich Daun in vollem Anmarsche. Man sah seine Truppen von den Höhen von Löwenberg sich herabziehen, gerade als die Spitze des Markgrafen Karl die Avantgarde erreichte. Sogleich breiteten sich die Österreicher hinter der Katzbach von Seifenau über Prausnitz bis Laasnig aus, Dadurch wurden die Preußen genötigt, die Katzbach vor sich zu behalten. Sie bezogen ein Lager bei Hohendorf. Von dort aus erblickte man das Laudonsche Korps, das sich mit dem rechten Flügel der Daunschen Armee vereinigt hatte. Sofort wurden Patrouillen zur Aufklärung nach allen Seiten geschickt, um zu erfahren, ob die Übergänge über die Katzbach weiter abwärts ebenso besetzt wären. Die auf Rekognoszierung gesandten Offiziere meldeten, sie hätten ein feindliches Korps bei Hochkirch, ein anderes auf der Höhe von Wahlstatt und ein drittes hinter Parchwitz gesehen (9. August).

Tags darauf setzte sich Daun in Marsch und bedeckte mit seiner Armee das ganze Gelände, das durch die erwähnten Detachements nur bezeichnet oder abgesteckt und nur in seinen Hauptpunkten besetzt war. Dauns Heer war also folgendermaßen verteilt: Nauendorf lagerte bei Parchwitz, Laudon zwischen Jeschkendorf und Koischwitz, der Feldmarschall selbst zwischen Wahlstatt und Jeschkendorf, und am linken Flügel dehnte sich Beck sogar bis über Kossendau aus. Eine so vorteilhafte feindliche Stellung verwehrte den Preußen unstreitig den Übergang über die Katzbach. Dennoch folgte der König dem Feinde und lagerte sich mit dem rechten Flügel bei Schimmelwitz, mit dem linken bei Liegnitz. Es war ihm klar, daß er mit den 30 000 Mann, aus denen seine Armee eigentlich nur bestand, nicht gegen wenigstens 90 000 Mann kämpfen durfte; denn so stark war der Feind. In seiner schlimmen Lage wußte er keinen besseren Ausweg, als wie ein Freischarenführer seine Stellung jede Nacht zu ändern und zu verschieben, um den Schlägen zu entgehen, die ein feindliches Heer ihm bei weniger Wachsamkeit und Tatkraft beibringen könnte. Solcher Aufmerksamkeit bedurfte es durchaus, da man eine Menge schwieriger Dinge zugleich ausführen mußte, um den geplanten Zweck zu erreichen. Zur Sicherung des Heeres mußte man die Stellungen wechseln und zugleich einen dreifach stärkeren Feind in Schach halten. Man durfte ihn ferner nicht verlassen, damit er nicht über Prinz Heinrich herfiele, dem ohnedies schon 80 000 Russen gegenüberstanden. Das alles ließ sich nur durch häufigen Stellungswechsel erreichen, ohne daß man sich zu weit vom Feinde entfernte. So führte man ihn denn an der Nase herum. Er erkundete das eben gewählte Lager, traf danach gemächlich seine Anordnungen, aber wenn er sie ausführen wollte, fand er keine Seele mehr und mußte die ganze Arbeit immer wieder von<50> vorn anfangen. Kurz, man gewann dadurch Zeit und konnte das Fehlen genügender Kräfte durch Geschicklichkeit und Wachsamkeit ausgleichen.

Nach diesem Plane brach die preußische Armee in der Nacht vom 10. zum 11. August auf. Der König beabsichtigte, den Feind über Jauer zu umgehen und auf Schweidnitz zu rücken. Als die Truppen in der Nähe von Hohendorf anlangten, traf die Meldung ein, daß Lacy soeben in Prausnitz eingerückt sei. Einige Gefangene, die man machte, bestätigten die Nachricht. Bei der Unmöglichkeit, die Katzbach angesichts der feindlichen Truppenmacht und der am Ufer errichteten Batterien zu überschreiten, mußte die Armee weiter flußaufwärts bis Goldberg marschieren. Durch diesen Umweg gewann aber Lacy Vorsprung genug, um sich rechtzeitig zurückzuziehen und Daun über die Bewegung der Preußen zu unterrichten. Auch kam ihm das durchschnittene Gelände sehr zustatten. Er entzog sich geschickt den gegen ihn geplanten Angriffen und verlor nur seine Bagage. Auch langte Daun mit der Hauptarmee noch rechtzeitig genug zu seiner Unterstützung an. Die Österreicher lagerten sich bei Hennersdorf, deckten damit Jauer und schnitten den Preußen den Weg nach Schweidnitz ab. Trotzdem blieben Laudon und Nauendorf in ihrem alten Lager, als hätte ihnen Daun die Stellung an der Katzbach in Verwahrung gegeben. Die preußische Armee, die auf ihrem Marsche durch vier oder fünf Defileen aufgehalten wurde, langte erst spät dem Feind gegenüber an. Zur Deckung des Defilees hinter dem linken Flügel des Königs mußte sich Wied bei Prausnitz aufstellen, und die Armee lagerte bei Seichau in einer absichtlich falsch gewählten Stellung, um den Feind irrezuführen. Die richtige, ausersehene Stellung jedoch war hundert Schritt dahinter. In der Stellung von Seichau lag also keine Gefahr, weil man die Truppen jeden Augenblick in das starke Lager zurückziehen konnte. Am nächsten Tage (12. August) wurden einige Truppen nach Pombsen detachiert, um den Versuch zu machen, den Feind auf dem Weg durchs Gebirge nach Jägerndorf zu umgehen. Dort aber stand Beck schon mit einem ziemlich starken Korps; es war also besser, diesen Marsch zu unterlassen. Auch sind die direkten Wege über das Gebirge so schmal, daß die zahlreichen mitgeführten Proviantwagen und die schwere Artillerie dort niemals hätten durchkommen können.

Indes besetzte der König gleich am nächsten Tage50-1 die Bergkämme und stellte seine Truppen dort auf. Da traf ein Haufen Überläufer ein und meldete einstimmig, im österreichischen Lager wäre der Befehl gegeben, sich am Mittag zum Angriff auf die Preußen bereitzuhalten. Wirklich erblickte man die Österreicher vor ihren Waffenplätzen in Schlachtordnung. Als aber der König mit seinen Truppen eine Bewegung machte, ging der Feind nicht nur ins Lager zurück, sondern bald tauchten auch die feindlichen Generale auf und hielten nach allen Seiten aufmerksam Ausschau, bis die Dunkelheit ihren weiteren Erkundungen ein Ziel setzte. Hätte der König während der Nacht seine Stellung behalten, so wäre er ohne Zweifel gleich bei Tagesanbruch<51> angegriffen worden. Seine Anordnungen auf dem gewählten Gelände waren zwar gut, indes war ein Bleiben zu gefährlich. Mußte er doch stets befürchten, der feindlichen Überzahl zu erliegen. Noch am Abend brach die Armee auf und rückte wieder nach Liegnitz, um in das erst tags zuvor51-1 verlassene Lager zurückzukehren. Daun hatte von diesem Zuge keine Ahnung und rührte sich nicht. In der Dunkelheit verirrte sich der Prinz von Holstein mit dem linken Kavallerieflügel und geriet in die anderen Marschkolonnen. Erst bei Tagesanbruch konnte man die Ordnung wiederherstellen. Hätte der Feind die Preußen in diesem Augenblick der Verwirrung angegriffen, so wäre der Erfolg ihm sicher gewesen. Aber daran dachte er garnicht. Ruhig gingen die Truppen wieder über die Katzbach zurück, und die Armee kam mit einer lebhaften Kanonade davon, als sie dicht vor den Laudonschen Detachements bei Kossendau und Dohnau vorbeizog. Wenige Stunden, nachdem die preußischen Zelte aufgeschlagen waren, tauchte Daun mit seiner Armee auf, gefolgt vom Beckschen Korps, von Jahnus und Lacy (13. August). Er nahm seine vor zwei Tagen verlassene Stellung wieder ein.

Durch geheime Nachrichten erfuhr der König, daß Tschernyschew mit 20 000 Russen bei Auras über die Oder gegangen sei51-2. Die Österreicher warteten nur auf die Vereinigung mit ihm, um die Preußen dann zu erdrücken. Daun hatte übergenug Truppen. Nicht an Mannschaften fehlte es ihm also, wohl aber an dem Talent, sie schnell und im richtigen Augenblick zu verwenden.

Die Lage des Königs war verzweifelt: Brot und Zwieback reichten nur noch für drei Tage aus, auch waren die 2 000 Proviant und Munitionswagen eine große Last und hielten den Marsch furchtbar auf. Man mußte sich ihrer entledigen, um sich mit größerer Leichtigkeit bewegen zu können. Bei Liegnitz vermochte sich der König nicht länger zu halten; denn sein rechter Flügel hatte bei Schimmelwitz keine gute Anlehnung und konnte dort ungehindert umgangen werden. Der König mußte also bei Liegnitz wieder über die Katzbach gehen, die überflüssigen Wagen nach Glogau schicken, Lebensmittel von dort beziehen und dann zu weiterem Vordringen diesseits oder jenseits der Oder nach Parchwitz marschieren. Denn die Vereinigung mit Prinz Heinrich mußte er unbedingt erreichen, da beide Korps, wenn sie getrennt blieben, gegen die Russen und Österreicher zu schwach zum Widerstand waren und man bei längerem Aufschub befürchten mußte, daß sie beide erdrückt würden. Dann aber war alles rettungslos verloren.

Wenn sich zwei Feinde jahrelang hintereinander bekriegen, lernen sie ihre gegenseitige Denk- und Handlungsweise so genau kennen, daß sie im voraus einer des anderen Absichten erraten. Der Plan der Österreicher ging damals bestimmt dahin, den König anzugreifen. Auch war aus der Stellung der feindlichen Korps zu ersehen, daß Lacy zur Umgehung des rechten preußischen Flügels bestimmt war. Daun<52> sollte sich ihnen dann in der Front entgegenstellen und Laudon wahrscheinlich die Höhen bei Pfaffendorf hinter Liegnitz besetzen, um dem König den Rückzug nach Glogau abzuschneiden.

Infolge dieser Berechnung verließ der König das Lager bei Liegnitz noch am selben Abend (14. August) und ging nach dem oben erwähnten Plane wieder über die Katzbach. Die Nähe der Österreicher verbot ein solches Unternehmen bei Tage. Hätte der Feind doch sonst die Arrieregarde sicher in ein Gefecht verwickelt, das für die Preußen wohl unglücklich verlaufen wäre. Denn das Gelände in ihrer rechten Flanke beherrschte das der linken, und gerade dorthin hätten sie sich zurückziehen müssen. Unter Bedeckung von 2 Freibataillonen und 100 Reitern wurde alles Gepäck weggeschickt und glücklich nach Glogau gebracht. Der König rekognoszierte mit seinen Generalen die Höhen bei Pfaffendorf. Dort wollte er die Armee formieren, nachdem sie bei Liegnitz über die Katzbach gegangen war, und hierauf den Marsch nach Parchwitz antreten.

Mit Einbruch der Dämmerung setzte sich die Armee in Bewegung. Unterwegs wurde ein desertierter österreichischer Offizier, ein geborener Irländer, aufgegriffen. Er war derart betrunken, daß er nur stotternd hervorbringen konnte, er habe ein wichtiges Geheimnis mitzuteilen. Nach einigen Maßen warmen Wassers und etlichen Ausleerungen bestätigte er, wie schon vermutet, Dauns Absicht, den König noch am selben Tage anzugreifen. Indes hatten die Preußen nichts zu befürchten. Sie verlegten den Schauplatz und machten damit alle feindlichen Dispositionen zunichte; denn diese waren nach der Beschaffenheit des eben verlassenen Geländes getroffen.

Sobald der König die Höhen bei Pfaffendorf erreicht hatte52-1, sandte er Major Hundt52-2 in der Richtung auf Bienowitz und Pohlschildern auf Kundschaft. Währenddessen formierte sich die Armee auf dem angewiesenen Platz in Schlachtordnung. Sehr rasch kam Hundt mit der Meldung zurück, er sei auf zwei Kolonnen Infanterie und zwei Kolonnen Laudonscher Kavallerie gestoßen. Sie wären in vollem Anmarsch und ständen bereits ganz in der Nähe. Es sei also kein Augenblick zum Widerstand zu verlieren.

Daraufhin teilte der König sein Heer in zwei Korps. Sein rechter Flügel unter Zieten und Wedell blieb unbeweglich in der einmal besetzten Stellung und errichtete eilig Batterien zur Bestreichung der beiden Straßen nach Liegnitz. Denn nur dort konnte Daun hervorbrechen und gegen ihn anrücken. Gleichzeitig wechselte der König die Stellung des linken Flügels. Er wurde mit der rechten Flanke an die Katzbach, mit der linken an einen See gelehnt. Dies ganze Korps bestand nur aus 16 Bataillonen und 30 Schwadronen. Während die Infanterie die vorgeschriebene Richtung einschlug, geriet die zu ihrer Deckung vorgeschobene Kavallerie bereits mit dem Feind in ein lebhaftes Geplänkel. Das dauerte bis zur Errichtung einer starken Batterie auf einer das ganze Gelände beherrschenden Anhöhe. Nachdem das geschehen war, erhielt<53> die Kavallerie Befehl zum Rückzug, den sie vorzüglich ausführte. Der größte Teil wurde hinter der Infanterie zu deren Unterstützung verteilt. Nur die Krockow-Dragoner und einige Husaren wurden auf den linken Flügel geworfen, um den Feind auf jener Seite zu beobachten.

