<215> mit verächtlichen Blicken und schien das ganze Menschengeschlecht zu bemitleiden. Ich hielt ihn für einen der Herren, die zwei-, dreimal wöchentlich Könige auf der Bühne darstellen und dank dem fortwährenden Spielen solcher Rollen sich schließlich selbst für Könige halten. Das merkwürdige Benehmen des Mannes erregte meine Neugier, und ich fragte, wer es sei. Der Wirt, der ihn kannte, sagte: „Er ist einflußreicher, als Sie glauben. Er besitzt die Gabe, guten Ruf zu schaffen und zu vernichten; doch nach Art der Eroberer beschäftigt er sich mehr mit dem Zerstören als mit dem Aufbauen. Er lebt von seiner Feder, wie die Landleute von ihren Feldern. Sein Hausrat, seine Kleidung, seine Nahrung, alles ist auf Kosten der großen Herren erworben, die er ihren Nebenbuhlern opfert. Er treibt es fast so, wie der selige Kardinal Polignac, der, wie man sagt, für jede Antike, die er nach Paris senden durfte, dem Papst einen jansenistischen Bischof opferte, den er verbannen ließ. So kann auch unser Mann von jedem Stück seines Hausrats nachweisen, daß es auf Kosten des guten Rufes von bem und dem erworben ist. Er wälzt jetzt einen großen Plan in seinem Kopfe, und gelingt er, so möchte er sein Vermögen nicht mit dem eines Taxera noch eines Schwartzau1 tauschen.“—„Darf man wissen, worin dieser wunderbare Plan besteht?“ fragte ich. —„Es handelt sich“, sprach der Wirt, „um eine gute Satire gegen einen Herrscher. Macht er ste recht kräftig und so boshaft, wie man verlangt, so wird er mit Ehren überhäuft werden.“
Alles, was ich vernommen hatte, steigerte meine Neugier, dies Original kennen zu lernen, und ich bekam Lust, eine Unterhaltung mit dem Despoten anzuknüpfen, der es wagte, die Großen bei ihren Lebzeiten zu richten, wie die alten Ägypter es nach ihrem Tode taten. Ich glaubte in ihm den Geist jener Päpste zu erkennen, die Herrscher in den Bann taten und Königreiche mit dem Interdikt belegten. So trat ich denn an den furchtbaren Zensor heran und redete ihn an. Er empfing mich mit jener würdevollen oder frechen Miene, wie sie von Fürstengunst aufgeblähte Minister annehmen, wenn jemand eine Gnade von ihnen erbittet. Sein Hochmut, der mich tränkte, ließ mich zögern; aber schließlich faßte ich Mut und machte ihm ein ziemlich lahmes Kompliment über das Vergnügen, ihn kennen zu lernen.
Nach einigen allgemeinen Redensarten stellte ich die Frage, ob er mit seinem Gewerbe zufrieden sei. — „Ungemein“, entgegnete er. „Ich stehe mit mehr als einem Hofe in geheimem Briefwechsel und habe mit vielen großen Herren zu tun, die wich fürchten und aufsuchen. Ich habe mir durch meine Tätigkeit ein Reich gegründet, herrsche ohne Staat und schalte despotisch ohne Macht.“—„Aber, mein Herr,“ fragte ich, „ist Ihr Reich auch fest begründet, und haben Sie keinen der Schicksalsschläge zu befürchten, denen die Hochstehenden so sehr ausgesetzt sind?“ — „Was hätte ich zu befürchten?“ erwiderte er. „Entthronen kann man mich nicht. Ich beherrsche die Geister, und solange es Federn und Tinte auf Erden gibt, gehe ich meinen Weg. Von“
1 Reiche portugiesische Juden, die am Ende des 17. Jahrhunderts in Amsterdam lebten,