<96>liche Summen zurückgelegt, um ohne Unterstützung mehrere Feldzüge aushalten zu können.

Rußland war Preußens einziger Bundesgenosse. Dies Bündnis hätte hingereicht, wäre nicht der Ausbruch eines neuen Krieges in der Krim zu befürchten gewesen, der die Zarin verhindert hätte, dem König die ausbedungene Hilfe zu leisten. Allerdings hatte der Berliner Hof alle Mächte rücksichtsvoll behandelt und war mit keiner entzweit, aber angesichts der ehrgeizigen Absichten des Kaisers war mit Sicherheit vorauszusehen, daß das erste unverhoffte Ereignis diesen Vulkan zum Ausbruch bringen würde. Schon waren anläßlich der Visitation des Reichskammergerichts Mißhellig-leiten im Reiche entstanden. Das rechtswidrige Verfahren dieses Gerichtshofes hatte zu allerlei Beschwerden von seilen der geschädigten Fürsten geführt. Anstatt nun aber die Schuldigen, die seine Kreaturen waren, zu bestrafen oder fortzuschicken, hielt der Wiener Hofihnen die Stange. Doch der König von Preußen und der König von England in ihrer Eigenschaft als Kurfürsten nebst einem starken Anhang zwangen die Österreicher, in mehreren Punkten nachzugeben. Der despotische Sinn des Kaisers fühlte sich dadurch verletzt und brütete Rachepläne. Kurz, wohin man auch den Blick wandte, die Ruhe Europas schien von kurzer Dauer.

Um unter so kritischen Verhältnissen nicht planlos zu handeln, mußte Preußen sich mit anderen Mächten verständigen und die wirkliche Stimmung in Frankreich ergründen. Die alten Beziehungen zwischen dem Berliner und Versailler Hofe waren seit 1756 abgebrochen. Der darauf folgende Krieg, die Begeisterung der Franzosen für Österreich, ihre Anstrengungen zur Zerschmetterung des Königs von Preußen — einer ihrer Lieblingsausdrücke — und schließlich die daraus entsprungene Animosität hatten die Geister einander nicht näher gebracht. Derartige Wunden sind zu schmerzhaft, um rasch zu heilen. Nach dem Hubertusburger Frieden verwandelte sich die Erbitterung in Kälte; danach ging der Berliner Hof ein Bündnis mit Rußland ein. Nun muß man wissen, daß die Zarin eine Art Abneigung gegen alles Französische hatte. Diese stammte aus der Zeit der Kaiserin Elisabeth, wo der Versailler und Wiener Gesandte geraten hatten, die Zarin, d. h. die damalige Großfürstin, in ein Kloster zu stecken und den Großfürsten mit Prinzessin Kunigunde von Sachsen zu vermählen1. Solche Züge prägen sich dem weiblichen Gemüt so tief ein, daß ihre Spur sich nie verwischt. Der König von Preußen durfte sich also damals Frankreich nicht zu sehr nähern, wenn er seine einzige Bundesgenossin behalten wollte. Aus diesem Grunde kam der französische Gesandte in Berlin, Guines, eine Kreatur Choiseuls, mit seinen Unterhandlungen nicht vorwärts2, zumal 1770 die polnischen Unruhen ausbrachen und der König nicht zugleich auf selten der Russen stehen konnte, die für König Stanislaus Poniatowski eintraten, und auf selten der Franzosen, die die Konföderation von Bar3 unterstützten. Bald darauf kam es zu den Ereignissen, die


1 Diese Angabe beruht auf Irrtum.

2 Vgl. S. 15.

3 Vgl. S. 15 f.