Indes war Laudon auf nichts weniger als auf eine Schlacht gefaßt. Er ahnte wohl, daß ihm einige Truppen gegenüberständen, es war aber so dunkel, daß er weder die Preußen noch überhaupt ihre Stellung erkennen konnte. Er hatte auch keine Avantgarde vorausgeschickt, weil er einige Freibataillone zu überfallen beabsichtigte, die tags zuvor mit dem Feldmagazin bei Pfaffendorf gelagert hatten und die er dort noch anzutreffen glaubte. Nun begann die auf der Höhe errichtete große Batterie ihr Feuer gegen den Feind zu richten, und da die Spitze der österreichischen Kolonnen nur 800 Schritt entfernt war, so wirkte das Feuer in den dichtgedrängten Massen verheerend. In diesem Augenblick merkte Laudon, daß er sich etwas verrechnet hatte. Er wollte seine Truppen in Schlachtordnung stellen, brachte aber nur eine Front von fünf Bataillonen zustande. Sofort griffen die Preußen diese Linie an und warfen sie. Gerade jetzt ließ der feindliche General seine Kavallerie vorrücken, um die Angreifer in der Flanke und im Rücken zu fassen. Sie kannte indes das Gelände nicht und konnte sich in der Dunkelheit nicht zurechtfinden. Zwar warf sie die Krockow-Dragoner, dann aber wurde sie selbst vom Kürassierregiment Markgraf Friedrich in der Flanke angegriffen und ihrerseits geworfen und in Moräste zersprengt, aus denen sie sich nur mühsam herausarbeiten konnte.

Bei Tagesanbruch griff die Infanterie das zweite Treffen der Österreicher an. Als man auch hier die beginnende Verwirrung bemerkte, gingen einige Schwadronen Kavallerie zur Attacke vor. Sie durchbrachen das feindliche Treffen und nahmen es fast ganz gefangen. Kleine, über die ganze Gegend verstreute Waldstücke dienten vortrefflich zur Verbergung der Kavallerieabteilungen. Sie fielen aus ihrer Deckung unvermutet über den Feind her und brachten ihn in Verwirrung. Nun versuchte Laudon einen Gegenstoß und schickte seine Kavallerie gegen die preußische Infanterie vor. Sie wurde aber von der preußischen Kavallerie kräftig zurückgeschlagen. Fünfmal hintereinander griff die preußische Infanterie die fünf österreichischen Linien zu je fünf Bataillonen an. Endlich wurde die Verwirrung des Gegners so allgemein, daß sich das ganze Korps in wilder Flucht nach Bienowitz zurückzog und in voller Auflösung über die Katzbach ging. Einige kleine Abteilungen verfolgten die Fliehenden. Dabei setzte Möllendorff53-1 Bienowitz in Brand und machte viele Gefangene.

Der König wollte Laudon nicht zu hitzig verfolgen, weil er unter Umständen genötigt werden konnte, die eben siegreichen Truppen auf seinen rechten Flügel zu ziehen und dort Daun eine Schlacht zu liefern. Der Feldmarschall hatte die ganze Nacht mit seiner in Kolonnen formierten Armee an der Katzbach verbracht, die ihn von dem früheren preußischen Lager trennte. Dort hatte der König zur Vorsicht<54> einige Husaren gelassen, die den Feind durch die Nachahmung der Patrouillen- und Schildwachenrufe in dem Glauben wiegten, daß die ganze preußische Armee noch dort stände. Beim ersten Tagesschimmer brachen Daun und Lacy zum Angriff gegen die Preußen auf. Aber wie groß war ihr Erstaunen, als sie das Lager leer fanden und nichts darüber erfuhren, was aus der preußischen Armee geworden war. Das Schicksal schien an diesem Tage zu wollen, daß den Österreichern alles mißlang. Selbst der Wind stand ungünstig. Weder Daun noch Lacy hörten den Lärm der Schlacht, die eine halbe Meile von ihnen hinter Pfaffendorf geliefert wurde, obgleich auf beiden Seiten wenigstens 200 Kanonen feuerten. Lange schwankte der Feldmarschall in seinen Entschlüssen. Endlich, nach vielen Beratungen und verschiedenen Vorschlägen, entschloß er sich, bei Liegnitz über die Katzbach zu gehen und das Zietensche Korps, das er in Schlachtordnung sah, anzugreifen, während Lacy Befehl erhielt, weiter oberhalb das Schwarzwasser zu überschreiten. Das erwies sich jedoch als unmöglich, oder er hätte einen Umweg von anderthalb Meilen machen müssen, um eine Brücke zu finden. Denn bei den sumpfigen Bachufern helfen Brücken allein nichts, auch Dämme sind nötig, um jenseits von Liegnitz hinüberzukommen.

Schon war die Schlacht gewonnen, und der König eilte eben zum rechten Flügel, als er Dauns Avantgarde aus Liegnitz hervortreten sah. Aber die preußische Artillerie hatte den Feind schon übel zugerichtet, und man merkte an seinem unsicheren Benehmen, daß er nahe daran war, das Feld zu räumen. Um ein Ende zu machen und Dauns Ahnung, daß Laudon besiegt sei, zu bestätigen, kurz, um seinen Rückzug zu beschleunigen, ließ der König Viktoria schießen. Kaum war die zweite Salve abgefeuert, so machten die feindlichen Kolonnen kehrt und gingen bei Liegnitz über die Katzbach zurück.

Noch am nämlichen Tage kam es zu einem kleinen Gefecht im Walde. Unter der Bedeckung einer Kompagnie Grenadiere des I. Bataillons Garde war der englische Gesandte Mitchell mit einigen Sekretären und der Bagage des Hauptquartiers dorthin geschickt worden. 300 Dragoner und Husaren griffen den Zug an. Aber Leutnant Prittwitz, der Führer der Bedeckung, verteidigte sich so vorzüglich, daß er nicht das geringste von dem verlor, was ihm anvertraut war.

Die Schlacht bei Liegnitz kostete Laudon 10 000 Mann. Das Schlachtfeld war mit Österreichern dicht besät. Die Preußen standen auf einem glacisartigen Gelände das nach der Seite des feindlichen Angriffs immerfort abfiel. Dadurch hatten sie die Feuerüberlegenheit und alle Vorteile des Terrains. Sie machten viele Gefangene darunter 2 Generale, 80 Offiziere und 6 000 Mann. Außerdem verloren die Österreicher bei Liegnitz 23 Fahnen und 82 Kanonen.

Dennoch wären die Früchte des Sieges verloren gegangen, wäre der König nicht sofort bei Parchwitz über die Katzbach gegangen. Der Feind war verwirrt und zerstreut. Hier flohen die Trümmer des Laudonschen Korps in wildem Durcheinander nach Wahlstatt, dort stand Daun in dem Lager, das die Preußen tags zuvor inne<55>gehabt hatten, und wußte nicht, welchen Entschluß er fassen sollte. Eine Meile davon irrte Lacy umher und suchte vergeblich nach einer Furt über das Schwarzwasser. Zweifellos mußte man den Augenblick benutzen und den Feind nicht zur Besinnung kommen lassen. So marschierte der König denn mit dem linken Flügel, der die Schlacht gewonnen hatte, stracks auf Parchwitz. Nauendorf, der das jenseitige Katzbachufer besetzt hielt, war zum Widerstand gegen die Preußen zu schwach und überließ ihnen den so lange und so hartnäckig umstrittenen Übergang. Jenseits Parchwitz steckten die Preußen ihr Lager ab. Zieten, der gleichfalls dorthin rücken sollte, blieb nur so lange auf dem Schlachtfelde, um die preußischen Verwundeten, 1 100 an der Zahl, aufzulesen.

In Parchwitz erfuhr der König, daß Tschernyschew seit einigen Tagen bei Lissa lagerte. Das war ein neuer Grund zur Besorgnis. Die Russen konnten sich mit den Österreichern vereinigen, konnten auch eine Stellung bei Neumarkt einnehmen. Kurz, es wäre sehr ärgerlich gewesen, das eben Entschiedene wieder in Frage gestellt zu sehen. Man mußte also alles aufbieten, um sich einen Feind vom Halse zu schaffen, mit dem man sich durchaus nicht schlagen wollte. So griff der König denn zur List. Er schrieb an seinen Bruder, Prinz Heinrich, einen prahlerischen Brief, er habe soeben die Österreicher in die Pfanne gehauen und ließe jetzt eine Brücke über die Oder schlagen, um den Fluß zu überschreiten und die Russen in ähnlicher Welse abzufertigen. Er sei willens, Ssaltykow anzugreifen, und bitte den Prinzen, seinerseits die verabredeten Bewegungen zu machen55-1. Dieser Brief wurde einem Bauern übergeben und ihm reichliche Belohnung versprochen, wenn er sich sofort auf den Weg machte und sich von den Vorposten Tschernyschews gefangen nehmen ließe. Dann sollte er ihm, gleichsam aus Furcht vor Strafe, den Brief einhändigen.

Man konnte nicht wissen, wie der Bauer seine Rolle spielen, noch welchen Eindruck der Brief auf Tschernyschew machen würde. Dennoch brach die Armee des Königs am folgenden Tage (16. August) auf. Sie marschierte in drei Kolonnen, mehr in der Ordnung einer Transportbedeckung als eines gewöhnlichen Marsches. Der König führte die rechte Kolonne und deckte den Marsch nach der Seite der Österreicher hin. Vor der zweiten Kolonne führte Krockow eine starke Avantgarde. Ihm folgten die Kriegsgefangenen, die erbeuteten Kanonen und die preußischen Verwundeten. Der Prinz von Holstein führte die dritte Kolonne, die aus leichter Kavallerie bestand und durch einige Bataillone verstärkt war, um den Zug gegen etwaige Angriffe der<56> Kosaken zu decken. Konnten die Kosaken doch von ihrer Stellung bei Leubus aus die Oder bei dem niedrigen Wasserstand in mehreren Furten überschreiten. Endlich bildete Zieten die Nachhut mit allen Truppen, die nicht am Kampfe teilgenommen hatten.

Unterwegs stieß der König bald auf Nauendorf. Er hatte sich bei Möttig aufgestellt, zog sich aber auf einige Kanonenschüsse hin zurück. Auf dem Marsche bemerkten die preußischen Husaren eine feindliche Gepäckkolonne mit schwacher Bedeckung, fielen sie an und machten beträchtliche Beute. Nach Aussage der Gefangenen gehörte die Bagage zum Korps des Fürsten Löwenstein und des Generals Beck. Das Korps war in vollem Anmarsch auf Neumarkt, um sich dort mit den Russen zu vereinigen. Außerdem erblickte man etwa eine Dreiviertelmeile rechts von den Preußen die Marschkolonnen der ganzen Daunschen Armee. Doch war es nicht klar, ob sie nach Neumarkt, Canth oder Schweidnitz rückten. Dies war vielleicht der kritischste und gefährlichste Augenblick des ganzen Feldzuges. Die Armee hatte nur noch für einen Tag Brot. Hinderten die Russen die Verproviantierung aus Breslau und Daun die aus Schweidnitz, so war der eben errungene Sieg nutzlos. Denn wie sollte man sich bei gleichzeitiger Bewachung von 6 000 Gefangenen und 1 100 Verwundeten mit dem Feinde schlagen? Wie schrecklich wäre es aber erst gewesen, sich wieder nach Glogau zurückziehen zu müssen! Als jedoch die Spitzen der Kolonnen Blumerode erreicht hatten, stieß der König mit einigen Husaren vor und schlich sich durch den Wald so nahe an Neumarkt heran, daß er feststellen konnte, daß jenseits des Ortes weder ein Lager noch Truppen zu sehen waren. Nun sandte er einen Offizier auf Kundschaft aus. Er kam bald zurück, in Begleitung eines österreichischen Oberstleutnants, den er in Neumarkt selbst gefangen genommen hatte. In der Verzweiflung über seine Gefangennahme sagte der Offizier alles aus, was er wußte. Dadurch wollte er beweisen, daß er an seinem Unglück keine Schuld trug. Er schalt auf die Russen und sagte, er hätte einen Auftrag an Tschernyschew gehabt, hätte ihn aber nicht mehr aufgefunden. Ja, sogar die Oderbrücke wäre abgebrochen gewesen, sodaß er nicht einmal über den Fluß hätte kommen können. Diese Nachricht zerstreute alle Besorgnisse, und ruhig bezog die Armee ihr Lager bei Neumarkt. Da nun die Verbindung mit Breslau wieder frei war, so war auch die Versorgung mit Lebensmitteln gesichert. Auch konnte man den Truppen einige Ruhe gönnen. Waren sie doch seit neun Tagen in ständiger Bewegung gewesen und hatten mit heldenmütiger Standhaftigkeit die verschiedensten Anforderungen erfüllt, die größten Beschwerden ertragen und alle Schwierigkeiten siegreich überwunden.

Der vom König mit dem Brief an Prinz Heinrich abgesandte Bauer hatte sich seines Auftrags trefflich entledigt. Kaum hatte Tschernyschew das Schreiben gelesen, so ging er noch am gleichen Abend über die Oder zurück und eilte blitzschnell zur Vereinigung mit Ssaltykow, voller Furcht, schon zu spät zu kommen56-1.

<57>

Die Österreicher hatten inzwischen ein Lager auf dem Pitschenberg bezogen. Laudon stand in Striegau, und Löwenstein hatte eine vorgerückte Stellung auf dem Berge bei Würben besetzt. Dort schloß sein Korps, wenn auch nur leicht, die Festung Schweidnitz ein.

Während all dieser Operationen zwischen Österreichern und Preußen hatte Prinz Heinrich mit seiner ganzen Armee die Oder überschritten und bei Hünern ein Lager bezogen, um den Russen näher zu sein. Kurz darauf zog sich Ssaltykow über Trachenberg und Herrnstadt nach Polen zurück. Der Prinz folgte ihm bis Winzig. Solange jedoch die beiden preußischen Armeen getrennt waren, konnte nichts Entscheidendes unternommen werden. So wurde denn beschlossen, daß Goltz57-1 mit 12 000 Mann zur Beobachtung der Russen in der Umgegend von Glogau verbleiben sollte. Die übrige Armee des Prinzen Heinrich ging am 29. wieder über die Oder und vereinigte sich mit dem König, dessen Heer in der Gegend von Breslau zwischen Arnoldsmühle und Groß-Mochbern lagerte. Es war Zeit, Schweidnitz zu Hilfe zu eilen; denn schon schickte sich der Feind zur Belagerung an.

