<30>teiligen; sie hofften jedoch, der König würde in diesem Falle strikte Neutralität beMachten, zumal seine Verpflichtungen Rußland gegenüber sich auf Polen beschränkten, dessen Gebiet die Österreicher respektieren würden.
Man sah wohl, der Wiener Hof wollte die Russen durchaus nicht zu Nachbarn haben. Einerseits fürchtete er, eine Anzahl von Griechisch-katholischen, die in Ungarn wohnten, würden sich aus religiösen Motiven an Rußland anschließen; andrerseits wollte er lieber das geschwächte türkische Reich als eine so starke Großmacht wie Rußland zum Nachbar haben.
Die Lage des Königs zwischen den beiden Kaiserhöfen war sehr schwierig. Faßte er seinen Vorteil ins Auge, so durste er das Wachstum der nur zu furchtgebietenden russischen Macht weder wünschen, noch gar selbst dazu beitragen. Das Gegengewicht bildete andrerseits die feierliche Verpflichtung, der Zarin, feiner Bundesgenossin, in jedem Falle beizustehen, wenn sie von der Kaiserin-Königin angegriffen wurde. Entweder mußte er dieser Verpflichtung nachkommen oder auf die davon erhofften Früchte verzichten. Ferner war es für Preußen gefährlicher, die Neutralität zu wahren, als seiner Bundesgenossin beizustehen. Die Österreicher und Russen hätten sich geschlagen, sich wieder verglichen und dann auf Kosten des Königs Frieden schließen können. Dadurch hätte er alles Ansehen verloren. Niemand hätte ihm mehr getraut, und nach dem Frieden hätte er allein dagestanden. Das wäre unzweifelhaft eingetreten, hätte er einen so falschen Plan befolgt.
Er schwankte daher nicht, sondern entschloß sich, seine Verpflichtungen gegen Rußland treu zu erfüllen. Um zugleich den Wiener Hof zu beschwichtigen, wiegte er ihn in der Hoffnung, daß es nicht unmöglich sein werde, die Zarin nachgiebig zu stimmen und sie von ihren Absichten auf die Moldau und Walachei abzubringen. Doch setzte er hinzu: wenn es zwischen beiden Kaiserinnen zum Bruche käme, könne er nicht umhin, die Zarin, mit der er verbündet sei, zu unterstützen. Um dieser Erklärung mehr Nachdruck zu verleihen, wurde die ganze Kavallerie vermehrt und mit Remonten versehen; die diesbezüglichen Befehle wurden schnell überall bekannt. Diese kraftvollen und zur rechten Zeit getroffenen Maßregeln machten Eindruck auf den Petersburger Hof. Man benutzte seine zufriedene Stimmung, um ihn im Interesse des Friedens
Mit den Russen zu verhandeln war schwer; denn sie verstehen nichts von der Kunst des Unterhandelns. Sie denken nur an ihren Vorteil und fragen wenig nach dem der anderen, wie man gleich sehen wird. Der Gegenentwurf des Teilungsvertrages vom Petersburger Hofe traf nun in Berlin ein1. Er war wunderlich abgefaßt: aller Vorteil war auf russischer Seite, alles Risiko auf preußischer. Man bewilligte zwar den größten Teil des vom König geforderten polnischen Gebiets, aber die Erwerbungen Rußlands waren mindestens doppelt so groß. Vor allem hatte man in den
1 Am 17. August 1771 von Solms nach Berlin übersandt.