<119> Taktik ist sehr kunstgerecht. In der Auswahl der Lager herrscht äußerste Vorsicht und große Geländekenntnis. Dazu haben sie bewährteDispositionen und sind so klug, nichts zu unternehmen, ohne die im Kriege überhaupt mögliche Gewißheit des Erfolges zu haben. Sich nie zu einer Schlacht zwingen zu lassen, ist die erste Regel für jeden Heerführer. Darauf gründet sich ihr System. Daher ihre Suche nach starken Lagerplätzen auf Anhöhen und Gebirgen. Eigenheiten in der Wahl ihrer Stellungen haben die Österreicher nicht, außer daß man sie fast nie in einer schlechten Stellung findet und daß sie ihr Hauptaugenmerk darauf richten, sich beständig in unangreifbarem Gelände aufzustellen. Ihre Flanken lehnen sich stets an Schluchten, steile Abhänge, Sümpfe, Flüsse oder Städte. Besonders aber unterscheiden sie sich von dem früheren Brauche durch die Verteilung ihrer Truppen, um, wie gesagt, alle Vorteile des Geländes auszunutzen. Mit äußerster Sorgfalt weisen sie jeder Waffe die geeignete Stellung an.
Außer der Kunst gebrauchen sie auch noch die List und schieben häufig große Kavalleriemassen vor, um den feindlichen Heerführer zu falschen Maßnahmen zu verleiten. Doch habe ich mehr als einmal bemerkt, daß sie sich nicht im Ernst schlagen wollen, wenn sie ihre Kavallerie in einer Linie aufmarschieren lassen. Stellt sie sich jedoch schachbrettförmig auf, dann wollen sie sie wirklich gebrauchen. Dabei ist aber zu beachten: wenn Ihr die Kavallerie bei Beginn der Schlacht angreift, so wird Eure Kavallerie sie zwar bestimmt schlagen, gerät aber bei der geringsten Verfolgung in einen von der Infanterie gelegten Hinterhalt, in dem sie vernichtet wird. Greift Ihr also den Feind in einer festen Stellung an, so müßt Ihr Eure Kavallerie anfangs zurückhalten, Euch nicht durch falschen Schein täuschen lassen und sie garnicht dem Gewehr- und Geschützfeuer aussetzen, das ihr den ersten Kampfesmut rauben würde. Vielmehr müßt Ihr sie aufsparen, um das Gefecht wiederherzustellen oder sie zur Verfolgung des Feindes zu benutzen. Dann kann sie die größten Dienste leisten.
Während dieses ganzen Krieges sahen wir die österreichische Armee stets in drei Treffen gestellt, unterstützt und umgeben von einer gewaltigen Artilleriemasse. Ihr erstes Treffen sieht am Fuße der Anhöhen in fast ebenem Gelände, das nach der Seite des feindlichen Angriffs glacisartig abfällt. Das ist eine gute Methode. Sie beruht auf der Erfahrung, daß rasantes Feuer verheerender wirkt als Steilfeuer. Zudem hat der einzelne Mann auf dem Glaciskamm alle Votteile der Höhe, ohne deren Nachteile zu empfinden. Der ungedeckte, bergan stürmende Angreifer kann ihm durch sein Feuer nicht schaden, wogegen er selbst ein rasantes und gut vorbereitetes Feuer unterhält. Versieht er nur seine Waffe zu gebrauchen, so wird er den vorrückenden Feind vernichten, bevor er heran ist. Schlägt er den Angriff ab, so kann er den Feind verfolgen, unterstützt vom Gelände, das die verschiedenen Bewegungen begünstigt. Stände dagegen das erste Treffen auf einer zu hohen oder zu steilen Anhöhe, so könnte es sich nicht Herunterwagen, ohne in Unordnung zu ge-