Am 30. August setzte sich der König in Marsch. Bei Wernersdorf entdeckte er das Daunsche Lager auf dem Pitschenberg und Lacys Stellung auf dem Zobten. Ein starkes österreichisches Kavalleriekorps kam seiner Avantgarde entgegen, wurde aber von der preußischen Kavallerie bis unter Dauns Kanonen zurückgetrieben. Trotz alledem war ein Durchzug der Armee zwischen den beiden feindlichen Heeren nicht ratsam. So marschierte der König denn links ab nach Rogau und nahm dem Zobten gegenüber Stellung in der Nähe von Prschiedrowitz. Zum Schein schlug man einige Zelte auf, während Zieten durch Buschwerk zog und unvermerkt den Paß bei Mellendorf besetzte, der auf die Ebene von Reichenbach und Schweidnitz mündet. Bei Anbruch des Abends folgte ihm die Armee in zwei Kolonnen. Bei Pfaffendorf griff die Avantgarde 200 Dragoner vom Regiment St. Ignon an. Sie waren auf Kundschaft ausgezogen und stießen unvermutet auf die preußischen Husaren. Schon gerieten die vordersten Truppen der königlichen Avantgarde in Verwirrung. Da rückte Zieten mit seinem Regiment vor, verjagte den Feind und nahm ihm 40 Gefangene ab. Durch diesen Marsch hatte sich die Armee wieder die Verbindung mit Schweidnitz gesichert. Sie bezog ein Lager bei Költschen, eine kleine Meile von der Festung. Bei Tagesanbruch erfuhr Daun, daß er umgangen war. Sofort verließ er den Zobten und den Pitschenberg und nahm sein Lager bei Kunzendorf. Sein rechter Flügel lehnte sich an den Bergkamm von Burkersdorf, der linke dehnte sich bis nach Hohenfriedberg. Außerdem besetzte das Jahnussche Korps die Pässe bei Martha und Silberberg, und Nauendorf postierte sich auf dem Spitzberg und auf dem Streitberg bei Striegau.

Am nächsten Tage rückte die Armee des Königs ins Lager von Pilzen und blieb dort. Da sich die Stellung indes nicht als günstig genug erwies, um den Feind von<58> den Bergen zu vertreiben, vertauschte man am 3. September das Lager mit dem bei Bunzelwitz. Während des ganzen Marsches wurde gekämpft, erst mit dem Riedschen Korps bei Schönbrunn, dann mit Beck bei Jauernick. Da man Nauendorf bei Striegau nicht dulden durfte, wollte ihn Zieten verjagen. Er trieb ihn auch glücklich bis Hohenfriedberg unter die Laudonschen Batterien, machte 400 Gefangene und bezog nun selbst das Lager bei Striegau, aus dem er eben den Feind vertrieben hatte.

Der König wünschte die Österreicher aus Schlesien zu vertreiben, um größere Detachements gegen die Russen senden zu können. Das beste Mittel, dies Ziel zu erreichen, war eine Umgehung der österreichischen Stellung, sei es zur Zerstörung der feindlichen Magazine, sei es, um ihre Proviantzüge aus Böhmen abzufangen. Doch war die Ausführung des Plans schwierig; denn das vom Feinde besetzte Gebiet war sehr groß, eine Umgehung also schwer. Auch konnte Daun durch eine kleine Bewegung von seinem Zentrum aus den Preußen zuvorkommen, da er nur die Sehne, der König aber den Bogen zu beschreiben hatte. Doch welche Schwierigkeiten auch vorauszusehen waren, die Notwendigkeit zu handeln und der Zwang der Umstände siegten über alle Bedenken, und man überließ den Ausgang dem Glück. In der Nacht zum 11. September brach die Armee auf, um die Höhen von Hohenfriedberg zu umgehen. Die Avantgarde erreichte den Paß bei Kauder. Kaum erblickte Laudon ihre Spitze, so ward ihm klar, daß es auf seine Umgehung abgesehen sei. Er verließ also seine Stellung und zog sich auf das Dorf Reichenau zurück. Auch Daun, der nicht weniger aufmerksam den preußischen Bewegungen folgte, zeigte sich gleichzeitig am anderen Rande der Reichenau durchschneidenden Schlucht. Durch diesen Marsch rettete er Laudon vor der ihm durch die Preußen drohenden Gefahr. Bei Einbruch der Nacht kam die Armee im Lager von Reichenau an. Kaum konnten die Truppen noch ihre Zelte aufschlagen.

Der König wollte ein Detachement nach Landeshut schicken, wo der Feind ein Magazin besaß, mußte aber die Ausführung des Plans auf den folgenden Tag verschieben. Zieten war mit dem Auftrag betraut worden und sollte am nächsten Morgen den Weg von Hartau nach Ruhbank einschlagen. Aber ein unvermuteter Zufall vereitelte das Unternehmen. Beim Aufbruch der österreichischen Armee hatte Beck tags zuvor Befehl erhalten, Laudons rechten Flügel zu decken. In der Dunkelheit marschierte er von Hohenfriedberg auf Reichenau und stieß dabei auf das Lager des Königs. Er hielt es für das österreichische und stellte sich links daneben auf, sodaß er der preußischen Armee den Rücken kehrte. Noch in derselben Nacht erhielt der König Meldung davon. Die Preußen blieben unter Gewehr und gingen noch vor Tagesanbruch zum Angriff vor. Einige Kanonenschüsse brachten den Feind in Unordnung. In diesem Augenblick griff ihn die preußische Kavallerie an und nahm ein ganzes Pandurenbataillon, 800 Mann stark, gefangen. Dann verfolgte sie das Becksche Korps auf seiner Flucht nach Hohenfriedberg und weiter bis nach Rohnstock. Es wäre den Österreichern noch übler ergangen, wäre nicht Fürst Löwenstein mit<59> frischen Truppen zu Hilfe geeilt. So aber nahm er die Flüchtlinge auf und deckte ihren Rückzug (12. September).

Bei dem Getöse des Geschütz- und Infanteriefeuers glaubte Zieten an ein ernstes Gefecht in der linken Flanke des Königs. Es schien ihm deshalb gewagt, die Armee in einem Augenblick zu verlassen, wo seine Gegenwart vielleicht notwendig werden konnte. So schob er seinen Abmarsch bis Mittag auf, versäumte damit aber den günstigen Augenblick und konnte nun nur noch bis Hartau vorrücken, wo er ein Lager bezog; denn Laudon hatte inzwischen alle Pässe nach Landeshut besetzt, und Lacy hatte mit 20 000 Mann die Stellung bei Ruhbank eingenommen. Nauendorfs Korps war im Lager bei Zirlau, unfern von Freiburg, geblieben. Es hatte sich in der Ebene ausgedehnt und Streifkorps bis Jauer und Liegnitz vorgeschickt. Der König sandte Krockow nach Wahlstatt. Dort überraschte er ein mehr als 300 Mann starkes Nauendorfsches Korps und brachte es gefangen zur Armee zurück.

Daun war indessen nicht so ruhig, wie es schien. Er ließ die Straßen von Landeshut nach Bolkenhain herrichten und Truppen durch Ruhbank marschieren. Hielt man all seine Vorbereitungen zusammen, so war es klar, daß er die Armee des Königs durch eine Umgehung überrumpeln und ihr auf dem eben ausgebesserten Wege nach Bolkenhain in den Rücken fallen wollte. Die Gefahr ließ sich vermeiden. Sich ihr auszusetzen, wäre tollkühn gewesen. Außerdem taugen Preußen besser zum Angriff als zur Verteidigung. Auch war die ganze Gegend ausfouragiert. Anstatt es also auf den unsichern Ausgang von Dauns Plan ankommen zu lassen, faßte der König den Entschluß, lieber selbst Dauns rechten Flügel zu umgehen, also gerade in umgekehrter Richtung, wie bei der Umgehung Laudons durch den rechten preußischen Flügel.

Am 16. abends verließ die Armee das Lager von Reichenau und Baumgarten. Sie suchte zunächst die Kunzendorfer Höhen zu gewinnen, aber der Feind konnte sie rascher erreichen und kam den Preußen zuvor. Beim Durchmarsch durch Zirlau fing Fürst Löwenstein, der in der Nähe lagerte, sofort ein Scharmützel an, das bald in eine lebhafte Kanonade überging. Um dem feindlichen Artilleriefeuer weniger ausgesetzt zu sein, marschierte die preußische Armee 3 000 Schritt vom Gebirge entfernt. Der Feind ging aber von den Höhen herab und verringerte damit etwas die Entfernung. Kaum hatte Zieten mit der Arrieregarde das Lager verlassen, so wurde er unterwegs beständig beunruhigt. Dadurch wurde sein Marsch verzögert, und so mußte die Spitze der Armee mehrfach haltmachen, damit der Abstand nicht zu groß wurde und man sich im Notfall gegenseitig unterstützen konnte. Sobald die Avantgarde bei Kunzendorf anlangte, besetzten Husaren und Dragoner die dortigen Höhen, aber die preußische Infanterie konnte zu ihrer Unterstützung nicht rasch genug folgen. Gleichzeitig erschien von Fürstenstein aus die Daunsche Avantgarde. Die Husaren und Dragoner waren zu schwach, um allein den wichtigen Posten zu halten, und mußten ihn wieder aufgeben. Abermals verursachte die preußische Arrieregarde, die den Marsch der Armee so sehr verzögerte, einen Aufenthalt bei Schönbrunn. Es<60> bedurfte einiger Zeit, bis sie wieder den Anschluß an die hinteren Kolonnen fand. In dem Wahn, diese Gelegenheit ausnutzen zu können, griffen die feindlichen Generale die preußische Infanterie mit 30 Schwadronen an. Sie wurden jedoch mit starken Geschützsalven und heftigem Gewehrfeuer empfangen und von den Seydlitz- und Prinz-Heinrich-Kürassieren60-1 auf ihre eigene Infanterie zurückgeworfen.

Endlich erreichte der König, stets seitlich von den Kaiserlichen begleitet, die Ortschaft Bögendorf. Von da schob er seine Avantgarde bis auf die Höhen von Hohengiersdorf vor. Doch mußte man dort erst einen Verhau wegräumen, den der Feind zur Sperrung des Gebirgsweges errichtet hatte. Jetzt wurden Daun die Absichten des Königs einigermaßen klar. Er stellte seine Armee fünf bis sechs Treffen tief bei Ober-Bögendorf auf, um das Plateau von Hohengiersdorf auf einem nahen Wege noch vor den Preußen zu besetzen. Zietens Geschütze jedoch beschossen den Feind so erfolgreich, daß die Verwirrung in seinem Korps allgemein wurde. Indes erreichte Wied mit zwei Bataillonen der Regimenter Prinz Heinrich und Jung-Braunschweig die Hohengiersdorfer Höhe zuerst. Er traf dort auf 10 abgesessene österreichische Schwadronen und jagte sie sofort mit einigen Kanonenschüssen in die Flucht. Als er aber weiter vorrückte, um dem Feinde den Weg zu dem Plateau zu verlegen, stieß er auf die Spitze von 10 Grenadierbataillonen, die Daun in der gleichen Absicht vorgeschoben hatte. Wied griff sie an. Das Gefecht60-2 war ebenso lebhaft wie kurz. Die Österreicher wurden geschlagen und verloren 600 Grenadiere und 14 Kanonen. Die Avantgarde und der linke preußische Flügel folgten Wied und nahmen Stellung von dem Plateau bis zum Blauen Ranzen. Die vom Feinde eilig besetzten Höhen von Seitendorf wurden rekognosziert. Die Kanonade hatte vom frühen Morgen den ganzen Tag über gedauert und endigte erst um halb zehn abends. Bis Breslau hatte man den Kanonendonner gehört. Bei seiner Stärke glaubten die Offiziere der dortigen Besatzung, eine Schlacht wäre im Gange. Und doch handelte es sich in Wahrheit nur um einen Marsch. In früheren Zeiten war manche Schlacht mit weniger Geschützfeuer geschlagen worden. Der Zweck des Marsches war die Erreichung von Waldenburg und die Vernichtung der dortigen feindlichen Bäckerei. Aber durch die fortwährenden Kämpfe hatten sich die Preußen derart versäumt, daß sie ihren Vorteil nicht weiter ausnutzen konnten.

Am nächsten Tage besetzte die Armee des Königs mit Ausnahme der Kürassiere die Höhen von Hohengiersdorf und versuchte über Reußendorf und den Kohlberg nach Waldenburg vorzudringen. Aber Laudon war den Preußen in der Nacht zuvorgekommen und hatte bereits die dorthin führenden Pässe besetzt. Auch Lacy hatte sich in jener Stellung mit ihm vereinigt, und so lief das Unternehmen der Preußen auf eine bloße Kanonade hinaus. Inzwischen setzte sich der König in Besitz der Höhen<61> von Bärsdorf. Der linke Flügel seines Lagers stützte sich auf Kynau. Von dort zog sich die Linie über Bärsdorf bis nach Dittmannsdorf, wo das Hauptquartier war, und weiter über den Blauen Ranzen. Die Reserve unter Forcade lagerte auf dem Plateau von Hohengiersdorf beim äußersten rechten Flügel. Dauns Stellung umfaßte ein viel weiteres Gebiet. Das Laudonsche und Lacysche Korps erstreckte sich von Jauernick und Tannhausen über Reußendorf bis Seitendorf. Von dort zog sich die Daunsche Armee über den bis nach Bögendorf verlaufenden Höhenkamm. Löwenstein und Beck sicherten die linke Flanke. Ihre Front war nach Schweidnitz gerichtet. Nauendorf deckte Dauns Rücken bei Fürstenstein. Beide Armeen hatten sich derart in den Bergen eingeschachtelt, daß keine vorrücken konnte, und beider Lager waren unangreifbar. Auch standen sie einander so nah, daß sich die Generale jeden Augenblick erfolgreich mit Artillerie beschießen konnten. Aber das hätte zu nichts geführt, und so verhielten sie sich äußerst ruhig. Die Vorposten standen sich Auge in Auge gegenüber. Alles Schießen war untersagt. Es sah aus, als wäre ein Waffenstillstand abgeschlossen. Ja, es ging so weit, daß Österreicher und Preußen die in der Dunkelheit verirrten Patrouillen aufnahmen und sie auf den Weg zu ihren Stellungen führten. Aber sogar hier im Gebirge, wo selbst die Laune der Natur Festungen zu bilden schien, verschanzten sich beide Teile noch zu ihrer größeren Sicherheit.

