30. Kapitel Winterquartiere
Gegen Ende des Feldzuges denkt man an die Winterquartiere und bezieht sie je nach den Umständen, in denen man sich befindet. Zuerst wird die Postenkette gezogen, die die Quartiere decken soll. Diese Truppen werden auf dreierlei Art postiert: hinter einem Flusse, in festen Stellungen im Gebirge oder im Schütze von Festungen. Im Winter 1741/42 bezogen die preußischen Truppen, die in Böhmen überwinterten, ihre Quartiere hinter der Elbe. Die Postenkette, die sie deckte, ging von Brandeis über Nimburg, Kolin, Podiebrad und Pardubitz bis Königgrätz. Ich bemerke hierbei, daß man sich nie auf die Flüsse verlassen darf; denn bei Frost sind sie fast überall zu passieren. Ferner verlangt die Vorsicht, daß man alle Posten mit Husaren versieht, die auf die Bewegungen des Feindes aufpassen und unaufhörlich nach vorwärts aufklären müssen, um festzustellen, ob der Feind sich ruhig verhält oder irgendwo Truppen zusammenzieht81-1.
Im Winter 1744/45 zogen wir die Postenkette unsrer Quartiere längs der Gebirge, die Böhmen von Schlesien trennen, und hielten genau die Landesgrenze inne, um Ruhe zu haben. General Truchseß hatte die Grenze von der Lausitz bis zur Grafschaft Glatz unter sich, nämlich die Stellungen von Schmiedeberg und Friedland, die durch zwei Schanzen befestigt waren. Außerdem waren ein paar kleine Posten auf der Straße nach Schatzlar, Liebau und Silberberg befestigt, und eine Reserve stand zur Unterstützung der Stellung bereit, die der Feind etwa belästigen wollte. Alle diese Detachements waren durch Verhaue gedeckt und alle nach Böhmen führenden Straßen unbrauchbar gemacht. Auch hatte jeder Posten seine Husaren zum Rekognoszieren. General Lehwaldt deckte die Grafschaft Glatz mit ebensolch einem Detache-ment unter den gleichen Vorsichtsmaßregeln. Beide Generale reichten einander die Hand. Wären also die Österreicher gegen Truchseß marschiert, so wäre ihnen Lehwaldt durch einen Einfall nach Böhmen in den Rücken gekommen, und umgekehrt. Troppau und Iägerndorf bildeten unsre Stützpunkte in Oberschlesien; sie standen über Ziegenhals und Patschtau mit Glatz und über Neustadt mit Neiße in Verbindung. Ich bemerke noch, daß man sich nie auf die Berge verlassen darf, sondern sich stets des Sprichworts erinnern soll, daß der Soldat da durchkommen kann, wo eine Ziege durchkommt.
Was die Postenkette der Winterquartiere betrifft, wenn sie im Schütze von Festungen liegt, so verweise ich Euch auf die Winterquartiere des Marschalls von Sachsen. Sie sind die besten. Aber man hat nicht immer freie Wahl und muß die Postenkette nach dem besetzten Gelände einrichten.
<82>Ich füge als Grundsatz hinzu, daß man in den Winterquartieren nicht einer Stadt oder einem Posten zuliebe eigensinnig sein darf, sofern der Feind Euch von dort aus nicht großen Schaden zufügen kann; denn Eure Hauptsorge muß die sein, Euren Truppen in ihren Quartieren Ruhe zu verschaffen.
Als zweite Grundregel setze ich hinzu, daß man am besten tut, die Regimenter brigadeweise in die Winterquartiere zu schicken, damit die Generale sie unter Aufsicht behalten. Unser Dienst erheischt auch, daß die Regimenter nach Möglichkeit zu den Generalen, die ihre Chefs sind, gelegt werden. Diese Regel duldet jedoch Ausnahmen, und der Heerführer muß beurteilen, wieweit sie berücksichtigt werden kann.
Ich gebe nun an, wie die Truppen in den Winterquartieren verpflegt werden müssen. Sind die Quartiere im eignen Lande, so gebührt den Hauptleuten und Subalternoffizieren eine Gratifikation. Der gemeine Mann erhält Brot und Fleisch umsonst. Sind die Winterquartiere in Feindesland, so erhält der Höchstkomman-dierende 15 000, die Generale der Infanterie und Kavallerie 10 000, die Generalleutnants 7000, die Generalmajore 5 000, die Rittmeister 2 000, die Hauptleute 1 800, die Subalternoffiziere 100 Dukaten. Der gemeine Mann erhält Brot, Fleisch und Bier umsonst, welches das Land liefert, aber kein Geld; denn Geld verlockt zum Desertieren. Der Höchsikommandierende muß sireng darauf halten, daß dies alles ordnungsmäßig geschieht. Plündern ist verboten, dagegen soll er die Offiziere wegen kleiner Prosite, die sie sich machen, nicht allzu sehr schikanieren.
