<119>zungen zu festen, vor jedem Angriff geschützten Plätzen. Als die Befestigungsarbeiten gegen Mitte November fast vollendet waren, begab sich der König nach Breslau, teils um die Vorbereitungen für den nächsten Feldzug zu treffen, teils um über die Unterhandlungen zu wachen, die eine recht interessante Wendung anzunehmen begannen.

Wir wollten die Darstellung des an großen Ereignissen armen Feldzuges nicht unterbrechen, glauben nun aber den Faden der politischen Geschäfte wieder aufnehmen zu müssen.

Das größte Interesse beanspruchte der Petersburger Hof; denn von ihm allein war wirkliche Hilfe zu erwarten. Katharina II. hatte sich verpflichtet, dem König Beistand zu leisten, sobald ihre Zwistigkeiten mit der Pforte beigelegt wären. Da der König die Zarin in die Lage bringen wollte, ihre Zusage zu erfüllen, so hatte er sich, dank dem guten Einvernehmen, das sich zwischen Frankreich und Preußen anbahnte, an das Versailler Ministerium gewandt und um Vermittlung zwischen den Russen und Türken gebeten1. Es war den Franzosen auch gelungen, die Pforte zum Vergleich mit ihren Feinden zu bewegen. Sie willigte darein, die russischen Schiffe freizugeben, die sie in den Dardanellen beschlagnahmt hatte, und den von Katharina begünstigten Tartaren-Khan anzuerkennen. Kaum war diese Nachricht in Petersburg eingetroffen, so war die Zarin über den Frieden in ihrem Reiche beruhigt. Vom Ehrgeiz verlockt, in die deutschen Wirren unmittelbar einzugreifen, trat sie offen für Preußen ein. Ihre Gesandten in Wien und Regensburg2 erklärten kurz gefaßt; „Sie bäte die Kaiserin-Königin, den Reichsfürsten volle Genugtuung für ihre Beschwerden zu geben, insbesondere betreffs der gerechten Klagen, die über die widerrechtliche Besetzung Bayerns erhoben würden. Geschähe das nicht, so müßte die Zarin ihren Verpflichtungen gegen den König von Preußen nachkommen und ihm das Hilfskorps schicken, das sie ihm vertragsmäßig zu stellen hätte.“

Diese Erklärung wirkte in Wien wie ein Donnerschlag. Das unerwartete Ereignis störte und verwirrte Fürst Kaunitz, der nichts vorhergesehen hatte, schämte sich, überrascht zusein, und wußte nicht, auf wen er die Schuld abwälzen sollte. Sein Sohn3, Gesandter in Petersburg, war jung und unerfahren und hatte mehr dem Vergnügen, als seinen Pflichten obgelegen. Er hatte seinen Hof weder vom Stande der Verhandlungen mit Konsiantinopel noch von der Gesinnung der Zarin gegen den König von Preußen benachrichtigt. Joseph II., der auf die Fortsetzung des Krieges brannte, benutzte die Verwirrung und Bestürzung seiner kaiserlichen Mutter, um ihr die Unterschrift zur Aushebung von 80 000 Rekruten abzupressen. Man müsse, rief er aus, alles ins Werk setzen, alle Hilfsquellen erschöpfen, um das Haus Hsierreich in dieser Entscheidungsstunde furchtgebietender denn je zu


1 Vgl. S. 103.

2 Gallizin und Asseburg.

3 Graf Joseph Kaunitz.