16. Kapitel Krieg im eignen Lande, auf neutralem Gebiet und in Feindesland. Unterschied der Religionen und Verhalten in den verschiedenen Fällen

Man führt Krieg in drei Arten von Ländern, nämlich im eignen Lande, auf neutralem Gebiet oder in Feindesland. Wäre es mir bloß um Glanz und Ruhm zu tun, so würde ich immer nur in meinem eignen Lande Krieg führen; denn man hat dabei alle Vorteile für sich. Jedermann dient als Spion, und der Feind kann nicht einen Schritt tun, ohne verraten zu werden. Man kann dreist große und kleine Streift korps ausschicken, kann den Angreifer überrumpeln und alle Hebel des Krieges, von den größten bis zu den kleinsten, gegen ihn in Bewegung setzen. Wird er geschlagen, so wird jeder Bauer zum Soldaten und ficht gegen ihn. Diese Erfahrung machte Kurfürst Friedrich Wilhelm nach der Schlacht bei Fehrbellin, wo die Bauern mehr Schweden totschlugen, als in der Schlacht selbst geblieben waren41-2. Ich für mein Teil habe das nach der Schlacht von Hohenfriedberg erlebt, wo die schlesischen Bergbewohner viele Flüchtlinge von der österreichischen Armee als Kriegsgefangene einbrachten41-3.

Wird der Krieg in neutralem Lande geführt, so scheint der Vorteil auf beiden Seiten gleich, und es kommt nur darauf an, wer von beiden das Vertrauen und die Liebe der Einwohner zu gewinnen weiß. Man hält deshalb streng auf Disziplin, verbietet das Marodieren und Plündern und bestraft es hart. Dem Feinde schiebt man die schlimmsten Absichten zu. In einem protestantischen Lande, wie Sachsen, spielt man die Rolle des Beschützers der lutherischen Religion und sucht in den Herzen des gemeinen Volkes, das in seiner Einfalt leicht zu betrügen ist, den Fanatismus zu schüren. In katholischen Ländern redet man nur von Toleranz, predigt<42> Mäßigung und wirft auf die Priester alle Schuld an der Erbitterung zwischen den christlichen Sekten, da diese ja in allen wesentlichen Glaubenslehren übereinstimmen.

Bei der Aussendung von Streifkorps muß man sich danach richten, welche Aufnahme man bei den Einwohnern findet. Im eignen Lande kann man alles wagen; auf neutralem Gebiet aber muß man schon behutsamer sein, falls man des Volkes oder doch der Mehrzahl der Einwohner nicht völlig sicher ist.

In ganz feindlichen Ländern, wie Böhmen oder Mähren, muß man sich nur auf ein ganz sicheres Spiel einlassen, aus den angeführten Gründen seine Streifkorps nicht leichtsinnig aussetzen und den Krieg so geschlossen wie möglich führen. Die leichten Truppen dienen dann größtenteils zur Deckung der Zufuhr. Man wähne nicht, daß sich das Volk dort jemals gewinnen lasse. Nur an den Hussiten im Königgrätzer Kreise hat man einen Rückhalt. Die Gutsherren sind Verräter, wenn sie sich auch wohlgesinnt stellen. Ein gleiches gilt von den Pfaffen und den Amtleuten; denn ihre Interessen sind mit denen des Hauses Österreich verknüpft, und da das eigne Interesse fast überall die Haupttriebfeder der menschlichen Handlungen ist, so darf man den Menschen nie trauen, wenn das ihre sich mit dem unsern nicht deckt. Das einzige, was einem noch verbleibt, ist der Fanatismus. Kann man das Volk bei seiner Gewissensfreiheit packen und ihm beibringen, daß es von den Pfaffen und Frömmlern bedrückt wird, so kann man sicher auf seinen Beistand rechnen. Das heißt aber, Himmel und Hölle für Eure Sache in Bewegung setzen42-1.


41-2 Vgl. Bd. I, S. 76.

41-3 Vgl. Bd. II, S. 222.

42-1 Zusatz von 1752: „Seit der Niederschrift dieses Weckes hat die Königin von Ungarn die Steuerlast in Mähren und Böhmen erhöht. Man könnte vielleicht die dortigen Einwohner durch die Zusicherung gewinnen, sie nach Eroberung dieser Lande schonender zu behandeln.“