<79> der Erwerbung Westpreußens mußte Ostpreußen im Stich gelassen werden, sobald sich ein Feind an der Grenze zeigte. Denn wäre dort eine preußische Armee geschlagen worden, so hatte sie nur zwei Rückzugslinien, die eine auf Königsberg, wo sie bald eingeschlossen und vielleicht zu einer schimpflichen Kapitulation gezwungen worden wäre, ähnlich wie der Herzog von Cumberland bei Stade1; oder sie hätte sich auf die Weichsel zurückziehen müssen, wo sie weder Magazine noch Festungen noch selbst Brücken zum Passieren des Flusses gefunden hätte.

Jetzt aber liegen die Dinge anders. Man konnte also einen vernünftigen Verteidigungsplan entwerfen, der vorherige Maßnahmen gestattete, nämlich die Errichtung von Festungen, die Anlage von Magazinen oder die Erbauung von Brücken. Folgendes wurde bestimmt.

Zur Verteidigungslinie für ganz Preußen wurde die Weichsel gewählt. Zunächst beschloß man, an ihren Ufern eine starke Festung zu bauen. Als geeignetester Punkt wurde Graudenz erkoren, und zwar nicht die Stadt selbst, sondern eine beherrschende Anhöhe in ihrer Nähe. Das bot einen doppelten Vorteil. Die Ossa und ein anderer Wasserlauf, die eine Viertelmeile von der zu befestigenden Stelle fließen, konnten, mit Schleusen versehen, die Umgegend unter Wasser setzen; dadurch wurde die Stellung unangreifbar. Man begann also mit dem Bau dieser wichtigen Festung. Nichts wurde gespart; der Plan befindet sich in der Plankammer. Wir wollen also nichts hinzufügen, außer daß die hohe Lage die Erbauung von drei Minensystemen übereinander gestattete, die sich bis auf 120 Schritt vor dem Glacis verzweigen. Ein Vorratsmagazin für die Truppen wurde erbaut. Obwohl das Ganze jetzt, im Jahre 1779, noch nicht ganz fertig ist und noch 800 000 Taler erforderlich sind, bis alles zur Vollendung gediehen sein wird, so ist doch wenigstens ein Anfang gemacht, und zwei Schiffrücken sind vorhanden, um den Fluß zu überschreiten, je nachdem, wie die Umstände erfordern.

Bemerkt sei nebenbei, daß die Weichsel bei ihrer Breite und ihrem reißenden Laufe auf Pontons ohne Schiffe nicht zu überschreiten ist. Um aber den Platz noch zu verstärken, müssen mit der Zeit noch zwei kleine Forts erbaut werden, das eine an der Nogat bei Marienburg und das andere bei Bromberg an der Mündung der Drewenz in die Deichsel, damit nämlich der Feind keine Schisse von Warschau oder vom Haff herbeischaffen kann, um den Fluß oberhalb oder unterhalb der Festung zu überschreiten.

Das eben dargelegte Projekt bildete die dritte Verteidigungslinie. Dank seiner Bodenbeschaffenheit bietet Preußen nämlich so vorteilhafte Abschnitte, daß man dem Feinde das Land Fuß um Fuß streitig machen kann. Die erste Verteidigungslinie liegt hinter der Memel, die bei Tilsit vorbeifließt und sich in die Ruß ergießt2. Dort


1 Gemeint ist die Konvention von Kloster Zeven vom 8. September 1757 (vgl. Bd. III, S. 91).

2 Vielmehr teilt sich die Memel unterhalb Tilsit in die Nuß und Gilge und ergießt sich ins Kurische Haff.