23. Kapitel Überfälle von Städten

Städte, die man überrumpeln will, müssen schlecht bewacht und schlecht befestigt sein. Haben sie Wassergräben, so ist der Überfall nur im Winter möglich. Man überfällt Städte mit einer ganzen Armee, wie es 1741 mit Prag geschaht54-1, oder nachdem man die Besatzung durch eine lange Blockade eingeschläfert hat, wie Erbprinz Leopold von Anhalt es mit Glogau machte54-2. Man überfällt sie auch mit Detachements, wie Prinz Eugen es mit Cremona versuchte54-3, und wie es den Österreichern mit Kosel gelang54-4. Die Hauptregel bei Überfällen ist, daß man die Festungswerke und das Innere der Stadt genau kennt, damit man die Angriffe nach der Örtlichkeit einrichten kann. Der Überfall von Glogau war ein Meisterstück, das alle, die Überfälle machen wollen, studieren müssen. Der von Prag war nicht so hervorragend; denn da eine schwache Besatzung eine sehr weitläufige Stadt zu verteidigen hatte, so war es nicht zu verwundern, daß sie nach wiederholten Angriffen erobert wurde. Kosel und Cremona fielen durch Verrat, und zwar ersteres durch einen Offizier der Besatzung, der zu den Österreichern überlief und ihnen entdeckte, daß die Vertiefung des Grabens noch nicht ganz beendigt war. Sie durchschritten ihn an einer seichten Stelle und eroberten die Festung.

Bei kleinen Städten sprengt man die Tore. Jedoch muß man vor sämtliche Tore Detachements schicken, damit der Feind sich nicht retten kann. Will man dabei Artillerie brauchen, so muß man sie so aufstellen, daß die Kanoniere vor dem Gewehrfeuer gedeckt sind; sonst läuft man Gefahr, das Geschütz zu verlieren.


54-1 Die Franzosen, Bayern und Sachsen erstürmten in der Nacht zum 26. November 1741 Prag (vgl. Bd. II, S. 93 f).

54-2 Glogau wurde am 9. März 1741 erstürmt (vgl. Bd. II, S. 71).

54-3 Vgl. S. 31.

54-4 Kosel fiel am 26. Mai 1745 (vgl. Bd. II, S. 224).