Schreiben eines österreichischen Offiziers an einen Freund in der Schweiz230-1
(Frühling 1761)
Lieber Freund! Sie fragen mich, was es Neues bei uns gibt, und sehnen den Frieden herbei. Ich glaube Sie mit der Nachricht zu erfreuen, daß mitten in unseren militärischen Operationen, während unsere Alliierten kräftig gegen den König von Preußen vorgehen, Unterhandlungen gepflogen werden, die, wie Eingeweihte versichern, schon ziemlich weit gediehen sind. Anscheinend fangen unsere Herrscher an, des Mordens, der Räubereien und Grausamkeiten müde zu werden, die der Krieg mit sich bringt. Fühlt man Europa den Puls, so sieht es fest, daß der Anfall von Tobsucht nachläßt. Vielleicht bedarf es noch eines Aderlasses, damit die Vernunft wieder völlig die Oberhand gewinnt. Angeblich wird über folgende Präliminarien verhandelt. Ich war vor einigen Tagen zum Essen beim General Spada, wo er es mir selber versicherte. Ich schicke Ihnen das Ganze, so wie ich es erhielt.
Präliminarartikel des allgemeinen Friedensschlusses zwischen den hohen Verbündeten und Ihren Majestäten, den Königen von Preußen und Großbritannien.
Artikel 1
Zwischen den vertragschließenden hohen Mächten soll ewiger Friede herrschen. Sie werden sich mit ruchloser Falschheit gegenseitige Freundschaft schwören und beständig daran arbeiten, sich zu schaden, bis Neid, Eifersucht und Ehrgeiz Mittel zum abermaligen Ausbruch finden.
<231>Artikel 2
Die vertragschließenden hohen Mächte verpflichten sich gegenseitig, die Minister aufknüpfen zu lassen, die den gegenwärtigen Krieg herbeigeführt haben, nämlich .... (diese Stelle ist mit so schlechter Tinte geschrieben, daß ich sie nicht entziffern konnte).
Artikel 3
Jeder der vertragschließenden hohen Mächte sieht es frei, ohne daß eine von ihnen dagegen Einspruch erheben dürste, daheim über die Torheiten, Tölpeleien, dummen. Streiche und andere scherzhafte Dinge, die bei den Machbaren vorkommen, laut zu lachen.
Artikel 4
Die hohen Mächte verbieten ihren Schreibern in Friedenszeiten die Sprache von Marktweibern gegen Souveräne231-1.
Artikel 5
Alle Kanonen, die Mitschuldige der ungeheuren Schlächtereien des gegenwärtigen Krieges waren, werden sorgfältig in die respektiven Zeughäuser eingesperrt.
Artikel 6
Da man seit sechstausend Jahren infolge reiflichen Nachdenkens einzusehen beginnt, daß Hochmut und Frechheit der Höfe oft zu blutigen Kriegen geführt hat, verpflichten sich die hohen Mächte gegenseitig, den hochtrabenden Stil und die eitle Anmaßung fahren zu lassen, da sie allen Herrschern schlecht anstehen und für die öffentliche Ruhe gefährlich sind.
Artikel 7
Sämtliche vertragschließenden hohen Mächte verzichten auf phantastische Projekte, und jedermann wird vernünftig sein.
Ober diesen Artikel wird am meisten disputiert. Gelingt seine gütliche Regelung, so können wir auf dauernden Frieden hoffen.)
Artikel 8
Sobald man sich über diese Artikel geeinigt hat, wird bei allen Armeen der Waffenstillstand veröffentlicht.
Das, lieber Freund, ist alles, was ich herausgebracht habe. Möge der Himmel so vielem Elend ein Ende machen und uns keinen brüchigen, sondern einen dauerhaften Frieden bescheren. Wie versichert wird, soll der Kongreß in Nürnberg abgehalten<232> und den Botschaftern soll die Mitnahme von Konkubinen untersagt werden, da man den weiblichen Sinn für wenig friedfertig hält. Auf dem Kongreß wird also mehr Sittenstrenge herrschen als auf Vielen Konzilen. Wie Sie sich entsinnen werden, hatten die Kardinale und Bischöfe auf den Konzilen von Basel und Konstanz so viele Freundinnen mit, daß kaum Platz genug war, um diesen geistlichen Serail unterzubringen. Ich habe die Ehre zu sein usw.
230-1 Am 31. März 1761 hatte der russische Gesandte, Fürst Galizin, in London im Namen Rußlands und seiner Verbündeten den Vorschlag der Berufung eines Friedenskongresses nach Augsburg überreicht, mit der Aufforderung an England und Preußen, Bevollmächtigte für den Kongreß zu ernennen. König Friedrich zweifelte an der Aufrichtigkeit des Wiener Hofes und hielt daher den Kongreß, der in der Tat auch nicht zustande kam, von vornherein für aussichtslos (vgl. Bd. IV, S. 84 f. und 200 ff.). Diese Stimmung spiegelt sich in der obigen Satire wieder, die jedoch nicht zur Veröffentlichung gelangte.
231-1 Vgl. Bd. III, S. 60 und 119 f.