Schreiben aus Prag an einen Privatmann1
(Ende Februar 1743)
Wir sind jetzt sicher, daß die Königin herkommen wird; denn die Krönung soll am 25. April stattfinden2. Freilich scheint mir nach allem, was Sie mir mitteilen, diese Krönung etwas verfrüht. Gewiß muß der König von Frankreich ein sehr großer Fürst sein, nach allem zu urteilen, was Sie mir von ihm sagen. In Wien hat man das Vorurteil, Frankreich sei an Menschen und Truppen erschöpft, man brauche nur zu drohen, um alles durchzusetzen, was man verlange, und man könne der mächtigen Monarchie bald ganz enge Schranken setzen. Wir fürchten nichts so sehr wie einen voreiligen Feldzug in Bayern. Ich, der ich die Ehre hatte, dem Herrn Marschall Belle-Isle näher zu treten, der ich Zeuge seiner Tatkraft, seiner guten Dispositionen und seines Eifers für den Dienst seines Königs war, bin fest überzeugt, wenn er den Befehl über die Armee in Bayern erhielte, würde er uns manche Nuß zu knacken geben, wogegen man in Wien den Marschall Broglie gründlich verachtet und von seinem schimpflichen Rückzug nach Beraun3 mit aller denkbaren Geringschätzung spricht. Der Marschall ist bei seinen hohen Jahren unfähig, sein Amt zu versehen.
1 König Friedrich richtet in der obigen Flugschrift an Ludwig XV. die Mahnung, den unfähigen Führer der französischen Armee, den alten Herzog Franz Maria von Broglie, durch Marschall Belle-Isle zu ersetzen. Nach der Räumung von Prag in der Nacht auf den 17. Dezember 1742 hatten sich die Franzosen nach Bayern zurückgezogen (vgl. Bd. II, S. 134).
2 Die Krönung Maria Theresias in Prag zur Königin von Böhmen erfolgte am 12. Mai 1743. -
3 Vgl. Bd. II, S. 120.