<239>

Struensee: Sicherlich. Ein großer Geist gibt sich durch kühne Unternehmungen kund. Es muß etwas Neues sein. Er führt beispiellose Pläne aus, läßt die kleinlichen Bedenken den alten Weibern und geht stracks auf sein Ziel, ohne nach den Mitteln zu fragen, die ihn dahin führen. Nicht jedermann vermag unser Verdienst zu ermessen, die Philosophen noch weniger als andere; und doch fallen wir für gewöhnlich den Hofintrigen zum Opfer.

Choiseul: Ich fiel folgendermaßen. An unserem Hofe vermag das Verdienst nichts gegen die Launen einer Metze; außerdem wurden sie ihr noch von einem Schulfuchs im Talar eingeblasen. Denn was vermochte sie selbständig, außer das fast erloschene Feuer eines Fürsten zu schüren, der jederzeit ein Weiberknecht gewesen?

Struensee: Hätten Sie Opium gebraucht, um Ihren Monarchen einzuschläfern, so waren alle Intrigen umsonst. Sie wären noch heute Minister oder vielmehr König; denn wer die Macht hat und handelt, ist der wirkliche Herrscher, der aber, der ihn gewähren läßt, höchstens sein Sklave.

Choiseul: Das Opium war überflüssig. Die Natur hatte meinen Gebieter schon so gemacht, wie der Ihre es durch Ihre Arzneien wurde.

Sokrates: Dein Opium hat Dir gute Dienste geleistet, unglücklicher Abtrünniger des Hippokrates! Du wardst darum nicht mehr und minder eingekerkert und nicht gelinder bestraft, als Du es verdientest.

Struensee: Der Schicksalsschlag war nicht vorherzusehen. Welch ein Unglück, verdrängt zu werden, und noch dazu von was für Leuten!

Sokrates: Nein, das war eine Folge der ewigen Gerechtigkeit, damit nicht alle Verbrecher glücklich sind und wenigstens einige bestraft werden — zum warnenden Beispiel für die Lasterhaften.

Choiseul: Ich hoffe trotzdem, daß Sie meinen Sturz bedauern. Denn hätte ich weiter regiert, so hätte ich Europa in Staunen gesetzt durch die großen Dinge, die mein Geist ersonnen und ausgeführt hätte.

Sokrates: Du hättest auch weiter glänzende Torheiten vollbracht. Besäße Europa ein Narrenhaus, Du gehörtest hinein. Und was Dich betrifft, Däne, so wäre die Marter des Ixion und Prometheus noch zu gelind für Deinen schwarzen Undank gegen Deinen Herrn und für all die Verbrechen, die Du aus zügellosem Ehrgeiz begingest!

Choiseul: Das ist also der Ruhm, den ich erwartete! Struensee: Das ist also der Ruf, den ich mir versprach!