<105> König begriff, daß der Kaiser Zeit gewinnen wollte, um alle seine Truppen in Böhmen zusammenzuziehen, alle Stellungen zu befestigen, die er besetzen wollte, und die Artillerie-, Bagage- und Trainpferde aufzubringen, die seiner Armee noch fehlten. Da es jedoch darauf ankam, sich maßvoll zu zeigen, um Frankreich und Rußland nicht vor den Kopf zu stoßen, willigte der König in diese Unterhandlung1, obgleich ihr Ausgang leicht vorauszusehen war.
Die Österreicher brachten alle ihre schlechten Beweise vor, die von öen preußischen Ministern siegreich widerlegt wurden. Trotzdem wollte der Wiener Hof nicht im mindesten von seinen Eroberungsplänen abstehen. Um schließlich diesem unfruchtbaren Wortgefecht ein Ende zu machen, stellte man den Österreichern ein. Ultimatum: falls sie sich nicht bereit erklärten, den größten Teil Bayerns an den Kurfürsten von der Pfalz zurückzugeben, sollte diese Weigerung als Kriegserklärung aufgefaßt werden.
Das gerade wünschte der Kaiser. Er wollte sich von seiner Mutter, der Kaiserin, unabhängig machen durch den Oberbefehl über die Heere und den Glanz seiner Ruhmestaten, die er sich versprach. Indessen hat sich im Verlauf der Ereignisse gezeigt, daß seine Kombinationen keineswegs zutrafen. Er war verhaßt beim Adel, der ihm Unterdrückungsgelüste zuschrieb, und gefürchtet von den Geistlichen, die mehr an ihren Gütern hängen als an der Religion, die sie lehren, und die ihre beträchtlichen Einkünfte zu verlieren fürchteten. Auch die Armee liebte ihn nicht. Er hatte sich das Herz der Offiziere und Soldaten durch seine übermäßige Lebhaftigkeit und Heftigkeit entfremdet, die ihm mehr das Wesen eines Wahnwitzigen als eines vernünftigen Menschen gab. Solcher Art war der Fürst, dem der König den Krieg erklärte.
Seit dem 4. Mai waren die Armeen in Schlesien und Sachsen schlagfertig. Die Verhandlungen in Berlin wurden am 4. Juli abgebrochen, und am 5. setzten sich alle Truppen in Marsch. Zur besseren Verschleierung ihrer Absichten kantonnierte die schlesische Armee in winkelförmiger Stellung zwischen Reichenbach, Frankenstein und Neiße. Aus dieser Stellung konnte der Feind unmöglich erraten, ob die Truppen des Königs sich nach Mähren oder Böhmen wenden würden. Von der kaiserlichen Armee standen 30 000 Mann in Mähren unter dem Prinzen von Teschen2. Dies Korps hatte sich an der Mohra bei Heidenpiltsch verschanzt, um Olmütz zu decken. Die Armee des Kaisers stand hinter der Elbe in uneinnehmbaren Verschanzungen von Königgrätz bis zu dem Städtchen Arnau. Feldmarschall Laudon hatte mit 40 bis 50 000 Mann die Stellungen bei Reichenberg, Gabel und Schluckenau nach der Lausitz hin besetzt. Sein Gros stand zwischen Leitmeritz, Lobositz, Dux und Teplitz.
Der Feldzugsplan, den der König entworfen hatte3, war grundverschieden von dem, den er ausführen mußte. Er wollte den Krieg nach Mähren tragen, etwa 20 000 Mann
1 Die Schreiben Josephs II., vom 11., l3. und 19. April 1778 datiert, sind vom König am 14., 18. und 20. beantwortet.
2 Prinz Albert von Sachsen-Teschen.
3 Vgl. Anhang (Nr. l).