Allmählich aber fühlte sich Daun in seiner Lage bedrückt. Es war ihm unerträglich, einen Feldzug verloren zu sehen, auf dessen glücklichen Ausgang er die größten Hoffnungen gesetzt hatte. Die Fourage in den Bergen war aufgebraucht. In die Ebene konnte er nur kleine Abteilungen senden, dazu erschwerten die schlechten Straßen den Transport der aus Böhmen kommenden Proviantzüge. Kurz, der Feldmarschall war im Begriff, Schlesien zu räumen, da er dort nichts weiter auszurichten vermochte. Er war höchst verdrossen darüber und fand zur Aufbesserung seiner mißlichen Lage kein anderes Mittel, als den König durch eine Diversion, die ihn ins Mark traf, zum Abmarsch zu zwingen. So setzte er denn Himmel und Erde in Bewegung, um die russischen Generale, insbesondere Ssaltykow, zum Vordringen zu bewegen. Nach seinem Plane sollte ein russisches Korps stracks auf Berlin marschieren. Um die Russen zu diesem Manöver zu ermuntern, beschloß er, ihnen eine Abteilung eigener Truppen zu schicken. Das schien ihm das einzige Mittel, um den König zu zwingen, seinen Erblanden zu Hilfe zu eilen und somit Schlesien zu verlassen, bevor er die Österreicher zum Rückzug nach Böhmen zwingen konnte. Zur Einleitung dieses Unternehmens sandte Daun einen General ins russische Lager. Auch der Wiener Hof schickte zur Unterstützung des Planes täglich Kuriere nach Petersburg. Mit dem Köder von Plünderung und Beute suchte man die Russen zu locken, und zweifellos gingen sie dieser Aussicht wegen auf die Absichten der Österreicher ein. Um den Russen bei der Ausführung des Planes beizustehen, wurde Lacy nach Seitendorf abgeschickt. Der König erfuhr davon, sandte aber dessenungeachtet Wied mit 6 000 Mann nach Oberschlesien. Der stieß dort auf das Bethlensche Korps bei Neu<62>stadt. Auf einem Rekognoszierungsritt verloren die Krockow-Dragoner aus Ungeschick 120 Mann. Aber das sind nur Kleinigkeiten.

Am 20. September waren Tschernyschew und Tottleben mit ungefähr 20 000 Mann aufgebrochen. Sie hatten die Oder bei Beuthen überschritten und waren von dort nach Christianstadt vorgerückt, indes Ssaltykow von Schlichtingsheim in Polen auf Frankfurt marschierte, wo er am 6. Oktober eintraf.

Seit dem Abmarsch des Königs standen die Dinge in Sachsen schlecht. Die Reichstruppen nahmen sofort Nossen. Hülsen war zu schwach zur Besetzung aller Stellungen, die ihn vor einer Umgehung durch den Prinzen von Zweibrücken sichern konnten. Er war daher außerstande, seine Stellung bei Schlettau zu halten, und ging auf Strehla zurück. Der Feind rückte sofort nach. Luszinsky griff seine linke Flanke und Prinz Stolberg62-1 den rechten Flügel auf dem Dürren-Berg an62-2. Aber die dort stehende Brigade unter Braun62-3 warf den Feind tapfer zurück. Gleichzeitig fielen auch die Schorlemer-Dragoner und die Kleist-Husaren über den Prinzen her und trieben seine Truppen vollends in die Flucht. Dabei wurden der österreichische Oberst Prinz Nassau, 20 Offiziere und 400 Mann gefangen genommen. Der Prinz von Zweibrücken zog sich daraufhin zurück. Hülsen schien aber noch nicht genug Feinde vor sich zu haben; denn der Zufall ließ ihm noch neue entstehen. Der Herzog von Württemberg hatte sich von dem Schreck über das unglückliche Treffen bei Fulda im vorigen Jahre62-4 erholt und erschien aufs neue im Felde. Unter den Fahnen der Österreicher glaubte er mehr Glück zu haben als bei den Franzosen. Auch diesmal hatte er es zur Bedingung seiner Solddienste gemacht, daß sein Korps einzeln verwendet würde. Er zog nun mit der festen Absicht nach Sachsen, Freund und Feind gleichmäßig zu plündern. Zu dem Zweck folgte ihm eine ganze Synagoge von Juden, an die er seine Beute abzusetzen gedachte. Dieser Trupp von Hebräern wurde sein Sanhedrin62-5 genannt.

Als der Herzog in der Gegend von Grimma erschien, hielt Hülsen ein längeres Verweilen in Strehla für unangebracht. Er zog sich nach Torgau zurück, um sein dortiges Magazin, solange es die Umstände erlaubten, zu decken. Der Prinz von Zweibrücken folgte den Preußen auf dem Fuße und lagerte bei Belgern. Der Herzog von Württemberg rückte von Bitterfeld nach Pretzsch vor. Luszinsky marschierte nach Dommitzsch, schlug dort eine Brücke und ging noch am nämlichen Tage über die Elbe. Dann rückten der Prinz von Zweibrücken, Hadik und Macquire gleichzeitig gegen Hülsen vor und besetzten die Höhen von Süptitz. Diese vereinten Bewegungen und der Übergang des Luszinskyschen Korps über die Elbe ließen Hülsen befürchten, daß der Feind Torgau belagern wolle. Auch mußte er auf ein Vor<63>dringen gegen Berlin gefaßt sein, wo nur wenig Truppen standen. Solch gefährlichen Absichten wollte Hülsen zuvorkommen. Er ging deshalb bei Torgau über die Elbe (26. September) und lagerte sich bei Jessen an der Mündung der Elster. Sofort nach seinem Abmarsch verbrannten die Feinde die Torgauer Brücke. Der Kommandant der Festung, Normann, versuchte nicht einmal, sich zu verteidigen und ergab sich in seiner Feigheit noch am gleichen Tage63-1. Dabei fielen die Besatzung von 800 Mann, viele Kranke und ein bedeutendes Magazin in die Hände der Kaiserlichen. Dann rückte der Prinz von Zweibrücken über die Elster, und Hülsen zog sich nach Koswig zurück, da er den Feinden in seiner Front und in seinem Rücken nicht gleichzeitig widerstehen konnte. Wie wir gleich hören werden, wurde er von Koswig nach Berlin gerufen. Sofort wurde Wittenberg belagert, aber der dortige Kommandant, Salenmon63-2, verteidigte sich tapfer und entschlossen. Die Feinde bombardierten die Stadt und legten drei viertel in Asche. Schließlich ging die Munition aus. Dennoch ergab er sich erst am 14. Oktober, nachdem er alles geleistet hatte, was man von einem Manne von Ehre erwarten durfte.

Der völlige Umschwung der Dinge in Sachsen und die Gefahr, die Berlin drohte, waren Gründe genug für den König, seinen Provinzen eiligst zu Hilfe zu kommen. Man war schon im Oktober. Es war also kaum anzunehmen, daß der in seinen Vorbereitungen so langsame Feind in der vorgeschrittenen Jahreszeit noch eine Belagerung beginnen werde, zumal in Schlesien all seine Maßnahmen vereitelt waren. Aller Wahrscheinlichkeit nach mußte der König also annehmen, daß er Schlesien ohne Gefahr verlassen könnte. Da nun seine Gegenwart anderswo so dringend nötig ward, rief er Wied aus Oberschlesien ab und verließ am 7. Oktober das Lager von Dittmannsdorf. Er marschierte über Bunzelwitz, Jauer, Konradsdorf und Primkenau nach Sagan und vereinigte sich dort am 11. mit Goltz. Dieser hatte aus später zu erwähnenden Gründen Werner nach Kolberg detachiert. Von Sagan marschierte die Armee des Königs über Guben nach Groß-Muckro, wo sie am 15. Oktober eintraf. Der König wollte den Russen in den Rücken fallen und das ganze Korps aufreiben, das sich bis Berlin vorgewagt hatte. Aber das war unnötig; denn die Dinge nahmen eine andere Wendung. Tschernyschew und Tottleben waren über Guben und Beeskow marschiert und am 3. Oktober vor den Toren Berlins erschienen.

Der Prinz von Württemberg, der gegen die Schweden stand, hatte Wind davon bekommen. Seine Kriegführung gegen die Schweden blieb immer die gleiche. Ging der Feind über die Peene, so wurde eins seiner Detachements geschlagen. Dann ging er wieder zurück, um an einem anderen Punkte vorzurücken. Kurz, es ereignete sich auf diesem Kriegsschauplatze nichts, was die Aufmerksamkeit der Nachwelt verdiente. Als der Prinz von Württemberg von dem Vormarsch der Russen erfuhr,<64> stand er gerade in Pasewalk. Er hatte Werner aus Pommern an sich gezogen, wo dieser die glänzendsten Erfolge über die Russen errungen hatte. Der Seltsamkeit wegen wollen wir Werners Zug beschreiben, um den tragischen Ernst der Darstellung etwas aufzuheitern.

Mit 26 Kriegsschiffen, zu denen noch ein schwedisches Geschwader stieß, hatten die Russen den Admiral Zacharias Danielowitsch Mischukow zur Belagerung Kolbergs abgeschickt. Am 26. August eröffnete er die Laufgräben und setzte seine Operationen bis zum 18. September fort. Der Kommandant64-1 und die Besatzung von Kolberg verrichteten bei der Verteidigung und bei den Ausfällen Wunder der Tapferkeit. Auf die Nachricht von der Belagerung hin wurde Werner von Schlesien aus mit 4 Bataillonen und 9 Schwadronen Kolberg zu Hilfe gesandt. Er kommt an, überrascht den Feind bei Sellnow, bemächtigt sich des wichtigen Defilees bei Kautzenberg und wirft sich in die Stadt64-2. Noch in derselben Nacht hebt der Feind die Belagerung auf, geht an Bord der Schiffe und läßt 15 Kanonen, 7 Mörser und seine ganze Kriegsmunition im Stich. Werner macht 600 Gefangene und zeigt sich am folgenden Tage am Ostseeufer. So unglaublich es klingt, sein Erscheinen verbreitet solchen Schrecken, daß die Flotte die Anker lichtet, die Segel hißt und aufs hohe Meer fährt. So war es Werner vorbehalten, mit einigen Husarenschwadronen eine Flotte in die Flucht zu schlagen.

Nach völliger Vertreibung der Russen aus Pommern rückte der General nach Prenzlau und vereinigte sich dort mit dem Prinzen von Württemberg. Werner und Belling blieben in der Gegend zur Abwehr der Schweden. Der Prinz von Württemberg dagegen rückte in Eilmärschen nach Berlin und traf dort am 4. Oktober ein.

In Berlin hatte alles zu den Waffen gegriffen. Selbst die Invaliden und Kranken wurden zur Verteidigung herangezogen. Die Befestigungen der Stadt bestanden aus einigen vor den Toren errichteten Erdschanzen. Diese wichtigen Posten waren verwundeten oder kranken Generalen anvertraut, die sich gerade in Berlin befanden. Der Prinz von Württemberg machte mit seiner Kavallerie einen Ausfall aus dem Schlesischen Tor. Dabei stieß er auf den Feind und wurde sechs Stunden lang von Tottleben angegriffen, der ihn mit 7 000 bis 8 000 Kosaken und Dragonern umzingelte. Der Prinz warf sie aber nicht nur zurück, sondern jagte den Feind bis Köpenick. Am folgenden Tage wurde das Schlesische Tor von 2 000 Mann russischer Infanterie angegriffen. Dort leitete Seydlitz die Verteidigung, obgleich er von seiner bei Kunersdorf empfangenen Wunde noch nicht geheilt war, und schlug die Russen zurück. Inzwischen hatte Hülsen Nachricht von der Gefahr erhalten, in der die Hauptstadt schwebte, und war von Koswig herbeigeeilt.

Wären nur die Russen zu vertreiben gewesen, so wäre das wohl geglückt. Als aber auch Lacy eintraf, konnte die Stadt sich nicht länger halten. Schon hatte er Potsdam<65> und Charlottenburg besetzt und näherte sich Berlin von Süden. Der Umkreis der Stadt beträgt drei Meilen. Unmöglich konnten also 16 000 Mann eine so ausgedehnte Linie, die nicht einmal Wälle und Festungswerke besaß, gegen 20 000 Russen und 18 000 Österreicher verteidigen, die von andrer Seite nichts zu befürchten hatten und daher alles wagen konnten. Schon begann der Feind die Stadt zu bombardieren. Ließ man es aufs Äußerste ankommen, so liefen die Truppen Gefahr, in Gefangenschaft zu fallen, und Berlin wurde von Grund aus zerstört. Aus diesen wesentlichen und triftigen Gründen faßten die Generale den Entschluß zum Rückzuge und empfahlen dem Magistrat die Absendung einer Deputation an die feindlichen Generale zum Abschluß einer Art von Kapitulation. In der Nacht zum 9. Oktober rückten der Prinz von Württemberg und Hülsen ab und zogen sich nach Spandau zurück. Nur das Jägerkorps erlitt dabei einige Verluste. Noch am selben Tage marschierten die Russen in Berlin ein. Es wurde vereinbart, daß die Bürgerschaft durch Kriegssteuer zwei Millionen aufbringen und sich dadurch von einer Plünderung loskaufen sollte65-1. Trotzdem hatten Lacy und Tschernyschew nicht übel Lust, einen Teil der Stadt anzuzünden. Ohne die nachhaltigen Vorstellungen des holländischen Gesandten Verelst65-2 wäre es vielleicht zu einer Katastrophe gekommen. Der edle Republikaner wies die Feinde auf die Menschenrechte hin und schilderte ihnen ihre Barbarei mit so abschreckenden Farben, daß sie sich schämten. Ihre ganze Wut und Wildheit ließen sie an den königlichen Schlössern in Charlottenburg und Schönhausen aus, die von den Sachsen und Kosaken geplündert wurden.

