<372> geben mußte. Hätte er sich zunächst in Polnisch-Preußen festgesetzt und sich dann Schritt für Schritt des Laufs der Weichsel und des Bug versichert, indem er an den Zusammenflüssen und an den geeigneten Orten Waffenplätze anlegte, die er durch Feldbefestigungen sichern konnte, wäre er in gleicher Weise bei allen durch Polen laufenden Flüssen verfahren, so hätte er feste Stützpunkte gehabt, durch die er das bereits eroberte Land behaupten konnte. Diese Plätze hätten es ihm leicht gemacht, Kontributionen zu erheben und Lebensmittel aufzuspeichern. Das hätte den Krieg in geregelte Bahnen gelenkt und allen Einfällen der Moskowiter und Sachsen schnell Einhalt getan. Diese gut befestigten Posten hätten seine Feinde, wenn sie Fortschritte machen wollten, zur Unternehmung von Belagerungen in fernen Ländern gezwungen, wohin der Transport von Geschützen sich um so schwieriger gestaltete, als die Straßen dort schlecht und morastig sind. Selbst im Fall eines Mißerfolges brauchte der König, da sein Rücken gedeckt war, seine Lage nicht als verzweifelt anzusehen; denn jene Plätze Hätten ihm Zeit gegeben, seine Verluste zu ersetzen und den siegreichen Feind aufzuhalten und zu beschäftigen.
Dadurch, daß Karl anders verfuhr, war er in Polen stets nur der Gegenden Herr, die seine Truppen besetzt hielten, und seine Feldzüge waren fortwährende Streifzüge. Bei der geringsten Schicksalslaune drohte ihm seine Eroberung wieder zu entgleiten. Er mußte viele unnütze Kämpfe bestehen und gewann durch seine glänzendsten Waffentaten nichts als den unsichern Besitz einer Provinz, aus der er seine Feinde vertrieben hatte.
Wir nähern uns nun allmählich der Zeit, wo das Schicksal sich gegen unsern Helden zu erklären begann. Die für ihn ungünstigen Ereignisse will ich mit doppelter Vorsicht untersuchen. Man soll die menschlichen Pläne und Unternehmungen nie nach ihrem Ausgang beurteilen. Hüten wir uns, dem Mangel an Vorsicht Unglücksfälle zuzuschreiben, die aus unberechenbaren Ursachen entstehen, Ursachen, die das Volk Zufall nennt und die trotz ihres großen Einflusses auf die Wechselfälle des Lebens doch so vielfältig und verborgen sind, daß sie auch den weitblickendsten Geistern entgehen. Man darf also den Schwedenkönig nicht für alle ihm zugestoßenen Unglücksfälle verantwortlich machen. Vielmehr muß man sorgfältig zwischen denen unterscheiden, die aus einer Verkettung unglücklicher Umstände hervorgegangen sind, und denen, die er sich durch seine eignen Fehler zugezogen haben kann.
Da ihn bei allen seinen Unternehmungen während des Krieges in Polen das Glück begleitete, so merkte er nicht, daß er oft gegen die Regeln der Kriegskunst verstieß, und da er für seine Fehler nicht gestraft wurde, so erfuhr er auch die schlimmen Folgen nicht, die daraus hätten erwachsen können. Das beständige Glück gab ihm zuviel Zuversicht, und er dachte garnicht daran, sein Verfahren zu ändern. Bei den Feldzügen nach Smolensk und in der Ukraine (1708) scheint er jede Vorsicht vernachlässigt zu haben. Selbst wenn er den Zaren in Moskau entthront hätte, würde er nicht mehr Lob verdienen; denn sein Erfolg wäre nicht sein Wert, sondern das des Zufalls