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Dies unerwartete Ereignis rief am Berliner Hof einige Besorgnis hervor. Der König hatte sich durch seinen Vertrag mit Rußland verpflichtet, die schwedische Verfassung von 1720 aufrechtzuerhalten1. Er wußte wohl, welch lebhaften Eindruck eine so plötzliche Umwälzung auf die Zarin machen würde. Der Kongreß zu Fokschani war zwar soeben gescheitert, aber die Russen und Türken hatten neue Unterhandlungen angeknüpft, um in Bukarest einen anderen zu berufen. Kam der Friede zwischen beiden Mächten zustande, so war zu erwarten, daß Rußland unverzüglich an die Wiederherstellung der alten schwedischen Verfassung gehen werde. Der junge König von Schweden aber, der auf Frankreichs Beistand zählte, hätte niemals freiwillig auf die eben erlangte Souveränität verzichtet. Das bot Veranlassung zu einem neuen Kriege, in dem der König die Waffen gegen seinen Neffen hätte führen müssen. Die Natur, die sich im Herzen der Könige ebenso regt wie in dem der Bürger, sträubte sich gegen einen solchen Entschluß. Andrerseits verlangte die Politik und die Bundestreue, ihn zu fassen. In dieser Verlegenheit nahm der König seine Zuflucht zum Wiener Hofe, um durch dessen Vermittlung die erste Aufwallung des Petersburger Hofes zu beschwichtigen. Trotzdem hätten Zorn und Nachsucht bei der Zarin obgesiegt, hätten die Türken nicht mit großer Festigkeit die harten und beschwerlichen FriedensbedinZungen zurückgewiesen, zu deren Annahme man sie zwingen wollte.

Unterdessen sah der König von Schweden ein, welche Gefahr ihm von Rußland drohte, und nahm sich vor, vorerst Dänemark abzufertigen, um nicht mit zwei Feinden zugleich kämpfen zu müssen.

Dies nötigt uns, etwas weiter auszuholen, um die Gründe der Handlungsweise des Schwedenkönigs genau darzulegen. Der König von Dänemark2 war zu jung auf den Thron gelangt, um schon Erfahrung zu haben. Er war von alten, in Hofkabalen erfahrenen Ministern umgeben, die mehr an sich selbst als an das Gemeinwohl dachten und nur danach strebten, ihren Gebieter zu beherrschen. Da diese Nebenbuhler einander stets zu verdrängen suchten, so kam es zu häufigen Entlassungen; jeder Tag brachte neue Minister und neue Negierungspläne. Saldern, der damalige russische Gesandte am dänischen Hofe, hatte, wie schon gesagt3, den Austausch des Herzogtums Holstein gegen Oldenburg und Delmenhorst vermittelt. Dieser Gesandte eines fremden Hofes war übermächtig in Kopenhagen; er beredete den König zu reifen und fremde Länder zu besuchen, um ihn dadurch von seinem geplanten Besuche des Königreichs Norwegen abzubringen, wo er wie man befürchtete, Neuerungen einführen würde, die seinen Interessen zuwiderliefen.

Kurz nach seiner Vermählung mit Prinzessin Karoline Mathilde, der Schwester des Königs von England, verließ er Kopenhagen, begab sich nach London und von da nach Paris (1768). Seine Höflinge und seine Umgebung bestärkten seinen natürlichen Hang zur Wollust und Ausschweifung. Von seiner Reise brachte der König


1 Vgl. S. 18.

2 Christian VII.

3 Vgl. S. II.