<35> Ein Zipfel des beanspruchten Gebietes reichte über Belz hinaus bis dicht an Warschau. Die von dieser Linie eingeschlossenen Gebiete machten etwa ein Drittel von Polen aus; das aber widersprach offenbar dem Abkommen, das der Wiener Hof mit den anderen Mächten soeben erst geschlossen hatte. Man fand den von Österreich beanspruchten Anteil in Petersburg ebenso ungeheuerlich wie in Berlin. Durch ein so unziemliches Verhalten verletzt, übergab Graf Panin dem österreichischen Botschafter in Petersburg, Prinz Lobkowitz, eine Denkschrift, worin der Anteil der drei Höfe genau ausgerechnet war. Er schloß mit dem Wunsche, daß der Wiener Hof, um völlige Gleichheit herzustellen, auf den Besitz von Lemberg und die bedeutenden Salzbergwerke von Wieliczka verzichten möge, damit die Anteile sich glichen und sich niemand über Benachteiligung beklagen könnte.
Der Wiener Hof bestand jedoch nach wie vor auf der Stadt Lemberg und den Salzbergwerken von Wieliczka, die er durchaus behalten wollte. Dafür verzichtete er, um den Abschluß der Konvention zu erleichtern, auf die Woiwodschaften Lublin, Chelm und Belz. Als die Dinge soweit gediehen waren, galt es, eilig abzuschließen, wollte man nicht auf jede Teilung verzichten. Eine allzu genaue Ausrechnung der verschiedenen Anteile hätte zu endlosen Streitigkeiten geführt. Andere Mächte hätten unfehlbar aus dieser Uneinigkeit Nutzen gezogen, und alle bisher aufgewandte Mühe wäre umsonst gewesen. In dieser Überzeugung riet der König der Zarin zur Annahme der Bedingungen, die der Wiener Hof als sein Ultimatum bezeichnete. Sie begriff, daß die Augenblicke kostbar waren, und da nichts mehr im Wege stand, ward der Teilungsvertrag der drei kontrahierenden Höfe durch ihre Minister in Petersburg unterzeichnet (5. August 1772).
Die preußischen und russischen Erwerbungen wurden in diesem Vertrage so festgesetzt, wie oben angegeben. Was den Österreichern zufallen sollte, war ein Gebiet vom Fürstentum Teschen bis jenseits Sendomir und der Mündung des Sanflusses. Die Grenze bildete eine gerade Linie, die sich bis zum Bug und von da bis zum Dnjester und zu den Grenzen Podoliens und der Moldau hinzog. Die drei Höfe garantierten sich ihren gegenseitigen Besitz und versprachen gemeinsam darauf hinzuwirken, daß die Republik Polen ihre Zustimmung zu den verlangten Abtretungen gäbe. Durch so viele Erwerbungen besänftigt, versprach der Wiener Hof sich im Verein mit Preußen bei der Pforte zu verwenden, damit sie die von Rußland gemachten Friedensvorschläge annähme. Die drei Mächte setzten die Besitznahme auf den 1. September fest. Man kam überein, dem König von Polen zu diesem Zeitpunkt eine zwischen den drei Mächten verabredete Erklärung zuzustellen, um die Republik von den getroffenen Vereinbarungen in Kenntnis zu setzen und sie zur Berufung eines außerordentlichen Reichstages zu veranlassen, der an der völligen Pazifizierung Polens arbeiten sollte. Auf diesem Reichstage wollten Rußland, Österreich und Preußen eine Denkschrift vorlegen, die die Gebietsansprüche jeder Macht enthalten sollte, nebst den Rechten, die sie darauf zu haben glaubte.