<202> des Landes haben, in dem Ihr Krieg führen wollt, um über die Stellungen und Märsche, die Ihr dort machen könnt, Bescheid zu wissen und im voraus zu beurteilen, welche Lager der Feind zur Durchkreuzung Eurer Pläne beziehen kann. Vor allem müßt Ihr an die Verpflegung denken; denn eine Armee ist ein Körper, dessen Grundlage der Magen bildet1. Ihr mögt noch so schöne Pläne entwerfen, Ihr könnt sie doch nicht ausführen, wenn Eure Soldaten nichts zu essen haben. Ihr müßt also im voraus dafür sorgen, Magazine errichten und Depots in dem Lande anlegen, in dem Ihr Krieg führt, damit Eure Lebensmittel in der Nähe Eures Operationsgebiets sind.
Der erste Grundsatz eines Offensivkrieges ist, seinen Plan groß anzulegen, damit er im Falle des Gelingens bedeutende Folgen hat2. Versetzt dem Feind stets empfindliche Schläge und plänkelt nicht nur an seinen Grenzen herum. Der einzige Zweck des Kriegführens ist, den Gegner baldmöglichst zum Abschluß eines vorteilhaften Friedens zu zwingen. Diesen Gedanken muß man sich stets vor Augen halten. Steht Euer Plan nun fest und reichen Eure Lebensmittel zur Ausführung hin, so müßt Ihr alle möglichen Maßregeln ersinnen, um ihn vor dem Feinde geheim zu halten. Er muß bei Eröffnung des Feldzuges durch Eure Bewegungen irregeführt werden, Euch ganz andre Absichten zutrauen, als Ihr in Wirklichkeit habt. Nichts kann seine Maßregeln mehr durchkreuzen und ihn mehr zu falschen Schritten verleiten; an Euch ist es dann, Euren Nutzen daraus zu ziehen.
Bevor Ihr aber zum Handeln schreitet, müßt Ihr ohne Selbsttäuschung streng und kaltblütig alles prüfen, was der Feind zur Durchkreuzung Eures Planes unternehmen könnte, und in jedem besonderen Falle überlegen, welche Mittel Euch bleiben, um Euer Ziel trotz all seines Widerstandes zu erreichen. Je mehr Schwierigkeiten Ihr voraussetzt, desto weniger werdet Ihr überrascht sein, wenn Ihr ihnen beim Handeln begegnet. Außerdem habt Ihr dann schon in aller Ruhe über diese Hindernisse nachgedacht und Euch kaltblütig die Mittel zu ihrer Überwindung zurechtgelegt, sodaß Euch nichts mehr in Erstaunen setzen kann. So etwa war der Kriegszug Ludwigs XIV. gegen Holland im Jahre 1672. Er hätte ein glorreiches Ende genommen, hätten die Franzosen sich gleich der Schleusen von Naarden und Muiden bemächtigt. Dann wären sie Herren von Amsterdam geworden, zumal wenn die französische Armee sich nicht durch die zahlreichen Besatzungen geschwächt hätte, mit denen sie auch die kleinsten Festungen versah.
Feldzugspläne, die darauf angelegt sind, dem Feinde mit zwei, drei oder mehr Armeen entgegenzutreten, sind dem Mißlingen mehr ausgesetzt als solche, bei denen nur eine einzige Armee operiert. Es ist schwerer, drei gute Heerführer zu finden als einen. Ein Zweites kommt hinzu. Wenn Ihr Eure Hauptkräfte auf dem einen Kriegsschauplatz einsetzen wollt, so kann der Feind, da er freie Hand hat, sich seinerseits vornehmen, ein gleiches an einer andren Grenze zu tun. So geschieht es oft,
1 Vgl. S. 15.
2 Vgl. Bd. VII, S. 215.