<19> als indem man sich in allem seinem Willen fügte. Der junge Monarch zeigte eine Freimütigkeit, die natürlich schien. Sein liebenswürdiger Charakter zeichnete sich durch Heiterkeit im Verein mit großer Lebhaftigkeit aus. Bei dem Wunsche, zu lernen, hatte er nicht die Geduld, sich zu unterrichten; seine Herrschergröße machte ihn oberflächlich; was aber seinen Charakter mehr als alles Angeführte kennzeichnete, das waren Züge, die ihm wider Willen entschlüpften: sie verrieten den maßlosen Ehrgeiz, der ihn verzehrte. Das alles hinderte nicht, daß ein Band der Freundschaft und Achtung sich zwischen beiden Monarchen anknüpftete1.

Der König sagte zum Kaiser, er betrachte diesen Tag als den schönsten seines Lebens; denn er sei der Markstein für die Einigung zweier Häuser, die sich zu lange befehdet hätten, deren gegenseitiger Vorteil aber darin bestände, einander beizustehen, statt sich zu vernichten. Der Kaiser erwiderte, es gebe kein Schlesien mehr für Österreich, worauf er ziemlich geschickt durchblicken ließ, solange seine Mutter lebe, wage er nicht zu hoffen, Einfluß genug auf sie zu gewinnen, um das auszuführen, was er wünsche. Doch verhehlte er nicht, daß bei den gegenwärtigen europäischen Verhältnissen weder er noch seine Mutter je dulden würden, daß Rußland im Besitz der Moldau und Walachei bliebe. Hierauf schlug er die Ergreifung von Maßregeln vor, um die strikte Neutralität in Deutschland aufrechtzuerhalten, falls es zu einem Krieg zwischen Franko reich und England, käme. Der Fall schien damals möglich, ja wahrscheinlich, da ein französisches Schiff, das die Engländer bei Neufundland gekapert hatten, die Veranlassung zu ziemlich heftigen Streitigkeiten zwischen beiden Höfen geworden war. Um zu zeigen, wie lebhaft er das gute Einvernehmen zwischen Preußen und Österreich zu erhalten wünsche, nahm der König das Anerbieten des Kaisers an, und beide Herrischer verpflichteten sich schriftlich zur Aufrechterhaltung dieser Neutralität. Das war ein ebenso unverbrüchliches Abkommen, wie ein in aller Form aufgesetzter und von den Ministern unterzeichneter Vertrag. Der Kaiser versprach in seinem und der Kaiser rin Namen, und der König gab sein Ehrenwort, falls der Krieg zwischen England und Frankreich ausbräche, den glücklich wiederhergestellten Frieden zwischen Preußen und Österreich treulich zu halten, und sollten andere Wirren entstehen, deren Ursachen unmöglich vorauszusehen waren, so wollten beide im Hinblick auf ihre beiderseitigen Besitzungen die strengste Neutralität wahren2. Dies Abkommen, das gewissenhaft geheim gehalten wurde, ward zu Neiße zur Zufriedenheit beider Monarchen unterzeichnet.


1 In der Fassung von 1775 hatte der König, noch unbeeinflußt von den schlimmen Erfahrungen der folgenden Jahre, geschrieben: „Der junge Monarch zeigte liebenswürdigste Lauterkeit und Offenheit, er war voll Lebhaftigkeit und Frohsinn. Eine schöne Seele, reine Absichten verbanden sich mit einem unermeßlichen Verlangen, sich zu unterrichten, und dem edlen Ehrgeiz, seinem Vaterlande nützlich zu sein. Bei einem solchen Charakter knüpften die Bande der Hochachtung und Freundschaft sich schnell zwischen beiden Monarchen.“

2 Joseph II. hatte das Versprechen unbedingter Neutralität für alle kriegerischen Verwicklungen gefordert. Wegen seines Bündnisses mit Rußland beschränkte sich König Friedrich auf die Zusage, den Kaiser nicht in seinen Besitzungen angreifen zu wollen.