Nun verbreitete sich das Gerücht vom Anmarsch des Königs. Lacy und Tschernyschew hatten Nachricht erhalten, der König beabsichtige sie abzuschneiden. Die Kunde<66> erfüllte sie mit Schrecken und beschleunigte ihren Aufbruch. Am 12. traten sie den Rückzug an. Bei Frankfurt und Schwedt gingen die Russen wieder über die Oder, und am 15. zog sich Ssaltykow nach Landsberg an der Warthe zurück. Lacy plünderte, was er irgend auf seinem Wege antraf, und langte nach drei Tagen wieder in Torgau an. Ungewiß, was sie tun sollten, hatten sich der Prinz von Württemberg und Hülsen nach Koswig gewandt und dort Kantonnementsquartiere bezogen.

Bei Groß-Muckro erfuhr der König all diese Einzelheiten. Da nun ein Kampf gegen die Russen nicht mehr nötig war, konnte er seine ganzen Kräfte ungehindert nach Sachsen wenden. Statt also nach Köpenick zu marschieren, schlug er die Straße nach Lübben ein. Indessen war Daun dem König in die Lausitz gefolgt und näherte sich eben Torgau. Da man erfuhr, daß Laudon in Löwenberg geblieben war, erhielt Goltz Befehl, nach Schlesien zurückzukehren und dort so gut wie möglich den österreichischen Unternehmungen entgegenzutreten. Am 22. kam die Armee des Königs in Jessen an. Die Truppen des Prinzen von Zweibrücken hielten das ganze linke Elbufer besetzt, standen aber mit ihrem Gros gegenüber Wittenberg bei Pratau. Beim Anrücken der preußischen Spitze räumte der Prinz die Festung.

Die jähen Umschläge dieses Feldzuges erforderten neue Entschließungen und Maßnahmen. In Sachsen besaßen die Preußen nicht ein einziges Magazin mehr. Die Armee des Königs lebte von der Hand in den Mund. Etwas Mehl traf aus Spandau ein, aber auch diese Vorräte gingen auf die Neige. Überdies war ganz Sachsen in den Händen des Feindes. Daun mußte jeden Augenblick in Torgau eintreffen; die Reichstruppen hielten die Elbufer besetzt, und der Herzog von Württemberg stand in der Gegend von Dessau. Um sich alle diese Feinde vom Halse zu schaffen, schob der König Hülsen und den Prinzen von Württemberg nach Magdeburg vor. Dort sollten sie über die Elbe gehen und die Mehlkähne nach Dessau geleiten; denn bei Dessau wollte der König mit seinem rechten Flügel über die Elbe gehen und sich wieder mit Hülsen vereinigen. Im Fürstentum Halberstadt stieß der Prinz von Württemberg auf eine Abteilung seines Bruders, des Herzogs, und vernichtete sie völlig. Darob erschrak der Herzog so gewaltig, daß er sich über Merseburg und Leipzig nach Naumburg zurückzog.

Am 26. ging der rechte preußische Flügel über die Elbe und vereinigte sich dicht bei Dessau mit Hülsen und dem Prinzen von Württemberg. Auf diese Bewegung hin verließ der Prinz von Zweibrücken die Elbufer und zog sich über Düben nach Leipzig zurück. In einem Walde zwischen Oranienbaum und Kemberg hatte er Ried zurückgelassen. Der hatte sich indes unüberlegt aufgestellt; denn er besetzte das Gehölz mit Husaren und postierte seine Panduren in der Ebene. Die preußische Avantgarde griff ihn an, schlug seine völlig zerstreuten Truppen einzeln und rieb das Korps fast ganz auf (27. Oktober). Ried wurde bis Pretzsch getrieben und konnte dort von den 3 600 Mann, die er vor dem Gefecht besessen, nur 1 700 wieder zusammenbringen. Sobald die Armee Kemberg erreicht hatte, ging Zieten über die Elbe. Er hatte den<67> Feind mit dem linken Flügel bei Wittenberg in Schach gehalten und stieß nun wieder zur Hauptarmee.

Inzwischen hatte sich Daun mit Lacy in Torgau vereinigt. Nach sicherer Kunde hatte seine Avantgarde die Straße nach Eilenburg eingeschlagen. Es war daher nur anzunehmen, daß Daun sich mit den Reichstruppen vereinigen wollte. Auf diese Mutmaßung hin marschierte die preußische Armee nach Düben, um die für die preußischen Interessen so bedrohliche Vereinigung zu verhindern. Dort stieß man auf ein Korps Kroaten, das teils gefangen genommen, teils niedergehauen wurde. In Düben errichtete der König ein Magazin. Da der Ort auf einer Halbinsel liegt und fast ganz von der Mulde umflossen wird, so erschien er dazu besonders geeignet. Auch wurden einige Schanzen errichtet und Sydow67-1 mit 10 Bataillonen zu ihrer Verteidigung zurückgelassen. Dann marschierte die Armee auf Eilenburg. Dort hatten sich die österreichischen Truppen gelagert. Sie zogen sich nun aber Hals über Kopf über Mockrehna nach Torgau zurück und ließen sogar einen Teil ihrer Zelte im Stich. Die preußische Armee lagerte sich mit dem rechten Flügel bei Thallwitz, mit dem linken bei Eilenburg. Hülsen mußte mit einigen Bataillonen über die Mulde gehen und nahm Stellung zwischen Bötzen und Gostemitz gegenüber dem Prinzen von Zweibrücken, der bei Taucha stand. Bei der Lage der Dinge mußten zunächst die Reichstruppen vertrieben werden, damit sie den Preußen nicht in den Rücken fielen oder sich mit den Österreichern vereinigten. Die Ausführung dieses Planes war leicht. Hülsen schreckte sie auf. Sie zogen noch vor Tagesanbruch ab, gingen über die Pleiße, dann über die Elbe und schließlich bis Zeitz zurück. Tapfer griff Major Quintus67-2 mit seinem Freibataillon ihre Nachhut an, ja er machte dabei noch 400 Gefangene. Nach dem glücklichen Ablauf dieses Unternehmens setzten die Preußen sich wieder in den Besitz von Leipzig, und Hülsen stieß zur Armee.

Bis jetzt waren alle Ereignisse zum Vorteil des Königs ausgeschlagen. Der Einfall der Russen und die Einnahme von Berlin, die so folgenschwer erschienen, waren noch leidlich gut abgelaufen. Sie hatten nur Kontributionen und Geld gekostet. Der Feind war von den Grenzen der Kurmark abgedrängt. Man hatte Wittenberg und Leipzig wiedererobert, ja sogar die Reichsarmee so weit zurückgeworfen, daß ihre Vereinigung mit den Österreichern für die nächste Zeit nicht zu befürchten war. Damit war aber noch nicht alles getan, und gerade in der Ausführung der übrigen Pläne lag das schwerste Stück Arbeit.

Die Russen hatten bei Landsberg an der Warthe eine Stellung bezogen, aus der sie den Vorgängen in Sachsen ruhig zuschauen konnten. Indessen hatte der König erfahren, daß sie ihre Gründe hatten, sich nicht zu weit zu entfernen. Falls nämlich die Österreicher Erfolge über die Preußen errangen oder Daun sich bei Torgau behaupten konnte, wollten sie aufs neue in die Kurmark eindringen und dann in Ver<68>bindung mit den Österreichern ihre Winterquartiere längs der Elbe beziehen. Für die Preußen hätte die Ausführung dieses Planes verhängnisvolle, ja verzweifelte Folgen gehabt. Die Feinde hätten dann die Armee des Königs nicht nur von Schlesien und Pommern, sondern auch von Berlin abgeschnitten. Und doch war die Hauptstadt die Nährmutter der Armee. Sie lieferte Uniformen, Waffen, Bagage und alle Kriegsbedürfnisse. Hinzu kam, daß die Preußen ihre Winterquartiere dann nur jenseits der Mulde, zwischen Pleiße, Saale, Elster und Unstrut, hätten nehmen können. Dies Gebiet war aber zu beschränkt und konnte so viele Truppen während des Winters nicht ernähren. Wo wären ferner die Magazine für den Frühling, die Uniformen und Rekruten hergekommen? In diesem schmalen Raume wäre die preußische Armee auf die der Verbündeten gedrängt worden und hätte sie durch ihren eigenen Mangel selbst in Not gebracht. Auch ohne gründliche militärische Kenntnisse wird jeder vernünftige Mensch verstehen, daß der König, wenn er es in diesem Herbste dabei bewenden ließ und keine neuen Unternehmungen wagte, sich den Feinden mit gebundenen Händen ausgeliefert hätte. Zu alledem kam, daß das in Düben angelegte Magazin den Unterhalt der Truppen kaum vier Wochen lang decken konnte. Auch mußte die Elbe bei der bereits eingetretenen Kälte sehr rasch zufrieren. Dann konnten auch von Magdeburg aus keine Lebensmittel mehr auf Kähnen herbeigeschafft werden. Kurz, hätte der König jetzt nicht geeignete Maßnahmen getroffen, um den Feind zu vertreiben und sich Raum zur Aufstellung und Verpflegung der Truppen zu schaffen, so war das größte Elend vorauszusehen.

Nach reiflicher Prüfung und Erwägung all dieser Gründe beschloß der König, das Schicksal Preußens auf eine Schlacht zu setzen, falls Dauns Vertreibung von Torgau durch Manövrieren nicht zu erreichen war. Bemerkt sei noch, daß sich nur zwei Möglichkeiten boten, Daun zu beunruhigen. Die eine war, das nur schwach besetzte Dresden vor dem Feinde zu erreichen, die andere, sich der Elbe zu nähern und Daun dadurch um seine Lebensmittel besorgt zu machen, die er auf dem Wasserwege von Dresden bezog. Doch muß man gestehen, daß das letztere Mittel kaum wirklichen Eindruck auf Daun machen konnte, da er ja das ganze rechte Elbufer beherrschte und seinen Proviant jederzeit auf Wagen zu befördern vermochte, wenn es auf Kähnen nicht mehr möglich war. Das Schwierigste bei der Ausführung des ganzen Plans aber lag darin, daß man zwei sich fast widersprechende Dinge vereinigen mußte, nämlich den Übergang über die Elbe und die Sicherung der Lebensmitteldepots. Um nicht gegen die Regeln der Kriegskunst zu verstoßen, durfte sich die preußische Armee bei ihrem Vorrücken nicht von ihrer Verteidigungslinie entfernen; denn mit dieser deckte sie ihre Lebensmittel. Beim Übergang über die Elbe kam sie aber ganz nach rechts ab und entblößte ihre rückwärtigen Verbindungen. Trotzdem versuchte der König das Unternehmen gegen den Feind mit der Sicherung des Depots zu vereinen. Um Daun auf die Probe zu stellen, beschloß er, auf Schildau zu rücken und die Österreicher bei Torgau anzugreifen, falls sie dort ihre Stellung hartnäckig behaupten wollten. Die Strecke<69> nach Schildau betrug nur einen Tagemarsch. Zog sich Daun auf diese Bewegung hin zurück, so brauchte der König keinen Handstreich von ihm gegen Düben zu besorgen. Blieb er jedoch bei Torgau, so lag es auf der Hand, daß ihn ein Angriff am nächsten Tage so in Anspruch nahm, daß er zur Zerstörung des preußischen Magazins keine Zeit fand.

So traf alles zusammen, um den König in seinem Entschluß zu bestärken. Darum ließ er die Armee am 2. November nach Schildau marschieren. Unterwegs war er selbst immerfort bei der Avantgarde der Husaren, um zu beobachten, nach welcher Seite sich die feindlichen Vorposten beim Anmarsch der Preußen zurückziehen würden. Er blieb nicht lange im Zweifel. Die Detachements gingen mit Ausnahme von Brentano alle nach Torgau. Brentano wurde bei Belgern angegriffen, und zwar so, daß er sich nur nach Strehla retten konnte, wobei ihm Kleist noch 800 Gefangene abnahm. Die preußische Armee lagerte zwischen Schildau, Probsthain und Langen-Reichenbach. Daun dagegen blieb unbeweglich bei Torgau stehen. Zweifellos hatte er von Wien aus gemessenen Befehl, seine Stellung um jeden Preis zu behaupten.

Der Angriff wurde auf den nächsten Tag festgesetzt und folgende Dispositionen getroffen. Der rechte österreichische Flügel hatte seinen Stützpunkt hinter den Großwiger Teichen. Das Zentrum hielt die Süptitzer Höhen besetzt. Der linke Flügel dehnte sich gegen die Torgauer Teiche aus und endigte bei Zinna. Außerdem stand Ried zur Beobachtung der preußischen Armee am Rande der Torgauer Heide69-1, und Lacy deckte mit einer Reserve von 20 000 Mann den Damm und die Teiche am äußersten Ende des linken Stützpunktes der Österreicher. Indes hatte das vom Feinde besetzte Gelände keine Tiefe und seine Treffen keine 300 Schritt Abstand. Dieser Umstand kam den Preußen am meisten zustatten. Denn griff man das Zentrum in der Front und im Rücken zugleich an, so befand sich der Feind zwischen zwei Feuern und mußte notwendig geschlagen werden. Um das herbeizuführen, teilte der König seine Armee in zwei Korps. Das eine sollte durch die Torgauer Heide gehen und dann gegen die Elbe vorrücken, um den Feind auf den Süptitzer Höhen im Rücken anzugreifen. Das andere dagegen sollte auf der Straße von Eilenburg nach Torgau vorrücken, eine Batterie auf dem Hügel bei Großwig errichten und gleichzeitig das Dorf Süptitz stürmen. Griffen die Maßnahmen dieser beiden Korps richtig ineinander, so mußte die österreichische Armee notwendig im Zentrum durchbrochen werden. Dann war es nicht schwer, die Trümmer gegen die Elbe aufzurollen; denn das sanft abfallende Gelände gab den Preußen leichtes Spiel, und damit wäre der Sieg vollkommen gewesen.