Ist die Armee in Feindesland, so hat der Heerführer sie zu komplettieren. Er verteilt deshalb die Kreise dergestalt, daß z. B. drei Regimenter auf diesen Kreis, vier Regimenter auf jenen usw. angewiesen werden. Jeden Kreis teilt er in Bezirke und weist diese als Kantons an. Wollen die Stände die Rekruten liefern, um so besser; wo nicht, so braucht man Gewalt. Die Rekruten müssen beizeiten gestellt werden, damit die Offiziere Zeit haben, sie einzuexerzieren und bis zum nächsten Frühjahr fertig auszubilden. Außerdem müssen die Hauptleute auf Werbung schicken.
Der Heerführer muß sich um alle diese inneren Angelegenheiten kümmern und also auch dafür sorgen, daß die Pferde für die Artillerie, das Munitions- und Proviantfuhrwerk, die das feindliche Land zu stellen hat, entweder selbst geliefert oder in Geld bezahlt werden. Er muß ferner ein Auge darauf haben, daß die Kontributionen an die Kriegskasse pünktlich gezahlt werden. Alle Feldausrüstungen, Lafetten und was sonst zum Fuhrpark einer Armee gehört, werden auf Kosten des feindlichen Landes wiederhergestellt. Der Heerführer wacht darüber, daß die Kavallerie ihre Sättel, Zaumzeuge, Steigbügel, Stiefel usw. repariert, und daß die Infanterie Vorräte an Schuhen, Strümpfen, Hemden und Gamaschen für den nächsten Feldzug anschafft, ferner daß die Zeltdecken und die Zelte selbst ausgebessert werden, daß die Kavallerie ihre Säbel schleift, die Infanterie ihre sämtlichen Waffen instand setzt und daß die Artillerie für den nächsten Feldzug eine Menge Patronen für die Infanterie und die Husaren anfertigt und ferner einen Vorrat von Kartätschen für die Geschütze herstellt. Auch hat<83> er dafür zu sorgen, daß die Truppen, die die Postenkette der Winterquartiere bilden, reichlich mit Pulver und Kugeln versehen sind und daß es überhaupt der Armee an nichts fehlt.
Wenn die Zeit es erlaubt, wird der Höchstkommandierende gut tun, selbst einige Quartiere zu besichtigen, um nach dem Zustand der Truppen zu sehen und sich zu vergewissern, ob die Offiziere die Leute exerzieren oder saumselig sind; denn nicht nur die Rekruten müssen gedrillt werden, sondern auch die alten Leute, damit sie nicht aus der Übung kommen.
Naht die Zeit zur Eröffnung des Feldzuges heran, so werden Kantonnementsquartiere nach der Ordre de bataille bezogen, die Kavallerie auf den Flügeln, die Infanterie in der Mitte. Diese Kantonnements haben eine Frontbreite von etwa vier bis fünf Meilen und eine Tiefe von zwei Meilen. Gewöhnlich werden sie zu der Zeit, wo man zu kampieren gedenkt, enger gelegt. Ich habe gefunden, daß es gut ist, die Truppen in den Kantonnements unter das Kommando der sechs rangältesten Generale zu stellen, z. B. so, daß ein General die ganze Kavallerie des rechten Flügels, ein zweiter die ganze Kavallerie des linken Flügels, ein dritter den rechten Infanterieflügel des ersten Treffens, ein vierter den rechten Infanteriefiügel des zweiten Treffens, ein fünfter den linken Infanteriefiügel des ersten und ein sechster den des zweiten Treffens kommandiert. Auf diese Weise werden die Befehle viel schneller ausgeführt, und die Truppen setzen sich leichter in Kolonnen, um ins Lager zu rücken.
Hinsichtlich der Winterquartiere rate ich noch, sie nie eher zu beziehen, als bis man völlig sicher ist, daß die feindliche Armee ganz auseinandergegangen ist83-1.
81-1 Zusatz von 1752: „Ferner müssen hinter der Infanteriepostenkette in gewissen Abständen Infanterie- und Kavalleriebrigaden bereit stehen, um Hilfe zu bringen, wo es nötig ist.“
83-1 Zusatz von 1752: „Man erinnere sich stets dessen, was dem Großen Kurfürsten Im Elsaß widerfuhr, als Turenne über Thann und Belfort her in seine Winterquartiere einfiel.“ Vgl. S. 31 und Bd. I, S. 73.