<72>

Der Offizier hat sehr viele Kenntnisse nötig, aber zum Wichtigsten gehört die Kenntnis der Fortifikation: bei Belagerungen gibt sie ihm Gelegenheit, sich auszuzeichnen. Wird er selbst belagert, so kann er gute Dienste leisten. Gilt es, ein Lager zu befestigen, so benutzt man seine Einsicht. Soll ein Stützpunkt in der Postenkette der Winterquartiere verschanzt werden, er wird dazu herangezogen. Kurz, hat er nur etwas Talent, so findet er hundert Gelegenheiten, sich hervorzutun. Damit es den Offizieren nicht an Belehrung auf einem so wichtigen Gebiet der Kriegswissenschaft fehlte, gab der König jeder Inspektion einen Ingenieuroffizier bei, der die begabten jungen Offiziere unterrichtete1. Nachdem sie die Elemente der Befestigungskunst erlernt hatten, ließ man sie Befestigungen je nach dem Gelände entwerfen. Sie steckten Lager ab, trafen Marschdispositionen und durften aufihren Zeichnungen nicht einmal die Kavallerievorposten auslassen. Durch dies Studium erweiterte sich ihr Ideenkreis; sie lernten großzügig denken, beherrschten die Regeln der Lagerkunst und erwarben sich schon in jungen Jahren die Kenntnisse eines Generals.

Bei aller Sorgfalt, die man der Infanterie des Feldheeres zuwandte, wurden die Garnisonregimenter nicht vernachlässigt. Die Verteidiger einer Festung können ebenso gute Dienste leisten, wie die, welche Feldschlachten gewinnen. Man merzte ans ihnen all das Gesindel sowohl an Offizieren wie an Soldaten aus, disziplinierte sie wie die Feldregimenter, und der König besichtigte sie alljährlich bei den Revuen in den Provinzen genau wie jene. Das Größenmaß war bei ihnen geringer; trotzdem maß kein Mann unter 5 Fuß 3 Zoll. Obwohl sie nicht so schnell feuerten wie die Feldinfanterie, hätte jeder General sie von 1773 an gern in seiner Brigade gehabt.

Die Kavallerie hatte bei weitem nicht so große Verluste erlitten wie die Infanterie. Da sie stets siegreich gewesen war, so waren die alten Offiziere und Soldaten mit geringen Ausnahmen noch am Leben. Je länger ein Krieg dauert, um so mehr wird allemal die Infanterie leiden. Umgekehrt wird die Kavallerie immer besser, je länger er währt. Mit großer Sorgfalt wurde diese treffliche Truppe mit den besten Remonten versehen, die sich finden ließen.

Immerhin hatten einige Kavalleriegenerale, die als Detachementsführer Infanterie unter sich gehabt hatten, diese ungeschickt benutzt; der gleiche Vorwurf ließ sich übrigens auch gegen einige Infanterieführer erheben, die ihre Kavallerie unverständig verwandt hatten. Um solchen groben Fehlern künftig vorzubeugen, verfaßte der König ein Werk über Taktik und Lagerkunst2, das allgemeine Regeln für die Defensive wie für öle Offensive, sowie verschiedene Angriffs- und Verteidigungspläne nebst allen Dispositionen enthielt, und zwar auf Gegenden angewandt, die die ganze Armee kannte. Dies Lehrbuch voll handgreiflicher Vorschriften, die durch die Erfahrung Her vergangenen Kriege erhärtet waren, wurde den Inspekteuren anvertraut, die es ihrerseits den Generalen, den Bataillonskommandeuren und den Re-


1 Vgl. Bd. VI, S. 242 und 276 f.

2 Die „Grundsätze der Lagerkunst und der Taktik“ von 1770 (vgl. Bd. VI, S. l27 ff.).