Am 3. November bei Tagesanbruch setzte sich der König mit den 30 Bataillonen und 50 Schwadronen des linken Flügels in Marsch. In drei Kolonnen durchzogen die Truppen die Torgauer Heide. Der Weg der ersten Infanteriekolonne führte über<70> Mockrehna, Wildenhain, Großwig und Neiden, der der zweiten über Pechhütte, Jägerteich, Buchendorf nach Elsnig. Die dritte Kolonne, die aus Kavallerie bestand, zog durch den Wildenhainer Wald in der Richtung auf Vogelgesang. Zugleich setzte sich Zieten mit dem rechten Flügel in Marsch. Dieser, aus 30 Bataillonen und 70 Schwadronen bestehend, zog auf der Straße von Eilenburg nach Torgau. Der vom König geführte Teil der Armee stieß am Rande der Torgauer Heide auf Ried, der sich dort mit zwei Husaren-, ebensoviel Dragonerregimentern sowie drei Bataillonen Panduren postiert hatte. Schon nach einigen Kanonenschüssen zog er sich auf den rechten österreichischen Flügel zurück. Bei Wildenhain liegt eine kleine Lichtung im Walde. Dort erblickte man 10 Grenadierbataillone in guter Stellung. Sie schienen den Preußen den Weitermarsch verwehren zu wollen und feuerten einige Kanonenschüsse gegen die Kolonne des Königs ab. Das Feuer wurde erwidert. Als sich aber ein Infanterietreffen zum Angriff formierte, zogen sie sich auf die Hauptarmee zurück. Gleichzeitig meldeten die Husaren, das Regiment St. Ignon stände im Walde zwischen den beiden Infanteriekolonnen und sei sogar abgesessen. Sofort ließ der König es angreifen. Da die Dragoner keinen Ausweg zum Entwischen fanden, wurde das ganze Regiment vernichtet. Die erwähnten Grenadiere waren mit den Dragonern zusammen zu einem Handstreich auf Düben bestimmt. St. Ignon wurde selbst gefangen genommen und beklagte sich bitter, daß ihm Ried den Anmarsch der Preußen nicht gemeldet hätte.

Das kleine Gefecht hatte nur eine kurze Weile gedauert. Dann setzten die Truppen ihren Weg fort, und die Spitzen der Kolonnen langten um 1 Uhr mittags am Waldrand in der kleinen Ebene von Neiden an. Dort erblickten sie die Batthyanyi-Dragoner und vier Bataillone, die gerade aus Elsnig herauskamen. Die feuerten aufs Geratewohl einige Kanonenschüsse ab und eröffneten auch ein kurzes Kleingewehrfeuer, zweifellos nur aus Überraschung, weil sie vielleicht einige preußische Husaren bemerkt hatten. Dann zogen sie sich auf eine Anhöhe hinter das Defilee von Neiden zurück. Dort befindet sich ein großer Sumpf, der bei Großwig beginnt, bis an die Elbe reicht und nur auf zwei schmalen Dämmen durchschreitbar ist. Hätte das erwähnte Korps dies ihm sehr günstige Gelände besetzt, so wäre es garnicht zur Schlacht gekommen. Selbst beim festesten Vorsatz wäre dem König dort jeder Angriff auf die Kaiserlichen unmöglich gewesen. Er hätte seinen ganzen Plan aufgeben und schleunigst nach Eilenburg zurückmarschieren müssen. Aber die Dinge nahmen eine ganz andere Wendung.

Die feindlichen Bataillone sputeten sich, zu ihrer Hauptarmee zurückzukommen, zumal sie aus der Richtung, wo Zieten sich befand, ziemlich starken Kanonendonner vernahmen. Allem Anschein nach glaubte der König, seine Truppen wären dort mit dem Feinde bereits handgemein geworden. Daraufhin entschloß er sich mit seinen Husaren und der Infanterie zum Durchgang durch das Defilee von Neiden. Eigentlich sollte die Kavallerie vorangehen, aber sie war noch nicht eingetroffen. Der König<71> schlich sich in ein kleines Gehölz und rekognoszierte persönlich die feindliche Stellung. Er erkannte, daß kein geeigneter Platz zur Formierung gegenüber den Österreichern vorhanden war, außer wenn er durch das Gehölz rückte, das die Truppen einigermaßen deckte. Von dort aus konnte er eine ziemlich beträchtliche Schlucht erreichen, die den Truppen bei ihrer Formierung genügenden Schutz gegen das feindliche Artilleriefeuer bot. Die Schlucht war allerdings nur 800 Schritt von der österreichischen Stellung entfernt, aber das übrige Gelände fiel glacisartig von Süptitz zur Elbe ab. Hätte man die Armee dort formiert, so wäre die Hälfte schon niedergestreckt worden, noch ehe sie an den Feind kam. Daun seinerseits wollte garnicht glauben, daß die Preußen gegen ihn marschierten. Erst auf wiederholte Meldungen hin ließ er das zweite Treffen kehrtmachen und die Mehrzahl der Geschütze vom ersten ins zweite Treffen bringen. Aber trotz aller Vorsicht, womit der König den Aufmarsch seiner Truppen zu decken suchte, schoß ihm der Feind mit den 400 Feuerschlünden seiner Batterien doch viele Leute nieder. 800 Mann wurden getötet und 30 Geschütze mit Pferden, Trains und Bemannung außer Gefecht gesetzt, ehe noch die Kolonnen das Aufmarschgelände erreichten.

Der König stellte seine Infanterie in drei Treffen zu 10 Bataillonen und unternahm mit jedem einen Angriff. Hätte er Kavallerie zur Verfügung gehabt, so hätte er zur Deckung seiner Flanke ein paar Dragonerregimenter in einen Grund rechts von seiner Infanterie geworfen. Aber in seinem unerschütterlichen Phlegma traf der Prinz von Holstein erst eine Stunde nach Beginn der Schlacht ein. Nach den Dispositionen des Königs sollten alle Angriffe gleichzeitig erfolgen. Dann wäre das feindliche Zentrum bei Süptitz entweder vom König oder von Zieten durchbrochen<72> worden. Aber anstatt anzugreifen, schlug sich Zieten lange mit einem Pandurenkorps herum, das er unterwegs in der Torgauer Heide traf, und geriet danach in eine lebhafte Kanonade mit dem Lacyschen Korps, das, wie erwähnt, hinter den Torgauer Teichen stand. Kurz, die Disposition wurde nicht befolgt.

Der König griff allein, ohne Unterstützung durch Zieten und ohne Reiterei an. Das alles hinderte ihn garnicht, seinen Plan zu verfolgen. Das erste preußische Treffen trat aus der Schlucht hervor und marschierte entschlossen gegen den Feind, aber das furchtbare Artilleriefeuer der Kaiserlichen und das abschüssige Gelände waren den Preußen sehr nachteilig. Die meisten preußischen Generale, Bataillonkommandeure und Soldaten wurden getötet oder verwundet. Das Treffen wich und zog sich in einiger Verwirrung zurück. Das benutzten die österreichischen Karabiniers zur Verfolgung der Preußen. Sie ließen nicht eher davon ab, als bis das zweite Treffen einige Salven auf sie abgefeuert hatte. Nun ging das zweite Treffen zum Angriff vor, wurde aber nach einem Kampf, der schwerer und erbitterter war als der erste, gleichfalls zurückgeschlagen. Dabei fiel Bülow72-1, der Führer des Treffens, in Feindeshand.

Endlich langte der Prinz von Holstein mit seiner so sehnlich erwarteten Kavallerie an. Schon befand sich das dritte preußische Treffen im Gefecht. Das Regiment Prinz Heinrich wurde beim Angriff von österreichischer Kavallerie angefallen. Hundt72-2, Reitzenstein72-3 und Prittwitz72-4 eilten ihm mit ihren Husaren zu Hilfe, und umsonst versuchten die Österreicher, das Regiment zu zersprengen. Bei dem furchtbaren Geschützfeuer hatten die Kaiserlichen ihre Munition allzu schnell verschossen. Ihre Artilleriereserve aber hatten sie auf dem anderen Elbufer gelassen, und bei ihrer engen Aufstellung konnten die Munitionswagen zur Versorgung der Batterien nicht durchfahren. Der König benutzte den Augenblick, wo ihr Feuer erlahmte, und ließ die feindliche Infanterie durch die Bayreuth-Dragoner attackieren. Bülow72-5 ritt eine so schneidige und ungestüme Attacke, daß die Regimenter Kaiser, Neipperg, Gaisruck und Kaiserlich-Bayreuth binnen drei Minuten die Waffen streckten. Gleichzeitig griffen die Kürassierregimenter Spaen und Markgraf Friedrich den Teil der feindlichen Infanterie zunächst dem rechten preußischen Flügel an, warfen ihn zurück und brachten viele Gefangene ein.

Der Prinz von Holstein war zur Deckung der linken Infanterieflanke bestimmt. Sein rechter Flügel schloß sich an sie an, während der linke sich gegen die Elbe zog. Bald tauchte der Feind mit 80 Schwadronen ihm gegenüber auf. Sein rechter Flügel stand nach der Elbe zu, der linke gegen Zinna. Hätte O'Donell, der Führer der österreichischen Kavallerie, sich zum Angriff auf den Prinzen von Holstein entschlossen, so war die Schlacht für den König rettungslos verloren. Allein er scheute sich vor einem anderthalb Fuß breiten Graben, dessen Überschreitung den preußischen Plänk<73>lern verboten worden war. Die Österreicher hielten ihn für beträchtlich, da sie ihn vom Gegner respektiert sahen, und blieben dem Prinzen von Holstein gegenüber tatenlos stehen.

Inzwischen hatten die Bayreuther Dragoner die Höhe von Süptitz gesäubert. Nun sandte der König das Regiment Prinz Moritz dorthin, das noch nicht im Kampf gestanden hatte, während der tapfre und verdienstvolle Lestwitz73-1 ein Korps von 1 000 Mann aus verschiedenen bei den ersten Angriffen zurückgeworfenen Truppen formierte und es wieder ins Feuer führte. Diese Truppen bemächtigten sich der Süptitzer Höhe und setzten sich dort mit allen Kanonen fest, die sie in der Eile zusammenbringen konnten.

Endlich war Zieten an seinem Bestimmungsort eingetroffen und griff nun seinerseits an. Schon war es Nacht, und um einen Kampf von Preußen gegen Preußen zu verhindern, schlug die Infanterie auf den Süptitzer Höhen immerfort Marsch. Zieten hatte sie bald erreicht. Kaum aber stellten sich die Truppen dort in einiger Ordnung auf, so rückte Lacy mit seinem Korps an, um die Preußen zu vertreiben. Allein er kam zu spät! Zweimal wurde er zurückgeworfen und zog sich aus Schreck über einen so üblen Empfang um halb zehn Uhr abends auf Torgau zurück. Damit endete die Schlacht.

In den Süptitzer Weinbergen standen die Österreicher und Preußen einander so nahe, daß eine Menge Offiziere und Soldaten beim Umherirren in der Dunkelheit auf beiden Seiten gefangen genommen wurden. Und doch war schon alles zu Ende, und Ruhe und Ordnung waren hergestellt. Ja, sogar als der König selbst nach dem Dorf Neiden reiten wollte, um Siegesbotschaften auszufertigen und den Befehl zu ihrer Bekanntmachung in Brandenburg und Schlesien zu geben, hörte man Räderrollen in der Nähe der Armee. Auf die Frage nach der Losung ertönte die Antwort: Österreicher. Nun stürzte die Bedeckung des Königs darauf los und nahm ein ganzes Pandurenbataillon mit 2 Kanonen gefangen, das sich im Dunkel der Nacht verirrt hatte. Hundert Schritt weiter begegnete der König einem Trupp zu Pferde, der auf das Wer da? antwortete: österreichische Karabiniers. Die Bedeckung des Königs griff sie an und zerstreute sie in den Wald. Einige wurden gefangen und sagten aus, sie hätten sich mit Ried im Walde verirrt und geglaubt, die Kaiserlichen hätten das Schlachtfeld behauptet. Der ganze Wald, den die preußische Armee vor der Schlacht durchquert hatte und an dem der König nun entlang ritt, war voller großer Lagerfeuer, deren Vorhandensein man sich nicht erklären konnte. Einige Husaren wurden zur Erkundung vorgeschickt und brachten die Meldung, rings um die Feuer säßen Soldaten teils in blauen, teils in weißen Uniformen. Nun wurden zur genaueren Informierung Offiziere abgesandt, und schließlich erfuhr man eine seltsame Tatsache, die in der Geschichte wohl ohne Beispiel dasteht. Die Soldaten beider Armeen hatten<74> hier im Walde Zuflucht gesucht und unter sich ausgemacht, sie wollten die Entscheidung zwischen Preußen und Österreichern in voller Neutralität abwarten, sich dem Ausfall des Schlachtenloses fügen und sich dem Sieger ergeben.

Die Schlacht bei Torgau kostete den Preußen 13 000 Mann, darunter 3 000 Tote und 3 000 Gefangene, die bei den ersten zurückgeschlagenen Angriffen in Feindeshand fielen, unter ihnen Bülow und Finck74-1. Der König hatte einen Streifschuß an der Brust erhalten, Markgraf Karl einen Prellschuß; mehrere Generale waren verwundet. Auf beiden Seiten wurde in der Schlacht auf das hartnäckigste gestritten. Diese Erbitterung kostete den Kaiserlichen 20 000 Mann, darunter 4 Generale und 8 000 Mann Gefangene. Auch verlor der Feind 27 Fahnen und 50 Kanonen. Daun selbst war beim ersten Angriff verwundet worden.

