<223>kung jene Feuerschlünde haben werden! Unsrerseits trifft man alle üblichen Vorbereitungen zur mannhaften Verteidigung. Der gemeine Mann spielt Komödie1, die Offiziere amüsieren sich. Zweifellos wird man bald an die Herstellung von Faschinen und Schanzkörben denken. Ein Genueser, ein gescheiter und geschickter Mann, hat sich anheischig gemacht, unsere Minen bis unter die Batterien des Feindes vorzutreiben, um sie alle auf einmal in die Luft zu sprengen. Geschwind, wie er ist, hofft er die Minen so weit zu bringen, daß sie im Dezember 1760 geladen werden können. Das wäre zeitig genug; denn legt man die gewöhnliche Berechnung für Belagerungen zugrunde und nimmt man die sicheren Anschläge des berühmten Vauban zu Hilfe, so ergibt sich, daß die Österreicher, wenn sie mit flüchtiger Sappe arbeiten, den Fuß unserer Glacis erst im März 1761 erreichen können. Gehen sie mit gedeckter Sappe vor, so wird ihre Arbeit sich bis zum September desselben Jahres hinziehen. Außer den Mannschaften, die Graf Daun verwendet, läßt er täglich 1500 Bauern an der Vollendung der ersten Parallele arbeiten.
Das ist alles, was ich Ihnen sagen kann. Die Anfänge einer Belagerung pflegen ereignislos zu sein. Doch gedulden Sie sich, lieber Freund; Sie verlieren beim Abwarten nichts. Da Sie ungewöhnliche Dinge lieben, ist es recht und billig, wenn ich Sie nach Ihrem Geschmack bediene; ich verspreche Ihnen Außerordentliches. Die Kriegskunst hat den Gipfel ihrer Vollendung erreicht. Man hat die Geschütze, die Berge, kurz alles vervollkommnet2, von den Maultieren bis zu den Panduren. Ließen Turenne, Montecuccoli und Eugen sich einfallen, in unseren Tagen wieder aufzuerstehen, sie würden kaum für alte Faselhänse gelten. Einige kniffliche Leute, eigensinnige Liebhaber des Altmodischen, verbohrte Leute, die durchaus auf ihrer Meinung beharren, werden es vielleicht nicht zugeben, aber darüber kann man hinweggehen. Die Neuigkeit bildet den Reiz der Moden; warum sollte sie nicht auch den Ruf der Kriegsmänner bestimmen?
Gestatten Sie, lieber Freund, Sie zu verlassen; meine Pflicht ruft mich. Ich habe heute Tagesdienst an dem großen Fernrohr, um die Arbeiten des Feindes zu beobachten. Unser Lager könnte man jetzt für eine Sternwarte halten. Mars und Venus werden von den Astronomen nicht schärfer beobachtet als das österreichische Lager von unseren Offizieren. Kein Tag vergeht, wo nicht zweihundert Ferngläser gegen Marklissa und Lauban gerichtet sind. Wohl denen, die nichts zu beobachten haben und denen der letzterschienene Komet ebenso gleichgültig ist wie Daun, Laudon und Fermor. Genießen Sie, mein Freund, die Nutze Ihres friedlichen Heims und gedenken Sie hin und wieder wohlwollend Ihres alten Berichterstatters von der Armee.
Ich verbleibe stets Ihr usw.
1 Der Vorleser Catt erzählt in seinen Tagebüchern von der Aufführung einer Harlekinade: „Die Verleihung des geweihten Hutes“. Darin stibitzt Harlekin Daun den geweihten Hut und Degen, während er ihm vorwirft, sie zum Kampfe gegen eine christliche Macht angenommen zu haben (vgl. S. 219 f.).
2 Vgl. S. 221.