20. Kapitel Bewegungen, um den Feind zum Stellungswechsel zu zwingen

Wenn man glaubt, es genüge, mit der eignen Armee eine Bewegung zu machen, um den Feind zu zwingen, ein gleiches zu tun, so täuscht man sich sehr. Nicht die Bewegung ist das Entscheidende, sondern die Art, wie sie gemacht wird. Bloße Scheinbewegungen führen einen geschickten Feind nicht irre. Dazu bedarf es der Besetzung wichtiger Stellungen, die ernstliche Bedenken bei ihm erwecken und ihn zum Aufbruch nötigen. Daher muß man das Land gut kennen, nicht minder den feindlichen Heerführer, mit dem man zu tun hat, die Städte, an denen ihm am meisten gelegen ist, die Orte, wo seine Magazine sind und woher er seine Fourage bezieht. Alle diese Umstände muß man miteinander verknüpfen und reiflich erwägen und danach seine Projekte machen. Von zwei Heerführern wird auf die Dauer immer der das Spiel gewinnen, der die meisten Schachzüge hintereinander ersonnen hat.

Zu Anfang des Feldzuges zwingt der, welcher sein Heer zuerst zusammenzieht und zuerst vorrückt, um eine Stadt zu erobern oder eine Stellung einzunehmen, den Gegner dazu, sich nach seinen Bewegungen zu richten, und wirst ihn in die Defensive.

Wollt Ihr Euren Gegner im Laufe des Feldzuges zwingen, sein Lager zu wechseln, so müßt Ihr Euren Grund dazu haben, sei es, daß Ihr eine Stadt nehmen wollt, in deren Nähe er lagert, oder daß Ihr ihn in eine unfruchtbare Gegend treiben wollt, wo er sich nur mit Mühe verpflegen kann, oder schließlich, daß Ihr eine Schlacht zu liefern hofft, die Euch noch größere Vorteile verschafft. Liegt ein solcher Grund vor, so müßt Ihr einen Plan zur Ausführung entwerfen und ihn ins Wert setzen, dabei aber auch sehr sorgfältig erwägen, ob die Märsche, die Ihr deswegen macht, und die Lager, die Ihr beziehen wollt, Euch und Eure Armee nicht in weit größere Bedrängnis bringen können: z. B. wenn Ihr Euch von einer schlecht befestigten Stadt entfernt, in der Ihr Eure Lebensmittel habt, sodaß die leichten Truppen des Feindes sie in Eurer Abwesenheit beim ersten Anlauf erobern können. Oder wenn Ihr eine Stellung einnehmt, in der Euch der Feind durch eine Bewegung von Eurem Lande und Euren rückwärtigen Verbindungen abschneiden könnte. Oder auch, wenn Ihr Euch in ein Land werft, das Ihr aus Mangel an Fourage vielleicht bald wieder verlassen müßt. Aber nicht das allein ist zu erwägen. Ihr müßt Euch auch klar machen, was<51> etwa der Feind gegen Euch unternehmen kann und was er nicht zu tun vermöchte. Danach entwerft Ihr Euren Plan, es sei nun, in des Feindes Flanke zu lagern oder in ein Land einzufallen, aus dem er seine Lebensmittel bezieht, oder ihn von seiner Hauptstadt abzuschneiden, oder seine Magazine zu bedrohen oder ihm durch Eure Stellung die Fourage zu beschränken.

Um ein Beispiel anzuführen, das allen meinen Offizieren bekannt ist, will ich einen Plan entwerfen, wie wir es im Jahre 1745 hätten anstellen können, um den Prinzen von Lothringen zum Verlassen von Königgrätz und Pardubitz zu zwingen. Aus dem Lager von Diwetz hätten wir nach links abmarschieren und längs der Grafschaft Glatz auf Hohenmauth rücken müssen. Da die Österreicher ihr Magazin in Deutsch-Brod hatten und ihre Lebensmittel größtenteils aus Mähren bezogen, wären sie zum Marsche auf Landskron gezwungen worden. Damit wären Königgrätz und Pardubitz in unsre Hand gefallen, und die Sachsen, die durch jenen Marsch von der Heimat abgeschnitten worden wären, hätten sich gewiß von den Österreichern getrennt, um ihr eignes Land zu decken51-1. Was mich damals von jenem Marsch abhielt, war, daß ich mit der Einnahme von Königgrätz garnichts gewonnen hätte. Denn wären die Sachsen nach Hause gezogen, so hätte ich mich ebenfalls schwächen müssen, um dem Fürsten von Anhalt Verstärkungen zu schicken. Außerdem hatte ich in Glatz nicht Proviant genug, um während des ganzen Feldzuges aus diesem einzigen Magazin zu leben.

Auch durch Diversionen, die man von Detachements machen läßt, nötigt man den Feind, sein Lager zu wechseln. Alle Unternehmungen, auf die der Feind nicht gesaßt ist, machen ihn irre und bringen ihn zum Abzug. So z. B. Gebirgsübergänge, die er für unmöglich hält und die doch fast stets ausführbar sind, oder unvermerkte Flußübergänge. Man lese den Feldzug des Prinzen Eugen vom Jahre 1701 in Italien. Sein Zug über die Alpen warf alle Pläne Catinats über den Haufen. Wir alle wissen, welche Verwirrung 1744 bei der französischen Armee entstand, als der Prinz von Lothringen unerwartet über den Rhein ging51-2.

Ich schließe also, daß die gleichen Ursachen stets die gleichen Wirkungen haben werden. So oft ein General seine Bewegungen richtig berechnet und sie aus triftigen Gründen ausführt, wird er den Feind stets in die Defensive werfen und ihn dazu zwingen, sich nach ihm zu richten.


51-1 Vgl. S. 37 und Bd. I I, S. 225.

51-2 Vgl. Bd. I I, S. 169 f.