Beim Weichen des ersten preußischen Treffens hatte der Feind in allzu übermütiger Hoffnung Kuriere mit Siegesbotschaften nach Wien und Warschau gesandt. Aber noch in der Nacht räumte er das Schlachtfeld und zog sich bei Torgau über die Elbe zurück. Am anderen Morgen ergab sich Torgau an Hülsen. Der Prinz von Württemberg ging über die Elbe, verfolgte den in Unordnung fliehenden Feind und brachte noch eine Menge Gefangene ein. Die Kaiserlichen wären völlig vernichtet worden, hätte nicht Beck, der an der Schlacht nicht teilgenommen hatte, hinter dem Landgraben zwischen Arzberg und Triestewitz Stellung genommen und dadurch ihren Rückzug gedeckt. Daun hätte es ganz in der Hand gehabt, die Schlacht zu vermeiden. Hätte er Lacy statt hinter den Torgauer Teichen, zu deren Verteidigung 6 Bataillone gut genügten, hinter dem Defilee bei Neiden aufgestellt, dann wäre sein Lager unangreifbar gewesen. So können im schwierigen Kriegshandwerk aus den kleinsten Versehen die bedeutendsten Folgen entstehen.

Als die Russen erfuhren, wie das Kriegsglück zwischen den Österreichern und Preußen bei Torgau entschieden hatte, zogen sie sich nach Thorn zurück und gingen über die Weichsel.

Die preußische Armee rückte am 5. nach Strehla vor und am 6. weiter nach Meißen. Am linken Elbufer hatten die Kaiserlichen Lacy zurückgelassen, damit er ihnen den Plauenschen Grund offen hielte. Lacy wollte der preußischen Avantgarde das Defilee bei Zehren streitig machen. Als er aber merkte, daß ihn die feindliche Kavallerie über Lommatzsch zu umgehen suchte, floh er nach Meißen und zog sich von dort über die Triebisch zurück. Aber so schnell er auch marschierte, seine Arrieregarde wurde doch angegriffen und verlor 400 Mann. Die Verfolgung wurde fortgesetzt; denn man wollte die Verwirrung und Unordnung des Feindes wo möglich benutzen, um im Handgemenge mit ihm in den Plauenschen Grund zu dringen und sich dieser wichtigen Stellung zu bemächtigen. Aber so sehr sich die Preußen auch sputeten, sie kamen doch zwei Stunden zu spät. Beim Eintreffen in Unkersdorf be<75>merkten sie schon ein feindliches Korps, das die Stellung auf dem Windberg besetzt hatte und dessen rechter Flügel sich bis zum Trompeterschlößchen ausdehnte. Es war Hadik. Er und der Prinz von Zweibrücken waren von Leipzig über Zeitz und Roßwein heranmarschiert. Auf die Nachricht von der Niederlage der Kaiserlichen bei Torgau rückten sie in großer Eile vor, um Dresden noch vor dem Eintreffen der Preußen zu decken. So fand das weitere Vordringen des Königs denn bei Unkersdorf ein Ende, und die Schlacht von Torgau ließ sich nicht weiter ausnutzen.

Daun hatte wegen seiner Verwundung den Oberbefehl an O'Donell übertragen. Der General ging bei Dresden über die Elbe zurück und sandte von dort die Regimenter, die am meisten gelitten hatten, zur Wiederherstellung in Erholungsquartiere nach Böhmen.

Der Prinz von Württemberg, der in Sachsen nicht mehr notwendig war, kehrte nach Pommern zurück, vereinigte sich mit Werner und Belling und säuberte in Gemeinschaft mit ihnen die preußischen Provinzen alsbald von den dort noch herumstreifenden Schweden. Dann kehrte er nach Mecklenburg zurück, wo er seine Winterquartiere bezog.

Seit der König und Daun Schlesien verlassen hatten, war Laudon aus Löwenberg aufgebrochen und bis Leobschütz vorgerückt. Er wollte Kosel erobern und ließ die Festung zweimal hintereinander, am 24. und 25. Oktober, bestürmen. Beide Angriffe scheiterten aber infolge der guten Maßnahmen des Kommandanten Lattorff75-1. Als dann Goltz anmarschierte (28. Oktober), mußte Laudon die Belagerung aufheben. Er zog sich nach Ober-Glogau und von dort auf die Höhen von Kunzendorf zurück. Als er aber Goltz mit 22 Bataillonen und 36 Schwadronen gegen sich anrücken sah, ging er auf der Straße über Martha in die Grafschaft Glatz zurück. Dort und in den benachbarten böhmischen Kreisen bezog er Winterquartiere.

Die preußische Armee dehnte sich von Neiße über Schweidnitz bis Landeshut, Löwenberg und Görlitz aus. In Sachsen zog sich die Truppenlinie über Elsterwerda, Koswig, Torgau, Meißen, Freiberg und Zwickau bis Naumburg. Der König legte sein Hauptquartier nach Leipzig, um dem Prinzen Ferdinand von Braunschweig zur Verabredung gemeinsamer Unternehmungen gegen die Franzosen und Sachsen näher zu sein. Denn sie waren bis Mühlhausen und Duderstadt vorgedrungen.

Zum Verständnis der Operationen dieses Winters ist eine Darstellung des Feldzuges der Verbündeten notwendig. Sie hatten in diesem Jahre wenig Glück gehabt, trotzdem die verbündete Armee durch 7 000 Engländer und fast ebensoviel leichte, im Winter ausgehobene Truppen verstärkt worden war. Am 20. Mai eröffnete Prinz Ferdinand den Feldzug. Er zog seine Truppen bei Fritzlar zusammen und schob Imhoff und Luckner zur Besetzung der wichtigen Stellungen bei Kirchhain und<76> Amöneburg vor. Links von ihnen wurde Gilsa detachiert, der sich bei Hersfeld festsetzte. Bald darauf mußte der Erbprinz76-1 ins Bistum Fulda einrücken, um die von dort kommenden Fouragelieferungen zu decken.

Die französische Armee sammelte sich erst am 10. Juni bei Friedberg. Broglie ließ den Grafen von der Lausitz76-2 sofort zur Beobachtung der Bewegungen des Erbprinzen ins Bistum Fulda einrücken. Aus diesen ersten Schritten waren die Feldzugspläne der Franzosen indes noch nicht klar ersichtlich, und so konnte man noch keine bestimmten Gegenmaßregeln treffen. Außerdem war Prinz Ferdinand überzeugt, daß Frankreich in diesem Jahre seine Kräfte vornehmlich am Niederrhein entfalten werde. Diese Annahme wurde für den Verlauf des Feldzuges verhängnisvoll. Er wäre vielleicht anders ausgefallen, wenn der Prinz den Franzosen an der Eder zuvorgekommen wäre. Broglie wollte nämlich in Hessen einfallen und von da, wenn irgend möglich, nach Hannover vordringen. Darauf waren alle seine Operationen angelegt. Prinz Ferdinand suchte sie zu durchkreuzen, teils durch Besetzung einiger wichtiger Punkte, teils durch Vernichtung von Detachements. Außerdem sollte der Erbprinz durch eine Diversion gegen Wesel einen Teil der feindlichen Truppen von Hessen abziehen. Denn ein Angriff auf die französischen Stellungen verbot sich angesichts ihrer Stärke und der geschickten Benutzung des für sie günstigen Geländes.

Broglies erste Bewegung war gegen Grünberg gerichtet, die zweite gegen die Ohm. Prinz Ferdinand wandte sich nach Ziegenhain und von da auf Dittershausen. Schon durch diese ersten Manöver erlangten die Franzosen den Vorteil, daß sie Marburg einnahmen. St. Germain, der am Niederrhein stand, hatte Order, sich zur Vertreibung des ihm gegenüberstehenden Spörcken mit Broglie zu vereinigen. Er rückte zunächst nach Unna vor und wandte sich dann plötzlich gegen die Ruhr und weiter gegen die Diemel. Allein der hannöversche General ging nicht in die Falle, sondern langte gleichzeitig an der Diemel an. Zur Erleichterung seiner Vereinigung mit St. Germain marschierte Broglie nach Neustadt und von da nach Corbach. Prinz Ferdinand stand noch in Ziegenhain. Er sandte den Erbprinzen ins Fürstentum Waldeck und folgte ihm unmittelbar. Der Erbprinz näherte sich Corbach, um den Marsch der Alliierten zu decken; denn sie gingen eine Meile hinter ihm durch das Defilee von Sachsenhausen. Die französische Armee war seinem Detachement sehr überlegen und griff ihn an76-3. Er verlor Leute und Geschütz und zog sich auf Sachsenhausen zurück, wo er wieder zum Prinzen, seinem Oheim, stieß. Da die ganze französische Armee bei Corbach stand, wollte Prinz Ferdinand wenigstens das Bistum Paderborn decken und sandte Spörcken dorthin ab. Der aber sah sich gleich bei seiner Ankunft St. Germain gegenüber, den Broglie ihm entgegengestellt hatte.

<77>

In seinem Unwillen über die Schlappe, die er bei Corbach erlitten, zögerte der Erbprinz nicht, Rache zu nehmen. In aller Stille verließ er das Lager und hob bei Kirchhain77-1 ein ganzes Detachement von 3 000 Franzosen mit seinem Führer, dem Brigadegeneral Glaubitz, und dem Prinzen von Köthen77-2 auf. Andrerseits blieb aber auch Broglie nicht untätig. Er versuchte das Spörckensche Korps zu überrumpeln. Obwohl sich der hannöversche General auf Volkmarsen zurückzog und die Armee der Alliierten zu seiner Unterstützung heraneilte, wurde die Spörckensche Arrieregarde von den Franzosen übel behandelt. Nach dieser Schlappe nahm Prinz Ferdinand zur Deckung von Kassel eine Stellung bei Salden, der Erbprinz bei Ober-Vellmar, Wangenheim bei Mönchehof und Spörcken bei Westuffeln. Die französische Armee folgte den Deutschen bis über Freienhagen. Von dort rückte der Graf von der Lausitz über die Eder und du Muy auf Warburg. Da du Muy den Alliierten die Verbindung mit dem Bistum Paderborn und Lippstadt abschnitt, wurden der Erbprinz und Spörcken dorthin abgesandt, und die Armee folgte ihnen auf dem Fuße. Beim Eintreffen des Prinzen Ferdinand hatte der Erbprinz du Muy bereits umgangen, und das Gefecht nahm sofort seinen Anfang77-3. Nach Verlust von 20 Kanonen und 4 000 Mann zogen sich die Franzosen auf Volkmarsen zurück. Auch dort hätte man sie vielleicht nicht zufrieden gelassen, hätte nicht ein schlimmes Ereignis alle Maßnahmen der Verbündeten über den Haufen geworfen.

Sobald nämlich Prinz Ferdinand Kassel geräumt hatte, ließ Broglie die Stadt durch den Grafen von der Lausitz belagern. Kaum war dieser vor den Toren erschienen, so ergab sich die hessische Hauptstadt schon, — am selben Tage, wo du Muy bei Marburg geschlagen wurde. Nun marschierte die französische Armee sofort auf Volkmarsen an der Diemel und schob du Muy bis Stadtberge vor, während der Graf von der Lausitz über Münden ins Kurfürstentum Hannover eindrang. Prinz Ferdinand, der bei Warburg geblieben war, stellte Spörcken nun du Muy entgegen und sicherte nach Kräften seine Verbindungen hinter der Diemel. Der Erbprinz und Luckner gingen bei Holzminden über die Weser, rückten gegen den Grafen von der Lausitz vor, zwangen ihn zur Aufgabe von Einbeck, Northeim und Göttingen und machten bei diesem Zuge über 600 Gefangene. Nun marschierte der Graf von der Lausitz nach Witzenhausen und zog sich eiligst nach Münden zurück. Zur Beobachtung der Franzosen ließ der Erbprinz Wangenheim in Uslar und stieß selbst wieder zur Armee seines Oheims. Infolge all dieser erwähnten Operationen blieb den Verbündeten nur noch ein schmaler Landstrich in Hessen. Da sie von Ziegenhain gänzlich abgeschnitten waren, fiel die Festung in die Hände der Franzosen und die Besatzung in Kriegsgefangenschaft.

Broglie hatte nun den Rücken frei und sah sich im Besitz von Hessen. Er zog alle seine Detachements zusammen, rückte nach Dörnberg und machte Miene, mit allen Kräften ins Kurfürstentum Hannover einzudringen. Auf diese Demonstration hin<78> zogen sich die Verbündeten über die Weser zurück, bezogen ein Lager bei Bühne und ließen die Stellungen von Beverungen, Bodenfelde und Deißel durch Detachements besetzen. Der Erbprinz blieb in Warburg und überfiel von dort aus bei Nacht ein Detachement von 500 Franzosen in Zierenberg (6. September). Wenige Tage darauf zog er nach der Eder, um einen Handstreich Bülows gegen Marburg zu unterstützen. Bülow rückte mit der Britischen Legion78-1 gegen Marburg vor, überraschte die Franzosen und vernichtete ihre ganze Bäckerei (10. September). Er hätte wohl noch weitere Erfolge errungen, wäre nicht dem Obersten Fersen ein Unglück passiert. Fersen sollte ihn zur Deckung seines Rückzugs bei Corvey unterstützen, ließ sich jedoch von Stainville schlagen (13. September). Von diesem Unfall erhielt Bülow nicht zeitig genug Meldung, und so konnte er nur noch mit Mühe seinen Rückzug bewerkstelligen. Erst nach einigen schlimmen Arrieregardegefechten gelang es ihm, sich wieder mit dem Korps des Erbprinzen zu vereinigen.

