<154> zwischen den beiden Kaiserhöfen sichere ihr ein so entscheidendes Übergewicht, daß sie fortan der ganzen Welt nach ihrem Gutdünken Gesetze vorschreiben könnte.

Der Kaiser wollte Rußland von Preußen trennen und dann beide Mächte miteinander verfeinden, um Preußen mit vereinten Kräften zu Boden zu schlagen. Zu diesem Zweck suchte er die Stadt Danzig zu einem Gewaltschritt zu verleiten, um sie mit dem König zu entzweien. Die Danziger folgten dem Wunsche des Kaisers, aber in seiner Mäßigung legte der König diesen Streit in Güte bei. Die von der Zarin angebotene Vermittlung wurde angenommen und die strittigen Handelsfragen derart geregelt, daß sobald keine neuen Streitigkeiten entstehen können1.

Der Kaiser, der in seiner Ungeduld und Lebhaftigkeit immer hundert Dinge zugleich unternimmt, war st weit gegangen, von den Holländern die freie Schiffahrt auf der Scheide zu verlangen, was dem Sinne des Westfälischen Friedens strikt zuwiderläuft. Die Holländer waren darob erstaunt, traten aber den ungerechten Forderungen des Kaisers mit Festigkeit entgegen und nahmen ein Handelsschiff weg, das gegen den Sinn des Vertrages von Antwerpen nach der offenen See fuhr2. Frankreich, Hollands Bundesgenosse, bekam ob dieses Streiches einen großen Schreck und benahm sich sehr schwächlich. Holland fragte bei Preußen an, welche Hilfe es von ihm zu erwarten hätte. Der König ließ der Republik antworten3, Preußen gehörte nicht zu den Garantiemächten des Westfälischen Friedens und hätte kein Bündnis mit Holland oder Frankreich, somit auch nicht die geringste Verpflichtung, sich in einen fremden Streit einzumischen. Holland möchte sich doch an Frankreich wenden, das mit ihm verbündet sei und den Westfälischen Frieden garantiert habe. Es schuldete der Republik also Hilfe und Beistand und könnte sie gerechterweise nicht abschlagen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird Frankreich klein beigeben4 und den Holländern so feige Ratschläge erteilen, wie vordem seinen Bundesgenossen, den Türken.

Diese unentschuldbare Schwäche bringt die Franzosen um alles Ansehen, das sie früher genossen. Wegen dieser Feigherzigkeit kann der König sich nicht mit einer Macht einlassen, deren Glanz so gesunken ist. Nimmt man die gegenwärtige Lage in Rußland hinzu, so wird man zugeben, daß der König den Weg beschreitet, den die Klugheit ihm vorschreibt5. Seit dem Tod ihres Günstlings Lanskoi6 ist die Zarin


1 Der Streit begann mit der Festhaltung preußischer Schiffe auf der Weichsel durch Danziger Zollbeamte im April 1783 und wurde unter russischer Vermittlung durch Vergleich vom 7. September 1784 beigelegt.

2 Nach dem Westfälischen Frieden stand den Holländern das Recht der Scheldeschließung zu, die den belgischen Handel lahm legte. Im Mai 1784 forderte Joseph II. den Verzicht auf dieses Recht. Es kam zum offenen Konflikt, als am 8. Oktober ein unter österreichischer Flagge segelndes Schiff auf die Weigerung, den Zoll zu erlegen, mit Gewalt festgehalten wurde.

3 Der Bescheid wurde auf Grund einer mündlichen Weisung des Königs dem holländischen Gesandten, Baron von Reede, durch den Kabinettsminister Graf Finckenstein am 14. November 1784 erteilt.

4 Tatsächlich schlug Frankreich einen Vergleich vor, wie Hertzberg am 29. November 1784 dem König berichtet.

5 Die obigen Worte beziehen sich auf König Friedrichs Abneigung gegen ein Bündnis mit Frankreich, als dessen Anwalt Prinz Heinrich, der im Herbst 1784 in Paris weilte, aufgetreten war.

6 Lanskoi starb am 25. Juni 1784.