<231> Feind richten. Es ist Sache des zweiten Treffens und seiner Geschütze, mit wohl, gezielten Schüssen die zurückzuweisen, die sich so leichten Kaufes Sieger wähnen. Vor allem muß man den Flanken der Armee die größte Aufmerksamkeit zuwenden und sie mit möglichst vielen Geschützen versehen, um sie unangreifbar zu machen.
Wir haben konische Zwölfpfünder, die nur für Detachements in der schlechten Jahreszeit taugen, wenn der Regen die Wege aufgeweicht hat. Sie tragen nicht so weit wie die andren, haben aber den Vorzug der Leichtigkeit, sodaß sie auch im Gebirge und auf schlechten Wegen fortzuschaffen sind.
Bei der Belagerung von Städten hat die Artillerie viele Aufgaben. Hier etwa die Hauptregeln, die zu befolgen sind. Zum Bau der Batterien, namentlich der ersten, müssen viele Arbeiter gestellt werden; denn die Arbeit hat Eile: die Batterien müssen schon in der ersten Nacht vollendet werden. Dauert die Arbeit länger, so läuft man Gefahr, daß die Batterien vom Feuer der Belagerten weggefegt werden, wie es Prinz Eugen bei der Belagerung von Belgrad erlebte (1717). Wird aber die Arbeit fettig, und die Geschütze sind bis zum Morgen eingebaut, so kann der Belagerte sie nicht demontieren. Diese ersten Batterien sind zum Niederkämpfen der feindlichen Geschütze bestimmt. Sie schießen zu dritt auf eine Schießscharte. Inzwischen bestreichen die Rikoschettbatterien den Hauptwall, und die Bastione des angegriffenen Polygons werden bombardiert, um die Geschütze zu demontieren und den Wall zu erschüttern. Bresche zu schießen ist keine Kunst; deswegen braucht es nicht geübt zu werden. Der Offizier muß nur wissen, daß die Breschbatterien am Graben des Werkes errichtet werden und daß die Kugeln den Fuß des Mauerwerks treffen müssen, um die Bekleidung und die darauf liegende Erbmasse zu erschüttern.
Vom Artilleriekommandeur eines belagerten Platzes verlangt man scharfe Aufmerksamkeit, auf welcher Seite der Feind den Laufgraben eröffnet. Sobald er dies bemerkt, muß er noch in derselben Nacht etwa 20 Sechspfünder in den gedeckten Weg schaffen lassen und von da mit Kartätschen auf die Arbeiter und ihre Bedeckung feuern. Bei richtiger Ausführung raubt er dem Angreifer dadurch mehr als eine Nacht bis zur Vollendung seiner Arbeit; denn sind die Schanzarbeiter einmal auf der Flucht, so kriegt man sie nicht mehr zusammen. Die Zeit verstreicht und der Tag bricht an, ohne daß die Truppen in den Laufgraben eingerückt sind. Später müssen die Bastionsgeschütze und die Mörser die vom Feinde errichteten Batterien zerstören. Noch wirksamer werden die Mörser, je näher die Arbeiten des Belagerers an die Stadt heranrücken. Ihre Bomben, mit schwacher Ladung gefeuert, wirken verheerend in den Laufgräben, und die Steinmörser schießen alles zusammen.
Vom Minenkrieg will ich hier nicht reden und behalte mir das Nähere für einen besonderen Abschnitt über die Ingenieure vor; denn bei uns wird der Minenkrieg eigentlich nicht von den Artilleristen geleitet. Sie beschränken sich auf ihre Kanonen, Haubitzen und Mörser und machen von diesen furchtbaren Waffen den von mir angegebenen Gebrauch.