Unterdessen war Broglie wieder nach Kassel zurückgekehrt, und Prinz Ferdinand bezog das Lager bei Hofgeismar (14. September). Da die Franzosen indes noch immer an dem Plan eines Einfalls ins Hannöversche festhielten, so verstärkte Broglie das Korps des Grafen von der Lausitz um 16 000 Mann. Er beabsichtigte, Wangenheim bei Uslar zu überfallen, und griff ihn am 19. September an. Die Überlegenheit der feindlichen Kräfte nötigte Wangenheim zum Rückzug, der jedoch ohne erhebliche Verluste vor sich ging. Sobald Prinz Ferdinand den Vorfall erfuhr, sandte er Wangenheim Verstärkung, worauf dieser in seine alte Stellung zurückkehrte. Der Graf von der Lausitz zog unterdessen nach Lutterberg und nahm Göttingen wieder ein, während sich andere französische Detachements in den Besitz von Vacha, Hersfeld, Eschwege und Mühlhausen setzten. In all diesen Orten errichteten sie Magazine und zwangen die Herzogtümer Gotha und Eisenach zu den nötigen Lieferungen. Andere Detachements breiteten sich von dort nach Thüringen aus, um der Reichsarmee und dem Herzog von Württemberg die Hand zu reichen, die damals bis an die Elbe nach Wittenberg und Torgau vorrückten.

Aus den verschiedenen Maßnahmen der Franzosen erkannte Prinz Ferdinand klar Broglies Absicht, sich während des Winters in Hessen und Hannover zu behaupten. Das aber glaubte der Prinz nur durch eine starke Diversion verhindern zu können, die einen Teil der feindlichen Streitkräfte abzog und ihm Luft schaffte, um etwas gegen den zurückbleibenden Teil der feindlichen Armee zu unternehmen. Diesen Plan führte er schleunigst aus und beauftragte seinen Neffen, den Erbprinzen, mit der Belagerung von Wesel. Der Erbprinz marschierte sofort mit 15 000 Mann nach dem Niederrhein. Unterwegs verstärkte er sein Korps noch mit allen entbehrlichen Truppen der Besatzungen von Münster und Lippstadt und schloß Anfang Oktober Wesel ein, dessen Besatzung damals 2 600 Mann betrug. Das Unternehmen hätte<79> bei einiger Beschleunigung glücken können, und die Einnahme der Stadt und der Zitadelle wäre durch einen kecken Handstreich wohl möglich gewesen. Man hätte zu dem Zweck die Truppen mit Sturmleitern versehen und die Stadt während eines Scheinangriffs auf das Berliner Tor von der Rheinseite aus überrumpeln müssen. Vielleicht aber schien der Ausgang des Unternehmens zu ungewiß, oder der Erbprinz hatte sonst Gründe, die gewöhnliche Belagerungsart vorzuziehen. Mit einem Teil seiner Truppen ging er über den Rhein, bemächtigte sich Kleves und machte dort 600 Gefangene. Dann zog er gegen Roermond und nahm es ohne jeden Widerstand ein. Darauf kehrte er nach Büderich zurück, verschanzte sich zwischen der Stadt und dem Rhein und schlug oberhalb und unterhalb von Wesel seine Verbindungsbrücken über den Strom. Am 11. wurden die Laufgräben vor der Stadt eröffnet.

Auch auf der feindlichen Seite war man nicht untätig. Aus dem Wege, den der Erbprinz eingeschlagen hatte, erriet Broglie die Absicht des feindlichen Zuges und sandte sofort Castries mit 20 000 Mann nach dem Niederrhein. Der General ging durch die Wetterau und marschierte so schnell, daß er schon am 14. des Monats in Neuß eintraf. Dort stießen noch 10 000 Mann zu ihm, die er teils aus dem Kölnischen, teils aus den niederländischen Besatzungen herangezogen hatte. Nach ihrem Eintreffen rückte er gegen Rheinberg vor und nahm Stellung hinter dem Eugengraben, einem Kanal zwischen Rheinberg und Geldern. Seinen linken Flügel schob er von dort bis Kloster Camp vor. Der Erbprinz war über die Stärke der feindlichen Streitkräfte schlecht unterrichtet und glaubte sich einem nicht zu starken Gegner gegenüber. Darum hielt er es für vorteilhaft, dem Feind entgegenzugehen, da ihm Wesel nach einem Sieg über das französische Hilfskorps von selbst in die Hände fallen mußte. Ließ er jedoch Castries zur Verstärkung seiner Truppen Zeit, so war er vielleicht auch ohne eine Schlacht zur Aufhebung der Belagerung genötigt. Daraufhin rückte also der Erbprinz gegen Rheinberg vor und brach in der Nacht vom 15. auf den 16. Oktober zum Angriff auf den feindlichen linken Flügel bei Kloster Camp auf. Er wußte nicht, daß vor den Franzosen das Freikorps Fischer stand. Da er es unbedingt vertreiben mußte, wurde das ganze Castriessche Korps durch das Feuern alarmiert, und es kam sofort zum Gefecht. Der Kampf war erbittert und dauerte von 5 Uhr früh bis 9 Uhr vormittags. Die Alliierten warfen ein feindliches Treffen, aber schließlich trug die Überzahl der Feinde den Sieg davon. Die Franzosen zogen immer neue, noch völlig frische Truppen vor und überflügelten die Angreifer auf beiden Seiten. Die Verbündeten konnten nicht länger widerstehen. Als der Erbprinz die Niederlage seiner Truppen sah, entschloß er sich zum Rückzug auf Büderich. Das Gefecht kostete ihm 1 200 Mann. Die Franzosen verfolgten ihn nicht, aber bei seiner Rückkehr ins Lager fand der Erbprinz seine Brücken vom Hochwasser fortgeschwemmt. Er konnte sie nicht vor dem 18. wiederherstellen. Dann hob er die Belagerung von Wesel auf, ging über den Rhein zurück und lagerte bei Brünen, nur eine Meile von der Festung. Eine Zeitlang beobachtete er von dort die Franzosen. Sie schienen ihm nicht folgen<80> zu wollen, und so kehrte er denn ins Münsterland zurück. Von da schickte er einen Teil seiner Truppen nach Niedersachsen und legte den Rest in Kantonnementsquartiere.

Auf seiten des Prinzen Ferdinand ereignete sich während dieses Zuges nichts von Bedeutung, außer daß Wangenheim mit einiger Verstärkung, die er von der Hauptarmee erhielt, Stainville aus Duderstadt vertrieb und sich selber dort festsetzte. Nach Befestigung seines Lagers bei Kassel schickte Broglie seine Kavallerie ins Bistum Fulda zurück. Prinz Ferdinand ging darauf wieder über die Weser und verstärkte seine Stellungen bei Uslar, Moringen und Northeim.

Bald werden wir sehen, mit welchen Mitteln beide Gegner Hessen zurückzuerobern oder zu behaupten suchten. Dieser Kampf dauerte noch die nächsten beiden Feldzüge hindurch und endete erst zur Zeit des Friedensschlusses zugunsten der Alliierten.


37-1 Vgl. Bd. III, S. 115.

37-2 Vgl. S. 25 und 26.

38-1 Vgl. dazu im Anhang (Nr. 6 und 7) die Denkschriften des Königs, „Militärische Betrachtungen“ vom Februar und „Gedanken über die feindlichen Pläne und unsere Operationen“ vom April 1760.

38-2 Bei Meißen.

38-3 Generalleutnant Freiherr Karl Christoph von der Goltz befehligte in Oberschlesien.

38-4 Generalleutnant Friedrich Wilhelm Quérin de Forcade.

38-5 Generalleutnant Dubislav Friedrich von Platen und die Generalmajors Christoph Heinrich von Grabow und Georg Karl Gottlob von der Gablentz.

38-6 Generalmajor Johann Ernst von Schmettau.

39-1 Meist Leuschner Berg genannt.

39-2 Generalmajor Christian Wilhelm von Zieten, Chef eines Infanterieregiments.

39-3 Fouqué lag unter seinem zusammengebrochenen Pferde, wo ihn sein Diener Trautschke mit seinem Leibe deckte.

41-1 Generalmajor Anton von Krockow.

41-2 König Friedrich, von Lacy begleitet, am 2., Daun selbst erst am 3. Juli 1760.

41-3 In der Nacht auf den 4. Juli 1760.

42-1 Hier liegt ein Versehen des Königs vor. Dieses Arrieregardengefecht ist identisch mit dem im folgenden Absatz geschilderten Gefecht bei Göda am 7. Juli 1760.

42-2 Christoph von Zedmar, Major im Regiment Zieten-Husaren.

44-1 Vor der Südfront der Altstadt gelegen.

45-1 Das I. und II. Bataillon des Regiments Anhalt-Bernburg, das einst der Alte Dessauer geführt hatte, wurden von dieser Strafe betroffen. Die Rückgabe der verlorenen Ehrenzeichen findet jedoch bei der Schilderung der Schlacht bei Liegnitz keine Erwähnung.

45-2 Glatz fiel am 26. Juli 1760.

46-1 Oberstleutnant Bartholomäus d'O.

46-2 Nach dem Belagerungsjournal war der Reboute der Name zur Erinnerung an einen in der Nacht vom 25. zum 26. Juni 1760 durch die Wachsamkeit der Besatzung vereitelten Anschlag gegeben worden.

47-1 Die Preußen überschritten den Röderfluß bei Nieder-Rödern und lagerten bei Koitzsch; ebenso liegt Radibor, wo sie am 4. August 1760 das Lager aufschlugen, noch eine Meile von der Spree entfernt.

47-2 Es handelt sich um ein Schreiben Dauns vom 5. August 1760.

48-1 Generalmajor Bogislav Friedrich von Tauentzien.

48-2 Vgl. S. 38.

48-3 Oberst Georg Reinhold von Thadden.

50-1 12. August 1760.

51-1 Vielmehr schon in der Nacht zum 11. August.

51-2 Der Oderübergang der Russen erfolgte in der Nacht zum 14. August 1760.

52-1 In der Morgenfrühe des 15. August 1760.

52-2 Hermann Joachim Gottlieb von Hundt.

53-1 Major Wichard Joachim Heinrich von Möllendorff.

55-1 Das aus Parchwitz vom 15. August datierte eigenhändige Schreiben des Königs an Prinz Heinrich lautet: „Lieber Bruder! Soeben haben meine Truppen einen großen Sieg über die Österreicher erfochten. Diese haben 15 000 Mann verloren. Wir haben 6 000 Gefangene, 3 Generale, 102 Kanonen, 30 Fahnen usw. Laudon ist tödlich verwundet. Ich werde diesen Vorteil ausnutzen, um die Oder zu überschreiten und über die Russen herzufallen, die wir, so es dem Himmel gefällt, vernichten werden. Ich habe keine Zeit, Dir mehr zu sagen. Ich wünsche allein, daß dieser Brief geschwind in Deine Hände gelangt. Dein treuer Bruder Friderich.“ Nachschrift: „Daun und seine ganze Armee flüchten auf Jauer zu.“

56-1 Auf die Meldung von der Ankunft des Königs bei Parchwitz hatte Tschernyschew sofort Befehl zur Rückkehr erhalten und war noch am 15. August über die Ober zurückgegangen.

57-1 Vgl. S. 38.

60-1 Nach dem Tode des Prinzen August Wilhelm war sein zweiter Sohn, Prinz Heinrich, zum Chef des Kürassierregiments Prinz von Preußen ernannt worden.

60-2 Gefecht bei Hohengiersdorf, 17. September 1760.

62-1 Prinz Christian Karl von Stolberg-Geldern, Reichsgeneralfeldmarschalleutnant.

62-2 Gefecht bei Strehla, 20. August 1760.

62-3 Generalmajor August Wilhelm von Braun.

62-4 Vgl. S. 9.

62-5 Sanhedrin ober Synedrium, der Hohe Rat zu Jerusalem.

63-1 Vielmehr am 27. September 1760.

63-2 Generalmajor Konstantin Nathanael von Salenmon, Chef eines Freiregiments.

64-1 Heinrich Sigismund von der Heyde (vgl. Bd. III, S. 149).

64-2 18. September 1760.

65-1 Die Angabe ist nicht genau. Die Kontribution betrug 1 1/2 Millionen, zu denen noch 200 000 Taler „Douceurgelder“ an Stelle der Verpflegung der Truppen kamen. Der König ersetzte davon eine Million der Stadt wieder.

65-2 In einem Schreiben vom 22. Oktober 1760 dankte der König dem Gesandten Dietrich Hubert Verelst für seine „Mühen und vermittelnden Dienste“, um den Bürgern zu helfen und die „Härten und Greuel, die der Feind gegen sie vorhatte, zu erleichtern“; er fühle sich ihm für die bewiesene „edle Menschlichkeit“ auf das höchste verpflichtet.

67-1 Generalmajor Gustav Adolf von Sydow

67-2 Vgl. S. 11.

69-1 Die Dommitzscher Heide.

72-1 Generalleutnant Johann Albrecht von Bülow.

72-2 Vgl. S. 52.

72-3 Karl Erdmann von Reitzenstein, Major im Regiment Zieten-Husaren.

72-4 Vgl. S. 17.

72-5 Generalmajor Christoph Karl von Bülow, Kommandeur en chef der Bayreuther Dragoner.

73-1 Johann Sigismund von Lestwitz, Major im Infanterieregiment Alt-Braunschweig.

74-1 Generalleutnant Friedrich Ludwig Graf Finck von Finckenstein, Chef eines Dragonerregiments.

75-1 Generalleutnant Christoph Friedrich von Lattorff.

76-1 Karl Wilhelm Ferdinand.

76-2 Prinz Xaver, der zweite Sohn König Augusts III. Vgl. Bd. III, S. 126.

76-3 Gefecht bei Corbach, 10. Juli 1760.

77-1 Vielmehr bei Emsdorf, 16. Juli 1760.

77-2 Prinz Friedrich Erdmann von Anhalt-Köthen, französischer Brigadier.

77-3 Gefecht bei Marburg, 31. Juli 1760.

78-1 Major Freiherr August Christian von Bülow befehligte die „Britische Legion“, die aus 5 Freibataillonen und 5 Dragonerschwadronen bestand.