Die Nachlässigkeit der zum Rekognoszieren ausgesandten Offiziere kann Euch in die größte Bedrängnis bringen. Auf diese Weise wurde Neipperg bei Mollwitz überrascht; denn der Husarenoffizier, den er auf Kundschaft ausgeschickt hatte, versäumte seine Pflicht, und wir waren ihm auf dem Halse, als er sich dessen am wenigsten versah1. Ein Offizier von den Zietenhusaren patrouillierte schlecht an der Elbe in der Nacht, da der Feind seine Brücke bei Selmitz schlug und unerwartet über den Fluß ging2. Lernt also daraus, daß Ihr die Sicherheit der ganzen Armee niemals der Wachsamkeit eines einzigen Subalternoffiziers anvertrauen dürft. Dergleichen große und wichtige Dinge dürfen nicht von einem einzigen Menschen oder von einem Subalternoffizier abhängen. Beherzigt auch wohl, was ich in dem Kapitel über die Verteidigung von Flüssen im allgemeinen gesagt habe3. Patrouillen dürfen überhaupt nur als überflüssige Vorsichtsmaßregel angesehen werden. Man soll sich nie völlig auf sie verlassen, sondern noch viele andre gründlichere und zuverlässigere Vorsichtsmaßregeln ergreifen.
Verrat ist das Schlimmste, was einem zustoßen kann. Prinz Eugen wurde 1734 von General Stein verraten, den die Franzosen bestochen hatten. Ich verlor Kosel durch den Verrat eines Offiziers der Besatzung, der zum Feinde überging und ihn hineinführte4.
Kurz, aus allem oben Gesagten ergibt sich, daß man auch mitten im Glück sich nie auf etwas verlassen noch durch seine Erfolge hochmütig werden soll. Vielmehr soll man bedenken, daß wir bei unsrer geringen Klugheit und Vorsicht oft die Spielbälle des Zufalls und unerwarteter Ereignisse werden, durch die ein unbekanntes Schicksal den Dünkel der Eingebildeten zu demütigen liebt.
28. Kapitel Soll ein Heerführer Kriegsrat halten?
Prinz Eugen pflegte zu sagen, wenn ein Heerführer keine Lust hätte, etwas zu unternehmen, so gäbe es kein besseres Mittel, als einen Kriegsrat zu halten. Das trifft um so mehr zu, als die meisten Stimmen beim Kriegsrat auf NichtHandeln lauten. Ein Heerführer, dem der Herrscher seine Truppen anvertraut, muß selbständig verfahren. Das Vertrauen, das der Fürst in seine Verdienste setzt, berechtigt ihn dazu. Außerdem wird die im Kriege so notwendige Geheimhaltung bei einem Kriegsrat
1 Vgl. Bd. II, S. 74.
2 In der Nacht zum 19. November 1744 (vgl. Bd. II, S. 184).
3 Vgl. S. 53.
4 Vgl. S. 54.